Originalpublikation
Werner CM, Hecksteden A, Morsch A et al. Differential effects of endurance, interval,
and resistance training on telomerase activity and telomere length in a randomized,
controlled study. Eur Heart J 2019; 40: 34–46.
doi:10.1093/eurheartj/ehy585
Theoretischer Hintergrund
Theoretischer Hintergrund
Körperliches Training besitzt einen multidirektionalen positiven Einfluss auf
die menschliche Gesundheit. Aufgrund dieser Effekte auf relevante Risikofaktoren
für Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden Kraft- und Ausdauertraining
empfohlen, um das kardiovaskuläre Krankheitsrisiko zu verringern [1]
[2]. Ein Mangel
an körperlicher Aktivität gilt als zentraler Risikofaktor
für einen vorzeitigen Tod sowie für die Entwicklung von
Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Regelmäßige
körperliche Aktivität gilt somit als einer der wichtigsten
Schutzfaktoren für die Gesundheit [3].
Für die Erhaltung und Förderung der Gesundheit werden pro Woche
mindestens 150 Minuten aerobe körperliche Aktivität mit moderater
Intensität oder 75 Minuten aerobe körperliche Aktivität mit
höherer Intensität empfohlen [4].
Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung folgt diesen
Empfehlungen jedoch nicht [5]. Neben aeroben
Trainingsformen gilt das hochintensive Intervalltraining als effektive und
zeiteffiziente Trainingsmethode zur Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness,
die auch für Personen mit lebensstilbedingten Herz-Kreislauf- und
Stoffwechselerkrankungen geeignet ist [6].
Aufgrund der insuffizienten Anzahl an randomisierten kontrollierten Vergleichsstudien
konnte bislang nicht ausreichend geklärt werden, inwiefern sich verschiedene
Trainingsformen hinsichtlich zellulärer Alterungseffekte unterscheiden [7]. Diese Frage besitzt im Kontext der
kardiovaskulären Gesundheit allerdings eine hohe Relevanz, da Zellalterung
mit Funktionsstörungen des Endothels und mit Atherogenese assoziiert wird
[8].
Die Verkürzung der Telomere wird als Schlüsselprozess der
zellulären Alterung angesehen. Sie steht in engem Zusammenhang mit der
verringerten Aktivität der Telomerase, die das Fortschreiten der
Telomerlängenreduktion reguliert. Wird eine kritische Telomerlänge
unterschritten, verliert die Zelle ihre Fähigkeit zur Teilung, wodurch ihre
Regeneration zum Erliegen kommt. Dieser zelluläre Alterungsprozess wird als
replikative Seneszenz bezeichnet und führt bei fortschreitender
Telomerlängenreduktion zur Apoptose [9].
Auf Basis der beschriebenen Prozesse wird die Verringerung der Telomerlänge
sowie der Telomeraseaktivität in mononukleären Blutzellen, wie
beispielsweise Leukozyten, mit erhöhter kardiovaskulärer
Mortalität in Verbindung gebracht [10]
[11].
Es konnte bereits beobachtet werden, dass körperliche Aktivität einen
positiven Einfluss auf die Telomeraseaktivität und die
Telomerlängenreduktion haben kann. Allerdings war bisher keine
verlässliche Aussage darüber möglich, inwiefern sich
verschiedene Trainingsmodalitäten hinsichtlich ihrer Effekte auf
zelluläre Alterungsprozesse voneinander unterscheiden [7].
Untersuchungsmethodik
Aufgrund des zuvor erläuterten Forschungsdefizits zielte die Studie von
Werner, Hecksteden, Morsch et al. aus dem Jahr 2019 darauf ab, die Unterschiede von
Trainingsformen hinsichtlich ihrer Langzeiteffekte auf Telomerlänge und
Telomeraseaktivität von mononukleären Zellen bei gesunden
Erwachsenen zu untersuchen [12].
Hierzu wurde eine prospektive, randomisierte Studie über 26 Wochen
durchgeführt. Die Probandenstichprobe setzte sich dabei aus 266 gesunden,
körperlich inaktiven erwachsenen Nichtraucher*innen im Alter
zwischen 30–60 Jahren und mit einem BMI unter 30 kg/m2
zusammen.
Unter Berücksichtigung des Geschlechts und der VO2max wurden die rekrutierten
Personen randomisiert in vier Untersuchungsgruppen aufgeteilt, denen für die
folgenden 26 Wochen jeweils eine Trainingsform zugeordnet wurde. Drei der vier
Gruppen absolvierten innerhalb der Interventionsphase an drei Tagen pro Woche ein
körperliches Training, wobei der Lebensstil und die Ernährung
unverändert bleiben sollten. Dabei führte eine Gruppe (AET) ein
45-minütiges aerobes Ausdauertraining bei 60 Prozent der Herzfrequenzreserve
aus. Die Proband*innen der zweiten Gruppe (IT) führten ein
hochintensives Intervalltraining nach der 4×4-Methode durch. Die dritte
Gruppe (RT) absolvierte ein gerätegestütztes Zirkeltraining zur
Verbesserung der Kraftausdauer, das aus 8 Übungen für die
großen Muskelgruppen des Körpers bestand. Die vierte Gruppe
(control) diente als Kontrollgruppe und sollte ihr gewohntes
Aktivitätsniveau während der Interventionsphase beibehalten. Im
Untersuchungszeitraum schieden 119 Personen primär wegen mangelnder
Einhaltung der Vorgaben aus der Studie aus. Weitere 23 Personen wurden aufgrund
unvollständiger oder nicht plausibler Daten ausgeschlossen, wodurch
insgesamt 124 Personen bei der Datenauswertung berücksichtigt werden
konnten.
