Schlüsselwörter
WALANT - wide awake local anaesthesia no tourniquet - Komplikationen
Key words
WALANT - wide awake local anaesthesia no tourniquet - complications
ABKÜRZUNGEN
ASS:
Acetylsalicylsäure
CRIF:
closed reduction internal fixation
EKG:
Elektrokardiogramm
EI:
Extensor indicis
FDP:
Flexor digitorum profundus
KHK:
koronare Herzkrankheit
ME:
Materialentfernung
ORIF:
open reduction internal fixation
PTCA:
perkutane transluminale Koronarangioplastie
u. a.:
unter anderem
VAS:
visuelle Analogskala
WA:
wide awake
WALANT:
Wide Awake Local Anaesthesia No Tourniquet
Z. n.:
Zustand nach
Hintergrund
Die als WALANT (Wide Awake Local Anaesthesia No Tourniquet) bekannte Anästhesiemethode
wird in der Handchirurgie aus vielfältigen Gründen immer beliebter [1]. Durch Applikation eines Lokalanästhetikums in Kombination mit einem Vasokonstriktor
können theoretisch fast alle Operationen an Hand und Unterarm schmerzfrei und ohne
Tourniquet durchgeführt werden [2]. Das Verfahren wird heutzutage sehr oft und breitgefächert angewandt und die Indikationen
erweitern sich zunehmend, nicht nur im Bereich der Handchirurgie [3], [4], [5]. Die entscheidenden Vorteile der Methode, sowohl für Patient und Chirurg, aber auch
ökonomisch und ökologisch, sind vielfach belegt [6], [7]. Vorteile der Methode für den Patient sind u. a. die Option, ohne Blutsperre operieren
zu können, dass keine Nüchternheit erforderlich ist und dass nicht das Risiko anderer
Anästhesie-Verfahren besteht. Vorteile für den Chirurg sind u. a. die zeitliche Unabhängigkeit
von den Anästhesisten flexible Organisationsmöglichkeiten, die aktive Mitarbeit des
Patienten zur Verbesserung der OP-Ergebnissen, v. a. bei Sehnenoperationen und Tenoarthrolysen,
sowie eine hohe Wirtschaftlichkeit. Die Technik gilt mittlerweile als sicher und risikoarm
[8].
Dennoch ist sie nicht universell und ohne Bedacht anzuwenden. Es gilt, potenzielle
Komplikationen zu kennen und sich der Grenzen der Methode bewusst zu sein. Komplikationen
und Grenzen wurden jedoch bislang kaum wissenschaftlich aufgearbeitet.
Daher haben wir unser Patientengut hinsichtlich Art und Häufigkeit von Komplikationen
retrospektiv ausgewertet.
Patienten und Methode
Zur Durchführung der Studie wurde ein positives Votum der zuständigen Ethikkommission
eingeholt. Von 285 Patienten, bei denen im Zeitraum zwischen Januar 2013 und Juni
2017 ein Eingriff an der Hand in WALANT-Technik erfolgte, wurden die Patientenakten
bzgl. intra- und postoperativer Komplikationen ausgewertet. Zudem konnten 211 dieser
Patienten im Durchschnitt 73 (6–226) Wochen postoperativ anhand eines standardisierten
Fragebogens ([
Tab. 1
]) durch einen unabhängigen Untersucher, der nicht in die vorangegangene Behandlung
involviert war, interviewt werden. Bei den 285 Patienten handelte es sich um 121 Frauen
und 164 Männer mit einem Durchschnittsalter von 54 (18–90) Jahren. Alle Operationen
wurden von einem Operateur durchgeführt. 195-mal handelte es sich um einen elektiven
Eingriff, in 90 Fällen um akute hand-traumatologische Operationen. Eine genaue Aufschlüsselung
der Eingriffe findet sich in [
Tab. 2
]. Bei allen Patienten wurde standardmäßig eine vorgefertigte Injektionslösung aus
Articain 1 % und Suprarenin (1:200 000) (Ultracain) eingesetzt. Injiziert wurden unterschiedliche
Mengen der Lösung, je nach Eingriff und Lokalisation, wobei auf eine Einwirkzeit von
mindestens 30 Minuten geachtet wurde.
