Phlebologie 2021; 50(03): 215-221
DOI: 10.1055/a-1478-1034
Schwerpunktthema

Endovenöse Therapie chronisch venöser Obstruktionen

Endovenous Treatment of Chronic Venous Obstruction
Houman Jalaie
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
,
Mohammad E. Barbati
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
,
Alexander Gombert
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
,
Drosos Kotelis
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
,
Michael J. Jacobs
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
,
Karina Schleimer
Klinik für Gefäßchirurgie, Uniklinik RWTH Aachen, Europäisches Venenzentrum Aachen-Maastricht
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Bei der chronisch venösen Obstruktion (CVO) liegt ein Abstromhindernis vor, welches eine venöse Hypertension im betroffenen Bein verursacht. Die CVO tritt vornehmlich auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms (PTS) oder eines May-Thurner-Syndroms (MTS) auf. Die CVO kann zu einer deutlichen Einschränkung des täglichen Lebens führen und hat erhebliche sozioökonomische Konsequenzen. Bei der endovenösen Rekanalisation zur Behandlung einer symptomatischen CVO handelt es sich um eine relativ neue therapeutische Option, die mittlerweile generell als Behandlung der ersten Wahl akzeptiert ist. Seit Verwendung spezieller venöser Stents können auch ausgedehntere Befunde, die eine anspruchsvollere Rekonstruktion erforderlich machen, erfolgreich therapiert werden.

Damit nach einer venösen Rekanalisation keine Stase des Blutstroms und ein Primärverschluss auftreten, müssen ein suffizienter Ein- und Ausstrom gewährleistet sein. Zur Verbesserung des Einstroms werden Hybrideingriffe mit Endophlebektomie der Vena femoralis communis und AV-Fistel-Anlage, zur Ausstromverbesserung werden spezielle Rekonstruktionen der Vena-cava-inferior-Konfluenz, z. B. die Skipped-Technik, empfohlen.


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Abstract

Chronic venous obstruction (CVO) is an outflow obstruction that causes venous hypertension in the affected leg. CVO occurs primarily on the basis of a post-thrombotic syndrome (PTS) or a May-Thurner syndrome (MTS). CVO can lead to a considerable limitation in daily life and has significant socioeconomic consequences. Endovenous recanalization for the treatment of symptomatic CVO is a relatively new therapeutic option that is now generally accepted as the first choice of treatment. Since the use of special venous stents, more extensive pathologies, which require more demanding reconstruction, can also be treated successfully.

Adequate inflow and outflow must be ensured to prevent stasis of the blood flow and early occlusion after venous recanalization. To improve the inflow, hybrid interventions with endophlebectomy of the common femoral vein and creation of an AV fistula could be helpful; special reconstruction of the inferior vena cava confluence, e. g., the skipped technique, is recommended to improve outflow.


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Einleitung

Bei der chronisch venösen Obstruktion (CVO) liegt ein Abstromhindernis vor, welches eine venöse Hypertension im betroffenen Bein verursacht. Die CVO tritt vornehmlich auf dem Boden eines postthrombotischen Syndroms (PTS) oder eines May-Thurner-Syndroms (MTS) auf, welches seinerseits ebenfalls eine Thrombose und somit eventuell ein PTS verursachen kann. Es ist bekannt, dass die CVO zu einer deutlichen Einschränkung des täglichen Lebens führen kann und erhebliche sozioökonomische Konsequenzen hat [1].


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Pathophysiologie

Nach der Diagnose einer tiefen Venenthrombose (TVT) kommt es bei bis zu 50 % der zumeist jungen Patienten trotz einer adäquaten Antikoagulation zur Ausbildung eines PTS [2]. Dieses beinhaltet alle Folgezustände und Langzeitkomplikationen nach einer abgelaufenen TVT. Der Hauptgrund dafür ist eine unzureichende spontane Rekanalisation der betroffenen Venen, in deren Lumina bindegewebige Trabekel verbleiben, die eine Einengung oder einen Verschluss verursachen können. Darüber hinaus führt die TVT zu einer Inflammation und Induration der betroffenen Venenwand und zu einer Schädigung der Venenklappen mit resultierendem Reflux [3].

Beim MTS wird die linke V. iliaca communis (VIC) bzw. die Konfluenz der V. cava inferior (VCI) zwischen der rechten A. iliaca communis und einem Wirbelkörper komprimiert. Durch diesen fortwährenden mechanischen Reiz wird darüber hinaus eine Inflammation in der Vene induziert. Langfristig kann es neben der externen Kompression zusätzlich zu intraluminalen Vernarbungen und zur Venenwandfibrose kommen [4].

Die venöse Hypertension steht im Zentrum der Pathophysiologie der CVO. Beim gesunden Menschen wird das Blut durch die Muskelpumpe, unterstützt durch kompetente Venenklappen, zum Herzen transportiert. Der Druck in der Fußrückenvene sinkt dabei von 80–100 mmHg (im Stehen) auf durchschnittlich 22 mmHg. Bei der CVO erhöht sich beim Gehen durch das Abstromhindernis der ambulatorische Druck in der Fußrückenvene deutlich. Bereits ein Wert von > 30 mmHg gilt als pathologisch [5]. Der erhöhte venöse Druck verursacht eine Dilatation der Kapillaren und somit eine erhöhte Permeabilität derselben für Plasma, Proteine und Erythrozyten. Dies führt zur Entstehung von Ödemen, inflammatorischen Prozessen, Hyperpigmentation und den typischen Hautveränderungen [6] [7].


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Symptome und Befunde

Die CVO führt häufig zu folgenden typischen Symptomen: Schwere- und Spannungsgefühl, Krämpfe, Juckreiz und Schmerzen. Die venöse Claudicatio, die als heftiger akuter Schmerz beim Gehen auftritt und nachlässt, wenn der Patient stehenbleibt oder das Bein hochlagert, ist pathognomonisch.

Sekundäre Varikosis, Ödeme, venöse Kollateralen, Hyperpigmentierung, Stauungsekzeme, Atrophie blanche, Dermatolipofasziosklerose und ein Ulcus cruris venosum sind die typischen Befunde einer CVO [7].


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Diagnostik

Die Verdachtsdiagnose der CVO wird zunächst anhand der Anamnese und der oben beschriebenen Symptome und Befunde gestellt. Anamnestisch von Bedeutung sind stattgehabte TVTs, eine familiäre Prädisposition, die Einnahme von Antikoagulanzien und frühere venöse Interventionen. Es wurden spezielle Punktsysteme entwickelt, um den Schweregrad der CVO zu erheben. Hierbei werden den Symptomen und Befunden je nach Ausmaß entsprechende Punkte zugeordnet. Die wichtigsten Scores sind: Villalta-Score, Venous-Clinical-Severity-Score (VCSS) und CEAP-Klassifikation [8] ([Tab. 1]).

Tab. 1

Villalta-Skala.

keine

mild

moderat

schwer

subjektive Symptome

Schmerz

0

1

2

3

Krämpfe

0

1

2

3

schwere Beine

0

1

2

3

Parästhesien

0

1

2

3

Juckreiz

0

1

2

3

klinische Zeichnen

prätibiale Ödeme

0

1

2

3

Hautinduration

0

1

2

3

Hyperpigmentation

0

1

2

3

Rötungen

0

1

2

3

venöse Ektasien

0

1

2

3

Schmerzen bei Wadenkompression

0

1

2

3

venöses Ulkus

nicht vorhanden

vorhanden

Ergebnis der Bewertung: 0–4 = kein PTS; 5–9 = leichtes PTS; 10–14 = mäßiges PTS; 15–33 = schweres PTS. PTS: Postthrombotisches Syndrom.

Eine farbkodierte Duplexsonografie, durchgeführt durch einen geübten Untersucher, ist die wichtigste apparative Untersuchungsmethode. Der Untersucher kann die postthrombotischen Vernarbungen und das Ausmaß der Lumeneinengung quantifizieren. Zusätzlich kann ein venöser Reflux detektiert werden. Besonders wichtig dabei ist es, den venösen Einstrom aus der Peripherie zu untersuchen.

Bei Hinweis auf Vorliegen einer iliakalen und/oder cavalen Obstruktion ist die Durchführung einer MR-Phlebografie oder CT-Phlebografie zu empfehlen. Hiermit können Stenosen, Verschlüsse, Kompressionen und Kollateralen dargestellt werden. Mittels einer MR-Phlebografie können zusätzlich intraluminale Trabekel und Gefäßwandverdickungen sensitiv dargestellt werden ([Abb. 1]) [9].

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Abb. 1 Präoperative MR-Phlebografie, axial, Darstellung der postthrombotischen Trabekel in der V. femoralis communis links (weißer Pfeil) auf Höhe der Konfluenz V. femoralis – V. profunda femoris.

Der intravaskuläre Ultraschall (IVUS) ist die sensitivste apparative Diagnostik, um das Ausmaß der CVO zu sichten. Hiermit lassen sich Trabekel, Venenwandverdickungen, externe Kompressionen, Thromben, die Ostien der venösen Zuflüsse und die Stentgeometrie darstellen. Darüber hinaus ist eine exakte Bestimmung der Venendurchmesser und der Stenosegrade möglich. Mittels IVUS können der intraoperative Kontrastmittelverbrauch und die Strahlenbelastung reduziert werden – ein Aspekt, der bei den oft jüngeren Patienten unbedingt in Betracht gezogen werden sollte. Somit ist IVUS ein wichtiger Bestandteil der intraoperativen Diagnostik [10] [11] [12].


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Therapie

Offene Operationen

Die Behandlung der CVO wurde in der Vergangenheit offen-chirurgisch mittels Bypass-Operationen durchgeführt, welche zur Vermeidung eines thrombotischen Verschlusses mit der Anlage einer arteriovenösen Fistel (AV-Fistel) kombiniert wurden. Da nach einer venösen Bypass-Operation eine therapeutische Antikoagulation unerlässlich ist, darf hierbei das Risiko einer postoperativen Blutung jedoch nicht unterschätzt werden. Des Weiteren handelt es sich bei den Bypass-Operationen (z. B. femoro-femoraler, femoro-iliakaler, femoro-cavaler Bypass) um invasive Eingriffe, die oft den Gebrauch von Kunststoffprothesen erforderlich machen [13].

Da die CVO keine Bedrohung für die Extremität oder das Überleben des Patienten darstellt, sollte eine weniger invasive Therapie bevorzugt werden. Bei der endovenösen Rekanalisation zur Behandlung einer symptomatischen CVO handelt es sich um eine relativ neue therapeutische Option, die mittlerweile generell als Behandlung der ersten Wahl akzeptiert ist.


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Endovenöse Rekanalisation und Stentung

Diese Operation wurde im Jahr 1995 zum ersten Mal von Berger et al. publiziert [14]. Im Jahr 2007 veröffentlichten Neglen et al. eine große Studie zur venösen Rekanalisation und Stentung der Beckenstrombahn (n = 982 Patienten, davon 464 Patienten mit PTS). Er berichtete über eine Mortalität von 0 %; die primäre und sekundäre Offenheitsrate betrug bei den Patienten mit PTS nach 72 Monaten 57 % bzw. 86 %. Die Komplikationen (Rethrombose und Hämatome an der Punktionsstelle) waren mit unter 6 % gering. Bei frustraner Rekanalisation oder Auftreten eines Frühverschlusses kam es nicht zu einer klinischen Befundprogredienz [15].

Technische Details der endovenösen Therapie

Weil die Rekanalisation der chronisch venösen Verschlüsse zum Teil langwierig und die Stentung der Venen zumeist sehr schmerzhaft ist, ist eine Operation unter Vollnarkose oder zumindest in Sedierung empfehlenswert. Bei MTS kann jedoch die Intervention auch unter Lokalanästhesie erfolgen.

Während der gesamten Operation ist eine suffiziente Antikoagulation (activated clotting time (ACT) > 200 s) anzustreben.

Zunächst wird eine Schleuse unter sonografischer Kontrolle in der V. femoralis (VF) im mittleren Drittel des betroffenen Oberschenkels platziert, deren Spitze einige Zentimeter kaudal des Ostiums der V. profunda femoris (VPF) liegen sollte, um den Einstrom aus der Peripherie und die Konfluenz der V. femoralis communis (VFC) gut beurteilen zu können.

