CC BY-NC-ND 4.0 · Pneumologie 2021; 75(08): 577-582
DOI: 10.1055/a-1479-0876
Originalarbeit

Das Einsparpotenzial der Behandlungskosten bei COPD durch Rauchstopp – Modellierung für DMP COPD in Deutschland

Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V.Potential Savings in Treatment Costs of COPD through Smoking Cessation: Modeling for DMP COPD in GermanyScientific Action Group on Tobacco Cessation (WAT) e. V.
Thomas Hering
1   Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V., UKT – Universitäts-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Tübingen
,
Anil Batra
2   Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V., Sektion Suchtmedizin und Suchtforschung am Universitätsklinikum Tübingen
,
Stephan Mühlig
3   Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V., Technische Universität Chemnitz, Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Chemnitz
,
Dennis Nowak
4   LMU Klinikum, Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Campus Innenstadt, München, Mitglied, Comprehensive Pneumology Center (CPC) München, Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
,
Tobias Rüther
5   Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V., LMU Klinikum Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit, München
,
Larissa Schwarzkopf
6   Therapie- & Versorgungsforschung, IFT Institut für Therapieforschung, München
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Basierend auf Real-life-Daten für die Stadien-Verteilung von COPD-Patienten (GOLD) und den faktischen Stadien-bezogenen Behandlungskosten innerhalb einer bundesweiten Kohortenstudie (COSYCONET) [1] wird modellhaft für das Szenario einer Reduktion der Raucher-Quote in dieser Patientengruppe von 26 % um 10 %-Punkte auf 16 % ermittelt, welchen Einfluss die reduzierte Raucher-Quote auf die Behandlungskosten haben dürfte. Zugrunde gelegt wird die Annahme, dass bei herabgesetzter Raucher-Quote leichtere Stadien (I/II) stärker repräsentiert sind, während sich höhere und kostenintensivere Stadien (III/IV) proportional verkleinern. Die Intervention zur Erreichung der Tabakabstinenz wird für die überschlägigen Modell-Berechnungen kalkuliert mit den typischen Kosten einer leitlinienkonformen Behandlung durch Nutzung eines verhaltenstherapeutischen Gruppen-Entwöhnungs-Programmes und der parallel eingesetzten medikamentösen Unterstützung [2] [3]. Im Ergebnis zeigt sich die mögliche Absenkung der Fallkosten um 10,5 %, wobei reduzierte Kosten bei Komorbiditäten nicht berücksichtigt sind.


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Abstract

Based on real-life data for the stage distribution of COPD patients (GOLD) and the actual stage-related treatment costs in a large nationwide cohort study (COSYCONET) [1], the influence of the reduced smoking rate on treatment costs was determined for the scenario of a reduction in the smoking rate of 26 % in this patient group by 10 percentage points to 16 %. The assumption was made that with a reduced smoking rate, lower stages (I/II) will be more strongly represented, while higher and more cost-intensive stages (III/IV) will be proportionally reduced. The intervention to achieve tobacco abstinence was calculated for the rough model calculations with the typical costs of a guideline-compliant treatment by a behavioral therapy group cessation program and the parallel use of medication support [2] [3]. The result showed a potential reduction of case costs by 10.5 %, not including reduction in costs associated with treatment of comorbidities.