Tab. 1
Fragebogen
1
|
Würden Sie die Operation in Lokalanästhesie wiederholen?
|
2
|
Sind Sie zufrieden mit der OP? (Betäubungsart/OP-Verlauf, nicht Ergebnis)
|
3
|
Welche Schulnote würden Sie der OP geben? (1–6)
|
4
|
Hatten Sie Angst vor der Art der Betäubung?
|
5
|
Wie groß war der Injektionsschmerz? (VAS 1–10)
|
6
|
Haben Sie Komplikationen/Auffälligkeiten festgestellt?
|
7
|
Musste eine Re-Operation erfolgen?
|
8
|
Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
|
9
|
Ab wann konnten Sie wieder zur Arbeit gehen?
|
10
|
Im Vergleich zu anderen Lokalanästhesien, gab es einen Unterschied?
|
Tab. 2
Art und Fallzahlen der durchgeführten Eingriffe
elektiv
|
n = 195
|
akut
|
n = 90
|
Dekompression Nerven Arm
|
5
|
Arteriennaht
|
6
|
Dekompression Nerven Hand
|
40
|
Direktverschluss Hand
|
7
|
Aponeurektomie
|
5
|
Exzision Nerven Hand
|
3
|
Denervation
|
1
|
Gelenkrevision Hand
|
1
|
lokale Exzision Hand
|
3
|
CRIF Phalangen
|
5
|
ME Metakarpale
|
2
|
ORIF Phalangen
|
7
|
ME Phalangen
|
3
|
OP Nagelorgan
|
2
|
radikale Exzision Hand
|
2
|
lokale Exzision Hand
|
3
|
Synovialektomie Hand
|
1
|
lokale Lappenplastik Hand
|
8
|
Ganglionresektion Hand
|
1
|
Nervennaht Arm
|
3
|
Infektchirurgie Mittelhand
|
1
|
Nervennaht Hand
|
10
|
lokale Lappenplastik Hand
|
3
|
Infektchirurgie
|
2
|
Sehnenoperationen Hand
|
20
|
radikale Exzision Hand
|
2
|
Bandoperationen
|
90
|
radikale Exzision Unterarm
|
2
|
Gelenkrevision Hand
|
3
|
Revision Lappenplastik Hand
|
1
|
Nerventransplantation Hand
|
1
|
Sehnennaht Unterarm
|
2
|
Revision Lappenplastik Hand
|
2
|
Sehnenoperationen Hand
|
19
|
Spalthauttransplantation Hand
|
1
|
Spalthauttransplantation Hand
|
4
|
andere
|
11
|
temporäre Weichteildeckung Hand
|
1
|
|
|
Verbrennungschirurgie
|
1
|
|
|
andere
|
1
|
Ergebnisse
Bei den 285 Patienten traten 13 (4,6 %) Komplikationen/Probleme auf. Einmal war eine
kardiologische Abklärung, einmal die kurzzeitige Anlage eines Tourniquets und einmal
der Umstieg auf eine Vollnarkose mit Anlage einer Blutsperre nötig. Einmal kam es
zu einer lange geröteten Injektionsstelle, 2-mal zu flächenhaften Rötungen und 7-mal
zu lang anhaltenden Schwellungen. Zu permanenten Schäden kam es in keinem Fall, bei
allen Patienten kam es zu einer kompletten Rückbildung der Symptome.
Die Komplikationen zeigten sich im Detail wie folgt:
-
Koronarspasmus: Ein 87-jähriger Patient klagte nach Injektion von 16 ml Ultracain zur Karpaldachspaltung
bei Umlagerung im OP über pektanginöse Beschwerden und erbrach im Verlauf einmal Sputum.
