CC BY-NC-ND 4.0 · Aktuelle Ernährungsmedizin 2022; 47(01): 15-25
DOI: 10.1055/a-1528-7018
Originalarbeit

Reduzierter Muskelstatus und Muskelabbau bei geriatrischen Patient*innen

Reduced Muscle Status and Muscle Loss in Hospitalized Geriatric
Fabian Graeb
1   Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften
,
Christoph Manegold
2   Sana Klinik Bethesda Stuttgart, Innere Medizin, Gastroenterologie, Diabeteologie und Altersmedizin
,
Julia Rein
3   Marienhospital Stuttgart, Direktion für Pflege- und Patientenmanagement
,
Reinhold Wolke
1   Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Mangelernährung, schlechter Muskelstatus und dessen Folgen stellen speziell bei geriatrischen Patient*innen ein bekanntes und anhaltendes Problem dar.

Methodik Im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt Prävention und Behandlung von Mangelernährung bei geriatrischen Patient*innen im Krankenhaus sollte anhand einer Gelegenheitsstichprobe der Ernährungs- und Muskelstatus bei einem geriatrischen Patient*innenkollektiv explorativ untersucht werden. Hierfür wurden bei Krankenhausaufnahme und kurz vor Entlassung Befragungen sowie Messungen zur Anthropometrie und Körperzusammensetzung (BIA) durchgeführt. Es konnten 102 Patient*innen ≥ 65 Jahre eingeschlossen werden, für 63 liegt eine zweite Messung vor.

Ergebnisse Bei Aufnahme weisen 62,7 % (n = 64) einen kritisch reduzierten Skelettmuskelindex (SMI) auf. Die Patient*innen mit verringertem SMI sind signifikant älter (r = – 0,323; p = 0,001), weisen schlechtere Score-Werte für den MNA-SF auf (r = – 0,312; p = 0,002), haben ein geringeres Gewicht (r = – 0,414; p < 0,001) sowie einen geringeren BMI (r = – 0,495; p < 0,001), Waden- (r = – 0,434; p < 0,001) und Oberarmumfang (r = – 0,397; p < 0,001), weniger Fettmasse (r = – 0,249; p = 0,012), Gesamtkörperwasser (r = – 0,383; p < 0,001) und einen niedrigeren Phasenwinkel (r = – 0,400; p < 0,001). Im Verlauf des Krankenhausaufenthalts kommt es zu einer signifikanten Reduktion der absoluten Muskelmasse (– 1,17 kg; p = 0,015), des Phasenwinkels (– 0,17°; p = 0,011) sowie einem steigenden Anteil extrazellulärer Flüssigkeit (+ 0,46 %; p = 0,010). 44,4 % (n = 28) verlieren ≥ 1 kg Muskelmasse, Frauen sind signifikant häufiger betroffen (55,9 %; n = 19 vs. 31 % n = 9; r = 0,249; p = 0,048).

Diskussion Viele geriatrische Patient*innen weisen bei stationärer Aufnahme einen reduzierten Ernährungs- und noch häufiger Muskelstatus auf. Interventionen müssen auf Verbesserung des Ernährungs- und Muskelstatus abzielen und dies entsprechend auch evaluieren.


#

Abstract

Background Malnutrition, reduced muscle mass and its consequences are well-known and persistent problems, especially in geriatric patients.

Methods In the BMBF-funded research project Prevention and Treatment of Malnutrition in Geriatric Patients in the Hospital, a random sample of successive admissions was used to investigate the nutritional and muscle status of a hospitalized geriatric population. Surveys and anthropometric measurements were applied to evaluate body composition (BIA) at hospital admission and before discharge. 102 patients age ≥ 65 years were included, in 63 a second measurement has been carried out.

Results On admission, the proportion with a critically reduced SMI is 62.7 % (n = 64). Patients with reduced SMI are significantly older (r = – 0.323; p = 0.001) and have lower MNA-SF scores (r = – 0.312; p = 0.002), weight (r = – 0.414; p < 0.001), BMI (r = – 0.495; p < 0.001), calves (r = – 0.434; p < 0.001) and upper arm circumference (r = – 0.397; p < 0.001), less fat mass (r = – 0.249; p = 0.012), total body water (r = – 0.383; p < 0.001) and a lower phase angle (r = – 0.400; p < 0.001). A significant reduction in absolute muscle mass (– 1.17 kg; p = 0.015), phase angle (– 0.17°; p = 0.011) and an increasing proportion of extracellular fluid (+ 0.46 %; p = 0.010) occur during hospital stay. 44.4 % (n = 28) lose ≥ 1 kg muscle mass, women are significantly more frequently affected (55.9 %; n = 19 vs. 31 % n = 9; r = 0.249; p = 0.048).

Conclusion Many geriatric patients have a reduced nutritional and even more frequent worsen muscle status at admission. Interventions must aim to improve nutritional and muscle status and evaluate this accordingly.


#

Abkürzungsverzeichnis

BIA: bioelektrische Impedanzanalyse
BMBF: Bundesministerium für Bildung und Forschung
DXA : Dual Energy X-ray Absorptiometry
EQ-5D-5L: Instrument zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
ESPEN: European Society for Clinical Nutrition and Metabolism
EWGSOP: European Working Group on Sarcopenia in Older People
FFMI: Fettfreie-Masse-Index
GLIM: Global Leadership Initiative on Malnutrition
IQR: Interquartilsabstand
ISAR Score: Identification of Seniors at Risk
M: arithmetisches Mittel
Mdn: Median
MNA-SF, MNA-LF: Mini Nutritional Assessment Kurzfassung, Langfassung
OA: Oberarmumfang
SD: Standardabweichung
SMI: Skelettmuskelindex
WU: Wadenumfang 

Einleitung

Viele Patient*innen weisen im akutklinischen Bereich bereits bei Aufnahme in ein Krankenhaus eine Mangelernährung auf. Studien weltweit haben auf dieses Problem aufmerksam gemacht und die daraus resultierenden negativen Konsequenzen aufgezeigt. So zeigt eine aktuelle Auswertung [1] von nutritionDay-Daten deutscher Krankenhäuser einen Anteil von 21,9 % schwerer und 14 % mäßiger Mangelernährung. Laut Patientenakten werden jedoch nur 12–13 % als mangelernährt identifiziert, was dazu führt, dass nur ein Teil der Betroffenen auch eine ernährungsmedizinische Therapie erhält. In derselben Erhebung konnte eine zunehmende Krankenhausverweildauer und Mortalitätsrisiko bei abnehmendem Ernährungsstatus aufgezeigt werden [1]. In einer Erhebung in der Schweiz weisen 27,8 % der internistischen Patient*innen ein Mangelernährungsrisiko auf, wobei Ältere signifikant häufiger betroffen sind. Hier zeigen sich starke Assoziationen zwischen einem Mangelernährungsrisiko und verschlechtertem Barthel-Index, längerer Aufenthaltsdauer, häufigerer Wiederaufnahme, geringerer Lebensqualität sowie steigendem Mortalitätsrisiko [2]. In einer Erhebung in Österreich bei Patient*innen über 65 Jahren liegt der Anteil von Patient*innen mit einem Mangelernährungsrisiko laut Screening bei 24,3 %. Dieses ist mit einem erhöhten Sturzrisiko in der Klinik assoziiert [3]. In einer britischen Erhebung bei zu Hause lebenden Senioren weisen 44,2 % ein hohes und 25,2 % ein mittleres Mangelernährungsrisiko auf [4], was für ein generell erhöhtes Risiko bei älteren Menschen spricht, auch abseits akuter und schwerer Erkrankungen. In einer Erhebung, basierend auf Routinedaten deutscher Altenpflegeeinrichtungen, liegt bereits bei Aufnahme in die Klinik für 38 % ein Mangelernährungsrisiko vor. Ein bereits bestehendes Mangelernährungsrisiko bei diesen Pflegeheimbewohner*innen ist mit einer erhöhten Mortalität in der Klinik und den nachfolgenden 6 Monaten assoziiert [5].

