Professor Nähle, unter welchen Herzerkrankungen leiden die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger
am häufigsten?
Die mit Abstand häufigste Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems ist der arterielle
Bluthochdruck, der dann – oft unbemerkt – zu Schäden an anderen Organen führt. Folgen
können dann zum Beispiel Herzinfarkte durch Veränderungen (Engstellen) der Herzkranzgefäße
und eine Herzleistungsschwäche (Herzinsuffizienz) sein. Aber auch andere Organe wie
das Gehirn (Schlaganfälle) und die Nieren (Funktionseinschränkung) können betroffen
sein. In den letzten Jahren sind darüber hinaus auch Erkrankungen der Herzklappen
und Herzrhythmusstörungen häufiger geworden, nicht zuletzt auch durch die sich verändernde
Altersstruktur der Bevölkerung. Insbesondere im ambulanten Bereich spielt auch die
Herzmuskelentzündung, die Myokarditis, eine wichtige Rolle.
Professor Nähle, welche radiologischen Methoden werden bei der Versorgung von Herzerkrankten
eingesetzt?
Heutzutage werden in der Radiologie die Herz-MRT und die Herz-CT eingesetzt. Welches
Verfahren gewählt wird, hängt von der vermuteten Erkrankung beziehungsweise Fragestellung
einerseits und dem Patienten andererseits ab. Hier die optimale Untersuchungsmethode
und -technik zu wählen und anschließend zu interpretieren, ist die große Stärke der
Radiologie. Hierbei ist die Bandbreite entsprechend der Vielzahl an Erkrankungen riesig
und eine Aufzählung kann hier nur unvollständig bleiben. Während die MRT bei der Diagnostik
der Herzmuskelentzündung mittlerweile – nicht zuletzt durch radiologische Studien
– die Untersuchungsmethode der Wahl ist, rückt derzeit die Herz-CT zur Abklärung des
sogenannten chronischen Koronarsyndroms einerseits, aber auch zur Therapiesteuerung
mit den sogenannten Lipidsenkern bei bestimmten Patientengruppen andererseits in den
Fokus. Weitere Untersuchungen, die wir regelmäßig durchführen, sind Kontrolluntersuchungen
bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern und Planungsuntersuchungen vor Herzklappeneingriffen.
Dr. Sieren, Sie haben mit Kollegen eine Umfrage und Analyse zum Thema „Status der
kardiovaskulären Bildgebung in Deutschland“ durchgeführt. In Ihrem Paper zur Umfrage
stellen Sie die Ergebnisse vor. Wie sind Sie bei der Umfrage vorgegangen und wer hat
sich beteiligt?
Die Umfrage entstand vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der Herzbildgebung
– die gerade durch die neuen ESC-Leitlinien zum Koronarsyndrom noch beeindruckend
bestätigt wurde. Wir wollten wissen: Wie ist die Radiologie in Deutschland zur kardiovaskulären
Bildgebung aufgestellt und sind wir den kommenden Herausforderungen gewachsen? Hierfür
haben wir die umfassende Datenbank der DRG ausgewertet, haben einen Blick ins ESCR-Registry
geworfen sowie eine Umfrage in der AG erarbeitet. Diese haben wir dann sowohl über
Kanäle der DRG als auch des Berufsverbandes Deutscher Radiologen zirkuliert, um ein
möglichst umfassendes Bild zu bekommen, vom Universitätsklinikum bis zur Niederlassung.
Dr. Sieren, was sind die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage?
Das zentrale Ergebnis der Umfrage ist, dass ein dichtes Netz aus radiologischen spezialisierten
Zentren und Expertinnen und Experten in ganz Deutschland vorhanden ist, um die unmittelbare
Versorgung mit hochqualitativer kardiovaskulärer Bildgebung sicherzustellen. So haben
Patientinnen und Patienten nahezu überall unmittelbaren Zugang zu entsprechender Expertise
und auch die Zuweiserinnen und Zuweiser haben lokale radiologische Ansprechpartnerinnen
und Ansprechpartner. Bemerkenswert ist vor allem, dass alle Institutionstypen, von
der Universitätsklinik bis zur Niederlassung, die Expertise bereitstellen und an der
Versorgung teilnehmen. Die Befundung wird dabei sowohl von Radiologinnen und Radiologen
als auch in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den klinischen Kolleginnen
und Kollegen durchgeführt. Gerade bei einer technologisch hochanspruchsvollen Untersuchung
wie der kardiologischen Schnittbildgebung nimmt die Radiologie als Brückendisziplin
mit technischem und medizinischem Fachwissen sicherlich eine Schlüsselposition ein,
um die bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.
Dr. Sieren, was tut die AG Herzdiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft zur Förderung
der Herzbildgebung in der Radiologie?
Die gute Infrastruktur zur kardiovaskulären Bildgebung in Deutschland ist sicher auch
ein wesentlicher Verdienst der Bemühungen der AG, das Fachwissen zur kardiovaskulären
Bildgebung für Radiologinnen und Radiologen verfügbar zu machen. Von Kongressen –
wie dem Röntgenkongress oder den interdisziplinären Kardiodiagnostiktagen – über die
conrad-Fallsammlungen bis hin zu den Q-Kursen. Dabei wird versucht, das ganze Spektrum
abzubilden, auch in Kooperation mit AGs außerhalb der kardiovaskulären Bildgebung.
Einerseits bietet das gerade in Kooperation mit dem Forum Junge Radiologie fertiggestellte
Weiterbildungscurriculum einen Einstieg in die kardiovaskuläre Bildgebung für junge
Assistenzärztinnen und -ärzte. Andererseits wird auf Kongressen neuesten technologischen
Entwicklungen eine Plattform geboten und zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der AGIT
die strukturierte Befundung weiterentwickelt. All diese Bemühungen fließen im Zertifizierungsprogramm
der AG zusammen, und der Erfolg des Programms ist eine schöne Bestätigung dieser Initiativen.
Professor Maintz, die aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Herzerkrankungen
sehen teils einen häufigeren Einsatz der Schnittbildgebung vor als die Gesetzliche
Krankenversicherung finanziert. Woran liegt das und wie könnte hier eine Lösung aussehen?
Wie Herr Professor Nähle bereits ausgeführt hat, hat sich die Herz-MRT mittlerweile
zur Methode der Wahl bei der Diagnostik der Herzmuskelentzündung entwickelt, während
die Herz-CT zur Abklärung der koronaren Herzkrankheit die erste Wahl ist. Dies spiegelt
sich auch in einschlägigen Leitlinien wider, darunter zum Beispiel die Leitlinie der
Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zum chronischen Koronarsyndrom aus dem Jahr
2019. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet das, dass eine leitliniengerechte
Diagnostik häufig nichtinvasiv mit Methoden der Schnittbildgebung erfolgen soll statt
mit deutlich belastenderen und komplikationsträchtigeren Katheteruntersuchungen. Trotz
dieser Vorteile können Herz-CT und Herz-MRT aber aufgrund fehlender Vergütungsmöglichkeiten
in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht allen Patientinnen und Patienten zugänglich
gemacht werden, die laut Leitlinien mit diesen Methoden untersucht werden sollten.
Hier besteht dringender Handlungsbedarf für den Gemeinsamen Bundesausschuss, die Herz-CT
und Herz-MRT in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen.
Professor Maintz, wenn Sie in einem Satz die wichtigste Aussage aus der genannten
Umfrage nennen würden – welche wäre das?
Sobald die Herz-CT und Herz-MRT eine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung
werden, können wir diese Methoden flächendeckend auf hohem Qualitätsniveau anbieten
– die Radiologie steht bereit!