Phlebologie 2021; 50(03): 172-174
DOI: 10.1055/a-1472-1916
Literatur weltweit

Achtfach erhöhtes VTE-Risiko bei vorzeitiger Beendigung der Antikoagulation

Nieto JA. et al.
Thirty-day outcomes in patients with proximal deep vein thrombosis who discontinued anticoagulant therapy prematurely.

Thromb Res 2020;
189: 61-68
 

Die Therapie mit Antikoagulanzien verändert den Verlauf bei Patienten mit proximaler tiefer Venenthrombose (TVT). Die Antikoagulation wird als die Hauptsäule der Therapie für mindestens 3 Monate nach Ereignis angesehen. In der täglichen Praxis allerdings beenden Patienten die Antikoagulation in nicht wenigen Fällen vorzeitig, hauptsächlich aufgrund von dringend anstehenden Operationen, aktiven Blutungen, Blutungsrisiko oder fortgeschrittenen Komorbiditäten. Die relative Häufigkeit und die klinischen Konsequenzen der vorzeitigen Beendigung bei diesen Patienten bleiben jedoch unbekannt.


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Die Autoren um Nieto untersuchten in ihrer Registerdatenstudie die Auswirkungen der frühzeitigen Beendigung der Antikoagulation bei Patienten mit TVT. Dafür identifizierten sie Patienten im RIETE-Register. Sie untersuchten die Inzidenz des kombinierten Endpunktes (Lungenembolie-bezogener Tod, plötzlicher Tod oder VTE-Rezidiv) innerhalb von 30 Tagen nach Beendigung der Therapie und verglichen das Risiko dieser Ereignisse mit dem Risiko bei Patienten ohne eine vorzeitige Beendigung. Die Daten wurden für demografische und klinische Faktoren adjustiert.

Ergebnisse

Von 26 335 Patienten mit proximaler TVT (rekrutiert zwischen 2001 und 2018) beendeten 1322 (5,02 %) vorzeitig die Therapie. 30 Tage nach Beendigung erlitten 12 (0,91 %) Patienten eine fatale Lungenembolie (n = 8) oder einen plötzlichen Tod (n = 4), 33 (2,5 %) hatten ein VTE-Rezidiv (Lungenembolie  = 15; Rezidiv-TVT  = 18). Bei Patienten mit vorzeitiger Beendigung lag die 30-Tage-Inzidenz des kombinierten Endpunktes bei 1,62 pro 1 000 Patiententage (95 %-KI 0,00–3,80). Während der ersten Woche nach Beendigung lag die Inzidenz bei 4,09 pro 1000 Patiententage (95 %-KI 0,65–7,52). Die adjustierten Odds-Ratios für den kombinierten Endpunkt waren 7,88-fach (95 %-KI 6,39–9,72) höher bei den Patienten, die vorzeitig die Antikoagulation beendeten.

Fazit

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass ihre Studie quantitative empirische Daten zum Risiko eines kombinierten Endpunktes nach vorzeitiger Beendigung der Antikoagulation liefert. Eine fatale Lungenembolie, plötzlicher Tod oder ein TVT-Rezidiv war häufiger bei diesen Patienten. Die Daten stützen die Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf bei TVT und belegen das Risiko einer zu frühen Beendigung der Antikoagulation. Diese Erkenntnisse können, so die Autoren, bei der Entscheidungsfindung insbesondere bei unerwarteten Komplikationen helfen. Limitationen lagen unter anderem in der Zusammensetzung der Studienpopulation und unklaren Informationen bezüglich der Ursache für den Abbruch der Therapie bei manchen Patienten.

MOR Dr. med. Benedikt Lampl, Regensburg


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Publication History

Article published online:
11 June 2021

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