Key words DECT - CTEPH - PBV - Iodmap - pulmonary hypertension
Einleitung
Die chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) wird häufig erst in einem
sehr späten Stadium diagnostiziert. Diese Erkrankung ist als Erhöhung des mittleren
pulmonalarteriellen Drucks (mPAP) auf mehr als 25 mmHg mit persistierenden Perfusionsdefiziten
oder Gefäßläsionen nach 3-monatiger Antikoagulationstherapie definiert [1 ]
[2 ]. Die Therapie der ersten Wahl ist die pulmonale Endarteriektomie (PEA). Sollte der
Patient hierfür ungeeignet sein, ist die Durchführung einer pulmonalen Ballonangioplastie
(BPA) zu erwägen. Falls auch diese Therapiemöglichkeit aufgrund der Lage der Verschlüsse
oder anderer Faktoren nicht eingesetzt werden kann, bleibt die medikamentöse Therapie
als einzige Option [3 ]. Unbehandelt ist die CTEPH mit einer schlechten Prognose behaftet und Patienten
können innerhalb weniger Jahre an der Erkrankung versterben [4 ]. Betroffene berichten lediglich über eine progrediente Belastungsdyspnoe. Dieses
unspezifische Symptom tritt bei fast allen Formen der pulmonalen Hypertonie auf und
erschwert eine Abgrenzung zu anderen kardiovaskulären Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen
[3 ]
[5 ]. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird die Ventilations-/Perfusionsszintigrafie (nach
Möglichkeit als V/Q-SPECT) zum Screening bei Patienten mit pulmonaler Hypertonie und
Hinweisen für eine CTEPH empfohlen [3 ]. Bestätigen sich Perfusionsdefekte bei erhaltener Ventilation, wird die Überweisung
an ein Lungenspezialzentrum für die weiterführende Diagnostik mittels computertomografischer
Pulmonalisangiografie (CTPA) oder durch eine invasive Darstellung der Lungengefäße
(DSA) sowie eine Rechtsherzkatheteruntersuchung empfohlen [6 ]
[7 ].
Mittels Dual-Energy-Technik und der entsprechenden Software ist es möglich, die Jodverteilung
in der Lunge nach Gabe von jodhaltigem Kontrastmittel zu erfassen und hierdurch einen
Rückschluss auf die Perfusion innerhalb des Lungenparenchyms zu ziehen [8 ]. Dieser zusätzliche Informationsgewinn kann einen entscheidenden Beitrag bei der
Frage nach einer CTEPH liefern. Neuere Studien zeigen, dass durch die Rekonstruktion
von Jodkarten die Diagnostik der CTPA verbessert wird, insbesondere bei der Betrachtung
einzelner Lungensegmente und der peripheren Lungenperfusion [9 ]. Die Arbeitsgruppe um Dournes et al. konnte bereits 2014 eine moderate Übereinstimmung
zwischen der V/Q-SPECT und den aus der kontrastmittelunterstützten DECT erstellten
Jodkarten zeigen [10 ].
Das Ziel dieser Studie war es deshalb herauszufinden, wie exakt die DECT (CTPA und
Jodkarten) in der Diagnostik der CTEPH ist, sowie die Vergleichbarkeit beider Untersuchungsmodalitäten
zu untersuchen. Hierfür wurde die Übereinstimmung der DECT mit der V/Q-SPECT hinsichtlich
der Detektion von Embolien und Perfusionsausfällen ermittelt. Weitere Ziele waren
die Strahlenexposition beider Techniken miteinander zu vergleichen und die Bildqualität
der DECT und der Jodkarten zu erfassen.