Bei bekannter 3-Gefäß-KHK und Herzinsuffizienz, Z. n. 3-maliger Stent-Einlage, Anteroseptalinfarkt,
Mehrfach-PTCA und kardialer Dekompensation, waren dem Patienten identische Beschwerden
bereits bekannt. Auf Anraten des Hausarztes hatte er die Einnahme von ASS ca. 2–3 Wochen
vor der Operation pausiert. Es wurde eine sofortige kardiologische Abklärung eingeleitet.
Nach Gabe eines Nitro-Präparates sistierte die Symptomatik. Es fanden sich weder ischämietypische
EKG-Veränderungen noch laborchemische Auffälligkeiten. Nach vollständiger kardiologischer
Ausschlussdiagnostik (ca. 3 Stunden später) wurde bei noch andauernder Anästhesie
in der Hohlhand auf Wunsch des Patienten die Karpaldachspaltung durchgeführt. Diese
verlief problemlos.
-
Ungenügende Bluttrockenheit: Bei einem Patienten mit Rissverletzung in der Hohlhand mit Verletzung eines Gefäß-Nervenbündels
war nach ca. 60 Minuten Einwirkzeit noch keine ausreichende Bluttrockenheit eingetreten.
Es war keine zufriedenstellende Übersicht im OP-Gebiet gegeben. Zur Exploration wurde
daher kurzzeitig eine Oberarm-Blutsperre angelegt. Die weitere Versorgung konnte danach
problemlos in WALANT-Technik erfolgen ([
Abb. 1
]).
-
Notwendigkeit zum Umstieg auf konventionelle Anästhesie-Methode bei frustraner, posttraumatischer
Beugesehnentenolyse: Bei einem 66-jährigen Patienten war 6 Monate nach komplexer Kreissägenverletzung
der distalen Hohlhand mit Beteiligung des Zeige-, Mittel- und Ringfingers eine Tenolyse
der tiefen Beugesehnen (FDP) des Zeige- und Mittelfingers in WALANT-Technik geplant.
Intraoperativ zeigte sich eine Ruptur beider Sehnen. Die Tenolyse der FDP-III-Sehne
gelang in Wide-awake-Anästhesie, die FDP-II-Sehne war jedoch weit nach proximal verklebt.
In diesem Bereich war auch trotz Nachinjektion von 10 ml Ultracain keine vollständige
Anästhesie zu erreichen, und es zeigte sich eine insuffiziente Vasokonstriktion bei
sehr ausgeprägten Vernarbungen. Es war der Umstieg auf eine Vollnarkose mit Blutsperre
zur Tenolyse beider Sehnen mit folgender Silikonstabeinlage zur zweizeitigen Beugesehnenrekonstruktion
nötig ([
Abb. 2
]).
-
Lokale Rötung der Injektionsstelle: Ein Patient klagte über eine lange gerötete Injektionsstelle nach Ringbandspaltung.
-
Flächenhafte Rötung: 2 Patienten zeigten unklare flächenhafte Rötungen am Handrücken. Vorausgegangen waren
eine Strecksehnenrezentrierung über dem Fingergrundgelenk sowie eine Transposition
der Extensor-indicis-Sehne zum Daumen ([
Abb. 3
]).
-
Lang anhaltende Schwellung: 7 Patienten berichteten über mehr als eine Woche anhaltende Schwellungen der Hand
nach Ringband- oder Karpaldachspaltungen.
Abb. 1 Exploration einer arteriellen Verletzung in der Hohlhand. In WALANT-Anästhesie wurde nach 60 Minuten Einwirkzeit keine ausreichende Vasokonstriktion
erreicht. a präoperativer Situs 60 Minuten nach Injektion, b intraoperativer Situs nach kurzzeitiger Oberarm-Blutsperre und Gefäßnaht in WALANT-Technik,
c Situs vor Hautnaht ohne Blutsperre.
