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DOI: 10.1055/a-1512-0291
Mediale Kniegelenkarthrose: Was bringen entlastende Orthesen?
Effectiveness, safety, and cost-utility of a knee brace in medial knee osteoarthritis: the ERGONOMIE randomized controlled trial.
Osteoarthritis Cartilage 2021;
29: 491-501
DOI: 10.1016/j.joca.2020.11.009
Valgus-Knieorthesen zielen darauf ab, den Druck auf das mediale tibiofemorale Gelenkkompartiment zu reduzieren. Profitieren Patientinnen und Patienten mit einer medialen Kniegelenkarthrose bezüglich der Schmerzbelastung vom Tragen einer solchen Orthese? Und wie sicher bzw. wie kosten-effektiv ist diese Behandlung? Diesen Fragen ging ein französisches Forscherteam nach.
An der an 7 Zentren durchgeführten randomisierten kontrollierten Phase III-Studie nahmen 120 Patientinnen und Patienten mit einer medialen Kniegelenkarthrose teil. Alle waren älter als 40 Jahre, litten unter Ruheschmerzen im medialen Kompartiment (Visuelle Analogskala > 40/100) und wiesen ein radiologisches Kellgren-Lawrence-Stadium II, III oder IV auf. Keiner der Betroffenen war zuvor mittels einer entlastenden Kniebandage behandelt worden. Personen mit einer Valgusfehlstellung, akuten inflammatorischen Kniereaktionen, signifikanten rheumatischen Erkrankungen oder einer Indikation für einen totalen Gelenkersatz schlossen die Forscherinnen und Forscher von der Studienteilnahme aus. Gemäß Randomisierung trug die Hälfte der Patientinnen und Patienten über ein Jahr zusätzlich zur pharmakologischen (z. B. NSAIDs, Steroidinjektionen, Hyaluronsäureinjektionen) und nicht pharmakologischen (z. B. Physiotherapie) Standardbehandlung eine maßgefertigte, valgus-induzierende, entlastende Knieorthese. Die Kontrollen erhielten dagegen ausschließlich die Standardbehandlung. Vor Studienbeginn sowie nach 6 und 12 Monaten befragte das Forscherteam die Teilnehmenden unter anderem zur Schmerzbelastung, erfasste mittels KOOS (Knee Osteoarthritis Outcome Score) die Gelenkfunktion und objektivierte die Lebensqualität. Ferner befragte das Team die Patientinnen und Patienten zu Therapienebenwirkungen, zur Compliance, zum Analgetikabedarf sowie zur Inanspruchnahme von Injektionsbehandlungen und berechnete die Kosten der Orthesenbehandlung in Relation zu den qualitätskorrigierten Lebensjahren (QALYs).
Ergebnisse
Nach der einjährigen Studienphase zeigte sich: Das Tragen der Knieorthese hatte signifikante Vorteile im Hinblick auf die durchschnittliche Schmerzbelastung, jede der einzelnen KOOS-Subdomänen, der Alltagsfunktionen, der sportlichen Leistungsfähigkeit sowie verschiedener Lebensqualität-Parameter. Ferner senkte die Orthesenanwendung den Analgetikabedarf signifikant. Bezüglich der Häufigkeit von Hyaluronsäureinjektionen sowie der Nutzung nicht pharmakologischer Therapien unterschieden sich die beiden Gruppen dagegen nicht. Je 2 Personen beider Gruppen unterzogen sich während des Studienzeitraums einer Gelenkersatzoperation. Die Patientinnen und Patienten trugen die Orthese im Median 6 Tage pro Woche für im Median 5,3 Stunden pro Tag. 51 klagten über lokale Nebenwirkungen wie Hautirritationen und Juckreiz, 15 berichteten über Beinödeme und 5 über das Auftreten bzw. die Verschlechterung von Varizen. Diese Nebenwirkungen führten in 26 Fällen zu einer Therapiepause und in 8 Fällen zu einem Therapieabbruch. Eine Person der Interventionsgruppe erlitt – vermutlich in Folge der Orthesenanwendung – eine tiefe Beinvenenthrombose. Allerdings trat auch in der Kontrollgruppe eine tiefe Beinvenenthrombose auf. Die Kosten-Nutzen-Analyse ergab: In der Orthesengruppe bestand eine 85%ige Chance auf Kosteneffektivität bei einer Zahlungsbereitschaft von 45000 Euro pro QALY.
Patientinnen und Patienten mit einer medialen Kniegelenkarthrose, so das Fazit der Autorinnen und Autoren, profitieren sowohl hinsichtlich der Schmerzbelastung als auch der Funktion sowie einiger Aspekte der Lebensqualität von einer einjährigen Behandlung mit einer maßgefertigten entlastenden Knieorthese. Diese Therapie wird von den Betroffenen offenbar gut angenommen und ist ihrer Einschätzung zu Folge nebenwirkungsarm sowie potenziell kosteneffektiv. Länger angelegte Studien müssen nun folgen.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
Publication History
Article published online:
29 September 2021
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