Material und Methoden
Die Studie wurde von der Ethikkommission genehmigt und erstreckte sich über einen
Zeitraum von 2 Jahren. Alle Patienten mit dem Verdacht auf eine CTEPH, die eine DECT-Untersuchung
mit Kontrastmittel und eine V/Q-SPECT erhalten sollten, wurden prospektiv in die Studie
eingeschlossen. Der Abstand zwischen den beiden Untersuchungen durfte maximal 14 Tage
betragen. Kontraindikationen für die Gabe eines jodhaltigen Kontrastmittels führten
zum Ausschluss aus der Studie. Die Patienten wurden mit einem standardisierten Untersuchungsprotokoll
an einem Dual-Energy-Computertomografen der 3. Generation (SOMATOM Force, Siemens
Healthineers, Erlangen, Deutschland) und einem SPECT-CT (Symbia, Siemens Healthineers,
Erlangen, Deutschland) untersucht. Bei der Untersuchung in Dual-Energy-Technik mit
einem maximalen Field of View (FoV) von 355 mm wurde die erste Röntgenröhre auf 90 kV
mit einem maximalen Referenzwert von 60 mAs eingestellt, die zweite Röntgenröhre auf
150 kV mit Zinnfilterung und einem maximalen Referenzwert von 46 mAs. Das iterative
Rekonstruktionsmodul (advanced modeled iterative reconstruction ADMIRE, Siemens Healthineers,
Erlangen, Deutschland) wurde auf Stärke 3 von 5 eingestellt. Alle Patienten wurden
in Rückenlage mit über dem Kopf gelagerten Armen von kranial nach kaudal untersucht.
Die Untersuchung erfolgte im Atemstillstand in tiefer Inspiration. Die Kontrastmittelapplikation
erfolgte intravenös über eine in der Regel kubital liegende, mindestens 18G große
Venenverweilkanüle mit einer konstanten Flussrate von 3,5 ml pro Sekunde. Es wurden
eine Kontrastmittelmenge von 60 ml (Ultravist-370, Bayer Vital, Leverkusen, Deutschland)
und ein NaCl-Bolus von 50 ml verabreicht. Mithilfe der ROI wurde während der Monitorphase
in kurzen Abständen (1 Bild/s) die Hounsfield-Einheit im Truncus pulmonalis gemessen
und eine pulmonalarterielle Phase akquiriert. Als Grenzwert wurden 220HE in der ROI
mit einer anschließenden Startverzögerung von 10 Sekunden festgelegt. Die CTPA umfasste
den Scanbereich von der Lungenspitze bis zur vollständig abgebildeten Lungenbasis.
Für jeden Patienten wurden Jodkarten in koronarer, sagittaler und transversaler Ebene
rekonstruiert. Schichtdicke und Schichtinkrement betrugen 4 mm. Für die Rekonstruktion
der Jodkarten wurde ein Nachbearbeitungsprogramm (syngo.via/Dual-Energy-CT, Siemens
Healthineers, Erlangen, Deutschland) genutzt.
Die V/Q-SPECT wurde ebenfalls in Rückenlage mit nach kranial gestreckten Armen akquiriert.
Zunächst erfolgte die Ventilationsszintigrafie, bei der das Aerosol (Tc99 m -Technegas) bei verschlossener Nase über den Mund mit 3 Atemzügen inhaliert wurde.
Die Patienten wurden in 360°-Technik mit 60 Projektionen sowie einer Matrix von 128 × 128
Pixeln untersucht. Die maximale Projektionsdauer wurde auf 60 Sekunden oder 50 000
Counts in anteriorer Projektion festgelegt. Das Energiefenster war auf 140keV mit
15 % Breite eingestellt. Im Anschluss erfolgte die Perfusionsszintigrafie. Das Radiopharmakon
(Tc99 m -MAA) wurde über eine in der Regel kubital liegende Venenverweilkanüle appliziert.
Die Untersuchung wurde ebenfalls in 360°-Technik mit 60 Projektionen sowie einer Matrix
von 64 × 64 Pixeln akquiriert. Die maximale Projektionsdauer war auf 60 Sekunden oder
50 000 Counts in anteriorer Projektion eingestellt. Die Menge an applizierter Tc99 m -MAA musste mindestens 4-mal größer als die inhalierte Aerosolmenge sein. Abschließend
wurden koronare, sagittale und transversale Ebenen für die Ventilations- und Perfusionsszintigrafie
iterativ rekonstruiert.