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Vorbemerkung

Im Folgenden werden Abschätzungen zum Einsparungspotenzial der realen Behandlungskosten der COPD-Erkrankung in Abhängigkeit einer Absenkung der Raucher-Quote vorgenommen. Es wird für die Diskussion bewusst eine vereinfachte Ausgangslage angenommen und das Ziel der Abstinenzerreichung postuliert, um den Blick auf die Kernfrage der möglichen Optimierung der COPD-Behandlung ohne Überlastung des Gesundheitssystems in den Mittelpunkt rücken zu können. Die Betrachtung beschränkt sich gezielt auf die Kosten-Belastung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Deutschland. Sie hat das Ziel, das Argument der bedrohlichen Kosten-Überbelastung der GKV durch die verpflichtende Einführung der Tabakentwöhnung als Gesundheitsleistung auf den Prüfstand zu stellen. Die Kalkulation wählt deswegen gezielt ein bereits gut untersuchtes Kollektiv aus dem deutschen Gesundheitswesen und stützt sich, ausgehend von vorliegenden Auswertungen der Kohortenstudie COSYCONET [1], auf umfangreich und langfristig angelegte Studien über die Auswirkung des Rauchstopps auf die Progression der COPD-Erkrankung [4] [5]. Aus der Lung Health Study [4] ist bereits seit Langem bekannt, dass die Progression der COPD-Erkrankung durch den Rauchstopp in entscheidender Weise abgebremst werden kann und dass ein nur intermittierender Rauchstopp diesbezüglich nicht in nennenswerter Weise wirksam ist [5]. Schon lange ist durch teils sehr breite Untersuchungen von Au et al. [6] und Donaldson et al. [7] bekannt, dass die Exazerbations-Rate, die ein wesentlicher Treiber der COPD-Progression ist, durch die Beendigung des Rauchens in entscheidender Weise reduziert wird und so der fortschreitende Verlust der Lungenfunktion abgebremst und der Übergang in schwerere Stadien verhindert oder hinausgezögert werden kann. Aktuell ist durch die umfangreiche Studie von Oelsner et al. [5] verdeutlicht worden, dass nicht einmal ein stark verminderter Zigaretten-Konsum auf etwa 5 Zigaretten pro Tag einen markanten Effekt auf die Abbremsung der COPD-Progression (Progression des jährlichen Verlustes der Lungenfunktion) hat, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, eine vollständige Abstinenz zu erreichen. Viel spricht dafür, dass v. a. ein frühzeitiger Rauchstopp auf die Abbremsung des Verlustes der ventilatorischen Kapazität einen besonders nachhaltigen Einfluss hat und dass deswegen der Rauchstopp möglichst frühzeitig bereits in Stadium II umgesetzt werden sollte [8]. Aufgrund des Modellcharakters muss das quantitative Ergebnis am Ende der Schlussfolgerungen zunächst mit aller Vorsicht betrachtet werden, und es wird darauf ankommen, zukünftige Untersuchungen darauf anzulegen, diese Effekte exakter und robuster zu quantifizieren. Dennoch macht die Modellrechnung hinreichend deutlich, dass durch die zugrunde gelegten Mitteleinsätze für eine effektive Tabakentwöhnung in der Gesundheitsversorgung – neben deren hierdurch erreichbaren und aus ärztlicher Sicht im Vordergrund stehenden gesundheitlichen Vorteilen – im Trend keine unzumutbare Zusatzbelastung der Versicherten-Gemeinschaft entstehen wird. Vielmehr ist mit guten Gründen sogar eine Ausgabenreduktion für die GKV zu erwarten.


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Ausgangs-Voraussetzungen der Abschätzung

Die direkten Behandlungskosten für die Behandlung der COPD mittleren Schweregrades (Einstufung in GOLD-Klasse II) umfassen eine regelmäßige inhalative Therapie mit einer langwirksamen Wirkstoffkombination (meistens Kombinationspräparat Betamimetikum/Vagolytikum) sowie einer Ergänzung für die bedarfsorientierte Inhalation. Für akute Verschlechterungen kommen Medikamenten-Kosten für kurzfristige Therapien (Prednisolon, Antibiotika) hinzu. Bei Einschreibung in ein Disease Management Programm (DMP) werden die Patienten i. d. R. vierteljährlich bzw. halbjährlich in der Facharztpraxis sowie unregelmäßig in der Hausarztpraxis gesehen. Die Gruppe mit GOLD-Klasse II stellt die größte Gruppe behandlungsbedürftiger COPD-Patienten dar. Daneben gibt es eine leichtgradige Gruppe I mit geringerem Medikamenten- und Visiten-Bedarf, die kleiner ist – nicht zuletzt, weil sie aufgrund geringer Beschwerden medizinische Hilfe vielfach nicht aufsucht. Allerdings spielen im Hinblick auf die Kosten die schwerer erkrankten Patienten der GOLD-Klassen III und IV eine größere Rolle. Sowohl der Medikamenten-Bedarf als auch die Zahl der Visiten und insbesondere die Inanspruchnahme zusätzlicher apparativer Hilfen und v. a. die Kosten-treibende Inanspruchnahme von stationären Krankenhaus-Behandlungen (akute Exazerbationen mit steigender Häufigkeit bei höherem Krankheitsstadium) spielen hier die entscheidende Rolle [1] [9] [10] [11], ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Kostenanteile bei Raucher-Quote 26 % [1].

Das Fortschreiten der COPD-Erkrankung kann durch den konsequenten Rauchstopp mit Dauerabstinenz verlangsamt bzw. aufgehalten werden und der Status quo bei Rauchstopp in begrenztem Umfang im Folgejahr moderat verbessert, in den dann darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten jedoch v. a. optimal bewahrt werden [4]. Diese Effekte begründen das Kosteneinspar-Potenzial, das mit den Jahren der Tabakabstinenz kumulativ wächst [12].

Für diesen Benefit wäre für jeden Patienten der einmalige Einsatz einer Summe von ca. 600 € für eine kombinierte Behandlung auf verhaltenstherapeutischer Basis einschließlich einer überwiegend erforderlichen zusätzlichen medikamentösen Unterstützung des Rauchstopps aufzubringen.

Es darf mit guter Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass dieser einmalige begrenzte Ressourceneinsatz sich möglicherweise noch nicht bereits im Folgejahr nach der „Investition“ auswirkt, jedoch bereits 2–5 Jahre danach einen deutlichen Kosteneinsparungseffekt für die DMP-Versicherten mit erreichter Abstinenz entfaltet. Dieser Effekt wird wirksam durch den dann möglichen Verzicht auf eine breitere und aufwendigere medikamentöse Behandlung, eine reduzierte Häufigkeit von Arztterminen bei stabilisierten Patienten und eine sinkende Rate akuter Verschlechterungen mit Hospitalisierungsereignissen.

Eine abstinenzorientierte Behandlung für COPD-Kranke mit i. d. R. starker Ausprägung der Tabakabhängigkeit im Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) zeigt durch evidenzbasierte Behandlungsmaßnahmen (Kombination Gruppenbehandlung auf verhaltenstherapeutischer Basis plus medikamentöse Unterstützung) Erfolge mit ca. 30–45 % Abstinenz nach 12 Monaten [2] [13] [14] [15] [16]. Der spontane, nicht professionell unterstützte Versuch des Rauchstopps führt nach 12 Monaten dagegen nur zu maximal 5 % Abstinenz [17]. Für die hier vorgelegte Berechnung wird eher konservativ eine mittlere Erfolgsquote von 35 % Abstinenz-Erfolg (12 Monate nach Abschluss der Maßnahme) zugrunde gelegt.

Die nachstehenden modellhaft-überschlägigen Überlegungen der Kosten basieren auf folgenden Annahmen:

  • 2139 COPD-DMP-Patienten der repräsentativen COSYCONET-Kohorte der zugrunde gelegten Studie von Wacker et al. [1].

  • Raucher-Quote in dieser zugrunde gelegten Patientengruppe initial 26 %.

  • Angestrebte reduzierte Raucher-Quote durch Entwöhnungsmaßnahmen in Höhe von 16 %: Es wird im Sinne einer „gegriffenen Hypothese“ eine Reduktion der Raucher-Quote um absolute 10 Prozentpunkte, also von 26 % auf 16 %, angenommen.

  • Kosten für Maßnahmen zur Erreichung der Tabakabstinenz: maximal 600 € pro Teilnehmer.

  • Erfolgsquote der Behandlungsmaßnahme 35 % (12-Monate-Abstinenz).

  • Für den Zeitraum der Umsetzung wird für die vorgelegte Modellierung 1 Jahr angenommen.

  • Die Ausgangs-Verteilung der leichten Stadien I/II betrug gegenüber den schwereren Stadien III/IV 1 105 Patienten (52 %) gegenüber 1034 Patienten (48 %).

  • Es wird die Annahme getroffen, dass durch Reduktion der Raucher-Quote um 10 Prozentpunkte die Verteilung der Krankheits-Stadien dahingehend verschoben wird, dass der Anteil in den leichten Stadien I/II auf 70 % gesteigert wird und demgemäß in den schweren und kostenintensiven Stadien III/IV auf 30 % gesenkt wird (siehe [Abb. 2]).

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Abb. 2 COPD-Stadien-Anteil nach Raucher-Quote.

Hieraus ergeben sich die in [Abb. 2] zu erwartenden Verschiebungen der Anteile der Schweregrad-Stadien im Vergleich zur Ausgangs-Verteilung bei Raucher-Quote 26 % [10]:

Es wird also eine Linksverschiebung zugunsten niedriger Schweregrade erwartet.

Für die stadienabhängigen Behandlungskosten in der Ausgangslage wird gemäß [1] [Tab. 1] zugrunde gelegt:

Tab. 1

Ausgangsdaten für Behandlungskosten der jeweiligen Stadien-Anteile gemäß [1] (Exzesskosten: Gesamtkosten – Gesamtkosten Lungengesunde Kontrolle).

Direkte Kosten pro Patient

I

II

III

IV

Ambulante Kosten

 460

 498

 534

 469

Stationäre Kosten

 707

1440

3257

5727

Medikamenten-Kosten

1523

1592

2109

2278

Direkte Kosten gesamt

2689

3529

5899

8473


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Ergebnisse der Abschätzung

Entsprechend findet unter der Annahme der Jahrestherapiekosten in Abhängigkeit der Stadien und in Abhängigkeit der Wirkung der Behandlungsmaßnahme mit Herabsetzung der Raucher-Quote schrittweise von 26 % auf 16 % eine Kosten-Verschiebung mit Verlagerung der Kosten hin zu den zahlenmäßig proportional stärker repräsentierten niedrigen Krankheitsgraden statt. Die Gesamtkosten über alle Stadien sinken ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Jahreskosten nach Raucher-Quote.