Abb. 2 Sekundäreingriff nach schwerer Kreissägenverletzung der Finger II–IV links. Aufgrund
der schweren Vernarbungen konnte in WALANT-Technik keine ausreichende Vasokonstriktion/Anästhesie
erreicht werden. a maximaler Faustschluss präoperativ, b Exploration der Hohlhand in WALANT-Technik: Es fand sich eine Ruptur und Verklebungen
beider Zeigefingerbeugesehnen. Aufgrund ungenügender Vasokonstriktion war keine ausreichende
Übersicht im OP-Gebiet gegeben, c Exploration der Hohlhand nach Umstieg auf Vollnarkose und Anlage einer Blutsperre
mit guter Übersicht im OP-Gebiet, d) Hohlhand mit eingelegten Silikonstäben zur zweizeitigen
Beugesehnenrekonstruktion
Abb. 3 Anhaltende flächenhafte Rötung. Nach Transposition der Extensor-indicis-Sehne zum Daumen in WALANT-Anästhesie kam
es zu einer anhaltenden flächenhaften Rötung.
Zusätzlich beobachtet wurden folgende Auffälligkeiten:
-
Variable Perfusion bei Gefäßnähten nach Adrenalin-Injektion: Es wurden 6 mikrochirurgische Gefäßnähte in WALANT-Technik durchgeführt. Hierbei
wurden sehr unterschiedliche Perfusionszustände, von fehlendem bis normalem Durchfluss,
beobachtet ([
Video 1
]). Subjektiv konnten wir keinen Zusammenhang zwischen Menge des injizierten Adrenalins
und intraoperativer Perfusion feststellen.
-
Patienten, die die Situation als sehr unangenehm empfinden: 14 Patienten empfanden den Eingriff in WALANT-Anästhesie als sehr unangenehm und
würden ihn auf Nachfrage nicht erneut in dieser Technik durchführen lassen.
Video 1 Unterschiedliche Perfusion nach Gefäßnähten. Bei mikrochirurgischen Gefäßnähten in WALANT-Anästhesie können sehr unterschiedliche
Perfusionszustände beobachtet werden. Links: kein Puls, pathologischer Ausstreichtest;
Mitte: fraglicher Puls, pathologischer Ausstreichtest; rechts: guter Puls, normaler
Ausstreichtest.
Diskussion
Die WALANT-Anästhesie hat klare Vorteile für Patient und Chirurg. Diese sind weitläufig
bekannt und die Sicherheit in Studien belegt [9]. Die Anzahl der Veröffentlichungen über WALANT-assoziierte Themen hat in den letzten
5 Jahren deutlich zugenommen, wie eine aktuell durchgeführte Literaturrecherche von
O’Neill und Mitarb. zeigt [10]. Komplikationen oder Grenzen der Methode werden in der Literatur jedoch selten bis
gar nicht thematisiert. Die meisten Artikel beschäftigen sich mit der Methode und
Technik an sich sowie den vielen Vorteilen. Dass diese risikoarm ist, bestätigt auch
die hier vorgestellte Studie. Bei 285 Patienten traten insgesamt wenige (4,6 %) und
inhaltlich auch als leicht einzustufende Komplikationen auf.
Dennoch gilt es weiterhin zu erforschen, welchen Grenzen die Technik unterlegen ist.
Der Mythos der Fingernekrose besteht teils immer noch, obwohl dieses Risiko bereits
mehrfach und valide widerlegt werden konnte [11], [12]. Andere Kontraindikationen zum Einsatz von adrenalinhaltigen Lokalanästhetika an
der Hand hingegen sind weniger gut erforscht, wie zum Beispiel systemisch relevante
Gefäßspasmen.
Kardiale Vorerkrankungen gelten im Allgemeinen in der Arzneimittelinformation als
Kontraindikation zur Anwendung eines Vasokonstriktors. Besonders ältere Menschen sind
hiervon betroffen. Dennoch ist es in der gängigen Praxis nicht unüblich, gerade bei
diesen Patienten große Mengen andrenalinhaltiger Mittel subkutan zu injizieren, zum
Beispiel zur Entnahme von Spalthaut am Oberschenkel, um u. a. die Risiken, die mit
einer Vollnarkose verbunden sind, zu vermeiden. Studien zu aufgetretenen Komplikationen
gibt es jedoch kaum.
Farkash und Mitarb. untersuchten in einer aktuellen Studie 102 handchirurgische, in
Lokalanästhesie operierte Patienten bezüglich des Auftretens von Arrhythmien [13]. Die Patienten wurden in 2 Gruppen randomisiert. Während die eine Gruppe eine Lokalanästhesie
mit reinem Lidocain erhielt, erfolgte die Anästhesie der anderen Gruppe mit Lidocain
plus Adrenalin. Ausgeschlossen wurden Patienten mit kardialen Vorerkrankungen. In
keiner der Gruppen traten im EKG therapierelevante kardiale Symptome auf. 66,6 % der
Patienten zeigten milde, arrhythmische Symptome, allerdings ohne statistischen Unterschied
zwischen den Gruppen. Die aufgetretenen Arrythmien bedurften keinerlei Intervention.
Die Autoren schlossen hieraus, dass die WALANT-Technik für kardial nicht vorerkrankte
Patienten eine sichere und nicht arrhythmogene Methode sei. Bei negativer Anamnese
für kardiale Erkrankungen erscheint eine routinemäßige präoperative Abklärung nicht
zwingend notwendig. Studien, die kardial vorerkrankte Patienten einschließen, existieren
aktuell nicht und sind aufgrund des nötigen Studiendesigns auch eher unwahrscheinlich
umzusetzen. Da die pektanginösen Beschwerden des o. g. Patienten einige Zeit nach
Injektion von Ultracain auftraten, ist ein Zusammenhang hierzu zwar nicht sicher auszuschließen,
jedoch als eher unwahrscheinlich anzunehmen. Die Symptome waren dem Patienten bereits
aus anderen Situationen sehr gut bekannt. Die Wartezeit bis zur OP, die OP-Situation
selbst, das Umlagerungsmanöver (bei welchem die Symptome auftraten) können einen koronar
vorerkrankten Patienten in Stress versetzen und durchaus pektanginöse Symptome auslösen.
Es scheint extrem unwahrscheinlich, dass eine subkutane, lokale Injektion eines zudem
verdünnten Vasokonstriktors zu einer systemischen Wirkung führt. Auch in dieser Studie
kam es bei 285 Patienten bei nur einem zu einem kardialen Ereignis. Der Patient war
trotz kurzzeitiger pektanginöser Beschwerden mit der Methode so zufrieden, dass er
bat, die Gegenseite in identischer Form zu operieren. Multimorbide Patienten profitieren
sogar von der WALANT-Methode, da die Risiken anderer Narkoseverfahren, insbesondere
einer Vollnarkose, entfallen und der perioperative Stress minimiert werden kann. Faktisch
gelten Vasokonstriktoren aber laut Arzneimittelinformation als Kontraindikation bei
kardial vorbelasteten Patienten. Dies muss daher bedacht werden, wahrscheinlich weniger
aus medizinischen als aus juristischen Gründen.
Akute Handverletzungen, insbesondere Stich- oder Schnittverletzungen, können in der
Regel sehr gut und zügig in WALANT-Technik versorgt werden. Hierdurch kann im Alltag
für Chirurg und Patient eine oft nervenaufreibende Verzögerung bis zur Durchführung
der Operation aufgrund mangelnder Verfügbarkeit eines Anästhesisten im Krankenhaus
vermieden werden. Wir setzten die Methode gerade bei akuten Traumata regelmäßig und
ohne Schwierigkeiten ein. Dennoch gilt es, einige grundlegende Dinge zu beachten.
Akute Verletzungen an Fingern, insbesondere distal, sind auch bei spritzender Blutung
prinzipiell gut in WALANT-Technik zu versorgen, da hier zusätzlich eine Fingerblutsperre
angelegt werden kann. Präoperativ sollte allerdings die Perfusion des Fingers kritisch
evaluiert werden. Im Allgemeinen gelten Endstromgebiete laut Arzneimittelinformation
als Kontraindikation zum Einsatz von Vasokonstriktoren. Faktisch werden sie aber täglich
von diversen Fachrichtungen genau dort im „off-label-use“ genutzt [14]. Vorbestehende Perfusionsstörungen der Finger, wie zum Beispiel beim Raynaud-Syndrom
oder auch traumatisch bedingt, werden als Kontraindikation zum Einsatz von Vasokonstriktoren
gesehen. Die Evidenzlage hierzu ist allerdings mäßig. Generell sollte immer der „off-label-use“
von adrenalinhaltigen Mitteln an den Akren beachtet werden. Auch wenn Lalonde und
Mitarb. 2005 in einer großen, prospektiven Multicenter-Studie bei insgesamt 3110 elektiv
durchgeführten Operationen an Hand und Fingern nach Injektion von Adrenalin keine
einzige Fingernekrose feststellten und auch in keinem einzigen Fall das Antidot Phentolamin
einsetzen mussten, so wird von den Autoren trotzdem empfohlen, dieses immer griffbereit
zu haben. Auch in dieser Studie war nie der Einsatz des Antidots nötig, dennoch wird
auch hier angeraten, es immer vorrätig zu halten und sich mit dem Einsatz vertraut
zu machen.
Wong und Mitarb. berichteten 2017 über 13 Patienten mit traumatisch bedingt perfusionslosen
Fingern [15]. Sie beschrieben 5 Revaskularisierungen und 8 Replantationen in WALANT-Technik.
Die initiale Exploration erfolgte in Fingerblutsperre (< 20 Minuten), die Anlage der
Anastomosen erfolgte danach in reiner WALANT-Technik. Alle Finger zeigten postoperativ
eine gute Durchblutung, und es kam laut Autoren zu keiner Revision. In 4 Fällen sei
es lediglich zu oberflächlichen Hautnekrosen gekommen, die ohne weitere Intervention
abheilten. Die Autoren schlossen hieraus, dass Revaskularisierungen und Replantationen
von Fingern, unter der Voraussetzung einer adäquaten Patientenselektion sowie entsprechender
Erfahrung des Operateurs, in WALANT-Technik möglich sind. Wie in dieser Studie gezeigt
und oben bereits erwähnt, kann die Gefäßperfusion nach Injektion von Adrenalin sehr
unterschiedlich sein. Der Einsatz der WALANT-Methode bei präoperativ durchblutungsgefährdeter
Situation ist daher als kritisch zu werten.
Spritzende arterielle Blutungen können mitunter nicht zum Sistieren gebracht werden.
Hier muss nicht unbedingt auf ein anderes Anästhesieverfahren gewechselt werden. Die
kurze Anlage des Tourniquets zur orientierenden Übersicht und ggf. Setzen von Gefäßklemmen
kann die Fortsetzung des Eingriffs in WALANT-Technik ermöglichen.
Neben der bereits erwähnten Angst vor eventuellen Fingernekrosen besteht die größte
Skepsis bezüglich WALANT wohl gegenüber der von vielen vermuteten schlechteren Bluttrockenheit
im OP-Gebiet verglichen mit der Anlage eines Tourniquets. Insbesondere Chirurgen ohne
nähere Erfahrung mit dieser Methode stehen dem skeptisch gegenüber. Generell ist hierzu
die Wirksamkeit des Adrenalins und die gute Übersicht im OP-Feld sehr gut nachgewiesen
[16], [17]. Hierzu ist allerdings eine gewisse Einwirkzeit nach Injektion nicht zu unterschreiten
[18], [19]. Bei einer Einwirkzeit von mindestens 30 Minuten traten bei Standardeingriffen in
dieser Studie keine Probleme auf.