In den aktuellen Leitlinien der europäischen Fachgesellschaft ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism) und dem internationalen GLIM-Konsens (Global Leadership Initiative on Malnutrition) wird zeitnah nach Klinikaufnahme zunächst ein Screening auf Mangelernährung bzw. zum Mangelernährungsrisiko empfohlen. Im Anschluss soll eine manifeste Mangelernährung identifiziert werden, wofür unter anderem der Muskelstatus erhoben werden soll, beispielsweise durch die Bestimmung des Fettfreie-Masse-Indexes (FFMI) [6] [7]. Hierfür muss jedoch die Körperzusammensetzung gemessen werden, entweder per Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA) oder bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA). Während eine DXA aufgrund der dabei entstehenden Strahlenbelastung eher ungeeignet erscheint, um als Standarddiagnostik bei Patient*innen mit positivem Mangelernährungsscreening zum Einsatz zu kommen, bietet eine BIA-Messung eine valide, leicht durchzuführende, nicht invasive Alternative [8]. Obwohl viele Kliniken vermutlich über ein solches Gerät verfügen, kommt es außerhalb von Studien eher nicht regelhaft zum Einsatz. Da jedoch bei einem ungewollten Gewichtsverlust ein erhöhtes Risiko besteht, gerade eben auch Muskelmasse einzubüßen, wird von ernährungsmedizinischer Seite dafür plädiert, dem Muskelstatus und dessen Veränderungen einen höheren Stellenwert in der Diagnostik und Therapie von Mangelernährung zuzurechnen [9]. Da die Messung der Körperzusammensetzung so selten erfolgt, gibt es bislang wenig Daten zum initialen Status bei Aufnahme ins Krankenhaus. Konkrete Daten zu Veränderungen der Körperzusammensetzung und einem möglichen Abbau von Muskelmasse im Zuge von Klinikaufenthalten liegen bislang ebenfalls nur vereinzelt vor. Ziel der hier vorliegenden Erhebung ist es daher die Körperzusammensetzung in einer geriatrischen Stichprobe bei Aufnahme zu erheben und explorativ Veränderungen der Körperzusammensetzung im Zuge eines Klinikaufenthaltes und damit assoziierte Faktoren zu ermitteln. Die zugrunde liegende Hypothese geht davon aus, dass nicht nur häufig Körpergewicht verloren geht, sondern tatsächlich auch im erheblichen Umfang Muskelmasse. Dementsprechend erfolgt eine Fokussierung auf den Muskelstatus und dessen Veränderungen.


#

Design und ethisches Clearing

Im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt Prävention und Behandlung von Mangelernährung bei geriatrischen Patienten im Krankenhaus wurde anhand einer Gelegenheitsstichprobe Gesundheitsstatus, Ernährungsgewohnheiten, Handkraft und Daten zur Anthropometrie und Körperzusammensetzung von älteren Patient*innen (≥ 65 Jahre) bei Aufnahme bestimmt. Kurz vor der Entlassung wurden die Handkraft, Anthropometrie und Körperzusammensetzung erneut gemessen, um die Veränderungen über den Klinikaufenthalt darzustellen.

Einschlusskriterien waren lediglich ein Alter ≥ 65 Jahre, Ausschlusskriterien eine fortgeschrittene Demenz oder eine aus anderen Gründen fehlende Einwilligungsfähigkeit sowie ein implantierter Herzschrittmacher oder Defibrillator, da dann keine BIA-Messung durchgeführt werden könnte. Die Erhebung fand in den Projektstationen der beiden Partnerkliniken Sana Klinik Bethesda (Zeitraum 7 Wochen) und Marienhospital Stuttgart (Zeitraum 4 Wochen) statt, ab September bzw. November 2019. Eingeschlossen wurden im Marienhospital eine Station der Unfallchirurgie mit geriatrischem Schwerpunkt, eine der Neurologie und eine interdisziplinär-internistische Privatstation. In der Sana Klinik Bethesda wurden alle Patient*innen der Inneren Abteilung eingeschlossen, außer die der Demenzstation.

Innerhalb der ersten 24 h nach Aufnahme wurden die Patient*innen aufgesucht, zur Studie aufgeklärt und eine schriftliche Einwilligung eingeholt. Befragung und initiale Messungen mussten innerhalb der ersten 24 h durchgeführt werden (T1), eine 2. Messung frühestens 3 Tage später (T2) und so nah wie möglich vor Entlassung. Die gesammelten Daten wurden vor Ort bereits anonymisiert und erst anschließend ausgewertet. Für das Forschungsprojekt und die darin durchgeführten Datenerhebungen liegt ein positives Ethikvotum des Ethikkomitees der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft in Witten vor (Antrag-Nr. 17-005).

Insgesamt konnten 109 Patient*innen initial rekrutiert werden, was in etwa einem Drittel der in diesem Zeitraum aufgenommenen Patient*innen im Alter von 65 Jahren und älter entspricht. Ungefähr 20 % der Angesprochenen lehnten eine Teilnahme ab, etwa genauso viele waren nicht befragungsfähig. Der Rest wurde nicht rechtzeitig angetroffen (wegen Diagnostik, Operationen o. Ä.), wurden bereits in den ersten Stunden in andere Kliniken/Abteilungen verlegt oder hatten einen Herzschrittmacher implantiert. Von diesen 109 Patient*innen konnte bei 102 ein kompletter Aufnahmebefund erhoben werden, bei 7 fehlt hingegen eine BIA-Messung.

Methoden

Die Befragung der Patient*innen erfolgte per standardisiertem Fragebogen. Inhalt der Befragung ist eine möglichst klare Beschreibung des initialen Ernährungsstatus, Ernährungsgewohnheiten vor Aufnahme, Lebensqualität, Morbidität und alltäglichem Unterstützungsbedarf. Der Fragebogen basiert im Wesentlichen auf den validen Mangelernährungsscreenings MNA-SF, MNA-LF [10], dem Instrument EQ-5D-5L zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität [11], verschiedenen Items des nutritionDay-Fragebogen zur Erfassung der Ernährungssituation vor Klinikaufenthalt [12] [13] und dem ISAR-Score („Identification of Seniors at Risk“) zur Einschätzung eines altersabhängigen Versorgungsrisikos [14]. Liegt der ISAR-Score bei ≥ 2 Punkten, wird von einem erhöhten Betreuungsbedarf während des Klinikaufenthalts und einem erhöhten Risiko für eine erhöhte (Pflege) Abhängigkeit nach Entlassung ausgegangen. Die Befragung wurde ergänzt um Fragen zu Ernährung und Gesundheit. Anhand der Befragungen sollte außerdem eine Einschätzung des Mangelernährungsrisikos gemäß den ESPEN-Kriterien [7] abgeleitet werden. Zudem wurden demografische Angaben erfasst (Alter, Geschlecht, Familienstatus u. a.).