Die Analyse der CTPA und der Jodkarten erfolgte durch einen erfahrenen Radiologen,
verblindet zu den klinischen Angaben und in Unkenntnis des V/Q-SPECT-Befundes. Patienten
wurden als „CTEPH-suspekt“ eingestuft, wenn Perfusionsausfälle in einem Segment oder
in mindestens 2 Subsegmenten in der Jodkarte vorlagen und/oder thromboembolisches
Material in den Pulmonalarterien direkt nachweisbar war und von Kalibersprüngen der
peripheren Lungenarterien und einem erweiterten Truncus pulmonalis (> 30 mm) begleitet
wurde. Die V/Q-SPECT wurde von 2 Nuklearmedizinern im Konsens analysiert und bei mindestens
einem segmentalen oder 2 subsegmentalen Perfusionsdefekten als „CTEPH-suspekt“ beurteilt.
Als finale Diagnose wurde der Beschluss der interdisziplinären CTEPH-Konferenz, der
in Zusammenschau aller Befunde (Rechtsherzkatheter, V/Q-SPECT, CTPA, DSA) erfolgte,
angesehen.
Statistische Auswertung
Alter, Geschlecht und Tag der Untersuchung wurden dokumentiert. Nuklearmedizinisch
war die applizierte Menge Tc99 m -MAA und Tc99 m -Technegas festgehalten worden, radiologisch das Dosis-Längen-Produkt (DLP). Um einen
direkten Vergleich zwischen den Modalitäten zu schaffen, wurde mithilfe der applizierten
Radionuklidmenge sowie des DLP die Äquivalentdosis berechnet. Des Weiteren wurde für
jeden Patienten der radiologische sowie der nuklearmedizinische Befund für jedes Lungensegment
erfasst. Aufgrund der geringeren Ortsauflösung und dem Auftreten von Herzartefakten
in der V/Q-SPECT wurden die Segmente 7 und 8 auf der rechten Lungenhälfte zusammengefasst,
sodass insgesamt 18 Lungensegmente für jeden Patienten radiologisch sowie nuklearmedizinisch
dokumentiert wurden. Für beide Modalitäten, radiologisch sowie nuklearmedizinisch,
wurde die Diagnose, hinsichtlich des Vorliegens einer CTEPH, getrennt gestellt. Die
Bildqualität der CT-Untersuchung sowie der hieraus rekonstruierten Jodkarte wurde
mithilfe einer 5-Punkte-Likert-Skala erfasst (0 Punkte = nicht diagnostisch verwertbar,
1 = ausreichend, 2 = gut, 3 = sehr gut, 4 = ausgezeichnet).
Für die biometrische Auswertung der Strahlendosen wurde der Mann-Whitney-U-Test angewandt.
Die Übereinstimmung der beiden Untersuchungsmodalitäten bezüglich der Lungensegmente
wurde mithilfe des Cohens-Kappa bestimmt. Des Weiteren wurde der Two-sample-t-Test
bei der Analyse der Patientengruppe hinzugezogen und die Gauß-Verteilung bei der Verteilung
der thromboembolischen Verschlüsse. Für die stochastische Berechnung wurden 2 Statistikprogramme
(Past3, Hammer & Harper, Oslo, Norwegen und Prism8, Graphpad Software GmbH, San Diego,
USA) genutzt.
Ergebnisse
Insgesamt konnten 71 Patienten (49 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren±
Standardabweichung in die Studie eingeschlossen werden. Der jüngste Patient war 26
Jahre und der älteste 85 Jahre alt. Es wurden 2 Vergleichsgruppen gebildet: Patienten
ohne CTEPH (n = 58) und Patienten mit CTEPH (n = 13). In der Gruppe der Patienten
ohne CTEPH hatten 19 eine andere Form der pulmonalen Hypertonie (mPAP > 25 mmHg im
Rechtsherzkatheter ohne Perfusionsdefizite in der Bildgebung) und 12 Patienten litten
unter einer emphysematischen Lungenerkrankung. Die Befunde der weiteren 27 Patienten
ließen sich keiner der genannten Gruppen zuordnen bzw. zeigten keine Pathologie ([Tab. 1 ]).
Tab. 1
Verteilung der Diagnosen.
n = 71
%
CTEPH
13
18,3
PH anderer Ursache
19
26,8
Emphysem
12
16,9
Andere Erkrankung
27
38,0
Das Durchschnittsalter sowie die Geschlechterverteilung innerhalb dieser Gruppen ergaben
keine signifikanten Unterschiede (Alter: 63,6 ± 15,6 vs. 60,4 ± 14,1; p = 0,49, Geschlecht
(w/m): 40/18 vs. 9/4; p = 0,18).
Die Bildqualität der DECT und der Jodkarten wurde mittels einer 5-Punkte-Likert-Skala
protokolliert. Es zeigte sich, dass die Bildqualität des DECT überwiegend mit „sehr
gut“ oder „ausgezeichnet“ bewertet wurde. Die Jodkarten wurden größtenteils mit „sehr
gut“ beurteilt ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Bildqualität: Grafische Darstellung für DECT und Jod-Map.
Kein Patient musste aufgrund eines eingeschränkten FOV der zweiten Röntgenröhre ausgeschlossen
werden. Dies war häufig ein Problem der DECT der ersten Generation. Repräsentative
Aufnahmen sind in [Abb. 2a, b ] dargestellt. Zwischen den beiden Untersuchungsmodalitäten gab es, in Bezug auf die
Strahlenexposition, nahezu keinen Unterschied (1,911 ± 0,68 mSv vs. 1,892 ± 0,25mSv;
p = 0,6115). Auch im Hinblick auf die beiden Gruppen, CTEPH und Nicht-CTEPH, lag kein
signifikanter Unterschied vor (2,064 ± 0,68 mSv vs. 2,014 ± 0,17mSv; p = 0,5727; 1,877 ± 0,26 mSv
vs. 1,864 ± 0,68mSv; p = 0,7135) ([Abb. 3 ]).
Abb. 2 a CTEPH: Links: CT-Schnitt im Lungenfester auf Höhe des Arcus aortae bei einem CTEPH-Patienten.
Es zeigt sich eine Mosaikperfusion, die erst bei genauerer Betrachtung auffällig wird.
Rechts: Korrespondierende Jodkarte mit hier deutlich erkennbaren multiplen keilförmigen
Aussparungen im Lungenmantel. b CTEPH: Links: Koronare Rekonstruktion. Nahezu die komplette Lungenperipherie weist
Defekte auf. Rechts: Sagittale Rekonstruktion. Mehrere großflächige keilförmige Ausfälle
sind dorsal wie ventral erkennbar.
Abb. 3 Strahlenexposition: Gruppe CTEPH und Nicht-CTEPH.
Bei dem Vergleich beider Untersuchungsmodalitäten im Hinblick auf Perfusionsdefizite
zeigte sich eine hohe Übereinstimmung zwischen den Verfahren. Insgesamt zeigten 1278
Lungensegmente ein übereinstimmendes Ergebnis in beiden Modalitäten (1177/1278 Segmente,
92,09 %; κ = 0,5938). Die V/Q-SPECT stufte 154 Segmente als pathologisch ein, die
DECT 144 Segmente. Auch die Auswertung der Übereinstimmung der Befundung der einzelnen
Segmente ergab zwischen den beiden Modalitäten einen Wert von über 90 %. Das Segment
6 auf der der linken Seite und das Segment 9 auf der rechten Seite zeigten die höchste
Übereinstimmung (69/71 Segmente, 97,18 %; κ = 0,8438 und 69/71 Segmente, 97,18 %;
κ = 0,8851). Die Übereinstimmung für die Gruppe der CTEPH-Patienten lag für die Lungensegmente
bei 175 von 234 (74,79 %; κ = 0,4978) und für die Lungenlappen bei 55 von 65 (84,62 %;
κ = 0,5259) ([Tab. 2 ]). Hinsichtlich der Frage, ob es Segmente oder Lappen gibt, die besonders häufig
betroffen sind, sodass Rückschlüsse auf die hämodynamischen Verhältnisse innerhalb
der Lungen getroffen werden können, wurde ebenfalls ein Blick auf die Verteilung der
Perfusionsdefizite gerichtet. Es zeigte sich eine besondere Häufung im Segment 4 auf
der rechten Seite ([Abb. 4a, b ]). Das Resultat hinsichtlich der Lungenlappen ergab keine besondere Prädilektionsstelle.
