Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis hat in den letzten Jahrzehnten stark von
den Erkenntnissen der Grundlagenforschung profitiert. „Die Rheumatologen
können den Krankheitsverlauf mittlerweile durch die Injektion oder Infusion
von verschiedenen biologischen Antikörpern von Abatacept bis Rituximab gut
beeinflussen“, erklärt der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft
Kompetenznetz Rheuma, Prof. Ulf Wagner vom Universitätsklinikum Leipzig.
Zuletzt seien noch synthetische Medikamente wie Baricitinib oder Tofacitinib
hinzugekommen, die als Tablette eingenommen werden können. „Die
neuen Mittel machen die Behandlung für viele Patienten
erträglicher“, so der Experte.
Die genannten Wirkstoffe blockieren einzelne Zytokine oder deren Rezeptoren, die im
Rahmen der Entzündungsprozesse von den Zellen des Immunsystems freigesetzt
werden. Die Grundlagenforschung hat sich mittlerweile den unterschiedlichen
Entzündungszellen zugewandt, die diese Zytokine produzieren. Neuere
sogenannte Omics-Methoden wie Einzelzell-RNA-Sequenzierung, Ribosomen-Profiling,
oder die Massenspektrometrie ermöglichen erstmals einen Einblick in einzelne
Zellen. „Die Untersuchungen zeigen, welche Zellgruppen sich bei
Rheumapatienten anders verhalten als bei Gesunden und welche deshalb wahrscheinlich
am Krankheitsprozess beteiligt sind“, erläutert Prof. Wagner.
Einer der zentralen Akteure der rheumatoiden Arthritis sind die Gewebsmakrophagen,
die auch bei gesunden Menschen in der Synovialmembran vorhanden sind. „Die
Forschung will klären, was diese Zellen dazu bewegt, die
entzündlichen Zytokine freizusetzen, und wie dies verhindert werden
könnte“, so der Experte. Die Grundlagenforscher haben beispielsweise
herausgefunden, dass es zwei Gruppen von Gewebsmakrophagen gibt, die sich durch die
Oberflächenmarker MerTK und CD206 unterscheiden. Eine kürzlich in
Nature Medicine (2020; 26: 1295–1306) publizierte Studie ergab, dass
MerTK-negative und CD206-negative Gewebsmakrophagen eine Reihe von
entzündungsfördernden Zytokinen und Alarminen produzieren und damit
die Entzündungsreaktionen in der Synovialmembran fördern. Im
Gegensatz dazu scheinen MerTK-positive und CD206-positive Gewebsmakrophagen die
Entzündungsreaktionen zu hemmen. Diese Zellen werden v. a. bei
Patienten gefunden, deren Entzündung vollständig abgeklungen ist.
Prof. Wagner erklärt: „Die Idee für einen Therapieansatz
wäre, die Gewebsmakrophagen durch Medikamente in einen dauerhaften
Ruhezustand zu versetzen und dadurch die Krankheit langfristig zu
stoppen“.
Ein weiterer neuer Behandlungsansatz könnte sich aus Erkenntnissen zum
Stoffwechsel in den B-Zellen und T-Zellen ergeben. „Wir gehen derzeit davon
aus, dass am Anfang der Erkrankung ein Verlust der Selbsttoleranz steht, der
T-Zellen normalerweise davon abhält, körpereigene Zellen in der
Synovialmembran zu attackieren“, sagt der Rheumatologe. „Die
T-Zellen beginnen, die Synovialzellen anzugreifen, und sie veranlassen die B-Zellen
zur Bildung von Antikörpern, von denen der Rheumafaktor das bekannteste
Beispiel ist“. Die Omics-Untersuchungen zeigen nach Auskunft des Experten,
dass sich der Stoffwechsel von T-Zellen im Verlauf der Erkrankung komplett umstellt.
Die Energieversorgung werde beispielsweise von der Glykolyse auf den
Pentosephosphatweg umgestellt. „Diese veränderten
Stoffwechselvorgänge liefern möglicherweise völlig neue
Möglichkeiten zur therapeutischen Beeinflussung von
chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen“, sagt Prof. Wagner.
„Unser Ziel müsste es sein, die ‚bösen‘
T-Zellen in ‚gute‘ T-Zellen zu verwandeln und den Krankheitsprozess
gleich zu Beginn zu stoppen“.
Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie