Virushepatitiden
Seit der Einführung von oralen, gut verträglichen und sehr effektiven Therapien, die
auf direkt wirkenden antiviralen Agenzien beruhen, hat sich die Behandlung der Hepatitis
C dramatisch verändert. Einst eine chronische Erkrankung, für die im Gegensatz zur
Hepatitis A und B keine Impfung zur Verfügung steht und die nur in einem Teil der
Patienten mit einer langen, nebenwirkungsreichen Therapie behandelbar war, kann eine
Hepatitis-C-Virusinfektion heute in 8 – 12 Wochen nahezu bei allen Patienten mit einmal
täglicher Gabe von 1 – 3 Tabletten geheilt werden [1]. Mit diesem therapeutischen Durchbruch scheint eine weitere Verbesserung der Regimes
in naher Zukunft nicht absehbar. Diese hochwirksamen Therapien bilden zusammen mit
dem Addendum der S3-Leitlinie, welche eine Behandlung aller Patienten mit einer replikativen
HCV-Infektion empfiehlt, und der Aufnahme des Hepatitis-C-Screenings innerhalb der
Gesundheitsuntersuchung (Check up 35) ab 1.
Oktober 2021 [2] die ideale Voraussetzung für eine HCV-Elimination.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED)
Ein zentraler Forschungsschwerpunkt der pharmazeutischen Industrie bleiben chronisch-entzündliche
Darmerkrankungen. Darüber hinaus wird in geringerem Umfang an Zöliakie und gastrointestinale
Motilitätsstörungen geforscht. CED umfassen ein Spektrum immunvermittelter entzündlicher
Erkrankungen mit komplexer multifaktorieller Pathogenese und äußerst heterogener,
patientenindividueller klinischer Ausprägung. Diese Komplexität wird höchstwahrscheinlich
eine Reihe von Medikamenten erfordern, die mit unterschiedlichen Ansätzen darauf abzielen,
eine steroidfreie anhaltende Remission und Mukosaheilung zu erreichen.
Mit den derzeit verfügbaren Therapien wird bei 20 – 30% der Patienten ein primäres
Nichtansprechen beobachtet, und weitere 30% der Patienten werden aufgrund eines sekundären
Ansprechverlustes refraktär [3]. Diese Zahlen spiegeln den „unmet need“ der Krankheitskontrolle wider und belegen
eindrücklich die Notwendigkeit der Entwicklung neuer zielgerichteter Therapeutika
mit hoher Effektivität und Sicherheit.
Derzeit basiert die medizinische Behandlung der CED hauptsächlich auf 5-Aminosalicylaten,
Kortikosteroiden, Thiopurinen, Anti-TNF-Inhibitoren, einer Anti-Integrin- oder einer
Anti-Interleukin-(IL)-12/IL-23-Therapie. Neue Erkenntnisse zu den zugrunde liegenden
Mechanismen der Pathogenese der CED haben Fortschritte bei der Entwicklung neuer Behandlungsoptionen
ermöglicht. Die Januskinasen (JAK)-Inhibitoren zielen auf verschiedene JAK/STAT-vermittelte
Signalwege ab, die an der Pathogenese der CED beteiligt sind. Tofacitinib, ein JAK-Inhibitor,
der hauptsächlich auf JAK1 und JAK3 abzielt, wurde für die Behandlung der Colitis
ulcerosa (CU) zugelassen. Selektive JAK1-Inhibitoren befinden sich derzeit in der
Entwicklung und haben bei CED in Phase-3-Studien hohe Effektivitätsraten gezeigt (Filgotinib
[4] und Upadacitinib [5]). Zudem steht voraussichtlich bald ein Sphingosin-1-phosphat-Rezeptor (S1PR)-Agonist
(Ozanimod)
bei Colitis ulcerosa zur Verfügung. Diese Substanz wirkt antiinflammatorisch,
indem der Austritt der Lymphozyten aus den Lymphknoten gehemmt wird. Risankizumab
und Mirikizumab sind Biologika in der späten Phase der Entwicklung bei Morbus Crohn
und Colitis ulcerosa, die selektiv und mit hoher Affinität an die p19-Untereinheit
des humanen Interleukins 23 binden, jedoch nicht an IL-12. IL-23 ist ein regulatorisches
Zytokin, das unter anderem die Bildung, den Erhalt und die Aktivierung von Typ-17-T-Helferzellen
(Th17) fördert. Diese produzieren proinflammatorische Zytokine wie IL-17A und IL-22,
die eine wichtige Rolle bei chronischen Entzündungsprozessen spielen. Durch die Rezeptorblockade
werden die IL-23-abhängige Signalübertragung und die Freisetzung dieser Botenstoffe
gehemmt.
Unabhängig von der aktuellen oder zukünftigen Wahl der individuellen Therapie des
Patienten gilt: In jedem Fall sind eine regelmäßige Verlaufskontrolle und das Verfolgen
strikter Therapieziele notwendig, bei denen subjektive (Symptome) und objektive Parameter
(wie endoskopische Verbesserung) der Krankheitsausprägung in die Betrachtung einbezogen
werden sollten.
In Erwartung neuer Therapien mit möglicherweise besserer Effektivität werden neue
ambitionierte Therapieziele bei CED diskutiert, die langfristig den Krankheitsverlauf
positiv beeinflussen könnten. Im Rahmen der Initiative STRIDE (Selecting Therapeutic
Targets in Inflammatory Bowel Disease) hat ein Expertenkomitee der International Organization
for the Study of IBD (IOIBD) objektiv nachverfolgbare Ziele für die Therapie von CED
formuliert. Die erstmals im Jahr 2015 veröffentlichten Empfehlungen (STRIDE-I) [6] wurden kürzlich überarbeitet. Aufbauend auf die erste Fassung orientieren sich die
Ziele auch weiterhin an der „Treat to Target“-Strategie. Die nun in STRIDE-II formulierten
Ziele für die CED-Therapie spiegeln den evidenzbasierten Expertenkonsens der beteiligten
IOIBD-Mitglieder wider [7]. Ausgangsbasis für das Update der Empfehlungen waren einerseits eine systematische
Literaturrecherche und andererseits
mehrere Frage- und Abstimmungsrunden, in denen die Experten die aus ihrer Sicht
wichtigsten Therapieziele definiert haben.
STRIDE-II umfasst insgesamt 13 neue oder überarbeitete Empfehlungen für die verschiedenen
Phasen des Therapieverlaufs. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Zeitspanne, in
der erwartungsgemäß ein klinisches Ansprechen, eine klinische Remission oder eine
endoskopische Heilung erreicht werden können, bei den verschiedenen CED-Therapien
variiert.
Initial ist als Ziel definiert, zunächst ein rasches klinisches Ansprechen zu erreichen.
Mittelfristig sollen klinische Remission und die Normalisierung des fäkalen Entzündungsmarkers
Calprotectin in einen akzeptablen Bereich sowie die Normalisierung des C-reaktiven
Proteins erreicht werden. Langfristige Therapieziele sind endoskopische Heilung, die
Wiederherstellung der Lebensqualität und die Vermeidung von irreversiblen CED-bedingten
Einschränkungen bzw. Behinderungen.
Als langfristiges wichtiges Kriterium, wenngleich noch nicht als formales Therapieziel,
wurden außerdem die transmurale Heilung (Morbus Crohn) sowie die histologische Heilung
(Colitis ulcerosa) in die STRIDE-II-Empfehlungen aufgenommen, da sie eine tiefere
Heilung reflektieren und möglicherweise einen prognostisch günstigen Krankheitsverlauf
erwarten lassen.
In einer Studie aus dem Jahr 2019 konnte beispielsweise gezeigt werden, dass das Erreichen
einer histologischen Remission eindeutig einen prognostischen Wert hat für die Wahrscheinlichkeit,
eine langfristige klinische Remission (über 5 Jahre) zu erhalten im Vergleich zu den
Patienten, die „nur“ eine endoskopische Heilung erreicht haben [8]. Allerdings konnte hier nur bei etwa 15% der Patienten die histologische Heilung
überhaupt erzielt werden.
In der Entwicklung befindliche, zielgerichtete Therapien adressieren in den Zulassungsstudien
strenge Endpunkte wie komplette endoskopische oder histologische Heilung sowie die
Kombination aus beidem. Inwieweit können die neuen, zielgerichteten Therapien, ggf.
auch die Kombinationen aus diesen, in Zukunft bei selektierten Patienten nachhaltig
den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen? Das wird Gegenstand zukünftiger Untersuchungen
sein.
Bei den kürzlich vorgestellten ersten Ergebnissen des Phase 3-Programms mit dem JAK-Inhibitor
Upadacitinib erreichten bis zu 44% der im Mittel mehr als 8 Jahre an Colitis ulcerosa
erkrankten Patienten bereits zur Woche 8 eine endoskopische Verbesserung (endoskopischer
Mayo-Subscore ≤ 1) [9], [10]. Darüber hinaus konnte bei bis zu 49% der Patienten eine „HEMI“ (= histologisch-endoskopische
mukosale Verbesserung) im Vergleich zu 12% der Patienten in der Placebogruppe (p < 0,001)
nach 52 Wochen erzielt werden [11].
Der endoskopischen und histologischen Evaluation des Darmes kommt somit in den klinischen
Studien mit neueren Biologika- und JAK-Therapieansätzen eine große Bedeutung zu. Denn
einerseits belegen sie objektiv die „antiinflammatorische Potenz“ neuartiger zielgerichteter
Therapien und geben zudem Hoffnung, ambitioniertere Therapieziele mit prognostischer
Bedeutung für den Krankheitsverlauf zu erreichen.