Tab. 2
Übereinstimmung DECT und V/Q-SPECT.
DECT
V/Q-SPECT
Übereinstimmung (%)
κ
n (Patient)
71
71
Segmente
1278
1278
92,09
0,5938
CTEPH-Segmente
234
234
74,79
0,4978
CTEPH-Lappen
65
65
84,62
0,5259
Nicht-CTEPH-Segmente
1044
1044
96,74
–0,0189
Segment L1
71
71
92,96
0,6324
Segment L2
71
71
94,37
0,7482
Segment L3
71
71
95,77
0,7091
Segment L4
71
71
95,77
0,7799
Segment L5
71
71
91,55
0,4574
Segment L6
71
71
97,18
0,8438
Segment L7/8
71
71
91,55
0,4574
Segment L9
71
71
91,55
0,5808
Segment L10
71
71
94,37
0,7701
Segment R1
71
71
92,96
0,5803
Segment R2
71
71
94,37
0,7482
Segment R3
71
71
91,55
0,5817
Segment R4
71
71
90,14
0,6839
Segment R5
71
71
95,77
0,7488
Segment R6
71
71
90,14
0,6123
Segment R7/8
71
71
92,09
0,6993
Segment R9
71
71
97,18
0,8851
Segment R10
71
71
94,37
0,7482
Abb. 4 a Verteilung pathologischer Segmente in der linken Lunge. b Verteilung pathologischer Segmente in der rechten Lunge.
Mittels der DECT wurden alle CTEPH-Patienten (n = 13) erkannt (Sensitivität 1,000,
positiver prädiktiver Wert (PPW) 0,867). Zwei Patienten wurden als falsch positiv
und 56 als richtig negativ erfasst (Spezifität 0,966, negativer prädiktiver Wert (NPW)
1,000) ([Tab. 3 ]). Bei den beiden falsch positiven Patienten waren in den Pulmonalarterien Strickleiterthromben
nachweisbar. In Zusammenschau aller Befunde wurden diese Patienten, trotz des Vorliegens
geringer Restthromben aufgrund ihres pulmonalarteriellen Drucks oder fehlender Perfusionsdefizite,
letztlich als CTEPH-negativ in der CTEPH-Konferenz eingestuft.
Tab. 3
Sensitivität/Spezifität DECT.
positiv
(DECT)
negativ
(DECT)
positiv (CTEPH-positiv)
13
0
Sensitivität: 1,00
negativ (CTEPH-negativ)
2
56
Spezifität: 0,966
PPW: 0,867
NPW: 1,00
Diskussion
Die applizierte Strahlendosis beider Untersuchungen zeigte in der vorliegenden Studie
keinen signifikanten Unterschied (1,892 mSv vs. 1,911mSv; Bias = 0,01 927). Dieser
Punkt ist besonders hervorzuheben, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt die V/Q-SPECT allgemein
als strahlenärmer betrachtet wird. Selbst die noch relativ junge S1-Leitlinie für
die Lungenszintigrafie gibt für die CTPA eine mehr als doppelt so hohe Strahlendosis
(2,12 mSv vs. 4,94 mSv) an [11 ]. Der zunehmende technische Fortschritt reduziert die Strahlenexposition und verändert
die Evidenzlage zugunsten der Computertomografie. Mit dem DECT liegt nicht nur ein
Verfahren vor, das hinsichtlich der Strahlendosis und der Darstellung von Perfusionsdefiziten,
dem gegenwärtigen bildgebenden Verfahren der ersten Wahl, ebenbürtig ist, sondern
darüber hinaus viele weitere Vorteile mit sich bringt. Das Leitsymptom der CTEPH-Patienten
ist in der Regel eine progrediente Ruhedyspnoe. Eine flach liegende Position wird
daher häufig als sehr unangenehm empfunden. Beide Untersuchungen finden in Rückenlage
statt, jedoch unterscheiden sie sich deutlich in ihrer Akquisitionszeit. Die Untersuchungszeit
einer V/Q-SPECT beträgt etwa 25–30 min [11 ], während eine DECT-Untersuchung mit Kontrastmittel weniger als 5 min erfordert.
