RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/a-1473-1505
Rekonvaleszentenplasma enttäuscht in randomisierter Studie
A Randomized Trial of Convalescent Plasma in Covid-19 Severe Pneumonia.
N Engl J Med 2020;
DOI: 10.1056/NEJMoa2031304
Weltweit erhalten Patienten mit schwerer COVID-19-Pneumonie Antikörper von Genesenen. Ein wissenschaftlich begründeter Wirksamkeitsnachweis für Rekonvaleszentenplasma bei Viruserkrankungen sei bisher nur beim Argentinischen hämorrhagischen Fieber überzeugend gelungen. In der randomisierten doppelblinden PlasmAr-Studie erhielten COVID-19-Erkrankte eine passive Immunisierung oder Placebo mit dem Ziel, den Nutzen von Rekonvaleszentenplasma nicht nur zu beobachten, sondern zu belegen.
#
Zahlreiche Beobachtungen sprachen für die Wahrscheinlichkeit, dass Antikörper von ehemaligen Patienten die klinischen Verläufe schwerer SARS-CoV-2-Infektionen verbessern und sich möglicherweise auch positiv auf die Mortalität auswirken. Die argentinische Arbeitsgruppe wollte diese Ergebnisse unterfüttern und hatte den klinischen Befund an Tag 30 nach den Infusionen als primären Endpunkt. Die Beurteilung erfolgte mit einer 6-Punkte-Ordinalskala, wobei 1 Tod und 6 Entlassung bei vollständiger Genesung entsprach.
Insgesamt 334 Erwachsene mit PCR-belegter COVID-19 und radiologisch bestätigter Pneumonie waren in stationärer Behandlung. Die Betroffenen erfüllten ≥ 1 weiteres Einschlusskriterium:
-
Sauerstoffsättigung < 93 %,
-
inspiratorische Sauerstofffraktion < 300 mmHg,
-
sequenzielles Organversagen (SOFAScore) und
-
progrediente Organinsuffizienz ≥ 2 Punkte (mSOFA).
Die etablierte SOFA-Klassifikation diente der Beurteilung eines Organversagens bei Sepsis und schloss die bepunktete und wiederholte Einordnung der aktuellen Organfunktionen ein. Patienten, die bereits bei der Randomisierung ein Multiorganversagen hatten oder eine maschinelle Beatmung brauchten, waren von der Studie ausgeschlossen.
Die Patienten waren median 62 Jahre alt und 67,6 % waren Männer. Fast zwei Drittel wiesen Begleiterkrankungen auf. Eine Sauerstoffsättigung < 93 % war die häufigste Indikation für die stationäre Aufnahme, und > 90 % der Erkrankten bekamen Sauerstoff und Kortikosteroide. In der Studie erhielten 228 Patienten Rekonvaleszentenplasma und 105 Placebo, wobei eine Medikation mit Kortikosteroiden und antiviralen Wirkstoffen fortgesetzt werden durfte. Das Plasma stammte von Donatoren mit einem Antikörpertiter ≥ 1:400 und wurde als Pool-Präparat von 2–5 Spendern verabreicht (500 ml; Titer ≥ 1:800). Die fertigen Präparate enthielten median 1:3200 SARS-CoV-2-Antikörper.
An Tag 30 bestand kein signifikanter Unterschied im klinischen Ergebnis. Unter Berücksichtigung des Geschlechts, einer vorbekannten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und eines Nikotinabusus reduzierte das Rekonvaleszentenplasma verglichen mit Placebo weder ungünstige Verläufe noch die Sterblichkeit:
-
klinisches Ergebnis OR 0,92 (95 %-KI 0,59–1,42; p = 0,70) und
-
Mortalität 10,96 vs. 11,43 % (Risikodifferenz –0,46 %).
Die Krankheitsverläufe unterschieden sich an Tag 7 und Tag 14 nach der Plasmainfusion nicht wesentlich. Die Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus betrug median 13 vs. 12 Tage. Eine Behandlung auf der Intensivstation war bei 53,9 vs. 60 % und eine maschinelle Beatmung bei 26,85 vs. 22,9 % erforderlich. Ferritin und D-Dimere wiesen keine Gruppenunterschiede auf. Zwei Tage posttherapeutisch hatten Patienten der Verumgruppe mehr SARS-CoV-2-Antikörper als die Placebogruppe. An Tag 7 und 14 bestanden keine Unterschiede mehr. Subgruppenanalysen ergaben keine zusätzlichen Erkenntnisse.
Insgesamt kamen unerwünschte Wirkungen in den Gruppen in vergleichbarer Häufigkeit vor. Infusionsassoziierte Nebenwirkungen traten nach Plasmatransfusionen öfter auf (4,8 vs. 1,9 %). Dabei handelte es sich um nicht hämolytische Fieberreaktionen. Für Interaktionen mit der konkurrierenden Medikation ergaben sich keine Hinweise. Günstigere Verläufe bei Patienten < 65 Jahre in der Placebogruppe waren nach zusätzlichen Analysen eher Zufallsbefunde.
Rekonvaleszentenplasma hatte in der PlasmAr-Studie bei schweren COVID-19-Pneumonien keinen signifikanten Zusatznutzen. Damit kontrastierten die Ergebnisse die Resultate von Beobachtungsstudien. Die Autoren betonen die besondere Notwendigkeit weiterer randomisierter Untersuchungen und glauben zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Therapie mit Genesenenplasma als Standardbehandlung neu bewertet werden sollte. Simonovich et al. empfehlen darüber hinaus Studien mit anderen Produkten, z. B. monoklonalen SARS-CoV-2-Antikörpern.
Dr. med. Susanne Krome, Melle
#
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
11. Juni 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany