Klin Monbl Augenheilkd 2021; 238(12): 1281-1282
DOI: 10.1055/a-1654-3888
Editorial

Neue Technologien in der Augenheilkunde – optische Technologien digital unterstützt

New Technologies in Ophthalmology – Optical Technologies Digitally Supported
Oliver Stachs
,
Rudolf F. Guthoff
,
Christian Mardin

In den diesjährigen Beiträgen zum Schwerpunktthema „Neue Technologien“ stellen wir uns die Frage nach der Rolle des Augenarztes in seinen Kernkompetenzen und die Rolle der Nutzung seiner ihm analog zur Verfügung stehenden Hilfsmittel: das eigene Auge, das eigene zentrale Nervensystem einschließlich seiner manuellen Feinmotorik. Und schließlich wird die Tür einen Spalt geöffnet zur rechnergestützten Bildanalyse und zu OCT-generierten Daten, die die Augenheilkunde als Informationslieferant auch für andere Fachdisziplinen interessant machen.

Ein Operationssaal in der Augenheilkunde ist heute ohne ein zeitgemäßes Operationsmikroskop nicht mehr vorstellbar. Es gibt Erinnerungen an Zeiten von weniger als 50 Jahren, in denen ein Direktor einer deutschen Universitätsaugenklinik seinen Assistenten gelegentlich zeigte, dass Keratoplastiken in guter Qualität auch unter Nutzung einer Lupenbrille durchgeführt werden können: „Ich wollte es euch nur wieder einmal zeigen, dass es auch so geht.“

Betrachtet man die Arbeit von Tristan Bourcier und Mitarbeitern aus Straßburg, stellt sich die Frage: Ist der Operateur überhaupt noch notwendig und ab wann übernimmt ein rechnergestütztes System, wie in der refraktiven Chirurgie bereits Routine, alle bisher manuell so anspruchsvollen mikrochirurgischen Schritte eines Eingriffs.

Wir waren es gewohnt, den Operationssitus über ein Linsensystem auf unsere Netzhaut abzubilden. Dies gelang mit zunehmend weniger Lichtbelastung im Operationsfeld und immer besserer Bildqualität für den Operateur. Im Zeitalter von Virtual und Augmented Reality stehen Systeme zur Verfügung, welche die für den Operateur wichtigen Informationen ohne direkte Nutzung eines optischen Strahlengangs via Bildschirm höher aufgelöst für den Operateur präsentieren und weniger belastend für den Patienten sind.

Bereits routinemäßig werden operationsrelevante Daten stadiengerecht dem Operateur optisch zur Verfügung gestellt – sei es in den Strahlengang eingespiegelt, sei es auf dem Bildschirm. Die Nutzung von Methoden der Augmented Reality bietet sich an.

Der Stand der Technik in der robotergestützten Augenchirurgie ist bei gut standardisierbaren refraktiv-chirurgischen Eingriffen bereits so perfektioniert, dass an die Mikromotorik des Operateurs kein weiterer Anspruch gestellt werden muss. Dass auch darüber hinaus komplexere und nicht standardisierbare Eingriffe, wie eine Amnionmembranaufnähung oder eine Pterygiumabtragung, durch ein automatisiertes System ohne Einwirkung durch den Ophthalmochirurgen durchgeführt werden können, zeigt das Potenzial und die enge Verzahnung von Bildanalyse, Robotik und ophthalmologischer Mikrochirurgie.

Der dritte Beitrag stellt mit der für die Augenheilkunde optimierten OCT-Angiografie eine Verbindung zu allen medizinischen Fächern dar, die sich mit Mikrozirkulation beschäftigen. Neueste Arbeiten weisen darauf hin, dass die retinale, kapillare Mikrozirkulation in der Makula mit dem Parameter Gefäßdichte mit struktureller Atrophie der Netzhautschichten korreliert. Diese Beobachtung wurde nicht nur bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Small Fiber Disease und multipler Sklerose gemacht. Auch bei Patienten mit Long-COVID konnte eine Reduktion der retinalen Kapillardichte ohne erkennbare strukturelle Schäden beschrieben werden. Dem Augenarzt wird mit der OCT-Angiografie ein neues Fenster zum gesamten Gefäßsystem, nicht nur seiner eigenen Patienten, eröffnet.

Zugegeben, die vorgestellten Arbeiten bieten nur einen sehr kleinen Einblick in die Möglichkeiten der digitalen Unterstützung des Augenarztes. Die Herausgeber des Schwerpunktthemas „Neue Technologien“ möchten alle Leser der Klinischen Monatsblätter für Augenheilkunde anregen, sich offen, aber auch kritisch mit diesen Methoden auseinanderzusetzen.

Rudolf F. Guthoff, Christian Mardin und Oliver Stachs



Publication History

Article published online:
08 December 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany