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DOI: 10.1055/a-1550-9086
High-Flow-Sauerstofftherapie: Kein Einfluss auf die Mortalität bei ACS
High flow oxygen and risk of mortality in patients with a suspected acute coronary syndrome; pragmatic, cluster randomised, crossover trial.
BMJ 2021;
372: n355
DOI: 10.1136/bmj.n355
Stewart et al. bestimmten in dieser Cluster-randomisierten Querschnittsstudie die Assoziation zwischen einer additiven High-Flow-Sauerstofftherapie und der 30-Tages-Mortalität bei Patienten mit bestätigtem oder V. a. ein akutes Koronarsyndrom (ACS). Hintergrund sind Erkenntnisse, dass ein arterieller Sauerstoffpartialdruck oberhalb des Referenzbereichs nachteilig hinsichtlich koronarer Vasokonstriktion oder erhöhtem oxidativem Stress sein könnte.
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Vorausgegangene Studien hatten bereits über einen mangelnden Vorteil und sogar mögliche Nachteile einer Sauerstoffgabe bei normoxämischen Patienten mit ACS berichtet, waren aber zu klein, um zuverlässige Ergebnisse zu liefern resp. Subgruppen zu definieren, bei welchen eine Sauerstofftherapie vorteilhaft sein könnte. In der vorliegenden Studie wurden 40 872 Patienten mit Verdacht auf oder bestätigtem akutem Koronarsyndrom aus 4 Regionen Neuseelands im Zeitraum von 2016–2018 eingeschlossen. 20 304 Patienten erhielten eine High-Flow-Sauerstofftherapie, 20 568 wurden randomisiert in ein Niedrig-Sauerstofftherapie-Protokoll. Abschließende Diagnosestellungen eines ST-Hebungsinfarkts (STEMI) oder eines Non-STEMI erfolgten gemäß Kriterien des All New Zealand Acute Coronary Syndrome Quality Improvement Registers resp. nach ICD-10-Entlassverschlüsselungen.
Die Patienten aus den 4 geografischen Regionen wurden randomisiert in 2 unterschiedliche Sauerstofftherapie-Protokolle unter Anwendung von 6-Monats-Abschnitten über insgesamt 2 Jahre. In dem High-Oxygen-Protokoll wurde Sauerstoff mit 6–8 l/min über eine Gesichtsmaske oder 4 l/min nasal gegeben bei ischämischen Symptomen (ischämischer Brustschmerz, Dyspnoe) oder EKG-Veränderungen, unabhängig von der transkapillären Sauerstoffsättigung (SpO2). Das Low-Oxygen-Protokoll sah eine Sauerstofftherapie nur vor, wenn der SpO2 niedriger als 90 % war mit einem Ziel-SpO2 < 95 %. Begonnen wurde jeweils zum Zeitpunkt der ersten ärztlichen Vorstellung, fortgeführt wurde der jeweilige Studienarm bis zum Abschluss der Akuttherapie im Krankenhaus.
Primärer Endpunkt war die 30-Tages-Gesamtsterblichkeit ab der ersten Vorstellung mit V. a. ein ACS. Präspezifizierte Subgruppenanalysen beinhalteten die 30-Tages-Mortalität bei jeweils abschließender Diagnose eines STEMI oder Non-STEMI. Sekundäre Endpunkte waren u. a. die Gesamtsterblichkeit über 1 Jahr und die Krankenhausverweildauer für Patienten, welche nicht in Zusammenhang mit der Index-Aufnahme verstarben. Die ursachendefinierte 30-Tages-Mortalität wurde bei Patienten bestimmt, welche bis November 2017 aufgenommen worden waren aufgrund später eingeschränkter Datenverfügbarkeit.
Die klinischen und Basischarakteristiken der Patienten in beiden Protokollen waren ausgeglichen.
Bei Patienten mit V. a. ein ACS betrug die 30-Tages-Mortalität
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in der High-Oxygen-Gruppe 613 (3,0 %) und
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in der Low-Oxygen-Gruppe 642 (3,1 %),
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(nichtadjustierte) Odds Ratio (OR) 0,97; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 0,86–1,08.
Bei 4159 Patienten mit STEMI (10 %) war die 30-Tages-Mortalität
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in der High-Oxygen-Gruppe 8,8 % (n = 178) und
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in der Low-Oxygen-Gruppe 10,6 % (n = 225),
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(nichtadjustierte) OR 0,81; 95 %-KI 0,66–1,00.
Bei 10 218 Patienten mit Non-STEMI (25 %) war die 30-Tages-Mortalität
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in der High-Oxygen-Gruppe 3,6 % (n = 187) und
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in der Low-Oxygen-Gruppe 3,5 % (n = 176),
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(nichtadjustierte) OR 1,05; 95 %-KI 0,85–1,29.
Von 29 695 Patienten, welche bis November 2017 untersucht worden waren, verstarben 942 innerhalb von 30 Tagen, 658 davon aufgrund einer kardiovaskulären Erkrankung (High-Oxygen-Gruppe n = 303/14 127 und Low-Oxygen-Gruppe n = 355/14 910; adjustierte OR 0,86 [0,73–1,01]).
Die 1-Jahres-Sterblichkeit der Patienten innerhalb des High-Oxygen-Protokolls war 8,5 % (n = 1726) und im Low-Oxygen-Protokoll 8,2 % (n = 1682) (adjustierte OR 1,05 [0,97–1,13]).
Einschränkend geltend gemacht wird von Stewart et al. u. a. eine nicht dokumentierte Dauer der jeweiligen Sauerstoffapplikation.
In der hier untersuchten großen Patientenkohorte mit Verdacht auf oder bestätigtem akutem Koronarsyndrom und normaler peripherer Sauerstoffsättigung ließ sich keine Assoziation von High-Flow-Sauerstofftherapie mit einer Zu- oder Abnahme der 30-Tages-Gesamtmortalität feststellen. Allerdings konnte ein geringer Vorteil der Sauerstofftherapie bzgl. der Sterblichkeit bei bestimmten Subgruppen weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, wie z. B. bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt.
Dr. Birgit Gappa, Penzberg
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Publication History
Article published online:
17 November 2021
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