Zur Feststellung potenzieller Effekte auf die Telomerlänge und die
Telomeraseaktivität wurden den Proband*innen vor Interventionsbeginn
sowie zwischen 48 Stunden und 7 Tage nach der letzten Trainingseinheit Blutproben
entnommen, aus denen mononukleäre Zellen (u. a. Leukozyten) zur
weiteren molekularbiologischen Untersuchung isoliert wurden. Die
anschließende inferenzstatistische Analyse zur Signifikanzprüfung
der Ergebnisse erfolgte durch Berechnung von Varianzanalysen mit Messwiederholungen
sowie t-Tests mittels SPSS.
Ergebnisse
Die 26-wöchige Trainingsintervention führte in allen 3
Trainingsgruppen zu einer signifikanten Verbesserung der körperlichen
Fitness, gemessen anhand der ∆VO2max und der maximalen
Laufgeschwindigkeit.
Hinsichtlich der Telomerlängen von Lymphozyten und Granulozyten wurde nach 26
Wochen sowohl in der Kontrollgruppe (control) als auch in der Krafttrainingsgruppe
(RT) eine leichte Reduktion beobachtet, während die Telomerlänge der
Leukozyten keine Veränderung aufwies.
Im Gegensatz hierzu konnte in beiden Ausdauertrainingsgruppen (AET und IT) ein
signifikanter Längenzuwachs bei den Telomeren von Lymphozyten, Granulozyten
und Leukozyten ([Abb. 1a]) beobachtet werden.
Abb. 1 Differenzierte Effekte verschiedener Trainingsformen auf die
Telomeraseaktivität und die Telomerlänge in zirkulierenden
mononukleären Zellen. Quelle: Patrick Berndt mod. nach Werner,
Hecksteden, Morsch et al. (2019) [12].
Im Hinblick auf die Telomeraseaktivität wurde nach 26 Wochen ebenfalls nur in
den beiden Ausdauertrainingsgruppen (AET und IT) eine signifikante Verbesserung
festgestellt, wohingegen sowohl in der Kontroll- (control) als auch in der
Krafttrainingsgruppe (RT) keine signifikante Veränderung festgestellt werden
konnte ([Abb. 1b]). Die Veränderung der
Telomeraseaktivität korrelierte in allen Gruppen mit der Veränderung
der Telomerlänge der Lymphozyten.
Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass alle betrachteten
Trainingsmodalitäten (AET, IT und RT) zu einer verstärkten Bildung
von Schutzproteinen führten, die einem Telomerabbau vorbeugen.
Demzufolge besitzen sowohl Krafttraining als auch Ausdauertraining einen
präventiven Effekt auf die Zellalterung, entweder durch die Bildung von
Schutzproteinen oder durch die Erhöhung der Telomeraseaktivität.
Entgegen der bisherigen Beobachtungen, dass körperliche Aktivität
lediglich die Telomerlängenreduktion verlangsamt, konnte in der Studie
von Werner, Hecksteden, Morsch et al. nachgewiesen werden, dass die Aufnahme und
26-wöchige Umsetzung eines Ausdauertrainings bei zuvor
körperlich inaktiven Personen mittleren Alters zu einer
Verlängerung der Telomere führt [12]. Dies kommt einer Umkehr des natürlichen
Zellalterungsprozesses im Sinne eines Anti-Aging-Effekts gleich, wodurch die
positive Wirkung des Ausdauertrainings auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit
untermauert wird.
Der zentrale Erkenntnisgewinn durch die vorgestellte Studie liegt in der
Tatsache, dass Ausdauertraining sowohl die Telomeraseaktivität als auch
die Telomerlänge von mononukleären Zellen positiv beeinflussen
kann, unabhängig von der gewählten Ausdauertrainingsmethode.
Diese Effekte konnten bei einem Kraftausdauertraining nicht beobachtet werden.
Es kam jedoch zu einer gesteigerten Bildung von Schutzproteinen sowie zur
Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness. Unter zusätzlicher
Berücksichtigung der hier nicht erwähnten Effekte eines
Krafttrainings für das Muskel-Skelett-System kann abschließend
festgehalten werden, dass die größten gesundheitspositiven
Effekte durch eine Kombination von Kraft- und Ausdauertraining zu erwarten
sind.
Funktion der Telomere
Jede Zelle enthält einen Chromosomensatz, in dem ein Großteil der
Erbinformation in Form von DNA gespeichert ist. Diese Information darf nicht
beschädigt werden, damit die ordnungsgemäße Funktion der
Zelle erhalten bleibt. Dabei schützen die Enden der Chromosomen, die als
Telomere bezeichnet werden, die chromosomale DNA vor dem Abbau.