Danach wird eine Phlebografie durchgeführt, um die Diagnose „CVO“ zu verifizieren und das Ausmaß der pathologischen Befunde sowie den Weg der Rekanalisation darzustellen. Anschließend wird mittels verschiedener Drähte und Katheter die Obstruktion passiert und prädilatiert. Dieser Schritt kann zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden dauern.

Nach einer Ballon-Angioplastie einer chronisch obstruierten Vene kommt es fast immer zu einem Recoil; daher muss nun eine Stentimplantation vorgenommen werden [15]. Hierbei sollte die gesamte obstruierte Vene gestentet werden (von einem Areal mit suffizientem Einstrom bis zu einem Areal mit suffizientem Ausstrom). Damit der Stent adäquat freigesetzt werden kann, sollte die betroffene Venenstrecke zuvor mit einem Ballon, dessen Durchmesser mindestens dem Durchmesser des zu implantierenden Stents entspricht, vordilatiert werden. Die Stentimplantation erfolgt üblicherweise von kranial nach kaudal.

Bei Vorliegen eines MTS ist dieses adäquat mit einer Stentangioplastie zu versorgen. Eine Überstentung der kontralateralen V. iliaca communis (VIC) sollte soweit wie möglich vermieden werden. In der Literatur wird die Rate an TVT bei einer Überstentung der Gegenseite mit bis zu 4 % angegeben [15].

Oft ist eine Stentung nach kaudal über das Leistenband hinaus in die VFC erforderlich. Hierbei besteht, im Gegensatz zur arteriellen Stentung, kein erhöhtes Risiko für eine Stentruptur oder -stenosierung [16].

Eine Nachdilatation der implantierten Stents ist zwingend erforderlich. Der Durchmesser des hierbei verwendeten Ballons sollte dem Durchmesser des Stents entsprechen.

In einer Abschluss-Phlebografie müssen ein Recoil, Geometriefehler der Stents oder Thromboembolien ausgeschlossen werden. Wenn die venöse Rekanalisation und Stentung erfolgreich verlaufen ist, strömt das Kontrastmittel umgehend ab ohne Nachweis von Kollateralen ([Abb. 2]).

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Abb. 2a Initiale Phlebografie bei Verschluss der V. femoralis communis sowie der V. iliaca externa rechts, Nachweis von Kollateralen sowie Reflux der V. saphena magna und der V. iliaca interna. b Abschluss-Phlebografie nach Rekanalisation und Stentung der femoro-iliakalen Strecke rechts; es sind keine Kollateralen mehr nachweisbar. Deutlich reduzierter Reflux im Bereich der V. saphena magna und der V. iliaca interna.

Mittels IVUS können die obstruierten venösen Strecken und Landungszonen der Stents exakt identifiziert werden. Dadurch kann einerseits die Anzahl der Phlebografien und/oder Durchleuchtungen zur Bestimmung der genauen Landungszonen reduziert werden, andererseits die Präzision der Prozedur erhöht werden. Deshalb ist die Verwendung von IVUS bei jeder venösen Rekanalisation zu empfehlen [12].


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Indikation/Kontraindikation

Wenn nach einer akuten proximalen TVT trotz einer 12-monatigen, adäquaten konservativen Behandlung, bestehend aus therapeutischer Antikoagulation, Kompression Klasse II und Mobilisation, die Beschwerden persistieren und den Patienten in seiner Lebensqualität beeinträchtigen, sollte eine Operation erwogen werden.

Da die Offenheitsraten nach der venösen Rekanalisation bei sehr ausgedehnten Pathologien nicht optimal sind (primäre Offenheitsrate nach 12 Monaten: 51 %) und das PTS nicht lebens- oder Extremitäten-bedrohend ist, sollte die Indikation zur Operation bei diesen Patienten sehr streng gestellt werden [17]. Hierbei müssen insbesondere der Leidensdruck des Patienten sowie der präoperativ evaluierte Einstrom aus der Peripherie berücksichtigt werden.

Bei stark eingeschränktem Einstrom aus der VF und der VPF ist eine interventionelle Rekanalisation der iliofemoralen und cavalen Strecke nicht aussichtsreich. Zum einen ist eine Rekanalisation bei einem reduzierten Einstrom aus der Peripherie mit einer sehr hohen Verschlussrate assoziiert. Zum anderen wird die Drainage des betroffenen Beines auch durch eine erfolgreiche Rekanalisation der Beckenetage nicht gewährleistet, und somit persistieren die Beschwerden.

Eine Kontraindikation zur therapeutischen Antikoagulation stellt ein generelles Ausschlusskriterium für eine Rekanalisation einer CVO dar [18].


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Spezielle venöse Stents

Zuerst wurden zur venösen Stentung großlumige arterielle Stents verwendet. Diese sind jedoch zur Stentung von Venen nicht geeignet, denn der Venendurchmesser ist größer als der Durchmesser der entsprechenden Arterien. Im Bereich der femoro-iliakalen Venen wird ein Stentdurchmesser von 12–18 mm benötigt. Die chronisch obstruierten Venen sind stark fibrosiert und werden darüber hinaus oft von außen komprimiert, sodass nur ein Stent mit hoher Radialkraft diese Kräfte überwinden kann. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten im Bereich der femoro-iliakalen venösen Strecke, vor allem im Bereich des Übergangs der V. iliaca externa (VIE) zur VIC mit stark kurvigem Verlauf, werden Stents mit sehr hoher Flexibilität benötigt.

In den letzten Jahren wurden diese speziellen venösen Stents entwickelt. Es handelt sich ausschließlich um selbstexpandierbare Nitinol-Stents, die teils ein Open-Cell-Design, teils ein Closed-Cell-Design haben. Des Weiteren kann man sie in lasergeschnittene und geflochtene Stents einteilen.

In einer großen Studie, in der die Ergebnisse der Stentung mit ausschließlich venösen Stents untersucht wurde (n = 221 Beine), konnte nach 60 Monaten Follow-up eine sekundäre Offenheitsrate von 89 % erzielt werden [19].

Seit Verwendung dieser speziellen venösen Stents können auch ausgedehntere Befunde, die eine anspruchsvollere Rekonstruktion erforderlich machen, erfolgreich therapiert werden.

Damit nach einer venösen Rekanalisation keine Stase des Blutstroms und ein Primärverschluss auftreten, müssen ein suffizienter Ein- und Ausstrom gewährleistet sein.


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Einstromverbessernde Maßnahmen

Der venöse Einstrom aus der Peripherie ist einer der wichtigsten Parameter, welcher ein gutes postoperatives Ergebnis garantiert. Bei einem schlechten Einstrom kommt es zu einer Verlangsamung der venösen Strömung, und es droht bei einer Rekanalisation der iliakalen oder cavalen Strecke nahezu immer ein Frühverschluss [18].

Postthrombotische Trabekel in der VFC, die den venösen Einstrom über die VF und/oder die VPF behindern, müssen im Rahmen der venösen Rekanalisation mittels einer Endophlebektomie entfernt werden.

Comerota et al. stellten im Jahr 2010 die Technik der Endophlebektomie der VFC im Rahmen einer venösen Rekanalisation als Hybrideingriff zum ersten Mal vor [20]. Nach der Rekanalisation der obstruierten femoro-iliakalen Strecke und Darstellung der VFC und der arteriellen Femoralisgabel wird die VFC längs eröffnet. Die postthrombotischen Trabekel werden vorsichtig beseitigt und die Venotomie wird mit einem bovinen Patch verschlossen ([Abb. 3]).

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Abb. 3a Postthrombotische Trabekel im Bereich der V. femoralis communis nach erfolgter Rekanalisation. b Situs nach Endophlebektomie der V. femoralis communis vor Durchführung einer Patch-Erweiterungsplastik.

Diese Endophlebektomie wird üblicherweise mit einer AV-Fistel-Anlage in Loop-Konfiguration (6 mm beringte PTFE-Prothese zwischen der A. femoralis communis oder A. femoralis superficialis und der endophlebektomierten VFC) kombiniert, um eine Stase des venösen Blutes zu verhindern [21]. Nach Fertigstellung dieser Rekonstruktion kann die venöse Stentung erfolgen, wobei das kaudale Ende des distalen Stents stets bis zum Ostium der VPF reichen sollte. Dies verhindert einen Kollaps der Rekonstruktion, der zu einem Frühverschluss führen kann.

Um einer neointimalen Hyperplasie entgegenzuwirken, sollte die AV-Fistel nach spätestens 6 Wochen interventionell mittels eines Okkluders verschlossen werden.

Eine Analyse der Daten der Patienten (n = 70), bei denen in unserem Zentrum ein Hybrideingriff (n = 76 Beine) durchgeführt wurde, zeigte folgende Ergebnisse: Bei allen Operationen (n = 76) wurde eine AV-Fistel angelegt. Die primäre, primär assistierte und sekundäre Offenheitsrate lagen nach 12 Monaten bei 51 %, 70 % bzw. 83 %. Der Vilallta-Score sank im Median nach einem Jahr um 7 Punkte. Es traten folgende Komplikationen auf: Wundinfekte (29 %), Lymphfisteln (39 %), kleinere Blutungen (16 %) und größere Blutungen mit Hämatombildung (9 %) [17].

Die relativ schlechte Offenheitsrate dieser Hybrideingriffe wird zum einen durch die ungünstige Ausgangspathologie mit stark reduziertem Einstrom aus der Peripherie verursacht. Darüber hinaus kam es unter therapeutischer Antikoagulation zu einer relativ hohen Rate an Hämatomen, welche eine Kompression der VFC verursachen.

In einer darauffolgenden Studie konnten wir eine Reduktion der Wundinfekte von 29 % auf 18,2 % durch Verwendung der Vakuum-Wundtherapie erzielen [22].


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Ausstromverbessernde Maßnahmen

Um eine Stase zu verhindern, ist neben einem optimalen Einstrom ebenfalls ein suffizienter Ausstrom erforderlich. Hierbei ist es sehr wichtig, bei der venösen Rekanalisation und Stentangioplastie stets das gesamte pathologische Areal zu behandeln („from healthy to healthy“, d.h von einer Strecke mit suffizientem Einstrom bis zu einer Strecke mit suffizientem Ausstrom). Bei einer ausschließlich iliakalen Beteiligung ist dies technisch unproblematisch. Technisch anspruchsvoller wird es bei beidseitiger Involvierung der Iliakalvenen mit Beteiligung der Konfluenz der V. cava inferior (VCI). Hierfür wurden bereits verschiedene Rekonstruktionen beschrieben.

Bei der Konfluenz-Technik werden 2 iliakale venöse Stents mit demselben Durchmesser in einem größeren cavalen Stent freigesetzt. Hierbei gibt es nicht genug Platz für eine komplette Entfaltung der beiden iliakalen Stents. Es kommt automatisch zu einer Kompression eines der Stents. Aus diesem Grund haben wir eine modifizierte Konfluenz-Technik entwickelt, bei der 2 Ballon-expandierbare Stents simultan und parallel im distalen Cava-Stent freigesetzt werden [23]. Der Vorteil der Ballon-expandierbaren Stents ist ihre kontrollierbare Freisetzung, sodass ihre Geometrie dem vorgegebenen Raum angepasst werden kann. Dies spiegelte sich unter anderem in der besseren Kurzzeit-Offenheitsrate (primäre Offenheitsrate: 100 %, Mean-Follow-up: 134 ± 118 Tage) bei Verwendung der modifizierten Technik wider. Jedoch wird die ohnehin lange Operationsdauer durch zusätzliche Implantation von 2 Ballon-expandierbaren Stents noch mehr verlängert, und zusätzlich werden die Operationskosten erhöht. Zudem sollte man die zusätzliche Strahlenbelastung der eher jüngeren Patienten nicht außer Acht lassen. Um diesen Nachteilen entgegenzuwirken, haben wir eine weitere Methode zur Rekonstruktion der Konfluenz der VCI, die Skipped-Technik, entwickelt: Bei dieser Technik wird zunächst ein großkalibriger Stent in die distale VCI implantiert. Mit einer minimalen Distanz („skip“) hierzu werden simultan die beiden iliakalen Stents freigesetzt [24] ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Schematische Darstellung einer iliocavalen Rekonstruktion in Skipped-Technik.

Die Skipped-Technik hat folgende Vorteile:

  1. Ein großer Stent anstatt von 2 kleineren Stents in der VCI erzielt aufgrund eines größeren Flächeninhalts günstigere Strömungsverhältnisse.

  2. Zusätzlich ist ein großer cavaler Stent in seinem ganzen Umfang in Kontakt mit dem Endothel. Dies begünstigt eine homogene neointimale Auskleidung des Stents.

  3. Bei 2 iliakalen Stents in der VCI entstehen Toträume zwischen den Stents. Wie diese perfundiert werden und welchen Einfluss sie auf das Gesamtergebnis haben, ist noch nicht erforscht.


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Nachbehandlung und Verlaufskontrollen

Konsequente engmaschige Verlaufskontrollen sichern optimale Ergebnisse der venösen Rekanalisation.

Die Kompressionstherapie sollte schon im Operationssaal begonnen werden. Dazu können sowohl medizinische Kompressionsstrümpfe der Klasse II als auch Kompressionsverbände angelegt werden. Die Kompressionstherapie sollte mindestens ein Jahr postoperativ fortgeführt werden.

Die Patienten sollten so früh wie möglich, am besten am Operationstag, mobilisiert werden, damit die Wadenmuskulatur aktiviert und das venöse Blut rücktransportiert wird; somit wird ein suffizienter venöser Einstrom in die rekanalisierte Strecke gewährleistet.

Ein thrombotischer Verschluss der rekanalisierten Strecke stellt die häufigste postoperative Komplikation dar [15]. Deshalb ist eine suffiziente peri- und postoperative Antikoagulation essenziell. Präoperativ darf die therapeutische Antikoagulation nicht pausiert werden. Intraoperativ wird die ACT über 200 s gehalten. Dies wird mit einer initialen Gabe von 5000 IE Heparin i. v. erzielt, welches bei einem längerdauernden Eingriff eventuell erneut verabreicht werden muss.

Postoperativ sollte die therapeutische Antikoagulation der zugrunde liegenden Pathologie angepasst werden: Bei Patienten mit einem MTS empfehlen wir eine therapeutische Antikoagulation für 6 Monate. Bei Patienten mit einem PTS sollte die therapeutische Antikoagulation für mindestens 12 Monate fortgeführt werden.

Wir führen die erste postoperative Kontrolle mittels einer standardisierten farbkodierten Duplexsonografie vor der Entlassung des Patienten durch. Die zweite Verlaufskontrolle ist nach ca. 2 Wochen postoperativ zu empfehlen, denn die meisten thrombotischen Frühverschlüsse treten innerhalb der ersten 2 postoperativen Wochen auf und ein rechtzeitig erkannter Frühverschluss kann in den ersten 14 Tagen zumeist interventionell erfolgreich behandelt werden [18]. Die weiteren Kontrollen sollten zu folgenden Zeitpunkten erfolgen: 6 Wochen, 3 Monate, 6 Monate, 12 Monate und jährlich.

Eine Stenose über 50 % des Stentlumens wird als signifikant und somit als therapiebedürftig gewertet [10]. Wir konnten darüber hinaus zeigen, dass eine stetige Zunahme der Stenose im Verlauf eher von Bedeutung ist als eine konstante, im Verlauf unveränderte Verengung; z. B. ist eine Zunahme der Stenose von 20 % auf 40 % eher mit einem Verschluss assoziiert als eine konstant bleibende Stenose von 50 %. Bei Nachweis einer progredienten Stenose sollte eine zeitnahe Reintervention geplant werden [25].


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Neue Klassifikation

In den bislang veröffentlichten klinischen Studien zur venösen Rekanalisation und Stentung werden die Patienten in 3 Gruppen aufgeteilt: akute Thrombose, Kompressionssyndrome und PTS. In keiner dieser Studien wird bei den Patienten mit CVO die Ausdehnung der Venenläsionen unterschieden. Daher ist es aktuell nicht möglich, die Resultate der Studien miteinander zu vergleichen. Wir entwickelten eine neue Klassifikation der CVO, die anatomisch orientiert ist und den Einstrom aus der Peripherie berücksichtigt ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Schematische Darstellung der Klassifikation der chronisch venösen Obstruktion. Typ I: lokale Kompression, z. B. May-Thurner-Syndrom; Typ II: CVO der VIC und VIE ohne Beteiligung der VFC; Typ III: CVO der Beckenvenen + VFC; Typ IVa: CVO der Beckenvenen + VFC + VF (teilweise eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie); Typ IVb: CVO der Beckenvenen + VFC + VPF (teilweise eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie); Typ V: CVO der Beckenvenen + VFC + VF + VPF (stark eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie). CVO: Chronisch venöse Obstruktion, VIC: Vena iliaca communis, VIE: Vena iliaca externa, VFC: Vena femoralis communis, VF: Vena femoralis, VPF: Vena profunda femoris.

Diese neue Klassifikation soll eine Vergleichbarkeit der Studien ermöglichen und darüber hinaus Hilfestellung sein bei der Indikationsstellung und Auswahl der geeigneten endovenösen Therapie. Ferner ermöglicht sie eine klare Einschätzung des realisierbaren postoperativen Resultats, denn je schlechter der Einstrom, desto schlechtere Ergebnisse sind zu erwarten und desto strenger sollte die OP-Indikation gestellt werden.

Insgesamt beziehen sich die Empfehlungen zur Behandlung der CVO auf nichtrandomisierte, zumeist Single-Center-Studien mit niedrigen Evidenzgraden. Zur Therapieoptimierung müssen große multizentrische, prospektive, randomisierte Studien durchgeführt werden. Dafür bietet unsere neue Klassifikation der CVO eine wichtige Grundlage.


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Interessenkonflikt

Houman Jalaie und Mohammad Barbati erklären, dass sie in den letzten 3 Jahren Vortragshonorare von Medtronic, BD BARD, Optimed und Boston Scientific bekommen haben.


Korrespondenzadresse

Houman Jalaie
Uniklinik RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Germany   

Publication History

Article published online:
11 May 2021

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Präoperative MR-Phlebografie, axial, Darstellung der postthrombotischen Trabekel in der V. femoralis communis links (weißer Pfeil) auf Höhe der Konfluenz V. femoralis – V. profunda femoris.
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Abb. 2a Initiale Phlebografie bei Verschluss der V. femoralis communis sowie der V. iliaca externa rechts, Nachweis von Kollateralen sowie Reflux der V. saphena magna und der V. iliaca interna. b Abschluss-Phlebografie nach Rekanalisation und Stentung der femoro-iliakalen Strecke rechts; es sind keine Kollateralen mehr nachweisbar. Deutlich reduzierter Reflux im Bereich der V. saphena magna und der V. iliaca interna.
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Abb. 3a Postthrombotische Trabekel im Bereich der V. femoralis communis nach erfolgter Rekanalisation. b Situs nach Endophlebektomie der V. femoralis communis vor Durchführung einer Patch-Erweiterungsplastik.
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Abb. 4 Schematische Darstellung einer iliocavalen Rekonstruktion in Skipped-Technik.
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Abb. 5 Schematische Darstellung der Klassifikation der chronisch venösen Obstruktion. Typ I: lokale Kompression, z. B. May-Thurner-Syndrom; Typ II: CVO der VIC und VIE ohne Beteiligung der VFC; Typ III: CVO der Beckenvenen + VFC; Typ IVa: CVO der Beckenvenen + VFC + VF (teilweise eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie); Typ IVb: CVO der Beckenvenen + VFC + VPF (teilweise eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie); Typ V: CVO der Beckenvenen + VFC + VF + VPF (stark eingeschränkter Einstrom aus der Peripherie). CVO: Chronisch venöse Obstruktion, VIC: Vena iliaca communis, VIE: Vena iliaca externa, VFC: Vena femoralis communis, VF: Vena femoralis, VPF: Vena profunda femoris.