Es wurden außerdem das Gewicht (jeweilige Sitzwaage der Station), BMI, Umfang des Oberarms und Unterschenkel, Handkraft beidseits (Kern MAP80 K1) und die Körperzusammensetzung per BIA (Seca mBCA 525) gemessen. Erfasst und ausgewertet werden jeweils die absolute Fettmasse (FM), Skelettmuskelmasse (SM), extrazelluläres Wasser und Gesamtkörperwasser. Außerdem wurden Fettfreie-Masse-Index (FFMI), Skelettmuskelmasseindex (SMI), Phasenwinkel sowie das Verhältnis extrazellulär zu Gesamtkörperwasser ermittelt. Beim FFMI und SMI werden jeweils die fettfreie Masse und Skelettmuskelmasse in Bezug zur Körpergröße gesetzt, analog zum BMI. Die Messungen fanden überwiegend am Vormittag statt, allerdings war es aus organisatorischen Gründen nicht möglich, stets zur selben Uhrzeit zu messen. Aufgrund von Therapien und Diagnostik war es notwendig, Untersuchungen teilweise auch nachmittags durchzuführen. Die Patient*innen mussten vor der Messung mindestens schon 10 Minuten liegen. Die Berechnungen und Interpretationen der Körperzusammensetzung basieren auf den im System hinterlegten Formeln von Bosy-Westphal et al. und Peine et al. [8] [15]. Die Bestimmung einer Sarkopenie richtet sich nach den Kriterien der europäischen Arbeitsgruppe EWGSOP (European Working Group on Sarcopenia in Older People) [16]. Ein reduzierter Muskelstatus wird dementsprechend als niedriger Skelettmuskelindex (SMI) mit den Cut-off-Werten 8,87 kg/m² für Männer und 6,42 kg/m² für Frauen definiert.


#

Statistische Methodik

Die Auswertung erfolgte mithilfe von IBM SPSS Statistics 26. Für Gruppenvergleiche (kritischer SMI, Muskelabbau ≥ 1 kg) wurde das parameterfreie Verfahren Mann-Whitney-U gewählt. Dies war nötig aufgrund der nicht gegebenen Normalverteilung in den gegenübergestellten Gruppen, den relativ kleinen Teilgruppen und den Skalenniveaus einzelner Variablen. Dementsprechend werden hier dann auch Median (Mdn) und Interquartilsabstand (IQR) angegeben. Außerdem wurden Chi²-Testungen bei nominalskalierten Variablen (z. B. Erkrankungen, Geschlecht) durchgeführt. Die Veränderungen der Körperzusammensetzung wurden per t-Test als verbundene Stichprobe auf signifikante Veränderungen geprüft, hier ist die Normalverteilung gegeben. Ein p ≤ 0,05 wird als signifikant betrachtet.


#
#

Ergebnisse

Eine Mehrheit der Stichprobe ([ Tab. 1 ]) ist weiblich (57,8 %; n = 59), im Mittel 77,7 Jahre (SD ± 7,9) alt, ein knappes Viertel ist 85 Jahre oder älter (22,6 %; n = 23). Patient*innen der Inneren Medizin dominieren deutlich (64,7 %; n = 66). Die eingeschlossenen Stationen der Inneren sind jeweils als interdisziplinär-internistisch einzuordnen, was zu einer großen Bandbreite an Einweisungsdiagnosen führt. Die Patient*innen leben überwiegend zu Hause (89,2 %; n = 91), weniger als die Hälfte mit Partner*in (41,2 %; n = 42) und wurden überwiegend als Notfall aufgenommen (75,5 %; n = 77). Die arterielle Hypertonie ist die häufigste chronische Erkrankung in der Kohorte (48,0 %; n = 49). Kardiale Erkrankungen sind eher relativ selten, so liegt nur bei 4,9 % (n = 5) eine Herzinsuffizienz vor.

Tab. 1

Beschreibung der Stichprobe (N = 102, eigene Darstellung).

Geschlecht n (%)

weiblich

59 (57,8)

männlich

43 (42,2)

Alter in Jahren, M ± SD

77,7 ± 7,9

Alter gruppiert, n (%)

65–74 Jahre

38 (37,3)

75–84 Jahre

41 (40,2)

85–94 Jahre

21 (20,6)

≥ 95 Jahre

 2 (2,0)

Abteilung, n (%)

Innere Medizin

66 (64,7)

Unfallchirurgie

17 (16,7)

Neurologie

19 (18,6)

Familienstand, n (%)

alleine lebend

33 (32,4)

Partnerschaft

42 (41,2)

Aufnahmeart, n (%)

geplant

25 (24,5)

Notfall

77 (75,5)

Aufnahme von, n (%)

zu Hause

91 (89,2)

Pflegeeinrichtung o. Ä.

11 (10,8)

Aufnahmediagnosen, n (%)

neurologische Erkrankungen

15 (14,7)

Tumorerkrankungen

14 (13,7)

Verletzungen

12 (11,8)

kardiale und Gefäßerkrankungen

 8 (7,8)

häufigste chronische Erkrankungen, n (%)[1]

arterielle Hypertonie

49 (48,0)

Tumorerkrankungen

18 (17,6)

Diabetes mellitus

17 (16,7)

chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen

14 (13,7)

Niereninsuffizienz

12 (11,8)

Aufenthaltsdauer in Tagen[2], M ± SD

 8,1 (± 5,7)

Anzahl Arztkontakte letzte 12 Monate, M ± SD

 7,4 (SD ± 8,56)

Anzahl Klinikaufenthalte letzte 12 Monate, M ± SD

 1,5 (± 2,4)

Polypharmazie zu Hause (> 5 verschiedene Medikamente/Tag), n (%)

48 (47,1)

Anzahl Medikamente bei Aufnahme, M ± SD

 6,5 (±3,9)

Anzahl Medikamente bei Entlassung[2], M ± SD

 7,32 (± 3,8)

Lebensqualität (EQ-5D-5l-Index), M ± SD

 0,67 (± 0,29)

Einschätzung Gesundheit (VAS 0–100), M ± SD

53,85 (± 20,7)

Einschätzung Gesundheit im Vergleich zu Gleichaltrigen, n (%)

besser

33 (32,4)

gleich gut

39 (38,2)

schlechter

21 (20,6)

Unterstützungsbedarf vor Aufnahme, n (%)

Haushalt führen

27 (26,5)

Einkaufen/Erledigungen

23 (22,5)

Essen zubereiten

19 (18,6)

Waschen und Anziehen

13 (12,7)

Gehfähigkeit, n (%)

selbstständig

62 (60,8)

mithilfe einer Person bzw. Hilfsmittel

36 (35,3)

Rollstuhl/bettlägerig

 4 (3,9)

ISAR-Versorgungsrisiko (≥ 2 P), n (%)

53 (52,0)

VAS = visuelle Analogskala/subjektiver Gesundheitsstatus heute

1 Mehrfachnennungen möglich


2 N = 100


Gesundheitsstatus und Unterstützungsbedarf bei Aufnahme (T1)

Anhand der Fragen nach Medikamenten, Arztkontakten und Krankenhausaufenthalten in den vergangenen 12 Monaten lässt sich die allgemeine Morbidität einschätzen. Ein Großteil war in diesem Zeitraum mindestens einmal stationär im Krankenhaus (M 1,5 Aufenthalte, SD ± 2,41). Hinzu kommen durchschnittlich 7,4 (SD ± 8,56) ambulante Arztkontakte. Als Kennzeichen einer Polypharmazie wird die Einnahme von mindestens 5 verschiedenen Medikamenten am Tag gewählt. Bereits zu Hause haben 47,1 % (n = 48) mindestens 5 verschiedene Medikamente am Tag eingenommen. Am 1. Behandlungstag und bei Entlassung liegt der Mittelwert für die Anzahl unterschiedlicher Medikamente am Tag jeweils bei über 5 unterschiedlichen Medikamenten (M 6,5; SD ± 3,93 bzw. 7,32; SD ± 3,8). Während diese Daten auf eine gewisse Grundmorbidität hinweisen, zeigt die gesundheitsbezogene Lebensqualität im EQ-5D-5L-Index-Value eine eher positive Tendenz (M 0,67; SD ± 0,29). Die daran angeschlossene Einschätzung des subjektiven Gesundheitsstatus per visueller Analogskala erfolgt anhand einer Skala von 0–100, wobei 0 der denkbar schlechteste und 100 der denkbar beste Gesundheitszustand wäre. Die eigene Gesundheit wird demnach zwar durchschnittlich eher als mittelmäßig betrachtet (VAS M 53,85; SD ± 20,7), gleichzeitig wird diese aber im Vergleich zu Gleichaltrigen tendenziell positiv bewertet.

Ein knappes Drittel (32,4 %; n = 33) gibt an, vor Klinikaufenthalt bereits auf regelmäßige Unterstützung angewiesen gewesen zu sein, wobei es hierbei überwiegend um Alltagsunterstützung wie Haushalt führen (26,5 %; n = 27) geht. Pflegerische Unterstützung beim Waschen und Anziehen (12,7 %; n = 13) sind in der hier befragten Gruppe relativ selten. Ein Großteil ist ohne Hilfe gehfähig (60,8 %; n = 62) oder mithilfe einer Person bzw. Hilfsmittel (33,3 %; n = 36). Gemäß ISAR-Scores zur Identifikation von Personen mit einem potenziellen Versorgungsrisiko sind 52 % (n = 53) der Befragten auffällig (Cut-off ≥ 2).


#

Ernährungsgewohnheiten und Ernährungsstatus bei Aufnahme (T1)

Mit 19,6 % (n = 20) hat ein knappes Fünftel in der Vorwoche nur halb so viel gegessen wie üblich, während 10,8 % (n = 11) die Essmenge nur geringfügig reduziert und der Großteil von 68,8 % (n = 70) so viel wie immer oder gar mehr gegessen haben. Allerdings zeigt sich bei der Frage nach der Anzahl an Mahlzeiten pro Tag bereits, dass einige der Patient*innen allgemein eher wenig essen. Nur 62,7 % (n = 64) nehmen regelhaft 3 Mahlzeiten am Tag zu sich, 30,4 % (n = 31) nur 2 und 6,9 % (n = 7) gar nur eine. Betrachtet man nun die gewohnte Zufuhr an eiweißreichen Lebensmitteln, so zeigt sich, dass zwar 75,5 % (n = 77) täglich Milchprodukte zu sich nehmen, jedoch nur 66,7 % (n = 68) mindestens 2-mal die Woche Hülsenfrüchte, Eier und/oder Sojaprodukte und nur 30,4 % (n = 32) jeden zweiten Tag Fisch, Fleisch oder Geflügel essen. 4,9 % (n = 5) geben an, sich überwiegend vegetarisch oder vegan zu ernähren.

32,4 % (n = 33) haben in den letzten 3 Monaten ungewollt Gewicht verloren, der Median liegt hier bei 5 kg oder 7,04 % des Körpergewichts. Dennoch schätzen nur 12,7 % (n = 13) ihren Ernährungszustand als schlecht ein, 34,3 % (n = 35) als mittelmäßig und 47,1 % (n = 48) als gut. Laut MNA-SF weisen 8,8 % (n = 9) einen normalen Ernährungszustand auf, 69,9 % (n = 71) werden als gefährdet und 21,6 % (n = 22) als mangelernährt identifiziert. Die Einschätzung anhand der ESPEN-Kriterien ergibt ebenfalls für 21,6 % (n = 22) eine manifeste Mangelernährung.


#

Körperzusammensetzung bei Aufnahme (T1)

[ Tab. 2 ] zeigt die Ergebnisse aus Anthropometrie, Handkraft und Körperzusammensetzung. Des Weiteren werden Kraft und Muskelmasse zusätzlich mithilfe der Handkraftmessung bzw. Oberarm- und Wadenumfang beschrieben. Die Handkraft liegt im Mittel bei 19,74 kg (rechts; SD ± 9,49) bzw. 18,5 kg (links; SD ± 9,16). Die Mittelwerte für den Oberarmumfang liegen mit 26,8 cm (SD ± 4,07) bzw. für den Wadenumfang bei 43,4 cm (SD ± 4,06) und damit deutlich über den kritischen Cut-off-Werten des MNA (OA 22 cm; WU 31 cm). Jedoch liegen 10,8 % (n = 11) unter dem Oberarm- und 13,9 % (n = 14) unter dem Wadenumfang Cut-off-Werten. Zur Einschätzung der Körperzusammensetzung werden vor allem die Fett- und Muskelmasse sowie das Körperwasser fokussiert. Die Körperfettmasse beträgt im Mittel 21,31 kg (SD ± 10,43), die Skelettmuskelmasse 20,46 kg (SD ± 7,05), während das Körperwasser im Mittel bei 37,50 l (SD ± 8,24) liegt. 62,7 % (n = 64) weisen einen reduzierten Skelettmuskelindex (SMI) auf. Werden die Kriterien Muskelkraft und Muskelmasse als Marker einer Sarkopenie entsprechend ausgewertet, ergeben sich für 44,2 % (n = 19) der Männer und 50,8 % (n = 30; p = 0,506) der Frauen eine Sarkopenie (gesamt 48 %; n = 49).

Tab. 2

Anthropometrie, Handkraft und Körperzusammensetzung der Patient*innen (T1, eigene Darstellung).

N

M

± SD

Anthropometrie und Handkraft

Gewicht in kg

102

71,26

± 15,94

BMI in kg/m²

102

25,05

± 4,96

Handkraft links in kg

 96

18,5

± 9,16

Handkraft rechts in kg

 99

19,74

± 9,49

Oberarmumfang in cm

102

26,8

± 4,07

Wadenumfang in cm

101

43,4

± 4,06

Körperzusammensetzung

Fettmasse in kg

102

21,31

± 10,43

fettfreie Masse in kg

102

49,94

± 11,32

Skelettmuskelmasse in kg

102

20,46

± 7,05

Gesamtkörperwasser in l

102

37,50

± 8,24

extrazelluläres Wasser in l

102

17,83

± 3,48

Verhältnis von Extrazellulärem zu Gesamtkörperwasser

102

47,85

± 3,01

Fettfreie-Masse-Index in kg/m²

102

17,46

± 2,92

Phasenwinkel in °

102

4,31

± 0,96


#

Anthropometrie, Gesundheits- und Ernährungsstatus in Abhängigkeit von einem niedrigen SMI (T1)

Beim Vergleich der Gruppen mit kritischem SMI (62,7 %; n = 64) und SMI im Normalbereich zeigen sich im Chi²-Test keine signifikanten Unterschiede bei der Geschlechtsverteilung, wobei mit 67,4 % (n = 29; p = 0,402) tendenziell mehr Männer betroffen sind (Frauen 59,2 %; n = 35). Von den chronischen Erkrankungen zeigt lediglich die Niereninsuffizienz eine signifikante Assoziation: 91,7 % (n = 11) der Patient*innen mit Niereninsuffizienz haben einen niedrigen SMI, bei den Nierengesunden sind es 58,9 (n = 53; p = 0,027; r = 0,218). Ebenfalls nicht signifikant sind die Unterschiede gemäß Mann-Whitney-U-Test hinsichtlich Handkraft, üblicher Zufuhr an eiweißreichen Lebensmitteln und Anzahl an Mahlzeiten, Essmenge vor dem Krankenhausaufenthalt, ungewolltem Gewichtsverlust, Einschätzung der Lebensqualität, Gesundheit, Mobilität, Arztkontakte und Klinikaufenthalte, ISAR-Score, Anzahl der Medikamente bei Aufnahme und Entlassung sowie Aufenthaltsdauer. Tatsächlich sind Patient*innen mit einem initial geschwächten Muskelstatus ([ Tab. 3 ]) erheblich älter (r = – 0,323; p = 0,001) und weisen einen niedrigeren MNA-SF auf (r = – 0,312; p = 0,002). Bei der Körperzusammensetzung zeigt sich, dass Patient*innen mit einem schlechten Muskelstatus tendenziell auch ein geringeres Gewicht (r = – 0,414; p < 0,001), BMI (r = – 0,495; p < 0,001), weniger Fettmasse (r = – 0,249; p = 0,012) und Gesamtkörperwasser (r = – 0,383; p < 0,001) sowie einen niedrigeren Phasenwinkel (r = – 0,400; p < 0,001) aufweisen. Das Verhältnis von extrazellulärem zum Gesamtkörperwasser ist signifikant verschoben in Richtung eines höheren extrazellulären Anteils (r = – 0,269; p < 0,007). Auch der Umfang von Wade (r = – 0,434; p < 0,001) und Oberarm (r = – 0,397; p < 0,001) fallen signifikant niedriger aus.

Tab. 3

Vergleich von Patient*innen mit kritischem und normalem Skelettmuskelindex (SMI) (Mann-Whitney-U-Test, T1, eigene Darstellung).

N

kritischer SMI Mdn (IQR)

normaler SMI Mdn (IQR)

P

z

r

Alter in Jahren

64/38

81,0 (11)

72,0 (9,5)

0,001

– 3,267

– 0,323

Gewicht in kg

64/38

64,0 (10,1)

80,3 (10,8)

< 0,001

– 4,184

– 0,414

BMI in kg/m²

64/38

23,3 (6)

27,7 (5,6)

< 0,001

– 5,004

– 0,495

Handkraft links in kg

60/36

15,8 (11,8)

19,3 (14,8)

0,139

Handkraft rechts in kg

62/37

16,4 (13,9)

20,2 (11,3)

0,332

Oberarmumfang in cm

64/38

25,4 (5)

29,0 (4,9)

< 0,001

– 4,007

– 0,397

Wadenumfang in cm

64/37

33,0 (4,7)

36,5 (3,6)

< 0,001

– 4,359

– 0,434

MNA-SF Score

64/38

 9,0 (3)

10,0 (1)

0,002

– 3,149

– 0,312

Körperzusammensetzung

Fettmasse in kg

64/38

18,14 (13,2)

23,78 (12,8)

0,012

– 2,516

– 0,249

fettfreie Masse in kg

64/38

42,2 (18,1)

53,0 (19,6)

< 0,001

– 3,828

– 0,379

Skelettmuskelmasse in kg

64/38

16,0 (11,2)

22,8 (10,8)

< 0,001

– 4,402

– 0,436

Gesamtkörperwasser in l

64/38

32,1 (12,5)

40,4 (14,2)

< 0,001

– 3,866

– 0,383

extrazelluläres Wasser in l

64/38

16,0 (4,9)

19,9 (5,7)

0,001

– 3,364

– 0,333

Verhältnis von extrazellulärem zu Gesamtkörperwasser

64/38

48,0 (4,8)

46,0 (4,0)

0,007

– 2,715

– 0,269

Fettfreie-Masse-Index in kg/m²

64/38

15,9 (3,7)

19,7 (4,0)

< 0,001

– 5,174

– 0,512

Phasenwinkel in °

64/38

 3,95 (1,2)

 4,85 (1,3)

< 0,001

– 4,042

– 0,400


#

Veränderungen der Körperzusammensetzung während des Krankenhausaufenthalts (T1–T2)

[ Tab. 4 ] beschreibt die Ergebnisse der BIA-Messungen für die Gruppe mit 2 Messungen. Zwischen T1 und T2 liegen im Mittel 6,5 Tage (SD ± 4,75). In dieser Zeit wurden keine signifikanten Gewichtsveränderungen beobachtet (– 0,34 kg; p = 0,499). Allerdings verlieren immerhin 14,3 % (n = 9) mindestens 5 % ihres Körpergewichts. Eine Gewichtszunahme von mindestens 5 % ist dagegen deutlich seltener (4,8 %; n = 3). Der t-Test ergibt einen signifikanten Rückgang der Skelettmuskelmasse (– 1,17 kg; p = 0,015), des Phasenwinkels (– 0,17°; p = 0,011) und eine Verschiebung des Verhältnisses von extrazellulärem zum Gesamtkörperwasser (+ 0,46; p = 0,010). Abgesehen davon kommt es zu keinen signifikanten Veränderungen hinsichtlich der Handkraft und anthropometrischen Daten.

Tab. 4

Anthropometrie, Handkraft und Körperzusammensetzung nach Aufnahme (T1) und kurz vor Entlassung (T2) (t-Test, eigene Darstellung, N = 63).

T1

T2

Diff. T1/T2

P

Tage zwischen T1 und T2

M ± SD

 6,51

± 4,75

Handkraft links in kg

M ± SD

18,26

± 9,58

18,47

± 9,99

+ 0,21

0,631

Handkraft rechts in kg

M ± SD

19,43

± 9,86

19,07

± 10,67

– 0,36

0,521

Gewicht in kg

M ± SD

72,70

± 16,85

72,47

± 17,36

– 0,23

0,499

BMI in kg/m²

M ± SD

25,43

± 5,15

25,30

± 5,30

– 0,13

0,298

Fettmasse in kg

M ± SD

21,78

± 10,81

21,92

± 11,84

0,14

0,754

fettfreie Masse in kg

M ± SD

50,91

± 11,24

50,55

± 11,37

– 0,36

0,467

Skelettmuskelmasse in kg

M ± SD

21,10

± 6,77

19,93

± 8,10

– 1,17

0,015

Gesamtkörperwasser in l

M ± SD

38,24

± 8,17

38,12

± 8,43

– 0,12

0,750

extrazelluläres Wasser in l

M ± SD

18,25

± 3,36

18,36

± 3,55

0,11

0,600

Verhältnis von extrazellulärem zu Gesamtkörperwasser

M ± SD

48,08

± 3,11

48,54

± 2,85

0,46

0,010

FFMI in kg/m²

M ± SD

17,75

± 3,05

17,56

± 2,89

– 0,19

0,289

Phasenwinkel in °

M ± SD

 4,20

± 0,96

 4,03

± 0,90

– 0,17

0,011

Mit insgesamt 58,7 % (n = 37) verliert ein Großteil der Patient*innen eher Muskelmasse, 44,4 % (n = 28) mindestens 1 kg. Zum Vergleich die Veränderungen der Fettmasse: Hier verlieren 41,3 % (n = 26) an Masse, wobei lediglich 31,7 % (n = 20) mindestens 1 kg Fettmasse einbüßt.


#

Anthropometrie, Gesundheits- und Ernährungsstatus in Abhängigkeit von einem Muskelabbau ≥ 1 kg (T1–T2)

Im Folgenden werden die Gruppen mit einem Verlust von mindestens 1 kg Muskelmasse mit der Gruppe weniger bzw. keine Einbußen bei der Muskelmasse verglichen. Für die Gruppe mit einem Muskelverlust ≥ 1 kg zeigen sich laut Chi²-Test keine signifikanten Korrelationen mit chronischen Erkrankungen, Tumorerkrankungen, Operationen, Sarkopenie oder Mangelernährung bei Aufnahme. Allerdings sind 55,9 % (n = 19) der Frauen, aber nur 31 % (n = 9; r = 0,249; p = 0,048) der Männer von diesem ausgeprägten Muskelabbau betroffen.

Ein Gruppenvergleich per Mann-Whitney-U-Test zeigt nur wenige signifikante Unterschiede ([ Tab. 5 ]). Allerdings zeigt der Ausgangsstatus einige Tendenzen, wie ein eher höheres Alter und geringere Kraft in beiden Händen in der Gruppe mit einem Muskelabbau ≥ 1 kg. Die Daten zur initialen Körperzusammensetzung ähneln sich in beiden Gruppen sehr stark. In der Gruppe mit einem Muskelverlust ≥ 1 kg kommt es zu einem signifikanten Rückgang der Handkraft rechts zu T2 (r = – 0,338; p = 0,009), das Gesamtkörperwasser reduziert sich eher (r = – 0,727; p < 0,001), die Fettmasse dagegen nimmt eher zu (r = – 0,636; p < 0,001). Dass die Differenz der fettfreien Massen, Skelettmuskelmasse und des Fettfreie-Masse-Index in der Gruppe mit dem ausgeprägten Muskelabbau deutlich negativ ist, ist aufgrund der Gruppierung anhand des Muskelabbaus folgerichtig. In der Gruppe mit dem geringen Muskelabbau nimmt die Handkraft in beiden Händen dagegen leicht zu, die Fettmasse ist eher rückläufig, während das Gesamtkörperwasser eher steigt. Keine signifikanten Unterschiede liegen für die Differenz von Phasenwinkel, extrazellulärem Wasser, Muskelmasse sowie Gesamtkörperwasser von T1 zu T2 vor.

Tab. 5

Vergleich von Patient*innen mit Muskelabbau ≥ 1 kg und < 1 kg (Mann-Whitney-U-Test, eigene Darstellung).

N

Muskelabbau ≥ 1 kg

Mdn (IQR)

Muskelabbau < 1 kg

Mdn (IQR)

p

Z

r

Alter

28/35

81,5 (12,2)

76,0 (11,0)

0,102

Gewicht Aufnahme

28/35

72,2 (25,5)

70,0 (23,0)

0,994

BMI Aufnahme

28/35

25,9 (6,4)

25,2 (6,4)

0,414

Oberarmumfang in cm

28/35

28,2 (7,0)

26,3 (5,2)

0,336

Wadenumfang in cm

28/34

34,9 (6,2)

34,2 (3,4)

0,610

Handkraft links in kg

33

15,4 (11,4)

20,6 (15,5)

0,143

Handkraft rechts in kg

35

16,2 (10,4)

20,7 (16,7)

0,168

MNA-SF-Score

28/35

9,0 (1,0)

9,0 (3,0)

0,262

Körperzusammensetzung T1

Fettmasse in kg

28/35

22,3 (14,2)

19,4 (14,6)

0,430

fettfreie Masse in kg

28/35

47,8 (21,1)

54,9 (16,6)

0,729

Skelettmuskelmasse in kg

28/35

20,8 (11,6)

22,2 (10,7)

0,709

Gesamtkörperwasser in l

28/35

36,2 (15,2)

40,6 (11,8)

0,761

extrazelluläres Wasser in l

28/35

17,8 (6,0)

18,5 (5,0)

0,956

Verhältnis von extrazellulärem zu Gesamtkörperwasser

28/35

49,0 (5,8)

47,0 (4,0)

0,392

Fettfreie-Masse-Index in kg/m²

28/35

17,7 (4,7)

17,7 (3,3)

0,260

Phasenwinkel in °

28/35

4,1 (1,5)

4,0 (1,0)

0,939

Veränderungen von T1 auf T2

Anzahl Tage T1/T2

28/35

4,0 (5,0)

5,0 (7,0)

0,170

Gewicht in kg

28/35

– 0,9 (3,4)

0,7 (2,3)

0,066

Handkraft links in kg

26/33

– 0,5 (4,6)

0,8 (2,8)

0,066

Handkraft rechts in kg

26/35

– 1,1 (3,6)

0,9 (3,4)

0,009

– 2,617

– 0,338

Fettmasse in kg

28/35

2,68 (3,1)

– 1,05 (3,3)

< 0,001

– 5,049

– 0,636

fettfreie Masse in kg

28/35

– 2,6 (3,6)

1,9 (4,4)

< 0,001

– 5,533

– 0,703

Skelettmuskelmasse in kg

28/35

– 3,3 (2,6)

0,7 (2,3)

< 0,001

– 6,778

– 0,861

Gesamtkörperwasser in l

28/35

– 2,15 (2,7)

1,5 (3,4)

< 0,001

– 5,769

– 0,727

extrazelluläres Wasser in l

28/35

– 1,1 (1,7)

1,1 (1,9)

< 0,001

– 5,769

– 0,733

extrazelluläres zu Gesamtkörperwasser

28/35

0,5 (1,0)

1,0 (1,0)

0,465

Fettfreie-Masse-Index in kg/m²

28/35

– 1,0 (1,2)

0,6 (1,5)

< 0,001

– 5,402

– 0,686

Phasenwinkel in °

28/35

– 0,2 (0,8)

– 0,2 (0,5)

0,311


#
#

Diskussion

Es zeigt sich, dass mit 62,7 % (n = 64) ein erheblicher Anteil der hier untersuchten geriatrischen Patient*innen bereits mit einem schlechten Muskelstatus, im Sinne eines kritischen Skelettmuskelindex (SMI) aufgenommen wird. Während sich das mittlere Gewicht im Zuge des Klinikaufenthalts nicht wesentlich verringert, bestätigt sich hingegen der Verdacht, dass es zu signifikanten Veränderungen bei den Parametern der Körperzusammensetzung kommt. Tatsächlich ergibt der t-Test einen signifikanten Rückgang der Skelettmuskelmasse, während sich das Gesamtkörperwasser und die Fettmasse nicht signifikant verändern. Ein hoher Anteil von 44,4 % (n = 28) verliert mindestens 1 kg Muskelmasse. Dies erscheint relativ viel, da im Mittel nur 6,5 Tage zwischen den beiden Messungen liegen. Somit bestätigt sich die zentrale Hypothese der Untersuchung, dass es im Verlauf des Klinikaufenthalts zu relevanten Einbußen der Muskelmasse kommt.