Bei Sekundäreingriffen wiederum ist zu bedenken, dass eventuell keine ausreichende
Bluttrockenheit erreicht werden kann. Hier spielt Narbengewebe eine große Rolle. Voroperiertes
Gewebe ist nicht generell ungeeignet für die WALANT-Methode [20], jedoch können insbesondere mehrfach voroperierte Gebiete potenziell problematisch
sein. Dies trifft meist nicht für sekundäre Tenolysen bei isolierten Sehnenverletzungen
zu. In seltenen Fällen kann jedoch, vor allem nach komplexen Verletzungen der Hohlhand,
keine suffiziente lokale Vasokonstriktion und mitunter keine Schmerzfreiheit mehr
erreicht werden [21]. Dies sollte bei der Planung eines Revisionseingriffes beachtet werden. Die Möglichkeit
zum Umstieg auf ein konventionelles Anästhesieverfahren sollte mit dem Patienten im
Vorfeld besprochen und der Eingriff dementsprechend geplant werden (Anästhesist vor
Ort, Blutsperre angelegt). Generell ist bei Tenoarthrolysen in WALANT-Technik die
postoperative Anlage eines Plexuskatheters zu empfehlen, da diese Patienten von einer
frühzeitigen, ergotherapeutischen Beübung unter stationären Bedingungen profitieren
und das OP-Ergebnis unter Umständen maßgeblich hiervon anhängig ist.
Die in dieser Studie am häufigsten beobachtete Komplikation bei Operationen in WALANT-Technik
waren flächenhafte Rötungen sowie anhaltende Schwellungen der Hand nach Standardeingriffen.
Zu dieser Thematik findet sich kaum Literatur. Ob allergische Reaktionen eine Rolle
spielen, bleibt fraglich. Unklar ist auch, ob ein Zusammenhang mit der lokalen Injektion
per se oder mit der Beimischung eines Vasokonstriktors besteht. Auch die Art des verwendeten
Präparats, wie Lidocain oder Xylocain, könnte eine Rolle spielen. Interventionsbedürftig
war in dieser Studie keines der aufgetretenen Probleme und bei allen Patienten kam
es zu einer kompletten Rückbildung der Symptome ohne Residuen.
Bezüglich der Grenzen der WALANT-Methode sind zuletzt Patienten zu erwähnen, die für
eine Operation in Lokalanästhesie eher ungeeignet scheinen. Generell kommt der Großteil
der Patienten nach entsprechender Aufklärung gut mit der Methode zurecht und die allermeisten
an dieser Studie teilnehmenden Patienten würden einen weiteren Eingriff in gleicher
Art und Weise durchführen lassen. Die Patientenzufriedenheit bezüglich WALANT ist
auch in der Literatur gut belegt [1], [2]. Die Erfahrung zeigt allerdings auch, dass einzelne Patienten mit der Situation
nicht zurechtkommen. 14 der 285 Patienten waren mit der Anästhesiemethode unzufrieden
und würden den Eingriff nicht mehr in gleicher Art und Weise durchführen lassen. Hier
gilt es, präoperative Hinweise zu erkennen und auch ernst zu nehmen. Ein Patient,
der im Vorgespräch ernsthafte Zweifel oder Ängste äußert, sollte nicht zu einer Operation
in Lokalanästhesie überredet werden.
Die WALANT-Technik ist ein etabliertes und weit verbreitetes Verfahren. Sie ist eine
innovative und für die meisten Patienten als angenehm empfundene Methode der Lokalanästhesie.
Perioperative Komplikationen sind selten. Dennoch gilt es, mit Bedacht Vor- und Nachteile
abzuwägen.
Als problematisch zu erachten sind voroperierte Gebiete mit flächigem Narbengewebe,
da hier eventuell keine ausreichende Diffusion mehr gegeben ist. Die Möglichkeit,
auf eine andere Anästhesiemethode zu wechseln, sollte vorher mit dem Patienten besprochen
und vorbereitet werden. Bei kardialen Vorerkrankungen oder multimorbiden Patienten
sollte ein Anästhesist in Bereitschaft in Erwägung gezogen werden. Bei Gefäßverletzungen,
insbesondere an den Fingern, sollte die Perfusion prä- und perioperativ kritisch beobachtet
werden. Der „off-label-use“ muss immer bedacht werden, auch bei kardialen Vorerkrankungen
oder multimorbiden Patienten. In seltenen Fällen kann es zu anhaltenden Rötungen oder
Schwellungen kommen. Nicht zuletzt bleibt abzuwägen, ob der Patient grundsätzlich
für eine Operation in örtlicher Betäubung geeignet ist.