Dem ist der einmalige Aufwand für die Behandlung des Rauchens (Kosten pro Maßnahme angenommen mit 600 €, Erfolgsquote 35 %) gegenüberzustellen. Hier ergibt sich für das der Modellrechnung zugrunde gelegte Kollektiv von 2139 COPD-Patienten ein gerundeter Kosten-Betrag zum Bewirken des Abstinenzerfolges von gerundet 367 000 €, gegenüber einer Behandlungskosten-Ersparnis von 1,46 Mio. € vor Abzug der Kosten durch Aufwand für die Behandlung der Tabakabhängigkeit pro Jahr.

Nach Abzug der Kosten für den Aufwand der Behandlung der Tabakabhängigkeit bleibt ein Saldo von gerundet 1,1 Mio. € für den Kostenträger. Dies entspricht einer Reduktion der Kosten um 10,5 % ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Kumulierte Kosten und kumulierte Einsparungen bei Reduzierung der Raucher-Quote von 26 % auf 16 % über einen Zeitraum von 3 Jahren.

Der Kosten-Benefit der abstinenten Ex-Raucher würde sich über die Folgejahre schrittweise entfalten, da die Bewahrung der Lungenfunktion und die Herabsetzung der Exazerbationsrate nicht schlagartig, sondern graduell wirksam werden [5] [6] [18].

Von großer Bedeutung ist die Reduktion der Anzahl und des Ausmaßes von akuten Exazerbationen mit hohem Kostenpotenzial, insbesondere wenn Krankenhausaufenthalte vermieden werden. V. a. aber wird der Übergang in schwerere Stadien mit dauerhaft höherer Belastung laufender Kosten abgewendet.


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Diskussion

Die vorgelegte Abschätzung für das zugrunde gelegte repräsentative COSYCONET-Kollektiv von 2139 Patienten [1] legt im Interesse einer vereinfachten Abschätzung des grundsätzlich zu erwartenden Kosten-Trends eine Abstinenz-Erreichung von 35 % nach 12 Monaten und eine induzierte Verschiebung der Schweregrade der COPD-Krankheit zugunsten leichterer Stadien zugrunde. Diese Voraussetzungen werden im Sinne eines nachvollziehbaren Denkmodells gewählt. Sie sind bei schließlicher Umsetzung in diesem Maß und Umfang eher zu optimistisch und nicht realistisch. Vielmehr ist bei der Umsetzung mit kleineren Effekten und längeren Fristen zu rechnen. Für die hier vorgenommene Modellierung soll jedoch gelten: Sie beruht auf prognostischen Aussagen zu

  1. Stabilisierung/Stopp der Abnahmetendenz der Lungenfunktion bei COPD aufgrund von Rauchstopp mit konsekutiver Bevorzugung der Anteile leichter Stadien (I/II) gegenüber den schweren und kostenintensiven Stadien (III/IV) und zur

  2. Annahme, dass von 100 % Rauchern mit Inanspruchnahme der Abstinenz-fördernden Maßnahmen etwa 35 % nach 12 Monaten langfristig abstinent sein werden, 65 % jedoch nicht.

Zu 1. ist die zugrunde gelegte Evidenz/Literatur eindeutig [4] [5] [19] [20] [21] [22]. Die tatsächliche Dynamik des Erfolges im Hinblick auf die Stadien-Besserung unterliegt jedoch den letztlich für die eingesetzten Maßnahmen zugrunde liegenden Bedingungen im Versorgungsalltag. Es wird also bei Umsetzung auf die Beobachtung und wissenschaftliche Begleitung und Auswertung zur Bestätigung der erwarteten Effekte ankommen.