Die hier beobachteten Patient*innen sind eher mobil, selbstständig, deuten aber insgesamt bereits eine zunehmende Vulnerabilität an, was Gesundheit und Ernährungsstatus betrifft. So lebt zwar ein Großteil noch überwiegend selbstständig zu Hause, weist aber bereits deutliche Anzeichen eines körperlichen Abbauprozesses auf. Dies lässt sich unter anderem an dem hohen Anteil an Sarkopenie (48 %; n = 49) und auffälligem ISAR-Score (52 %; n = 53) aufzeigen. Zum Vergleich, in einer schwedischen Kohorte bei zu Hause lebenden Senior*innen mit einem Durchschnittsalter von 87 Jahren liegt der Sarkopenieanteil bei lediglich 21 % [17].

Auch der Ernährungsstatus erscheint zunächst relativ schlecht, mit einem Anteil 21,6 % (n = 22) manifester Mangelernährung gemäß MNA- und ESPEN-Kriterien. In einer Erhebung unter geriatrischen Diabetespatient*innen wurde jedoch mit 22,8 % Mangelernährter ein vergleichbarer Anteil ermittelt [18]. Unter der Betrachtung des Phasenwinkels als einen weiteren Indikator eines schlechten Ernährungsstatus, zeigt sich ein ähnliches Bild. Dieser liegt in der Kohorte bei 4,3°. Der Phasenwinkel in einer Gruppe älterer Patient*innen liegt in einer deutschen Erhebung bei 4,2° (für die Überlebenden), womit die Ergebnisse vergleichbar sind. In derselben Studie wurde eine mittlere Körperfettmasse von 26,8 kg (Frauen) und 27,1 kg (Männer) ermittelt [19]. In der hier untersuchten Kohorte liegt diese dagegen bei 21,3 kg. Die repräsentative NAKO (Nationale Kohorte)-Gesundheitsstudie ermittelte für die Altersgruppe der 70- bis 75-Jährigen einen durchschnittlichen BMI von 28,1 kg/m² für Männer bzw. 27,8 kg/m² für Frauen [20]. Der mittlere BMI liegt in der hier analysierten Stichprobe bei 25,1 kg/m². Damit deutet sich auch anhand des vergleichsweise geringeren BMI und Körperfettmasse ein bereits begonnener Abbauprozess in der untersuchten Kohorte an, zumindest im Vergleich zur älteren Bevölkerung, ohne aktuelle Hospitalisierung.

Niedriger SMI bei Aufnahme

Auffällig ist die generell gering erscheinende Menge an zugeführten eiweißreichen Lebensmitteln, vor allem, wenn berücksichtigt wird, dass ein relativ hoher Anteil von 37,3 % (n = 38) im Normalfall weniger als 3 Mahlzeiten täglich zu sich nimmt. In der Befragung nach Aufnahme wurde angelehnt an die Frage im MNA-LF nach der Häufigkeit des Verzehrs von Milchprodukten, Hülsenfrüchten, Soja und Eier sowie Fleisch, Fisch und Geflügel gefragt. Interessanterweise ist der Unterschied beim Konsum dieser Lebensmittel zwischen den Patient*innen mit einem niedrigen und jenen mit einem unauffälligen SMI auch nicht so hoch, dass er signifikant wäre. Die Handkraft ist ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich zwischen den Gruppen, aber tendenziell schwächer bei kritischem SMI (Median 16,4 kg vs. 20,2 kg). Es zeigen sich außerdem keine signifikanten Unterschiede beim Vergleich der Gruppen kritischer und normaler SMI hinsichtlich der Mobilität und verschiedenen allgemeinen Gesundheitsparametern, der subjektiven Einschätzungen der eigenen Gesundheit und gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Keine Assoziationen sind bezüglich des Outcomes festzustellen, was wiederum wenig überrascht: keiner der Patient*innen ist im Studienzeitraum verstorben, 2 waren bei der abschließenden Sichtung der Patientenakten, 4 Wochen nach Beendigung der Rekrutierung, noch im Haus. Auch was die Verweildauer betrifft, lassen sich keine Zusammenhänge feststellen. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass ein Teil der Patient*innen eine geriatrische Komplexbehandlung bekommen hat, was unweigerlich zu einem längeren Aufenthalt führt, ohne dass dies durch schwere Krankheitsverläufe bedingt wäre [21]. Diese Subgruppe und auch deren Verläufe über den Klinikaufenthalt in einer weiteren Erhebung zu untersuchen, wäre in jedem Fall interessant.

Betrachtet man dagegen die Variablen, die im Gruppenvergleich (SMI) signifikante Unterschiede beschreiben, fallen 2 Dinge auf: zum einen das erheblich höhere Alter bei initial kritischem SMI und die Tatsache, dass Mangelernährungsscores, Phasenwinkel und Fettmasse schlechter ausfallen. Das deutet darauf hin, dass der Ernährungsstatus bei Patient*innen mit niedrigem SMI insgesamt deutlich schlechter ist. Im Zusammenhang mit dem höheren Alter wirft dies aber wiederum die Frage auf, welche Rolle ein physiologischer, alterungsbedingter Abbauprozess bei Mangelernährung und Verlust an Muskelmasse spielen und inwieweit sich dies präventieren lässt. In sich logisch ist der niedrigere Oberarm- und Wadenumfang bei den Patient*innen mit schlechterem Muskelstatus. Dies deutet darauf hin, dass die Messung dieser anthropometrischen Marker eine einfache und praktikable Möglichkeit darstellen kann, um den Muskelstatus zumindest grob einschätzen zu können, auch ohne (differenzierte) Messung der Körperzusammensetzung (z. B. per BIA). Vor allem für die Langzeitpflege könnte dies eine pragmatische Option darstellen, um die Muskelmasse im Blick zu behalten.


#

Veränderungen der Körperzusammensetzung

Rinninella et al. wählten bei ihrer Erhebung ein ähnliches Vorgehen, ebenfalls mit BIA-Messungen zu Beginn und am Ende des Klinikaufenthalts. In dieser Studie wurden signifikante Verschlechterungen des Oberarmumfangs, Phasenwinkels, der fettfreien Masse (FFM) und des Fettfreie-Masse-Index (FFMI) beobachtet [22]. In der hier vorliegenden Untersuchung mit einer kleineren Population zeigen sich dagegen keine signifikanten Veränderungen von FFM und FFMI, allerdings ist die Tendenz hier ebenfalls sinkend. Mithilfe der im BIA-Gerät hinterlegten Formel [8] [15] wurden die Anteile an Wasser, Muskulatur und Fett kalkuliert. Es zeigen sich signifikante Verluste an Muskelmasse, was zur Tendenz der sinkenden FFM- und FFMI-Werte passt. Überraschend ist hingegen, dass sich Fettmasse und Körperwasser im Mittel nicht signifikant verändern und dabei jeweils sogar eher zunehmen. Zwar gibt es Patient*innen, die Fett oder Wasser verlieren, dies hält sich jedoch die Waage, mit jenen, die auch wieder zunehmen, wodurch sich diese Veränderungen im Mittelwert nicht mehr signifikant auswirken. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass hier zwar Patient*innen auch aufgrund kardialer Erkrankungen aufgenommen wurden, jedoch keine der eingeschlossenen Stationen einen kardiologischen Schwerpunkt hatte. Entsprechend schwere Formen einer kardialen Dekompensation mit massiver Ödembildung, möglicherweise auch verbunden mit einer initialen intensivmedizinischen Therapie, ist daher in der Kohorte nicht zu finden. In der hier untersuchten Gruppe sinkt das mittlere Gewicht kaum, allerdings verliert gleichzeitig ein hoher Anteil von 14,3 % (n = 9) in der kurzen Zeit erheblich an Gewicht, über 5 % des Körpergewichts. Bei 41,3 % der Patient*innen (n = 26) kommt es zu einem Abbau der Muskelmasse von 1 kg oder mehr. Dies ist erstaunlich viel, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei dieser Kohorte eher nicht um Schwersterkrankte handelt, da eine initiale Intensivmedizinische Behandlung ein Ausschlusskriterium darstellt. Zum Vergleich, in einer Erhebung mit vergleichsweise jüngeren herzchirurgischen Patient*innen wurde 2 Wochen vor und 2 Monate nach dem Eingriff die Körperzusammensetzung bestimmt. Hierbei verringerte sich die Muskelmasse trotz dieser massiven chirurgischen Traumata im Mittel lediglich um 0,6 kg [23]. Es zeigen sich hier außerdem keine Zusammenhänge zwischen einem Muskelabbau und onkologischen Erkrankungen oder erfolgten Operationen. Damit deutet sich an, dass der beobachtete Effekt weniger auf die Akuterkrankung zurückzuführen ist. Gründe könnten vielmehr eine ungewohnte körperliche Inaktivität sein. In einem älteren Experiment wurden gesunde Senior*innen für 10 Tage immobilisiert, um eine klinische Bettlägerigkeit zu simulieren. Die Magermasse reduzierte sich in diesen 10 Tagen im Mittel um 1,5 kg [24]. Dieses Ergebnis bewegt sich also in einem ähnlichen Bereich. Da der Bewegungsumfang in der hier vorliegenden Erhebung nicht erfasst wurde, bleibt das Ausmaß dieses Effekts aber unklar. Allerdings bietet die signifikant reduzierte Handkraft rechts, in der Gruppe mit einem ausgeprägten Muskelabbau, einen deutlichen Hinweis auf den Faktor fehlende Beanspruchung.


