Einleitung
Das maligne Mesotheliom ist ein bösartiger Krebs der serösen Häute mit vorwiegend
3 histologischen Subtypen, die sich hinsichtlich ihrer Prognose unterscheiden. Der
vorherrschend epitheloide Subtyp (Anteil 50–60 %) ist prognostisch günstiger als biphasische
(Anteil 20–30 %) oder sarkomatoide Mesotheliome (Anteil 10–20 %), welche die schlechtesten
Prognosen aufweisen.
Die Entstehung maligner Mesotheliome ist auf eine frühere – meistens berufliche –
Exposition gegenüber Asbest zurückzuführen. So können maligne Mesotheliome seit 1977
als Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Berufskrankheitenverordnung anerkannt werden
[1 ]. Bis zum Berichtsjahr 2018 war das bei knapp 25 000 Erkrankungen der Fall.
Die Verwendung von Asbest wurde in der Bundesrepublik Deutschland zwar 1993 und in
der ehemaligen DDR bereits 10 Jahre zuvor verboten, die von diesem Werkstoff ausgehenden
Gefahren wurden durch die Verbote allerdings nicht vollständig gebannt. So ist auch
heute noch eine Exposition gegenüber Asbest möglich, bspw. bei Sanierungsarbeiten.
In alten Putz-, Spachtel-, Dichtungs- und Fugenmassen können Asbestfasern enthalten
sein, die beim Fräsen, Bohren etc. freigesetzt werden und so zu Asbestfaser-Konzentrationen
führen können, die deutlich über den am Arbeitsplatz zulässigen Konzentrationen liegen
(s. TRGS 910) [2 ]. Die Toleranzkonzentration für Asbestfasern, also die Konzentration, oberhalb der
ein nicht tolerierbares hohes Risiko besteht, liegt bei 100 000 Fasern/m³. Ziel aber
ist die Einhaltung der sog. Akzeptanzkonzentration, die derzeit bei 10 000 Fasern/m³
liegt und für die zukünftig eine weitere Absenkung beabsichtigt ist [2 ]. Trotzdem ist aufgrund der weiterhin möglichen Exposition gegenüber Asbest und der
langen Latenzzeiten von bis zu über 50 Jahren auch in den nächsten Jahren von einer
größeren Anzahl Mesotheliom-Neuerkrankungen auszugehen.
Mangels geeigneter Früherkennungsuntersuchungen erfolgt die Diagnose eines malignen
Mesothelioms aufgrund klinischer Symptome i. d. R. erst in fortgeschrittenem Krankheitsstadium.
Allerdings wurden kürzlich die Ergebnisse der prospektiven MoMar-Studie publiziert
[3 ], in der über einen Zeitraum von über 12 Jahren jährlich u. a. Blutproben von ehemals
asbestexponierten Arbeitern gesammelt wurden. Mittels einer Kombination der zwei Blut-basierten
Biomarker Calretinin und Mesothelin konnte in dieser Hochrisikogruppe gezeigt werden,
dass die Mesotheliom-Detektion um bis zu 12 Monate vor einer klinischen Diagnose möglich
ist. Die Diagnose eines Mesothelioms im Frühstadium kann dann idealerweise von der
individuell bestmöglichen Therapie, möglicherweise speziell abgestimmt auf den Subtyp,
gefolgt werden.
Um die Therapie-Anforderungen und den aktuellen Stand der Mesotheliom-Therapie in
Deutschland erstmalig zu beschreiben, hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung
(DGUV) in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Essen – Ruhrlandklinik am 16. November
2019 ein „Fachgespräch Mesotheliomtherapie“ veranstaltet, das sich in 3 Themenblöcke
gliederte:
Vorstellung der Anforderungen an die Therapie des Mesothelioms
State of the Art der Mesotheliomtherapie
Abschließende Diskussion mit dem Auditorium
Eine aktualisierte Fassung der Vorträge zur Mesotheliomtherapie wird im Folgenden
präsentiert, alle weiteren Wortbeiträge des Fachgespräches sollen auf dem Publikationsserver
der DGUV eingestellt werden.
Mesotheliom-Diagnostik und Behandlung kann nie nur von einer Fachdisziplin allein
abgebildet werden, sondern Grundvoraussetzung ist ein interdisziplinäres multidisziplinäres
Setting, in dem die Expertise von Pneumologie, Thoraxchirurgie, Onkologie, Strahlentherapie,
Psychoonkologie und Pathologie vorhanden ist und in dem entsprechend für die Patienten
bereits im Stadium der Diagnostik und nicht erst im Stadium der Behandlung die richtigen
Entscheidungen gebahnt werden.
Die Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung von malignen Pleuramesotheliomen sind
nicht in allen Punkten einheitlich. Die aktuellste Leitlinie, welche am ehesten auf
die europäischen Gegebenheiten eingeht, ist die ERS/ESTS/EACTS/ESTRO-Leitlinie [8 ]
[9 ].
NCCN-Guideline [4 ]
ESMO-Guideline (2015, Fokus auf Diagnose, Behandlung und Follow-up) [5 ]
ASCO-Guideline (2018), die mit den NCCN-Leitlinien in weiten Strecken übereinstimmt
[6 ]
BTS-Guideline (2018) [7 ]
ERS-ETS-Leitlinien (initial 2010, aktualisiert mit EACTS und ESTRO [8 ]
[9 ].
Diagnostik
Erster Schritt bei vermutetem Mesotheliom ist die diagnostische Aufarbeitung, welche
entsprechend der aktuellen EURACAN/IASLC-Empfehlungen erfolgen sollte [10 ]. Im Folgenden sind die wichtigsten Empfehlungen der verschiedenen Leitlinien aufgeführt.
Die ASCO-Guideline ist die einzige Leitlinie, die auf die initiale Pleurapunktion
bei Ergüssen eingeht. In den übrigen Leitlinien ist Konsens, dass die Diagnose eines
Pleuramesothelioms nur anhand eines pathologischen Präparats im Sinne einer Biopsie
gestellt werden kann. Hinsichtlich der pathologischen Diagnostik ist Zentrumsexpertise
erforderlich, alle Leitlinien sprechen dabei von der Notwendigkeit, die Subtypen des
Mesothelioms zumindest in der Differenzierung epitheloid, biphasisch und sarkomatoid
anzugeben. I.d.R. werden zwei der Marker, die positiv für das Mesotheliom sind, wie
z. B. Calretinin, Zytokeratin 5/6 und WT1, gefordert sowie zwei negative Marker, um
die Differenzialdiagnose zum Adenokarzinom treffen zu können. Dies sind z. B. CEA,
TTF1, EPCAM, Claudin-4, Ber-EP4 und Ähnliches. Ganz aktuelle Empfehlungen stammen
von der EURACAN und der IASLC (2019) [10 ]. Dort werden mehrere Kriterien festgelegt, wie die pathologische Diagnostik des
Mesothelioms weiterentwickelt werden sollte, z. B. beim epitheloiden Mesotheliom ein
Grading einzuführen und die interdisziplinären Aspekte der Behandlung in der pathologischen
Diagnostik des Pleura-Mesothelioms zu verstärken.
Für die Diagnostik des Mesothelioms ist eine videothorakoskopische Biopsie Standard.
Nur wenn diese nicht möglich ist, kann alternativ auch eine Stanzbiopsie versucht
werden. Das Biopsat muss eine ausreichende Größe haben und schichtendurchgreifend
sein, um eine Invasion des Mesothelioms diagnostizieren zu können. Da die Inzisionslokalisation
sehr wichtig ist, soll bereits die Diagnostik in Zentren durchgeführt werden, die
eine Expertise in der multimodalen Behandlung des Mesothelioms haben. Die ASCO-Guideline
schreibt, dass die Zahl der Inzisionen minimal gehalten werden sollte, also zwei oder
weniger [6 ]. Ideal ist eine einzelne Inzision, die in der Linie geführt ist, in der bei einer
eventuellen späteren operativen Sanierung der Zugangsweg komplett exzidiert werden
kann, da beim Mesotheliom die Rate der Lokalinfiltration im Bereich des Zugangsweges
extrem hoch ist. Die Histologie sollte mit der Immunhistochemie standardisiert mit
Subtyp und den entsprechenden positiven und negativen Markern angegeben werden.
