Die Bioverfügbarkeit von Pharmaka hängt vom Ausmaß der Resorption im Darm, der Biotransformation
und dem Eliminationsweg ab. Die Resorption im Darm erfolgt über Transportproteine
der Lamina epithelialis mucosae. Die Biotransformation beginnt bereits in intestinalen
Epithelzellen und die aufgenommenen Xenobiotika werden über Effluxpumpen der basalen
oder apikalen Membran in die Blutbahn bzw. zurück in das Darmlumen abgegeben [1]. Das Pfortaderblut erreicht die basolaterale (sinusoidale) Hepatozytenmembran, die
ihrerseits mit multiplen Transportsystemen ausgestattet ist. Xenobiotika werden in
unterschiedlichem Ausmaß von Hepatozyten aufgenommen und in Phase-I/II-Reaktionen
biotransformiert. Die entstandenen polaren Medikamentenmetaboliten können über Effluxpumpen
der basolateralen oder kanalikulären (apikalen) Hepatozytenmembran in das venöse Blut
bzw. in die Galle ausgeschieden werden.
Nukleäre Rezeptoren sind Liganden-aktivierte Transkriptionsfaktoren, welche durch
ein breites Spektrum von Xenobiotika und endogenen lipophilen Substanzen aktiviert
werden. Das humane Genom enthält 48 Mitglieder dieser Gen-Superfamilie [2], welche die Subfamilien der Steroidhormonrezeptoren und der „orphanen“ nukleären
Rezeptoren umfasst. Letztere werden in „adoptierte“ orphane nukleäre Rezeptoren umbenannt,
sobald ein endogener Ligand bekannt ist. Daher werden endokrine, adoptierte orphane
und orphane nukleäre Rezeptoren unterschieden, je nach physiologischem Liganden und
potentieller Funktion [3]. Nukleäre Steroidhormonrezeptoren, wie der Glukokortikoid-Rezeptor (GR), Mineralokortikoid-Rezeptor
(MR), Östrogen-Rezeptor (ER), Androgen-Rezeptor (AR) und Progesteron-Rezeptor (PR),
binden DNA als Homodimere und ihre Liganden sind endogene Steroidhormone. Orphane
nukleäre Rezeptoren binden DNA als Heterodimere mit
dem Retinoid-X-Rezeptor (RXR). Zu den wichtigsten Liganden zählen Fettsäuren (für
PPARα, den „peroxisome proliferator activated receptor“), Oxysterole (für LXR, den
„liver X receptor“), Gallensäuren (für FXR, den „farnesoid X receptor“, PXR, den „
pregnane X receptor“, und VDR, den Vitamin-D-Rezeptor) und Xenobiotika (für PXR und
CAR, den „constitutive androstane receptor“). Nukleäre Rezeptoren sind entscheidende
Regulatoren der entgiftenden Enzym- und Transportsysteme in der Leber und im Darm,
die durch Xenobiotika und endogene lipophile Substanzen aktiviert werden.
Intestinaler Medikamententransport
Intestinaler Medikamententransport
Die Menge eines Pharmakons, die nach oraler Zufuhr vom Darmlumen in das Pfortaderblut
übertritt, wird maßgeblich durch den präsystemischen Stoffwechsel im Enterozyten bestimmt.
Die Aufnahme eines Medikaments erfolgt über Importsysteme der luminalen Enterozytenmembran,
z. B. über den „apical sodium-dependent bile salt transporter“ ASBT (Gensymbol: SLC10A2) oder über OATPs („organic anion transporting polypeptides“, z. B. SLCO1A2 oder SLCO2B1), um nur zwei der besser charakterisierten Transporterklassen zu nennen [4]. Geschwindigkeitsbestimmend ist jedoch weniger die Aufnahme als der Efflux, z. B.
über das MDR1-P-Glykoprotein („multidrug resistance gene product“), welches Xenobiotika
aus dem Zellinneren zurück in das Darmlumen transportiert. Dieser intestinale Efflux
ist eine kritische Determinante der Bioverfügbarkeit eines Medikaments. Digoxin, Ciclosporin
und Paclitaxel sind prototypische Substrate der Effluxpumpe MDR1 im
Darm. In Probandenstudien wurde beobachtet, dass die Bioverfügbarkeit von per os zugeführtem Digoxin nach 10-tägiger Einnahme von Rifampicin deutlich abnahm [5]. In Duodenalbiopsien der Rifampicin-behandelten Probanden fand sich eine 3,5-fache
Zunahme der MDR1-Proteinmenge, was mit früheren Untersuchungen an Kolonkarzinom-Zellinien
übereinstimmte, die eine vermehrte MDR1-Expression nach Rifampicin-Behandlung aufwiesen
[6]. Die Abnahme der Bioverfügbarkeit von Digoxin erklärt sich durch die Induktion des
MDR1-vermittelten Auswärtstransports von Digoxin zurück in das Darmlumen. Der Mechanismus
der Rifampicin-induzierten Steigerung der MDR1-Expression ist eine direkte transkriptionelle
Aktivierung des MDR1-Gens durch den nukleären Rezeptor PXR [7]. PXR ist an ein DR-4 („direct repeat“) Element des MDR1-Gens etwa 8000 Basen vor der
Gentranskriptions-Initiationsstelle gebunden und aktiviert, nach Bindung des Liganden
Rifampicin, die Gentranskription. Zu den Liganden des humanen PXR gehören z. B. Rifampicin,
Antiglucocorticoide, Dexamethason, Johanniskrautextrakt und Paclitaxel [8].
Die zentrale Bedeutung von PXR als Aktivator des Xenobiotika-Abbaus wurde anhand der
PXR-vermittelten Induktion des Cytochroms P450 3A4 (CYP3A4) erkannt. Die CYP3A4-Gentranskription
wird durch einen Liganden des PXR induziert, welcher als Heterodimer mit PXR an das
„xenobiotic response element“ im Promotor des CYP3A4 Gens bindet [9]. PXR wird ähnlich wie CYP3A4 hauptsächlich in der Leber und im Darm exprimiert.
Viele Substanzen, die durch CYP3A4 metabolisiert werden, sind auch Substrate von MDR1.
Eine koordinierte Induktion beider Gene erhöht daher die Effizienz des Abbaus und
der Elimination der betreffenden Substanzen. Bestimmte CYP3A4/MDR1-Substrate sind
darüber hinaus noch Liganden des PXR, wodurch sie ihren eigenen Abbau induzieren können.
Ein Beispiel hierfür ist das Chemotherapeutikum Paclitaxel [10]. Paclitaxel ist ein Substrat von CYP3A4 und MDR1 und induziert die Gentranskription
beider Proteine
über eine Aktivierung von PXR.
Hepatischer Medikamententransport
Hepatischer Medikamententransport
Zu den wichtigsten Xenobiotika-Effluxpumpen der Leber zählen die MRPs („multidrug
resistance associated proteins“). Eine Sonderstellung nimmt hierbei das MRP2 ein (ABCC2), da es als einziges an der kanalikulären Hepatozytenmembran lokalisiert ist, während
MRP3, 4, 5 und 6 basolateral exprimiert sind. MRP2 ist ein aktives Effluxsystem für
anionische Konjugate, wie z. B. Bilirubinglukuronide, sulfatierte Gallensäuren und
Glutathionkonjugate, sowie für Xenobiotika wie Cisplatin, HIV-Proteaseinhibitoren,
Anthrazykline, Vinca-Alkaloide und Methotrexat [11]. MRP2 wird auch im Darm exprimiert – an der apikalen Membran von Enterozyten [12]. Das für MRP2 kodierende Gen, ABCC2, wird durch PXR, CAR und FXR induziert [11]. Das an der basolateralen Membran exprimierte MRP3 ist für den Efflux von Methotrexat,
Acetaminophen-Glukuroniden, Bilirubin, Östradiol-17β-Glukuronid,
Ritonavir, Saquinavir, konjugierter Cholsäure und diversen weiteren Substraten
aus dem Hepatozyten ins sinusoidale Blut verantwortlich [11]. Auch MRP3 scheint durch PXR, CAR und FXR induzierbar zu sein [13].
Zu den wichtigsten Aufnahmetransportern für Medikamente an der basolateralen Hepatozytenmembran
zählen die OATPs, insbesondere OATP1B1 und OATP1B3. OATP1B1 weist eine sehr breite
Substratspezifität auf, zum Beispiel für Statine, Methotrexat, Olmesartan und viele
andere [11]. OATP1B3 ist ein Aufnahmetransporter für Digoxin [4], aber auch für bestimmte Peptide wie Cholecystokinin [14]. Im Gegensatz zum Digoxintransporter Oatp1a4 der Ratte wird der Promotor des humanen
OATP1B3 Gens nicht durch PXR, sondern durch FXR aktiviert [15]. Die Liganden von FXR sind in erster Linie Gallensäuren, so auch die synthetische
Gallensäure Obeticholsäure, welche als Therapie der primär biliären Cholangitis in
Kombination mit Ursodeoxycholsäure zugelassen ist. FXR induziert zudem die „bile salt
export pump“ an der kanalikulären Hepatozytenmembran (BSEP,
ABCB11 Gen) [16]. Durch die koordinierte Induktion von Gallensäurenaufnahme- und -effluxtransportern
führt der FXR-Ligand Obeticholsäure zu einer Steigerung der biliären Ausscheidung
von Gallensäuren [17]. Auch der an der basolateralen Hepatozytenmembran exprimierte heterodimere Effluxtransporter
„organic solute transporters alpha and beta“ (OSTα/OSTβ), welcher primär Gallensäuren
aus dem Hepatozyten ins sinusoidale Blut transportiert, wird durch FXR induziert [18].
Zusammengefasst, beeinflusst der hepatische Stoffwechsel massgeblich die Bioverfügbarkeit
eines Medikaments. Die beteiligten Transport- und Enzymsysteme des Hepatozyten werden
durch nukleäre Rezeptoren wie PXR, CAR oder FXR reguliert. Die Verabreichung von Substanzen,
die als Liganden für diese nukleären Rezeptoren dienen, kann den hepatischen Medikamententransport
erheblich verändern und damit zu relevanten Medikamenteninteraktionen führen.