#

Ausgeprägter Abbau an Muskelmasse (≥ 1k)

Weder Einweisungsdiagnosen und chronische Erkrankungen noch initiale Körperzusammensetzung, Muskelkraft und Muskelmasse zeigen signifikante Assoziationen mit einem Muskelabbau von ≥ 1 kg. Auch die Verweildauer scheint nur einen geringfügigen Effekt auf den Muskelabbau gehabt zu haben. Zumindest zeigten sich zwischen den Gruppen Muskelabbau ≥ 1 kg und < 1 kg kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des zeitlichen Abstands zwischen den Messungen. Tatsächlich zeigt dieser gar eine leicht längere Tendenz in der < 1 kg-Gruppe. Lediglich das Geschlecht erbrachte einen signifikanten Unterschied, mit einem erheblich höheren Anteil des Muskelabbaus ≥ 1 kg bei den Frauen (55,9 %; n = 19 vs. 31 %; n = 9; r = 0,249; p = 0,048). Bedenkt man nun, dass Frauen ohnehin weniger Muskelmasse absolut und in Prozent des Körpergewichts aufweisen, ist dieser Verlust als noch problematischer einzuschätzen. Warum die Frauen aber mehr Muskelmasse einbüßen, bleibt vorerst unklar und bedarf weiterer Untersuchungen. Die Patient*innen mit dem ausgeprägteren Muskelabbau sind jedoch tendenziell älter, was wieder auf den Faktor Alter als einen zumindest anteilig „natürlichen“ Prozess bei den Entwicklungen hindeutet. Gleichzeitig deuten die ebenfalls nicht signifikanten Tendenzen einer geringeren Handkraft zu T1 eine initial bereits eingeschränkte Funktion an. Dies könnte auch darauf hinweisen, dass bei einigen der beobachtete Abbauprozess bereits vor Klinikaufnahme eingesetzt hat.


#

Limitationen und Ausblick

Bei der Interpretation der vorliegenden Daten sind die Rahmenbedingungen der Untersuchung zu berücksichtigen. Zum einen ist die Kohorte wesentlich kleiner als ursprünglich erwartet, obwohl die Bereitschaft zur Teilnahme sehr hoch war. Etwa zwei Drittel der angesprochenen Patient*innen haben einer Teilnahme zugestimmt. Das Gesamtaufkommen geeigneter Proband*innen im Erhebungszeitraum war jedoch niedriger als ursprünglich kalkuliert. Leider konnte aufgrund der kleinen Gruppe (N = 63) nicht ermittelt werden, was speziell zu dem beobachteten Muskelabbau führte. Laborwerte wurden zwar explorativ gesichtet, in der Auswertung jedoch nicht berücksichtigt, da die gemessenen Parameter zu unterschiedlich waren, abhängig von der Fachabteilung und individuellem Krankheitsbild. Aus diesem Grund wurden auch die GLIM-Kriterien nicht verwendet, um eine manifeste Mangelernährung zu identifizieren, da diese unter anderem auch Hinweise auf eine Inflammation enthalten [6], was aufgrund der Datenlage nicht sicher beurteilt werden konnte. Die Verweildauer ist auch verhältnismäßig kurz, damit ist unklar, ob und in welchem Maße sich die Tendenzen bei längeren Aufenthalten fortführen würden oder sich möglicherweise durch beispielsweise eine forcierte Physiotherapie noch einmal stark verändern könnten. Ebenfalls nicht unproblematisch könnte der Umstand sein, dass aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen eine Messung zum immer gleichen Zeitpunkt nicht möglich war. Gründe sind die stark variierenden Zeiten der jeweiligen Aufnahme in die Klinik, Diagnostik und Therapien (die stets Vorrang hatten) oder auch die Tatsache nur ein BIA-Gerät zur Verfügung zu haben. Inwieweit dies die Ergebnisse beeinflusst haben könnte, ist kaum einzuschätzen. Die Gruppe ist außerdem sehr heterogen, was die Interpretation der Daten zusätzlich erschwert. Diese Heterogenität ist in der Praxis jedoch die Norm und damit beschreiben die Beobachtungen recht deutlich eine repräsentative Stichprobe dieser Stationen, ausgenommen schwere Verläufe, da initial auf Intensivstation aufgenommene Patient*innen ausgeschlossen wurden.

Insgesamt verdeutlicht die Erhebung das Ausmaß des schlechten Muskelstatus und der Mangelernährung bei geriatrischen Patient*innen und vor allem einen überraschend häufig auftretenden und ausgeprägtem Verlust an Muskelmasse in relativ kurzer Zeit. Aufgrund der verhältnismäßig kleinen Stichprobe und Heterogenität der Gruppe können mögliche Ursachen oder Assoziationen aber nur angedeutet werden. Deutlich wird jedoch, dass eine klinische Ernährungstherapie eine Kräftigung der oftmals geschwächten Muskulatur mit in den Blick nehmen muss. Schließlich treten häufig Verschlechterungen des Ernährungs- und Muskelstatus gleichzeitig auf [25], was sich auch in dieser Erhebung bestätigt. Aus diesen ersten Erfahrungen und Ergebnissen ergeben sich weitere Fragen und Forschungsansätze. In einer größer angelegten Folgestudie soll die Wirksamkeit spezifischer Interventionen untersucht werden, um einer Verschlechterung des Ernährungsstatus vorzubeugen, eine bestehende Mangelernährung zu behandeln und speziell den Muskelstatus zu stabilisieren oder zu erhalten.


#
#
#

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Fabian Graeb
Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften
Flandernstraße 101
73732 Esslingen
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 February 2022

© 2022. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany