Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(03): 234
DOI: 10.1055/a-1406-7838
Für Sie notiert

Venöses Thromboembolierisiko bei Knie-, Hüft- bzw. Handarthrose

Contributor(s):
Judith Lorenz
Zeng C. et al.
Risk of venous thromboembolism in knee, hip and hand osteoarthritis: a general population-based cohort study.

Ann Rheum Dis 2020;
79: 1616-1624
DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-217782.
 

Patientinnen und Patienten mit einer Knie- oder Hüftgelenkarthrose sind im Vergleich zu Personen ohne degenerative Gelenkschäden meist weniger mobil und viele müssen sich einer Gelenkersatzoperation unterziehen. Sowohl eine Immobilisierung als auch Operationen gelten als starke Risikofaktoren für venöse Thromboembolien. Wie hoch ist das Thromboembolierisiko in diesem Patientenkollektiv? Und welche Rolle spielen diesbezüglich die Operationen?


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Diesen Fragen ging ein internationales Forscherteam nach. Mithilfe des britischen „The Health Improvement Network“, einer für die britische Bevölkerung repräsentativen primärärztlichen Datenbank, konstruierten sie 3 verschiedene Kohortenstudien: Sie verglichen 20 696 Personen mit einer neu diagnostizierten Kniegelenkarthrose mit 81 137 Gesunden, 10 411 Personen mit einer neu diagnostizierten Hüftgelenkarthrose mit 41 594 Gesunden sowie 6329 Personen mit einer Handarthrose mit 25 206 Gesunden. Die einzelnen Patientinnen und Patienten glichen den jeweiligen Kontrollen bestmöglich bezüglich des Alters, des Geschlechts, des Zeitpunkts der Aufnahme in die Datenbank sowie des Bodymassindex. Das Handarthrose-Kollektiv diente dabei als Kontrolle: Da eine Handarthrose üblicherweise weder zu einer Mobilitätseinschränkung führt noch Gelenkersatzoperationen an der unteren Extremität erforderlich macht, so die Hypothese des Forscherteams, sollten die Betroffenen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung kein erhöhtes venöses Thromboembolierisiko haben. Als primären Studienendpunkt definierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die venöse Thromboembolie. Dabei gingen sie der Frage nach, inwiefern eine Knie- oder Hüftgelenkersatzoperation einen möglichen Zusammenhang zwischen der Knie- bzw. Hüftgelenkarthrose und dem venösen Thromboembolierisiko erklären.

Ergebnisse

327 Personen mit einer Kniegelenkarthrose und 951 Gesunde entwickelten während der Nachbeobachtungszeit eine venöse Thromboembolie (2,7 vs. 2,0 pro 1000 Personenjahre). Mittels multivariater Analyse errechnete sich hier eine adjustierte Hazard Ratio von 1,38 (95% KI 1,23–1,56). Bezüglich des durch den Kniegelenkersatz hervorgerufenen indirekten Effekts der Kniegelenkarthrose auf das venöse Thromboembolierisiko errechnete sich eine Hazard Ratio von 1,07 (95% KI 1,01–1,15), sodass die Operation 24,8% des Gesamteffekts erklärte. Auch in der Hüftarthrosekohorte stellten die Forscherinnen und Forscher ein höheres venöses Thromboembolierisiko als bei den gesunden Kontrollen fest (3,3 vs. 1,8 pro 1000 Personenjahre; adjustierte Hazard Ratio 1,83; 95% KI 1,56–2,13). Bezüglich des indirekten Effekts der Hüftgelenkersatzoperation im Hinblick auf diesen Endpunkt errechnete sich eine Hazard Ratio von 1,14 (95% KI 1,04–1,25), sodass die Operation 28,1% des Gesamteffekts erklärte. In der Handarthrosekohorte beobachtete das Team hingegen keine signifikanten Unterschiede bezüglich des venösen Thromboembolierisikos zwischen den Betroffenen und den Gesunden (1,5 vs. 1,6 pro 1000 Personenjahre; adjustierte Hazard Ratio 0,88; 95% KI 0,67–1,16).

Fazit

Personen mit einer Knie- bzw. Hüftgelenkarthrose, nicht jedoch Personen mit einer Handgelenkarthrose, so das Autorenteam, haben im Vergleich zu Personen ohne diese Gelenkerkrankung ein rund 40 bzw. 80% erhöhtes venöses Thromboembolierisiko. Ein Teil dieser Problematik ist dabei offenbar auf Gelenkersatzoperationen zurückzuführen. Sollten weitere Studien diese Ergebnisse bestätigen, müssen entsprechende Präventions-, Monitoring- und Therapiestrategien für dieses Risikokollektiv entwickelt werden.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
16 June 2021

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