Psychiatr Prax 2021; 48(05): 278
DOI: 10.1055/a-1494-5184
Mitteilungen BDK

BDK-AK Migration (Bericht aus dem Arbeitskreis Juni 2021)

Eckhardt Koch
,
Hans-Jörg Assion
 

Professionelles Dolmetschen als Qualitätsstandard

Der Arbeitskreis Psychiatrie und Migration besteht bereits seit 20 Jahren und hat aktuell 13 Mitglieder. Er diskutiert Fragen der psychiatrischen Versorgung von Patienten mit Zuwanderungsgeschichte und bietet ein Forum, Probleme in der klinischen Versorgung zu eruieren und Anregungen für Versorgungskonzepte zu geben. Ein Kernpunkt der Arbeit befasst sich mit Sprach- und Kulturmittlung bei Patienten mit nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen.


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Praxistaugliche Konzepte professionellen Dolmetschens sind gerade für psychiatrische Krankenhäuser besonders wichtig, denn Sprache ist das zentrale Behandlungsmittel in der Versorgung psychisch kranker Menschen. Das Gespräch zwischen Arzt oder/und Ärztin, Versorgungsteam sowie Patientinnen und Patienten ist Grundlage einer vertrauensvollen Beziehung. Diagnosen können nur dann zielgenau und differenziert erstellt werden, wenn in der Anamnese genaue Angaben zu Krankheitssymptomen und Beeinträchtigungen gemacht werden können. Jede Patientin und jeder Patient hat das Recht auf adäquate Verständigungsmöglichkeiten und eine angemessene Aufklärung und Beratung sowie auf eine sorgfältige und qualifizierte Behandlung. Das Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet in § 630e (Aufklärungspflichten) Behandelnde dazu, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung zu einer Behandlung wesentlichen Umstände aufzuklären. Diese Aufklärung muss für den Patienten verständlich sein.

Eine Aufklärungspflicht in diesem Umfang kann bei nicht ausreichender Sprachkompetenz in der deutschen Sprache nicht ohne professionelles Dolmetschen gewährleistet werden. Notlösungen mit Übersetzungshilfen durch sprachlich versiertere Kinder oder Bekannte entsprechen nicht dem für die Behandlung notwendigen Qualitätsstandard.

Um diesen komplexen Aufklärungs- und Therapieanforderungen im Alltag gerecht werden zu können, bedarf es bei der aktuellen Gesetzeslage funktionierender Dolmetschersysteme. Allerdings ist die Finanzierung von Sprachmittlern in Krankenhäusern, Ambulanzen und Arztpraxen unzureichend bzw. gar nicht geregelt. Im Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten von 2013 wird die Kostenübernahme für Sprachmittlung durch den Patienten genannt.

Bei ärztlich/therapeutischen Leistungen im Rahmen des SGB,. d. h. wenn gesetzliche Krankenkassen Kostenträger sind, werden Dolmetscherkosten nicht übernommen. Aufgrund der fehlenden Refinanzierung durch die Krankenkassen müssen diese Dolmetscherstrukturen von den Krankenhäusern in Eigenregie aufgebaut werden. Die entstehenden Kosten entfallen derzeit auf das Budget der Krankenhäuser.

Das ist auf Dauer weder gerechtfertigt noch hinnehmbar. Daher hat auch der 124. Deutsche Ärztetag 2021 den Gesetzgeber dringend aufgefordert, Sprachmittlung bei medizinischen und psychotherapeutischen Untersuchungs- und Behandlungsterminen in den Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen. Der AK Migration der BDK schließt sich dieser Forderung an. Bislang wurde in den psychiatrischen Krankenhäusern in Deutschland noch kein bundesweit verbindliches Vorgehen und kein definierter Qualitätsstandard für den Einsatz von Sprachmittlern erarbeitet und daher auch nicht umgesetzt. Es gibt einige Vorreiter, die sich um eine Verbesserung der Strukturen von Dolmetschersystemen bemühen (u. a. Vitos in Hessen, LWL und LVR in NRW) – wir benötigen aber ein bundesweites Vorgehen. Eine geklärte Finanzierung durch die GKV wäre dafür eine wichtige Voraussetzung. Behandlungsqualität muss auch für Menschen mit für eine differenzierte psychiatrisch/psychotherapeutische Therapie unzureichenden Kenntnissen der deutschen Sprache möglich sein.

Denn ohne den Einsatz qualifizierter Dolmetscher sind Missverständnisse vorprogrammiert und psychiatrische Aufklärungs- und Therapiegespräche bleiben unverständlich. Erst recht kann Psychotherapie ohne differenziertes Sprachverständnis keine ausreichende Wirkung entfalten. Bis zum heutigen Tag fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen, damit die Kosten für die Sprachmittlung durch die gesetzlichen Krankenkassen als Regelleistung übernommen werden können. Gerade Geflüchtete haben in aller Regel nicht die finanziellen Mittel, um diese Kosten (wie vom Gesetzgeber bislang vorgesehen) selbst zu übernehmen.

Eckhardt Koch, Hans-Jörg Assion


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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Hans-Jörg Assion
Stellv. Sprecher des AK Migration und Psychiatrie der BDK, Ärztlicher Direktor, LWL-Klinik Dortmund
Marsbruchstraße 179
44287 Dortmund
Deutschland   

Publication History

Article published online:
14 July 2021

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