Hinzu kommt, dass durch die CT-Untersuchung des Thorax simultan eine Vielzahl an weiteren
Informationen gewonnen wird. Es lassen sich zum Beispiel wichtige morphologische Veränderungen,
wie die Hypertrophie des rechten Ventrikels oder die Dilatation des Truncus pulmonalis,
sowie vorhandene Shuntvitien erkennen. Die Kaliberstärke der Pulmonalarterien liefert
mit ihren Grenzwerten ebenfalls Hinweise auf eine vorliegende PH, außerdem kann das
Lungenparenchym beurteilt werden, sodass wichtige Differenzialdiagnosen ausgeschlossen
werden können, wie zum Beispiel Malignome, interstitielle Lungenerkrankungen oder
parenchymatöse entzündliche Veränderungen. Zeitgleich verschafft die DECT einen kompletten
anatomischen Überblick über die Thoraxapparatur und kann so auch restriktive Lungen-
und Pleuraerkrankungen ausschließen. Festzuhalten ist somit, dass mit einer äquivalenten
Strahlenexposition ungleich mehr Informationen gewonnen werden. Ein Nachteil der DECT
bei CTEPH ist der phasenabhängige Qualitätsverlust der Jodkarten. Kleine bis mittelgroße
Perfusionsdefizite werden in der Regel zeitlich verzögert über Gefäßkollateralen aufgefüllt,
sodass spät akquirierte Bilder zu falsch negativen Befunden in der Jodkarte führen
können. Eine korrekt durchgeführte Untersuchung in der pulmonalarteriellen Phase ist
daher für eine exakte Perfusionsdarstellung einschließlich der Beurteilung hinsichtlich
subsegmentaler Defekte unverzichtbar, da die CTPA gegenwärtig dort an ihre Grenze
stößt.
Wie eingangs bereits beschrieben, erhalten viele CTEPH-Patienten erst in einem sehr
späten Stadium ihrer Erkrankung die richtige Diagnose. Therapie und Diagnostik sind
größtenteils ebenso auf das späte Stadium ausgerichtet. Wünschenswert wäre es jedoch,
CTEPH-Patienten weitaus früher zu detektieren. Die V/Q-SPECT, die Jodkarte des DECT,
die DSA und auch die MRT-Lungenperfusion zeigen nur bereits embolisierte Areale. Der
folgende Fall demonstriert, dass mit der CTPA auch Erkrankungen erkannt werden könnten,
die (noch) symptomarm sind und die bei leitliniengerechter Anwendung des gegenwärtigen
diagnostischen Algorithmus nicht entdeckt worden wären.
Die [Abb. 5 ] zeigt einen Patienten mit einer völlig unauffälligen Perfusionsszintigrafie. Demzufolge
wäre eine CTEPH auszuschließen, da bei dieser Erkrankung mindestens in einem Segment
oder in 2 Subsegmenten ein Perfusionsdefizit vorliegen muss. Auch die korrespondierende
Jodkarte ([Abb. 6 ]) zeigt bis auf eine dezente Rechts-Links-Differenz nicht das klassische Bild einer
CTEPH. Im Lungenfenster ist eine geringe Dichteminderung zuungunsten der rechten Seite
ersichtlich ([Abb. 7 ]). Jedoch zeigt sich bei genauerer Betrachtung der CTPA ([Abb. 8 ]) ein umspülter Strickleiterthrombus. Mit dem Wissen um den vorliegenden Thrombus
und der Kenntnis, dass der Patient bereits in der Vergangenheit unter einer akuten
Lungenarterienembolie gelitten hat und dass im Rechtsherzkatheter ein mPAP von 33 mmHg
gemessen wurde, kommt die Möglichkeit einer CTEPH wieder in Betracht. Dieser zufällige
Befund vermag von entscheidender Bedeutung für das zukünftige Management dieses Patienten
sein, da er von nun an als Risikopatient für eine CTEPH eingestuft wird und die entsprechende
Kontrolldiagnostik sowie, falls nötig, die erforderliche Therapie erhalten kann.
Abb. 5 V/Q-SPECT: Perfusionsszintigrafie in axialer und koronarer Schnittebene ohne Anhalt
für einen Thrombus oder eine Embolie.
Abb. 6 Jodkarte axial und koronar: Das Wissen über den vorhandenen Strickleiterthrombus
und die Rechts-Links-Differenz in der Jodkarte lässt den Verdacht einer möglichen
CTEPH zu.
Abb. 7 Lungenfenster: Das Lungenfester zeigt einen feinen Dichteunterschied zwischen der
linken und rechten Lunge.
Abb. 8 CTPA: Der Nachweis eines vorhandenen Strickleiterthrombus (Pfeil) liefert die entscheidende
Information.
Prädilektionsorte für Thromben bei Lungenembolie sind nicht bekannt und waren auch
in dieser Studie nicht der Verteilung der Perfusionsdefekte zu entnehmen. Es ist anzunehmen,
dass die Perfusionsdefizite einer statistischen Normalverteilung auf alle Lungensegmente
folgen. Vorstellbar war ebenfalls, dass aufgrund der Gravitation mehr Perfusionsdefizite
in den basalen Lungenabschnitten auftreten. Bei der Analyse wurde diese Annahme jedoch
nicht bestätigt. Für die linke Lunge fand sich in der DECT zwischen dem Oberlappen
(OL) und dem Unterlappen (UL) kein Unterschied. In der V/Q-SPECT war der OL sogar
häufiger betroffen. Für die rechte Lunge ist in der DECT und der V/Q-SPECT eine Tendenz
zur Bevorzugung basaler Segmente zu erahnen, jedoch ist dieses Ergebnis ohne statistische
Signifikanz. Die Annahme einer Normalverteilung schien das korrektere Theorem zu sein,
jedoch fiel bei der segmentalen Auswertung auf, dass das Segment 4 der rechten Lunge
ausgesprochen häufig betroffen war. In der V/Q-SPECT lag das Ergebnis für dieses Segment
sogar weit über der zweiten Standardabweichung, sodass eine Normalverteilung offensichtlich
nicht vorliegt. Mehrere Ursachen für das gehäufte Auftreten von Embolien im Segment
4 sind denkbar: Hämodynamische Verhältnisse innerhalb der Lunge könnten einen Grund
darstellen, jedoch ist nicht auszuschließen, dass sich dieses Segment bildmorphologisch
besonders gut darstellen lässt und deshalb auch kleinste Befunde erkannt werden.
Mit einer Überstimmung von insgesamt 92,09 % zwischen der DECT und der V/Q-SPECT wäre
das Ergebnis als „sehr gut“ zu bewerten. Dieses wird durch einen Kappa-Wert von 0,5938
limitiert, ähnlich dem Ergebnis von Dournes et al., sodass letztlich eine „moderate“
Übereinstimmung besteht [12 ]. Die Berechnung des Cohens-Kappa ist jedoch aus mathematischer Sicht nur bedingt
sinnvoll, da ein sehr großes Ungleichgewicht zwischen embolisierten und nicht embolisierten
Segmenten besteht und das Ergebnis dadurch fälschlicherweise als überwiegend zufällig
eingestuft und anschließend deutlich nach unten korrigiert wird [13 ]. Eine bessere Wertung der Ergebnisse ist durch eine Betrachtung der prozentualen
Übereinstimmung möglich. Die Ergebnisse zeigen zwar insgesamt eine Übereinstimmung
von 92,09 %, doch bei alleiniger Betrachtung der CTEPH-Gruppe liegt diese bei 74,79 %.