Zu 2. ist aus breiter Erfahrung der existierenden Abstinenz-fördernden Gruppen-Programme bekannt, dass ein Teil der Teilnehmer die Maßnahme abbricht und folglich nicht alle Teilnehmer den Abstinenzerfolg erreichen. Diejenigen, die die Maßnahme vorzeitig abbrechen, nehmen allerdings auch die zugrunde gelegten Kosten (hier angenommen mit 600 € für Gruppen-Programm plus Begleitmedikamente) nicht vollständig in Anspruch. Insofern ist der Kosten-Betrag für Abstinenz-fördernde Maßnahmen mit 367 000 € sicherlich erheblich überschätzt und verteilt sich faktisch auf die Jahre bis zur Zielerreichung. Die Ersparnis-Größenordnung ist mit 10,5 % somit eher unterschätzt, zumal die Auswirkungen des Rauchstopps auf Komorbiditäten unberücksichtigt bleiben. Andererseits wird in dieser vereinfachenden Betrachtung der Effekt einer nicht-assistierten, spontanen Abstinenz-Quote vernachlässigt. Diese Quote ist allerdings mit 3–5 % 12-Monats-Abstinenz bei denjenigen, die von sich aus einen Rauchstopp versuchen, gering anzusetzen [23] und dürfte den abgeschätzten Effekt demnach wenig beeinflussen.

Hochgerechnet auf die Gesamtheit der COPD-DMP-Teilnehmer in Deutschland von etwa 800 000, ergäbe sich ein theoretisches Ersparnis-Potenzial von 501 Mio. € jährlich. Sollte die Umsetzung der therapeutischen Maßnahmen zur Herstellung der Tabakabstinenz allen GKV-Versicherten zur Verfügung gestellt werden, so betrüge in grober Näherung das Ersparnispotenzial bei insgesamt etwa 6 Mio. COPD-Kranken in Deutschland annähernd 3,8 Mrd. € jährlich zugunsten der GKV.


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Schlussbemerkung

Es ist abschließend anzumerken, dass mit einer vollständigen Eliminierung des Tabakkonsums aus der Bevölkerung danach mit einer Latenz von etwa 20 Jahren die COPD-Erkrankung selbst weitestgehend verschwinden würde. Nur noch ein Restanteil von etwa 10 % der aktuellen COPD-Prävalenz würde verbleiben [12] [24]. Daneben würde die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken, in entscheidender Weise sinken [25] [26] [27], und für Erkrankte mit anderer typischer Tabak-assoziierter Komorbidität wie koronare Herzkrankheit ist gesichert, dass ihr Risiko durch Beendigung des Rauchens und mit Bewahrung der ventilatorischen Kapazität sinkt [28] [29].


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Interessenkonflikt

Thomas Hering erhielt in den letzten 3 Jahren Honorare für Beratung und Vorträge von AstraZeneca GmbH, Berlin-Chemie, GSK, Mylan Pharma, Novartis GmbH, Pfizer Pharma GmbH, Sanofi-Aventis, Takeda, bytes4business, Carepath Technologies. Er betreibt die gemeinwohlorientierte Vermittlungsplattform www.rauchfrei-in-berlin.de und ist Autor der Programmes „Mein Nichtraucherprogramm (Entwöhnungsprogramm des Bundesverbandes der Pneumologen – BdP).
Anil Batra hat in den letzten 3 Jahren einschlägige Förderungen durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) e. V., die Deutsche Krebshilfe und das BMBF erhalten. AB betreibt das Tabakentwöhnungsprogramm „Nichtraucher in sechs Schritten“ und führt regelmäßig Fortbildungen zu diesem Thema durch.
Stephan Mühlig hatte in den letzten 3 Jahren wirtschaftliche oder persönliche Verbindungen zur AOKPLUS, der Deutschen Krebshilfe, dem Sächsischen Staatsministierium für Soziales und Gesundheit, der BZgA, dem Bundesgesundheitsministerium, den Firmen Pfizer, Johnson & Johnson.
Dennis Nowak erhielt Vortragshonorare von Bristol MyersSquibb, Berlin Chemie, Boehringer Ingelheim, GSK, Mundipharma, Novartis, Hexal, Lilly. Er ist im Advisory Board Raucherentwöhnung der Firma Pfizer tätig.
Tobias Rüther erhielt in den letzten drei Jahren Beratungs- und Vortragshonorare von Pfizer Pharma GmbH, Johnson & Johnson, Sanofi und Servier und Berlin Chemie.
Larissa Schwarzkopf hatte keinerlei finanzielle, persönliche oder sonst wie geartete Konflikte.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. Thomas Hering
Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT) e. V.
UKT – Universitäts-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Calwerstraße 14
72076 Tübingen
Deutschland   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 25. Februar 2021

Angenommen: 09. April 2021

Artikel online veröffentlicht:
28. Juni 2021

© 2021. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Kostenanteile bei Raucher-Quote 26 % [1].
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Abb. 2 COPD-Stadien-Anteil nach Raucher-Quote.
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Abb. 3 Jahreskosten nach Raucher-Quote.
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Abb. 4 Kumulierte Kosten und kumulierte Einsparungen bei Reduzierung der Raucher-Quote von 26 % auf 16 % über einen Zeitraum von 3 Jahren.