Nervenheilkunde 2022; 41(01/02): 3-5
DOI: 10.1055/a-1650-1935
Zu diesem Heft

Nervenheilkunde

Zeitschrift für interdisziplinäre Fortbildung
Stefan Evers
 
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Prof. Dr. Dr. Stefan Evers Chefarzt der Neurologischen Klinik im Krankenhaus Lindenbrunn, Coppenbrügge

Die Bandbreite der Nervenheilkunde

Liebe Leserin, lieber Leser,

in guter Tradition wechseln sich in der Zeitschrift Nervenheilkunde Themenhefte und Hefte mit freien Beiträgen immer mal wieder einander ab. So kann man wichtige Themen sehr vertieft darstellen und doch auch die ganze Bandbreite der Nervenheilkunde abdecken. Dieses Heft ist wieder freien Beiträgen gewidmet, so erwartet Sie eine Mischung aus neurologischen und psychiatrischen Themen.

In dem Artikel von Jens Kuhn et al. geht es um das kontroverse Thema der Rolle von Cannabis in der Schizophrenie. Während es eine starke Evidenz für die Auslösung von Psychosen durch THC-haltige Drogen und Medikamente gibt, so ist noch wenig bekannt über die Rolle von CBD-haltigen Präparaten in der Therapie. Die Autoren bringen uns auf den neuesten Stand der Forschung, die erste Hinweise auf einen therapeutischen Nutzen dieser Substanzen gibt.

Aus der Universität Witten-Herdecke ist der Beitrag von Daniela Reis und Kollegen entstanden. Er berührt ein sehr wichtiges Thema, nämlich die Stressbelastung des medizinischen Personals in den Zeiten der Corona-Infektion. Hier haben sich erstaunlich wenig zeitliche und regionale Unterschiede in der Stressbelastung ergeben. Allerdings gibt es auch hier Einzelergebnisse, die eine genauere Betrachtung benötigen, sodass in Zukunft Strategien entwickelt werden können, um noch besser mit einer solchen Stressbelastung umzugehen.

Melanie Kugelmann et al. beschäftigen sich mit dem Konzept der schizoaffektiven Störung. Diese Diagnose ist zwar zumindest in psychiatrischen Fachkreisen gut bekannt und auch gängig, sie ist jedoch konzeptionell bis heute unscharf und wurde nicht sehr einheitlich gestellt. Ein Grund hierfür sind unterschiedliche diagnostische Kriterien in den jeweiligen Klassifikationssystemen. Die Autoren analysieren daher, welche operationalen Unterschiede in den verschiedenen Klassifikationen bestehen und wie sich das konkret im klinischen Alltag auswirkt. Es bleibt hier zu hoffen, dass in der Operationalisierung des zukünftigen ICD-11 diese Diagnose konkreter und schärfer abgebildet wird.

Eine Arbeitsgruppe, an der der Unterzeichnete auch beteiligt war, hat sich mit dem Konzept der Migränepersönlichkeit beschäftigt. Die Migränepersönlichkeit ist zum einen immer wieder psychopathologisch beschrieben worden und hat in der Medizingeschichte quasi einen festen Stellenwert. Zum anderen bieten Literatur und Medien immer wieder auch eine karikierende Darstellung der Migränepersönlichkeit. Deswegen wurde die zur Verfügung stehende wissenschaftliche Literatur kritisch gesichtet mit dem Ergebnis, dass es nach modernen Definitionen keine Migränepersönlichkeit gibt, dass aber spezifische Veränderungen der kognitiven Reizverarbeitung und spezifische Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu einem solchen Konstrukt beigetragen haben.

Der Artikel von Andrea Maier und Kollegen aus Aachen beschäftigt sich wiederum mit einem ganz anderen Thema. Es geht um die Verträglichkeit der Hautbiopsie bei posturalem Tachykardie-Syndrom, konkret um die Frage, wie sich das Lokalanästhetikum auswirkt. Die Hautbiopsie dient dabei zur Feststellung einer Small Fiber Neuropathy. Die Ergebnisse zeigen zusammengefasst, dass eine Hautbiopsie problemlos möglich ist und keine relevanten Risiken beinhaltet.

Ein historischer Beitrag von Beato Suwa rundet das Heft ab. Es geht darin um den Neuroanatomen/Neurologen Nicolaus Friedreich, den meisten unter uns von der Friedreich-Ataxie bekannt, der sich vor allem um die wissenschaftliche Beschreibung der Pyramidenbahn verdient gemacht hat. Aufgrund handschriftlicher Aufzeichnungen konnte der experimentelle Prozess von Friedreich dargestellt werden.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und hoffe, dass Sie auch mal über den Tellerrand der eigenen Spezialisierung hinausschauen mögen. Die Nervenheilkunde ist immer bestrebt, auch auf Ihre Bedürfnisse einzugehen. Wenn Sie also Themen haben, die mal in einer Übersichtsarbeit behandelt werden sollen, lassen Sie es uns gerne wissen.

Eine gute Zeit wünscht Ihnen

Stefan Evers, Coppenbrügge


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Publication History

Article published online:
09 February 2022

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Prof. Dr. Dr. Stefan Evers Chefarzt der Neurologischen Klinik im Krankenhaus Lindenbrunn, Coppenbrügge