Diese Differenz lässt sich wahrscheinlich nicht allein durch die Subjektivität der
Befunder erklären, sondern zeigt auf, dass es zwischen den beiden Modalitäten einen
Unterschied gibt. Letztlich stellt sich die Frage, welche der beiden Untersuchungstechniken
das Ausmaß der CTEPH exakter abbildet. Aufklärung hierüber könnten zukünftige Studien
liefern, die die DECT und die V/Q-SPECT mit der digitalen Subtraktionsangiografie
(DSA) als absoluten Goldstandard vergleichen. Eine Ventilationsdarstellung ist in
der DECT ebenfalls technisch möglich [9 ] und wäre eine weitere Alternative, um die Übereinstimmung und/oder die Genauigkeit
der DECT zu steigern.
Insgesamt hat die DECT in Kombination mit der Jodkarte bereits jetzt eine „gute“ bis
„sehr gute“ Übereinstimmung gegenüber dem gegenwärtigen bildgebenden Verfahren der
ersten Wahl gezeigt. Zudem wurden alle CTEPH-Patienten als solche erfasst und die
DECT präsentierte sich mit einer hohen Sensitivität und Spezifität, sodass eine zukünftige
Implementierung in den diagnostischen Algorithmus der CTEPH-Diagnostik erwogen werden
sollte. Eine Limitation dieser Studie ist die geringe Patientenzahl.
Wie in der gegenwärtigen Literatur beschrieben, lag der Altersgipfel der CTEPH-Patienten
zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Das Geschlechterverhältnis unserer Patienten
wich jedoch von dem zu erwartenden Verhältnis von 1:1 ab. Innerhalb der Studienteilnehmer
fand sich für die Patienten, die an einer CTEPH erkrankt sind, ebenso für die Patienten
ohne CTEPH, ein Verhältnis von etwa 2:1 Frauen zu Männern. Mit einem p-Wert von 0,18
ist zwar eine kleine Tendenz zu erahnen, doch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen
Literatur ist unzweifelhaft, dass das Geschlecht kein Risikofaktor ist [14 ]
[15 ]
[16 ]
[17 ]. Das vorliegende Resultat wird daher als zufällig eingestuft.
Die häufig in der Kritik stehende höhere Strahlenexposition der Computertomografie
im Vergleich zur V/Q-SPECT konnte widerlegt werden, und trotz eingesparter Strahlendosis
kam es nicht zu Einbußen hinsichtlich der Bildqualität. Außerdem zeigte sich, dass
es zwischen der DECT-Untersuchung und der V/Q-SPECT keinen signifikanten Unterschied
in Bezug auf die Strahlenexposition gab.
Neben dem Verdacht einer CTEPH lassen sich mit einer einzigen DECT-Untersuchung viele
weitere Fragen beantworten – so kann das parallele Vorliegen weiterer kardiopulmonaler
Erkrankungen erkannt werden.
Ein weiterer Benefit der DECT für die Patienten ist die kurze Untersuchungszeit, die
mit 5 Minuten nur einen Bruchteil der für eine V/Q-SPECT notwendigen Liegezeit ausmacht.
Für die Erstellung zukünftiger diagnostischer Algorithmen sollte die Implementierung
der DECT-Untersuchung mit Jodkarte vor oder gar anstelle der V/Q-SPECT durchaus in
Betracht gezogen werden, vorausgesetzt die Gabe eines jodhaltigen Kontrastmittels
ist möglich. Weitere zeitgleich entstandene Studien bestätigen die hohe Übereinstimmung
von DECT und V/Q-SPECT sowie die herausragende Sensitivität [18 ]
[19 ].