Derzeit ist es so, dass in den Leitlinien noch keine Biomarker zur Diagnostik, Prognostik
und Nachsorge validiert sind. Ebenso ist das Screening auf Pleuramesotheliom bei asbestexponierten
Personen in den Leitlinien derzeit noch nicht verankert. Die Leitlinien sprechen eine
klare Empfehlung aus, das Screening in weiteren Studien zu untersuchen, um Möglichkeiten
zur früheren Diagnostik und Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten zu erfassen.
Dies findet auch in Deutschland statt.
Staging
In der TNM8-Klassifikation der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (UICC) ist
auch das Pleuramesotheliom berücksichtigt [11 ]. Dies ist die aktuellste Klassifikation, welche einheitlich verwendet werden soll,
um die Prognose des Patienten bestmöglich zu erfassen. Im Vergleich zur Vorklassifikation
wurden jetzt als „Stadium I“ die ehemaligen Stadien Ia und Ib zusammengefasst und
der Lymphknotenstatus aus Gründen der Therapierelevanz angepasst. Alle ipsilateralen,
im Zuge einer makroskopisch radikalen Operation resektablen Lymphknoten werden als
N1-Lymphknoten zusammengefasst und nur die kontralateralen, thorakalen oder supraklavikulären
Lymphknoten als N2-Lymphknoten definiert. Dementsprechend wurden auch die Stadien
festgelegt. Die prognostische Relevanz ist nun besser erfasst.
Die Leitlinien empfehlen unterschiedliche Staginguntersuchungen, sind sich aber dahingehend
einig, dass die TNM8-Klassifikation heranzuziehen ist. Hinsichtlich der genauen Empfehlungen,
wann welche bildgebenden Untersuchungen erforderlich sind, gibt es Feinheiten, in
denen sich die Leitlinien unterscheiden. Als initiale Bildgebung wird einheitlich
ein CT-Thorax-Oberbauch oder ein CT-Thorax plus Abdomen empfohlen. Wann immer eine
multimodale Therapie mit geplanter Operation vorgesehen ist, sollte ein PET-CT bereits
zum initialen Staging der Patienten durchgeführt werden. Die neuen ERS/ESTS/EATCS/ESTRO-Leitlinien
empfehlen zusätzlich ein invasives mediastinales Staging mittels EBUS/EUS oder Mediastinoskopie.
Die ASCO empfiehlt dies nur bei positivem Lymphknotenbefall im PET-CT [6 ].
Wann immer fragliche Befunde kontralateral vorliegen, ist vor einer kurativen Operation
eine Video-Thorakoskopie oder bei fraglichem abdominellen Befall eine Laparoskopie
erforderlich. Eine Magnetresonanztomografie ist nur bei speziellen präoperativen Fragestellungen
erforderlich, ist also keine Standarddiagnostik. Ein PET-CT kann zur Evaluation des
Therapieansprechens sinnvoll sein. Grundsätzlich wird eine prospektive Datensammlung
zur Evaluation der Tumordicke bzw. des Tumorvolumens und dessen prognostischer Signifikanz
empfohlen.
Chirurgische Therapie
Kuratives Vorgehen
Es gilt das Konsensus-Statement aus 2013, dass eine chirurgische Zytoreduktion im
Sinne einer makroskopisch radikalen Resektion indiziert ist, wenn sie möglich erscheint
[12 ]. Alle Studien zu multimodalen Therapieansätzen mit chirurgischer Zytoreduktion beziehen
sich auf den epitheloiden Subtyp. Bei biphasischen und sarkomatoiden Mesotheliomen
gibt es keine Daten, welche eine Prognoseverbesserung durch eine makroskopisch radikale
Resektion nahelegen. Beim Mesotheliom ist eine echte R0-Resektion mit weitem Sicherheitsabstand
– wie bei anderen soliden Tumoren – nicht möglich, weil der Tumor flächig entlang
der gesamten Lunge wächst und dies chirurgisch-technisch nicht zu erzielen ist. Es
gibt unterschiedliche Techniken der makroskopisch radikalen Resektionen. Durch unterschiedliche
Begriffsbestimmungen ist die Vergleichbarkeit früherer Studien erschwert. Die aktuellen
Begriffsdefinitionen sind folgende:
Eine partielle Pleurektomie ist eine videothorakoskopische oder offen durchgeführte
Teilresektion der Pleura von Tumoranteilen, die nicht im Sinne einer makroskopisch
radikalen Resektion zu interpretieren ist und auch keinen kurativen Ansatz verfolgt.
Die Pleurektomie-Dekortikation (P/D) entspricht einer kompletten Entfernung der parietalen
und viszeralen Pleura bei Belassung von Perikard und Zwerchfell. Bei manchen Patienten
ist es sicherlich möglich, auch bei Erhaltung von Zwerchfell und Perikard eine makroskopisch
radikale Resektion zu erzielen. Allerdings gibt es eine sehr große Heterogenität,
wie dieser operative Ansatz tatsächlich durchgeführt wird, und dies ist je nach Expertise
und Erfahrung der jeweiligen Chirurgen unterschiedlich. Daher sind Berichte mit dieser
Definition kritisch zu analysieren.
Davon abgegrenzt wird die erweiterte Pleurektomie-Dekortikation (englisch: extended
pleurectomy decortication [EPD]). Hier geht es um eine radikale Resektion von parietaler
und viszeraler Pleura unter Mitnahme von Zwerchfell und Perikard. Im Grunde genommen
wird vergleichbar zur extra-pleuralen Pneumonektomie mit der kompletten extrapleuralen
Mobilisierung des gesamten Tumors inklusive Zwerchfell und Perikard begonnen und dann
folgt eine komplette viszerale Dekortikation des gesamten Tumorbulks mit der viszeralen
Pleura. Damit erreicht man die maximal mögliche makroskopische radikale Resektion
unter Erhaltung der Lunge. Zwerchfell und Perikard müssen dann mit einem Patch rekonstruiert
werden.
Die extrapleurale Pneumonektomie (EPP) ist die älteste kurative OP-Technik beim malignen
Pleuramesotheliom, wobei en bloc die gesamte Lunge, parietale viszerale Pleura, Zwerchfell
und Perikard reseziert und dementsprechend dann das Zwerchfell und das Perikard mittels
Patch ersetzt werden.
Die operative Therapie des Mesothelioms sollte nie als alleinige Therapie stattfinden,
sondern immer in ein multimodales Therapiekonzept eingebunden werden.
Für die multimodalen Therapiekonzepte gibt es eine große Heterogenität an unterschiedlichen
Zugängen. Es gibt nur zwei prospektive Studien, ansonsten retrospektive Daten aus
Single-Center-Analysen, multizentrischen Analysen oder Registerdaten.
Der erste Ansatz der chirurgisch-radikalen Mesotheliom-Behandlung war die extra-pleurale
Pneumonektomie, die an einzelnen, sehr selektierten Zentren nach wie vor routinemäßig
angewandt wird. Grundlage sind Daten der International Association for the Study of
Lung Cancer (IASLC), die gezeigt haben, dass bei selektierten Patienten mit Stadium
I, die chirurgisch behandelt wurden, die Langzeitergebnisse auch mit einer EPP deutlich
besser waren als bei Pleurektomie-Dekortikation [13 ]. Die Gruppe aus Toronto, die nach wie vor an der EPP festhält, hat das SMART-Protokoll
mit einer neoadjuvanten Strahlentherapie im Sinne einer IMRT (Intensitätsmodulierte
Strahlentherapie) und einer danach zeitlich relativ eng getakteten extrapleuralen
Pneumonektomie entwickelt. Sie hat über sehr gute Langzeitergebnisse bei diesen selektierten
Patienten berichtet [14 ].
Über die Gesamtzahl der Publikationen ist jedoch mehrheitlich das Bild, dass mit einer
lungenerhaltenden Operation im Sinne einer Pleurektomie-Dekortikation oder erweiterten
Pleurektomie-Dekortikation sowohl die perioperative Mortalitätsrate als auch die Morbiditätsrate
rund um die Operation deutlich geringer sind, weshalb parenchymerhaltende Resektionstechniken
den Standard darstellen. Limitierender Faktor ist, dass v. a. in den älteren Publikationen
zwischen Pleurektomie-Dekortikation und erweiterter Pleurektomie-Dekortikation nicht
konsequent unterschieden wird und diese Gruppen oft vermischt werden. Es gibt zu beiden
Techniken Publikationen, die jeweils in retrospektiven chirurgischen Serien sehr gute
Langzeitergebnisse berichten [15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ]
[21 ].
Es gibt nur zwei prospektiv-randomisierte Studien. Der MARS-Trial [22 ] zeigte, dass eine prospektiv-randomisierte Studie im Sinne von „Operation“ versus
„Nicht-Operation“ bei einer so schweren Erkrankung nicht machbar ist. Insgesamt wurden
50 Patienten eingeschlossen, von den in der EPP-Gruppe randomisierten wurden aber
nur zwei Drittel operiert. Einige Patienten, die in die Nicht-EPP-Gruppe randomisiert
wurden, wurden dann gleichwohl außerhalb des Protokolls operiert. Morbidität und Mortalität
in der Studie waren nicht das, was man von erfahrenen Zentren mit diesen Operations-Verfahren
erwartet hätte. In die Leitlinien der British Thoracic Society sind die Ergebnisse
der Studie dennoch eingeflossen. Derzeit läuft die MARS II-Studie, die zwischen einer
EPD und nicht operativem Vorgehen unterscheidet (NCT02040272).
Die zweite prospektiv-randomisierte Studie war die „SAKK 17/04“, die nach neoadjuvanter
Chemotherapie und EPP zwischen adjuvanter IMRT oder keiner adjuvanten Strahlentherapie
randomisiert hatte und im Ergebnis keinen Vorteil für die IMRT zeigte, sodass in vielen
beteiligten Zentren die IMRT adjuvant nicht mehr routinemäßig durchgeführt wird [23 ].
Nach der ASCO-Guideline muss die Chirurgie Teil eines multimodalen Behandlungskonzeptes
im Sinne einer makroskopisch radikalen Resektion − entweder durch Pleurektomie-Dekortikation
oder EPP − sein [6 ].
Die ASCO-Guideline empfiehlt auch, dass selektierte Patienten eine chirurgische Zytoreduktion
erhalten sollen. Dies ist als Einzelmodalität nicht ausreichend, sondern in einem
multidisziplinären Setting durchzuführen. Wenn eine lungenerhaltende Operation möglich
ist, sollte diese als Therapie der Wahl durchgeführt werden. Ist dies nicht der Fall,
ist auch die EPP bei selektierten Patienten eine Option. Worauf sowohl in den ASCO-
als auch in den ERS/ESTS-Leitlinien sehr stark Wert gelegt wird, ist eine Durchführung
dieser Operationen nur in Centers of Excellence. Also Zentren, die entsprechende Erfahrung
und Fallzahlen aufweisen.
Die britische Guideline ist sehr durch die MARS-Studie geprägt: „Do not offer EPP
in MPM and do not offer EPD outside of the clinical trial“ [7 ]. Letztlich ist dies die gerade im National Health Service (NHS) laufende, oben angesprochene
MARS II-Studie. Damit sollen alle Patienten in eine Studie eingeschlossen werden,
was grundsätzlich begrüßenswert ist.
Auch die ERS- und ESTS-Leitlinien weisen explizit auf die Durchführung der Operation
nur in spezialisierten Zentren und nur als Teil eines multimodalen Behandlungskonzeptes
hin [8 ]. Patienten mit N2-Befall nach aktueller TNM8-Klassifikation oder mit sarkomatoider
Histologie sollten routinemäßig nicht operiert werden, wenn doch, dann nur im Zuge
einer Studie [9 ].
Wie kann man das Ganze jetzt in einem Behandlungsalgorithmus kondensieren?
Einen Konsens zu einem allgemeingültigen Behandlungsalgorithmus gibt es nicht. Unser
Behandlungsschema sieht derzeit wie folgt aus: Patientinnen und Patienten in einem
ausgehend von der Tumormorphologie operablen Stadium werden mittels PET-CT und invasivem
mediastinalen Staging untersucht. Bei multimodal behandelbaren Patienten wird routinemäßig
eine Chemotherapie neoadjuvant durchgeführt. Hintergrund ist, dass sich in mehreren
Untersuchungen gezeigt hat, dass neben dem Tumorvolumen, dem CRP und dem Tumorstadium
auch die Response, also das Ansprechen auf die Chemotherapie, ein relevanter prognostischer
Faktor ist und dass, wenn Patienten bereits unter Chemotherapie progredient sind,
ein multimodales Konzept inklusive einer kurativen Operation wenig erfolgversprechend
ist. Re-Staging mittels PET-CT ist für prognostische Informationen und auch um weitere
Daten zu sammeln sinnvoll. Bei gutem Ansprechen auf die Chemotherapie ist das Standardvorgehen
eine erweiterte Pleurektomie-Dekortikation, die mit Ergänzung einer HITHOC (Hypertherme
intrathorakale Chemotherapie) durchgeführt wird. Wenn eine parenchymerhaltende Operation
nicht möglich ist, erfolgen eine EPP und ggf. eine IMRT. Wenn die Patienten unter
Chemotherapie progredient sind, wird im Einzelfall entschieden, ob auf ein rein medikamentöses
Behandlungskonzept gewechselt wird. Bei Patienten im Stadium IV mit sarkomatoider
Histologie oder bei inoperablen Patienten wird medikamentös therapiert. Nicht therapiefähige
Patienten erhalten best-supportive care mit entsprechenden palliativen Maßnahmen wie
einer Pleurodese oder tunnelierten Pleurakathetern.
Palliative Therapie-Optionen
Bez. palliativer Therapie-Optionen geben die Leitlinien unterschiedliche Empfehlungen.
Im Wesentlichen sind dies zwei chirurgische Optionen (Pleurodese mittels Talk, tunnelierte
Pleurakatheter). Die partielle Pleurektomie zur Pleurodeseerzielung oder zur Symptomkontrolle
ist eine Alternative, die in den Leitlinien auch erwähnt wird.
Intrakavitäre Therapien
Auch nach makroskopisch-radikaler Resektion sind noch residuäre Tumorzellen möglich,
sodass nach Möglichkeiten für eine verbesserte Lokalkontrolle gesucht wird. Möglich
ist, eine intrakavitäre Chemotherapie durchzuführen. Beschrieben wird auch die intraoperative
fotodynamische Therapie, die besonders ein Zentrum in den USA propagiert. Weitere
Lokalmaßnahmen sind möglich und in monozentrischen Publikationen beschrieben. Der
Effekt der einzelnen Maßnahmen ist dabei bisher jedoch nicht gesichert.
Was sagen die Leitlinien dazu? Im Grund genommen fast nichts. Die einzige Leitlinie,
in der die intrakavitären Therapien thematisiert werden, sind die ASCO-Leitlinien.
Intrakavitäre Therapien können in Experience Centers of Excellence sicher angewandt
werden [6 ]. Die Rolle bez. des Outcomes ist allerdings unklar, und auch hier ist noch weitere
Forschung notwendig. In Deutschland gibt es relativ viele Zentren, die die HITHOC
am Ende einer makroskopisch radikalen Operation routinemäßig durchführen [24 ]. In retrospektiven Studien zeigt sich ein Vorteil im Outcome [25 ]. Auch für fotodynamische Therapien als alternative Lokaltherapie sind gute Daten
beschrieben. Allerdings ist dies ein Bereich, wo sicherlich noch zusätzliche Daten
erforderlich sind und es sinnvoll erscheint, systematisch weitere Daten zu erfassen
[9 ] ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Grafische Darstellung der chirurgischen Ansätze bei Diagnostik und Therapie des malignen
Pleuramesothelioms.
Onkologische Therapie
Eine systemische Behandlung kann im lokalisierten und fortgeschrittenen/metastasiertem
Stadium des Pleuramesothelioms relevant und gemäß Leitlinie indiziert sein. Aktuelle
Leitlinien stehen auf europäischer Ebene von der ESMO (2015) und der ERS-ETS (2019)
zur Verfügung sowie aus den USA von ASCO (2018) und der NCCN (fortlaufend) [4 ]
[5 ]
[6 ]
[8 ]
[9 ].
Erstlinien-Therapie
Sowohl im multimodalen Konzept als auch in der Erstlinien-Therapie mit nicht-operabler
Tumorausdehnung ist eine Kombinationstherapie aus Platin/Pemetrexed aktuell noch für
alle histologischen Subtypen Behandlungsstandard. Für Mesotheliome mit nicht-epitheloider
Histologie ist in der nicht-operablen Krankheitssituation eine Änderung der medikamentösen
Erstlinien-Therapie hin zu einer Kombinationstherapie, bestehend aus 2 Checkpointinhibitoren,
zu erwarten (s. u.). Seit 2003 (EMPHACIS-Studie) ist der Standard der Erstlinien-Chemotherapie
des nicht-operablen fortgeschrittenen Pleuramesothelioms die Kombination von Cisplatin
und Pemetrexed (medianes Gesamtüberleben (mOS) 12,1 vs. 9,3 Monate im Vergleich zu
einer Cisplatin-Monotherapie; p = 0,020) ([Tab. 1 ]) [26 ]. Allerdings repräsentiert das hier untersuchte Patientenkollektiv (ECOG ≤ 1; keine
kritische Komorbidität) nicht die Breite der Behandlungsrealität. In der Realität
des klinischen Alltages müssen zur Therapieplanung das Komorbiditätsspektrum, der
Allgemeinzustand und die Patientenpräferenz berücksichtigt werden. Sollte aufgrund
von nephrologischen, kardialen oder anderen Komorbiditäten eine Therapie mit Cisplatin
nicht durchführbar sein, so kann im Einzelfall eine Therapie mit Carboplatin und Pemetrexed
angedacht werden, da auch für dieses Therapieregime eine Wirksamkeit in Bezug auf
Remissionsrate und Gesamtüberleben beschrieben wird [27 ]
[28 ]
[29 ]
[30 ]
[31 ]. Wegen des Fehlens einer randomisierten Phase-III-Studie, die die Effektivität von
Cisplatin und Carboplatin vergleicht, sollte, wenn möglich, Cisplatin für alle histologischen
Subtypen bevorzugt werden, da hierfür in einer prospektiven, randomisierten Studie
ein Vorteil in der Verbesserung des Gesamtüberlebens gezeigt werden konnte. In einer
kürzlich präsentierten randomisierten Phase-III-Studie (Checkmate-743) konnte die
Überlegenheit der Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab im Vergleich zu einer Chemotherapie
mit Platin/Pemetrexed v. a. für Pleuramesotheliome mit einer nicht-epithelialen Histologie
und einer PD-L1 Expression von > 1 % gezeigt werden [32 ]. Die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab bietet in dieser Linie eine gute Behandlungsoption
und wird vermutlich zumindest für die nicht-epithelialen Histologien im fortgeschrittenen,
nicht-operablen Stadium und bei fehlenden Kontraindikationen durch Komorbiditäten
der neue medikamentöse Erstlinien-Standard werden (siehe Kapitel „Immuntherapie beim
Pleuramesotheliom“).
Tab. 1
Ergebnisse aus Phase-II/III-Studien zu ICI-freien Therapien.
Studie
n
ORR (%)
mPFS (Mo.)
mOS (Mo.)
AE-Grad III-IV (%)
EMPHACIS
226
41,3
5,7
12,1; HR 0,77
–
230
16,7
3,9
9,3; p = 0,02
–
MAPS
223
n. a.
9,2; HR 0,61
18,88; HR 0,77
71
225
n. a.
7,3; p < 0,0001
16,1; p = 0,0167
62
RAMES
Hypertension
80
n. a.
6,2
13,8; HR 0,71
6,3
81
n. a.
3,3
7,5; p = 0,057
0
(Retrospektiv)
33
n. a.
1,7
5,4
38
15
n. a.
1,6
4,9
59
n = Anzahl von Patienten, ORR = Ansprechrate, mPFS = medianes progressionsfreies Überleben,
mOS = medianes Gesamtüberleben, Mo. = Monate, AE = unerwünschte Nebenwirkung, Cis = Cisplatin,
Pem = Pemetrexed, Bev = Bevacizumab, Gem = Gemcitabin, Ram = Ramucirumab, Vino = Vinorelbin,
n. a. = not available = nicht verfügbar
Eine denkbare Alternative für Patienten, bei denen eine Behandlung mit Pemetrexed
nicht möglich ist, bietet eine platinbasierte Therapie mit Gemcitabin [33 ]. Falls eine platinbasierte Kombinationstherapie nicht möglich sein sollte, kann
eine Off-Label-Monotherapie mit Pemetrexed oder Vinorelbin angeboten werden [34 ]
[35 ]
[36 ]. Die Kombination Cisplatin und Raltitrexed zeigte im Rahmen einer randomisierten
Phase-III–Studie ebenfalls eine Verbesserung des Gesamtüberlebens [37 ]. Hier wurde zwar statistisch ein Überlebensvorteil nachgewiesen, allerdings wurde
keine Zulassung bei den entsprechenden Zulassungsbehörden beantragt.
„Erhaltungstherapie“
Auf dem ASCO-Jahreshauptkongress 2019 wurden Daten einer Studie zur Erhaltungstherapie
mit Pemetrexed vorgestellt [38 ]. Darin wurde der primäre Endpunkt, eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien
Überlebens, letztendlich nicht erreicht. In einer anderen Studie konnte hingegen für
eine Erhaltungstherapie mit Gemcitabin („Switch-Maintenance“) ein signifikanter Vorteil
im progressionsfreien Überleben von 3 auf 6 Monate für alle histologischen Subtypen
gezeigt werden [39 ]. Nach einer Erstlinien-Behandlung mit Cisplatin und Pemetrexed erfolgte die Randomisation
in einen Studienarm mit Gemcitabin-Erhaltungstherapie (bis zum Progress oder Auftreten
von nicht mehr akzeptabler Toxizität) versus Nachsorge und „best supportive care“
[39 ]. Bei ca. 40 % der Patienten im Gemcitabin-Arm musste aufgrund von therapieassoziierten
Nebenwirkungen die Dosierung des Gemcitabin reduziert werden, und die subjektive Lebensqualität
war durch Nebenwirkungen reduziert. Ob aus der Verbesserung der progressionsfreien
Zeit um 3 Monate ein Überlebensvorteil erwächst, bleibt offen.
Anti-Angiogenese in Ergänzung zur Erstlinienchemotherapie
Sowohl in der Leitlinie des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) (Kategorie
1) als auch in der französischen Leitlinie wird für die Erstlinien-Behandlung die
zusätzliche Gabe von Bevacizumab zu Cisplatin/Pemetrexed empfohlen, beruhend auf Ergebnissen
aus der MAPS-Studie (Cisplatin/Pemetrexed vs. Cisplatin/Pemetrexed/Bevacizumab mit
Bevacizumab-Erhaltung) [4 ]
[40 ]. Hier konnte das mOS in der Kombination mit Bevacizumab um 2,7 Monaten verbessert
werden (18,8 vs. 16,1 Monaten, HR = 0,77; p = 0,0167) ([Tab. 1 ]). Damit verbunden war eine höhere Prävalenz des Auftretens einer Hypertonie Grad
III/IV (23 % vs. 0 %), Proteinurie Grad III (3,1 % vs. 0 %) und thrombotischer Ereignisse
Grad III/IV (6 % vs. 1 %). Trotz des positiven Ergebnisses wurde allerdings keine
Zulassung für diese Kombination beantragt, weder in den USA noch in Europa.
Zweitlinien-Therapie
Bei Progress unter oder nach der platinbasierten Erstlinien-Behandlung gibt es weiterhin
keine zugelassene Therapie. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand, die unter der
platinbasierten Therapie eine Krankheitskontrolle über 6 Monate erreicht haben, kann
bei allen histologischen Subtypen eine Re-Exposition mit Pemetrexed ggf. in Kombination
mit Platin erfolgen [41 ]
[42 ]. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit einer Behandlung mit einer Monotherapie, z. B.
mit Vinorelbin oder Gemcitabin. Die Empfehlung basiert auf kleinen, retrospektiven
Analysen mit einer Ansprechrate von ca. 20 % und eines mOS von 6–9 Monaten ([Tab. 1 ]) [36 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ]
[46 ]
[47 ]. Bei fehlender Vortherapie mit Checkpointinhibitoren kann die Beantragung eines
„Off-Label-Use“ eines PD-1-Antikörpers als Monotherapie oder in Kombination mit einem
CTLA4-Checkpointinhibitor erfolgen (siehe Kapitel Immuntherapie).
Anti-Angiogenese in der Zweitlinien-Therapie
In der RAMES-Studie wurde bei vorbehandelten Patienten die Wirksamkeit von Gemcitabin
kombiniert mit Ramucirumab oder Placebo untersucht [48 ]. Das mOS war signifikant verbessert (13,8 vs. 7,5 Monate, HR = 0,71, p = 0,057)
ohne signifikante Unterschiede (Grad-III/IV-Toxizität) in Bezug auf Thromboembolie,
Hypertonie oder Hämatotoxizität.
Drittlinien-Therapie
In der Drittlinien-Therapie ist die Behandlung des Pleuramesothelioms aus medizinisch-onkologischer
Sicht meistens Erfahrungssache und weniger Gegenstand harter Evidenz. Der Stellenwert
der Drittlinien-Therapie und die Empfehlung zu therapeutischen Substanzen sind kaum
durch randomisierte Studien belegt. Dennoch kann es aus Gründen der Symptomkontrolle
und der Rückbildung der zytokinbedingten Tumorkrankheitsaktivität in Einzelfällen
durchaus sinnvoll sein, Monotherapien in einer Drittlinien-Situation durchzuführen
(z. B. Vinorelbin Mono, Doxorubicin Mono, Gemcitabin Mono oder Beantragung einer Therapie
mit einem Checkpointinhibitor als „Off-Label-Use“ falls noch nicht in den früheren
Therapielinien erfolgt). Auch aus diesem Grund ist die Forderung nach einer nationalen
Pleuramesotheliom-Datenbank zu stellen. Eine Pleuramesotheliom-Datenbank, die einen
möglichst großen, repräsentativen Anteil von Patienten und Patientinnen erfasst, könnte
helfen, bei dieser seltenen Erkrankung sowohl relevante Faktoren für Prognose und
Verlauf als auch Qualitätsmerkmale der Versorgung besser zu definieren.
Immuntherapie beim Pleuramesotheliom
Die ersten immuntherapeutischen Ansätze beim MPM wurden bereits vor 25 Jahren durchgeführt
[49 ]. Diverse Studien mit Interleukin-2, Tumornekrosefaktor-Alpha, Interferon-Gamma bis
hin zur intrathorakalen Applikation adenoviraler Vektoren brachten jedoch keinen bedeutsamen
Fortschritt in der Behandlung des MPM [50 ]. In den letzten Jahren haben Immuncheckpointinhibitoren (ICI) wie z. B. die PD-1-Inhibitoren
Nivolumab und Pembrolizumab und die PD-L1-Inhibitoren Durvalumab und Atezolizumab
beachtliche Erfolge in verschiedenen Tumorentitäten erzielt. Diese Optionen werden
auch beim malignen Pleuramesotheliom (MPM) zunehmend geprüft.
Immuncheckpointinhibitoren (ICI) im frühen Stadium
Bei ausgewählten Patienten mit MPM im frühen Stadium wird häufig ein multimodales
Therapiekonzept bestehend aus einer zytoreduktiven Operation, (neo-)adjuvanter Chemotherapie
und eventueller Strahlentherapie des Hemithorax verfolgt. Die Rationale hierfür erwächst
aus Ergebnissen von kleinen, nicht-randomisierten Studien bzw. retrospektiven Kohortenanalysen.
In jüngerer Zeit wird in Machbarkeitsstudien die Integration von ICI innerhalb solcher
multimodaler Therapieansätze geprüft, um die weiterhin hohe Rezidivrate zu verbessern
und eine langfristigere Krankheitskontrolle zu erreichen. Aktuell werden einige Studien
(Phase I und II/III) mit ICI als Bestandteil einer neoadjuvanten Therapie durchgeführt.
Solche Studienkonzepte ermöglichen neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Behandlung
am Tumorgewebe zu verstehen, da hier das Tumorresektat untersucht und mit dem therapienaiven
Tumorgewebe verglichen werden kann. Dies erleichtert einen prädiktiven oder prognostischen
Biomarker zu evaluieren und eine Subgruppe zu identifizieren, die von einer solchen
Therapie besonders profitiert. Die NICITA-Studie (Phase-II) untersucht in der additiven
Situation nach erweiterter Pleurektomie/Dekortikation zusätzlich zur Chemotherapie
den Effekt des PD-1-Inhibitors Nivolumab ([Tab. 2 ]) [51 ]. Die Anfang 2020 initiierte Studie (initiiert aus der Arbeitsgruppe „Young Medical
Oncologists“ [YMO] innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie“ [AIO]
der Deutschen Krebsgesellschaft) wird in 12 deutschen Zentren durchgeführt.
Tab. 2
ICI-Therapien im multimodalen Einsatz (aktive Phase-I/II-Studien).
NCT02707666
NCT03228537
NCT02592551
NCT03918252
NCT04177953 (NICITA)
Neo-Adj. Tx
Pembro
Atezo + CP
Durva +/– Treme; unbehandelt
Nivo +/− Ipi
keine
n
15
28
20 (8 + 8 + 4)
30
92
Histologie
E/B
E/B
alle
E/B
E (B)
Adj. Tx
4 × CP
RTx
keine
keine
CP +/− Nivo
ETx
ja (optional)
ja
keine
keine
Ja
NCT = Studieneintragsnummer, Neo-Adj. Tx = neoadjuvante Therapie, n = Anzahl von Patienten,
Adj. Tx = adjuvante Therapie, ETx = Erhaltungstherapie, Pembro = Pembrolizumab, Atezo = Atezolizumab,
CP = Cis- oder Carboplatin/Pemetrexed, Durva = Durvalumab, Treme = Tremelimumab, Nivo = Nivolumab,
Ipi = Ipilimumab, E = Epithelioid, B = Biphasisch
ICI im fortgeschrittenen, nicht-operablen Stadium
Erstlinien-Therapie
In der Erstlinien-Behandlung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms hat sich die
Kombination aus Chemo- und Immuntherapie in jüngster Zeit als ein Therapiestandard
etabliert. Auch beim MPM wurde die Wirksamkeit solcher Kombinationen zunächst in Phase-II-Studien
untersucht. In der DREAM-Studie wurden 54 Patienten eingeschlossen (Cisplatin, Pemetrexed
und Durvalumab über 6 Zyklen gefolgt von Durvalumab für 12 Monate). Nach 6 Monaten
wurde eine Rate der Progressionsfreiheit (PFS6) von 57 % (90 %-KI 45–68 %) erreicht.
Dem gegenüber stehen Grad-III/IV-Nebenwirkungen bei 66 % und immunvermittelte Grad-III/IV-Nebenwirkungen
bei 15 % der Patienten [52 ]. Ähnlich aufgebaut war eine einarmige Phase-II-Studie aus den USA (PrE0505; NCT02899195),
die das Gesamtüberleben unter Therapie mit Durvalumab in Kombination mit der Standardchemotherapie
bei 55 Patienten geprüft hatte. Jeder histologische Subtyp war eingeschlossen (epitheloid
(75 %), biphasisch (11 %), sarkomatoid (13 %) und desmoplastisch (2 %)). Ein aktueller
ASCO 2020-Abstract zu dieser Studie gab ein mOS von 21 Monaten an [53 ].
Die Wirksamkeit der Chemo-Immuntherapie (Platin/Pemetrexed/Durvalumab) wird nun in
einer internationalen Phase-III-Studie (DREAM3R; NCT04334759) geprüft ([Tab. 3 ]). In dieser offenen, randomisierten Studie werden 480 Patienten mit MPM jeder Histologie
eingeschlossen. Der primäre Endpunkt dieser Studie ist das Gesamtüberleben. Eine in
Kanada initiierte internationale, randomisierte Phase-II/III-Studie (NCT02784171)
untersucht die Wirksamkeit von Pembrolizumab in Kombination mit Platin/Pemetrexed
im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie sowie zur Monotherapie mit Pembrolizumab
bei 520 Patienten.
Die Wirksamkeit einer Chemotherapie in Kombination mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab
wurde beim MPM bereits 2016 in der MAPS-Studie gezeigt. Nunmehr wird in einer randomisierten
ETOP-Studie (BEAT-meso, Phase III; 320 Patienten) die Kombination aus Platin/Pemetrexed
und Bevacizumab-basierter Therapie mit oder ohne den Checkpointinhibitor Atezolizumab
geprüft (primäre Endpunkte PFS und OS) ([Tab. 3 ]).
Tab. 3
ICI +/-Chemo-Kombinationstherapien in der Erstlinien-Therapie (Phase-II/III-Studien).
NCT02784171
NCT04334759 (DREAM3 R)
NCT03762018 (BEAT-meso)
NCT02899299 (CM-743)
Medikament
CP vs. Pembro/CP (vs. Pembro)
CP vs. Durva/CP
CP + Beva vs. CP + Beva + Atezo
CP vs. Nivo/Ipi
n
520
480
320
606
Histologie
alle
alle
alle
alle
Phase
III
III
III
III
Rando
ja
ja
ja
ja
ETx
ja (2 Jahre Pembro)
ja
ja
ja
EP
OS
OS
PFS/OS
OS
NCT = Studieneintragsnummer, n = Anzahl der Patienten, Rando = Randomisierung, ETx = Erhaltungstherapie,
EP = Endpunkt, Pembro = Pembrolizumab, CP = Cis- oder Carboplatin/Pemetrexed, Durva = Durvalumab,
Beva = Bevacizumab, Atezo = Atezolizumab, Nivo = Nivolumab, Ipi = Ipilimumab, PFS = progressionsfreies
Überleben, OS = Gesamtüberleben
ICI-Kombinationstherapie
Die Checkmate-743-Studie (CM-743) ist die erste abgeschlossene, randomisierte Phase-III-Studie,
die bei 600 Patienten (Stratifikation nach Geschlecht und Histologie; epitheloid vs.
nicht-epitheloid) eine Immuntherapie (Nivolumab/Ipilimumab) im Vergleich zur Chemotherapie
(Platin/Pemetrexed) in der Erstlinien-Behandlung des nicht operablen Pleuramesothelioms
geprüft hat ([Tab. 3 ]). Das mOS war mit der ICI-Kombinationstherapie signifikant verbessert: 18,1 Monate
(95 %-KI 16,8–21,4) vs. 14,1 Monate (95 %-KI 12,4–16,2); HR = 0,74 (0,60–0,91); p = 0,0020
(2-Jahres-Überlebensrate 41 % vs. 27 %). Während bei epitheloider Histologie der Effekt
nicht so ausgeprägt war (18,7 vs. 16,5 Monate; HR = 0,86 [0,69–1,08]), wurde bei nicht-epitheloider
Histologie ein erheblicher Überlebensvorteil erreicht (18,1 vs. 8,8 Monate; HR = 0,46
[0,31–0,68]). Im Hinblick auf den PD-L1-Status wurde bei fehlender Expression (PD-L1 < 1 %)
kein bedeutsamer Vorteil für die ICI-Kombinationstherapie offensichtlich (17,3 vs.
16,5 Monate, HR = 0,94 [0,62–1,4]); bei Nachweis einer Expression (PD-L1 ≥ 1 %) hingegen
wurde eine bedeutsame Verbesserung des mOS erreicht (18,0 vs. 13,3 Monate, HR = 0,69
[0,55–0,87]). Bedeutsame Grad-III/IV-Nebenwirkungen traten bei der ICI-Kombination
(15 %) häufiger auf als bei der Chemotherapie (6 %) [32 ].
Therapie in fortgeschrittenen Linien
ICI als Monotherapie
Daten aus 5 kleineren Studien, in denen verschiedene Checkpointinhibitoren als Monotherapie
in der Rezidivbehandlung bei 25–64 Patienten untersucht worden sind, finden sich in
[Tab. 4 ]
[54 ]
[55 ]
[56 ]
[57 ]
[58 ]
[59 ]. In allen Studien wurden Patienten mit ECOG ≤ 1 und histologisch gesichertem MPM
(inkl. sarkomatoider Histologie) nach Versagen mindestens einer platinbasierten Standardtherapie
eingeschlossen. Das mOS lag in den Studien zwischen 11 und 18 Monaten und das mediane
progressionsfreie Überleben (mPFS) zwischen 2,6 und 6,1 Monaten.
Tab. 4
Ergebnisse aus Phase-I/II-Studien zu ICI-Monotherapien in fortgeschrittenen Linien.
Studie
NCT02054806 (Keynote-028)
JapicCTI-No.163247 (Merit)
NCT02497508 (NivoMes)
NCT01772004 (JAVELIN)
NCT02399371 (U Chicago)
Medikament
Pembro*
Nivo
Nivo
Ave
Pembro
n
25
34
34
53
64
Phase
I
II
II
Ib
II
ECOG
≤ 1
≤ 1
≤ 1
≤ 1
≤ 1
Vortherapie
1
1–2
≥ 1
1
1–2
Histologie
alle
alle
alle
alle
alle
PR (%)
20
29
24
8
19
DCR (%)
72
67
47
58
66
PD (%)
16
26
50
34
n. a.
mPFS (Mo.)
5,4
6,1
2,6
4,1
4,5
mOS (Mo.)
18
17,3
11,8
10,7
11,5
NCT = Studieneintragsnummer, Pembro = Pembrolizumab, Nivo = Nivolumab, Ave = Avelumab,
n = Anzahl der Patienten, ECOG = Eastern Co-operative Oncology Group Performance Status,
PR = partielle Remission, DCR = Krankheitskontrollrate, PD = Progression, mPFS = medianes
progressionsfreies Überleben, Mo. = Monate, mOS = medianes Gesamtüberleben, n. a. = nicht
vorhanden, * Einschluss nur bei PD-L1 ≥ 1 % möglich
In einer randomisierten Phase-III-Studie der ETOP (PROMISE-MESO) wurden mit platinbasierter
Erstlinienchemotherapie vorbehandelte Patienten (n = 142) zwischen einer Chemotherapie
(Vinorelbin oder Gemcitabin) und Pembrolizumab randomisiert. Der primäre Endpunkt,
PFS, konnte hier nicht erreicht werden. Das mPFS und das mOS lag für Pembrolizumab
bei 2,5 Monaten (95 %-KI 2,1–4,2)/ 10,7 Monaten vs. 3,4 Monaten (95 %-KI 2,2–4,3)/
11,7 Monaten für die Chemotherapie (HR = 1,06 [0,73–1,53], p = 0,76 / HR = 1,05 [0,66–1,67];
p = 0,85). Allerdings war die Rate des Ansprechens auf die Therapie im Vergleich zur
Chemotherapie (6 %) mit Pembrolizumab (22 %) signifikant höher (p = 0,004). Die therapieassoziierten
Nebenwirkungen (Grad III–IV) waren in beiden Armen vergleichbar (19 % mit Pembrolizumab
vs. 24 % mit Chemotherapie) [59 ]. Die randomisierte CONFIRM-Studie (Phase III) untersuchte den Vorteil von Nivolumab
auf das Gesamtüberleben bei 332 Patienten, die mindestens mit einer Therapielinie
vorbehandelt waren. Im Kontrollarm erhielten die Patienten Placebo. Der primäre Endpunkt,
OS, lag für Nivolumab bei 9,2 Monaten (95 %-KI 7,5–10,8) vs. 6,6 Monaten (95 %-KI
5,0–7,5) für das Placebo (HR = 0,72 [0,55–0,94], p = 0,018) und wurde somit erreicht.
Das mPFS lag für Nivolumab bei 3 Monaten (95 %-KI 7,5–10,8) vs. 1,8 Monaten (95 %-KI
5,0–7,5) für das Placebo (HR = 0,61 [0,48–0,77], p < 0,001). Es gab keinen statistisch
signifikanten Zusammenhang zwischen dem PD-L1-Status (positiv vs. negativ; „Dako 22C3
tumor proportion score [TPS]“) und dem Gesamtüberleben. Grad-III/IV-Nebenwirkungen
traten bei Nivolumab etwas häufiger auf (45 % vs. 42 %) [60 ].
ICI-Kombinationstherapie
Während in der DETERMINE-Studie [61 ] (anti-CTLA-4-Antikörper Tremelimumab vs. Placebo) für eine anti-CTLA-4-Monotherapie
kein Vorteil gezeigt werden konnte, zeigt die Kombination von anti-CTLA-4 und anti-PD-1
eine vielversprechende Effektivität: Neben den überzeugenden Daten in der Erstlinien-Therapie
(Checkmate-743) wurde die Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab in der fortgeschrittenen
Therapielinie in der MAPS-2-Studie (randomisierte Phase II) geprüft. Hier wurde die
Effektivität von Nivolumab als Monotherapie aber auch in Kombination mit dem CTLA-4-Inhibitor
Ipilimumab untersucht: Remissionsraten von 19 % bzw. 28 %, Krankheitskontrollraten
von 40 % bzw. 52 % und ein medianes PFS von 4 bzw. 5,6 Monaten wurden berichtet. Dem
gegenüber stehen Raten der Grad-III/IV-Toxizitäten von 14 % bzw. 26 % und eine therapieassoziierte
Letalität von 5 % im Kombinationsarm [62 ].
Ein ähnlicher Ansatz wurde auch in der NIBIT-MESO-1-Studie geprüft. Hier wurden die
Patienten unter Behandlung mit Durvalumab (PD-L1-Inhibitor) in Kombination mit Tremelimumab
(CTLA-4-Inhibitor) untersucht. Die Ansprechrate lag bei 28 %, die Krankheitskontrollrate
bei 65 %, das mPFS bei 8 Monaten und das mOS bei 16,6 Monaten [63 ]. Die Ergebnisse der INITIATE-Studie waren ähnlich. Das mOS wurde hier in dem Beobachtungszeitraum
nicht erreicht [64 ].
Die Resultate der ausgewählten Studien zur Prüfung eines CTLA-4-Inhibitors in Kombination
mit einem PD-1/PD-L1-Inhibitor sind in [Tab. 5 ] zusammengefasst.
Tab. 5
Ergebnisse aus Phase-II-Studien zu ICI-Kombinationstherapien in fortgeschrittenen
Linien.
Studie
MAPS-2
NIBIT-Meso-1
INITIATE
Medikament
Nivo
Nivo + Ipi
Durva + Treme
Nivo + Ipi
n
63
62
40
34
PR (%)
19
28
28
29
DCR (%)
40
52
65
68
PD (%)
59
42
35
32
mPFS (Mo.)
4
5,6
8
6,2
mOS (Mo.)
11,9
15,9
16,6
NR (12,7 -NR)
Nivo = Nivolumab, Ipi = Ipilimumab, Durva = Durvalumab, Treme = Tremelimumab, n = Anzahl
der Patienten, PR = partielle Remission, DCR = Krankheitskontrollrate, PD = Progression,
mPFS = medianes progressionsfreies Überleben, Mo. = Monate, mOS = medianes Gesamtüberleben,
NR = nicht erreicht
Zusammenfassung
Aus der onkologischen Perspektive ist wichtig festzustellen: Das „Arbeitspferd“ ist
aktuell noch die Platin-basierte Kombinationstherapie mit Pemetrexed. Nach neuesten
Ergebnissen ist jedoch die Kombination aus anti-PD-L1 und anti-CTLA-4 der Chemotherapie
hinsichtlich des mOS überlegen (Checkmate-743), im Besonderen bei der nicht-epitheloiden
Histologie. Damit bietet die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab in der Erstlinien-Therapie
des nicht operablen Pleuramesothelioms eine gute Behandlungsoption und kann insbesondere
bei der nicht-epitheloiden Histologie als neuer Standard gesehen werden. Die einzige
randomisierte Studie bei Progress unter/nach Erstlinien-Chemotherapie (PROMISE-Meso)
zeigte im Vergleich zur Chemotherapie keine Überlegenheit der Immuntherapie, jedoch
eine höhere Remissionsrate. Des Weiteren ist in der Rezidivsituation eine Therapie
mit Nivolumab dem Placebo im Hinblick auf mOS und mPFS überlegen (CONFIRM) und bietet
somit eine zusätzliche wirksame Behandlungsoption.
Aktuell werden zahlreiche randomisierte Phase-III-Studien durchgeführt, die in naher
Zukunft den breiteren Einsatz von Immuntherapien beim Pleuramesotheliom in der Erstlinien-Behandlung
verstetigen können. Zudem wird eine Vielzahl von Therapiekonzepten in fortgeschrittenen
Therapielinien geprüft, so auch die Zelltherapie mit dendritischen Zellen, CAR-T-Zellen,
onkolytischen Viren oder Gentherapien. Künftig wird es bedeutsam sein, im Studienkontext
neue Erkenntnisse zu möglichen Biomarkern zu gewinnen, um entsprechend stratifizierend
Subgruppen mit hohem bzw. niedrigem Benefit zu charakterisieren.
Strahlentherapie
Noch im Jahr 2004 wurde der Strahlentherapie bei der Therapie von Pleuramesotheliomen
nur eine sehr limitierte Rolle zugeschrieben. So urteilten Wilfried Eberhard und Georg
Stüben im damaligen onkologischen Standardwerk „Therapiekonzepte Onkologie“, dass
die Bedeutung der Strahlentherapie des Pleuramesothelioms im Wesentlichen im palliativen
Setting liegen würde [65 ].
Im Mai 2019 präsentierte Marco Trovo, der Direktor der Klinik für Strahlentherapie
am Universitätsklinikum Udine, auf der ESTRO 38 die Ergebnisse einer von ihm geleiteten
Phase-III-Studie, in welcher das 2-Jahres-Überleben nach radikaler Strahlentherapie
des Hemithorax mit 58 % mehr als doppelt so hoch wie nach palliativer Strahlentherapie
(28 %) lag. Strahlentherapie sollte daher als der neue klinische Therapiestandard
in diesem klinischen Setting gewertet werden [66 ].
Um zu verstehen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist, muss man die verschiedenen
Phasen betrachten, die die Strahlentherapie als medizinische Disziplin im Rahmen ihres
fast 120-jährigen Bestehens durchlaufen hat.
Die Frühzeit der Strahlentherapie war geprägt durch ein eher experimentelles Ausloten
von Strahlen und ihrem medizinischen Einsatz. So entwickelte sich neben der Nutzung
im Bereich der nicht-invasiven Röntgendiagnostik der Versuch, durch Röntgenstrahlung
Erkrankungen positiv zu beeinflussen. Die Kenntnis der genaueren Strahlenwirkung war
hierbei zunächst limitiert, zumal sich radiogene Nebenwirkungen häufig erst nach vielen
Jahren als Spätfolgen manifestierten. So ist es nicht verwunderlich, dass über viele
Jahre hinweg gezielt strahlentherapeutische Therapieverfahren zum Einsatz kamen, welche
nach Kenntnis der möglichen Spätnebenwirkungen heute so nicht mehr eingesetzt werden
dürfen.
Dieses Phänomen trifft selbstverständlich auf fast alle medizinischen Verfahren zu
– die chirurgischen Kollegen mussten lernen, dass sich 10–20 Jahre nach durchgeführter
Gastrektomie Narbenkarzinome entwickeln konnten, und auch Chemotherapien führen zu
einer hohen Anzahl sekundärer maligner Neoplasien im vieljährigen posttherapeutischen
Intervall.
Der deutsche Radiologe Herrmann Holthusen entwickelte 1936 bei der Betrachtung der
Dosisabhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkungen das Konzept der komplikationsarmen
Heilung als optimales Ziel einer Strahlentherapie [67 ], das bis heute nichts an seiner fundamentalen Bedeutung verloren hat.
So sind denn die ersten 100 Jahre der Strahlentherapie durch ein stetes Ringen um
eine Erhöhung der Wirkung im Tumor unter Reduzierung der potenziellen Nebenwirkungen
gekennzeichnet, wobei die unerwünschten Nebenwirkungen dosislimitierend sind und hierdurch
das gewünschte therapeutische Ansprechen verringern oder in Gänze verhindern.
Umso weniger verwunderlich ist es, dass noch 2004 die Rolle der Strahlentherapie bei
der Therapie des Pleuramesothelioms mit unmittelbar an das gesuchte Tumorvolumen anschließenden
vulnerablen und nebenwirkungsbedrohten Strukturen hauptsächlich im palliativen Umfeld
gesehen wurde.
Wenn jetzt – 15 Jahre später – die Strahlentherapie als kuratives Konzept wahrgenommen
wird, so ist dies speziell vier Entwicklungen zu verdanken, welche die Strahlentherapie
revolutioniert haben.
Der erste wesentliche Schritt war die Einführung einer personalisierten computergestützten
Bestrahlungsplanung unter Verwendung von Computertomografien, welcher die bisherige
Dosisberechnung auf Basis vorkalkulierter Tabellenwerte ablöste. War die frühere Bestrahlungsplanung
eher durch einen Blick von außen in Form von auf den Körper projizierten Feldern geprägt
– ähnlich der Betrachtung des Radiologen auf ein Röntgenbild – so wurden diese Feldbetrachtungen
durch die Festlegung von Zielvolumina und zu schützenden Bereichen innerhalb des Körpers
abgelöst – die Felder waren nur noch ein Mittel, um die klinisch im CT-Bild vorgegebenen
3-dimensionalen Bereiche zu therapieren.
Der zweite Schritt war die Einführung der funktionellen Bildgebung. Ein CT konnte
nun zwar Aufschluss über die innere Struktur des Körpers geben, doch herrschte häufig
Unsicherheit, wie fokal oder ausgedehnt das Tumorgeschehen war. Das 2001 in Deutschland
erstmalig in der Uniklinik in Essen etablierte PET-CT ermöglichte einen gezielten
Blick auf die Tumoraktivität in 3-dimensionaler Abgrenzung und erlaubte damit eine
gezielte Therapieintensivierung in kleinen proliferationsaktiven Arealen.
Der dritte Schritt war die Einführung der intensitätsmodulierten Strahlentherapie.
Bereits die Linearbeschleuniger hatten dazu beigetragen, die Probleme einer unkontrolliert-inhomogenen
Kobaltbestrahlung zu verringern und hierdurch den Abstand zwischen Strahlenwirkung
im Zielgewebe und Nebenwirkung in zu schützenden Arealen zu verbreitern, allerdings
nur im Rahmen der konventionellen Feldgeometrien und reziprok abstandsquadratischen
Tiefendosisgradienten.
Die intensitätsmodulierte Strahlentherapie erlaubte eine gezielte Dosiserhöhung im
Zielvolumen unter konsequenter Schonung von kritischen Risikostrukturen, ein Ergebnis,
welches allerdings durch eine Erhöhung der von einer Niedrigdosis bestrichenen Körperanteile
erkauft wurde. Dennoch kam man durch Einführung dieser Technik dem Ziel einer tumorrelevanten
Dosiseinbringung im Zielvolumen deutlich näher.
Das in etwa zeitgleich eingeführte 4D-CT erweiterte die 3-dimensionale Bestrahlungsplanung
um eine vierte zeitliche Dimension. Wenn früher die räumliche Verlagerung von Tumoren
und Organen im Körper durch einfache lineare Erweiterung des Zielvolumens über alle
Raumdimensionen kompensiert wurde, so konnten jetzt Atemverschiebungen von Tumorarealen
und Risikoorganen unmittelbar im 4D-CT ausgemessen werden, was typischerweise zu einer
Reduzierung des Zielvolumens und hierdurch besseren Dosisgradienten führte.
Der letzte große Schritt war die Beschleunigung der intensitätsmodulierten Bestrahlungstechniken
und der zugehörigen Lagekontrollen. Wenn früher eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie
am Thorax ohne Weiteres 20–25 Minuten dauern konnte und für eine Überprüfung der Patientenpositionierung
mittels Conebeam-CT noch einmal 10–15 Minuten benötigt wurden, so kann dieser ganze
Vorgang heute in weniger als 5 Minuten abgeschlossen werden.
Durch die konsequente Zusammenführung der vorbeschriebenen Schritte ist es gelungen,
die Strahlentherapie der Pleuramesotheliome aus der palliativen Ecke herauszubewegen
und ihr eine valide Position im kurativen Setting zu verschaffen.
Wie sieht nun die zukünftige Entwicklung aus?
Bereits heute ist es möglich, die tumorfunktionellen Informationen des PET-CTs in
die bestehenden Planungssysteme einzuspeisen und neben topografischen und morphologischen
Informationen auch biologische Informationen zu integrieren, um hieraus einen auf
die Tumoraktivität optimierten Bestrahlungsplan zu generieren. Aktuell dauert ein
Planungszyklus einschließlich Verifikation noch einige Stunden, mit fortschreitender
Digitalisierung ist aber eine tagesaktuelle Planung absehbar.
Hypofraktionierte Konzepte können z. B. in Kombination mit einer Jet-Beatmung zu einer
weiteren Dosisintensivierung in aktiven Tumorarealen herangezogen werden, wobei hierbei
immunogene Verstärkungen von Strahlentherapie in Kombination mit Checkpointinhibitoren
zu erhoffen sind. Die Subgruppenanalyse zur Keynote-001-Studie hat hier ja überzeugende
Wirkungsverstärkungen beim NSCLC nachweisen können [68 ].
Dies setzt natürlich eine Integration der Strahlentherapie im Rahmen multimodaler
Konzepte voraus.
Unabhängig hiervon ist zu beachten, dass die vorbeschriebenen strahlentherapeutischen
Techniken nicht trivial sind und eine adäquate, nachhaltige strahlentherapeutisch-technische
Expertise voraussetzen. Nicht ohne guten Grund sind die überzeugendsten Ergebnisse
von hochspezialisierten Teams unter konsequenter Befolgung mesotheliomspezifischer
Protokolle geliefert worden.
Studienlage
Die Prognose des Mesothelioms ist und bleibt schwierig.
Edwards betrachtete den Erkrankungsverlauf von 142 Mesotheliom-Patienten in Leicester
seit 1988 [69 ]. Durch Multivarianz-Analyse konnte er Prognosefaktoren identifizieren, welche signifikant
einen ungünstigen Krankheitsverlauf vorhersagten.
Nach einem Jahr lebten nur noch 12 % der Patienten der schlechten Prognosegruppe vs.
40 % der Patienten der günstigen Prognosegruppe, nach 3 Jahren waren alle Patienten
der ungünstigen Prognosegruppe verstorben. Das mediane Überleben lag bei 5,5 bzw.
10,8 Monaten.
Untersucht man die in der SEERS-Datenbank zwischen 2008 und 2014 verzeichneten Mesotheliomfälle,
so beträgt das relative 5-Jahres-Überleben gerade einmal 9 % [70 ].
Strahlentherapie der Zugangswege
Eines der heutzutage fast reflexartig in der Tumorkonferenz empfohlenen Therapieverfahren
ist die prophylaktische Bestrahlung der thorakalen Zugangswege.
Leider stellt sich die Empfehlungsbasis hierfür aktuell wenig evidenzbasiert dar.
Amelia Clive von der University of Bristol hatte 2016 in einer viel beachteten offenen
Multicenter-Studie gezeigt, dass eine prophylaktische Bestrahlung der thorakalen Zugangswege
keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben hat [71 ].
Von 203 im Zeitraum von 2011–2014 diagnostizierten Mesotheliompatienten wurden nach
Randomisation 102 Patienten unmittelbar adjuvant nach dem thorakalen Eingriff (d. h.
in einem Intervall von bis zu 6 Wochen) und 101 Patienten mit gleicher Dosis erst
bei Nachweis von Metastasen der Zugangswege (hier in einem Intervall von 5 Wochen
nach Diagnose) bestrahlt. Die Hazard Ratio wurde mit 1,0 ermittelt, das Ergebnis war
signifikant.
Neil Bayman vom Christie Hospital in Manchester hat diese Ergebnisse 2019 in einer
randomisierten Phase-III-Studie bestätigt [72 ].
Die prophylaktische Bestrahlung der Zugangswege von 186 der im Zeitraum von 2012–2015
insgesamt rekrutierten 375 Mesotheliompatienten führte gleichfalls zu keiner Verbesserung
des Gesamtüberlebens. Zwar zeigte sich im Vergleich der Studienarme nach 12 Monaten
eine Verringerung des Auftretens von Metastasen der Zugangswege, die Abnahme war aber
statistisch nicht signifikant.
Eine signifikante Verbesserung der durch die Metastasen der Zugangswege hervorgerufenen
Schmerzexpression konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden, sodass in der Konklusion
von einer prophylaktischen Radiotherapie der operativen Zugangswege abgeraten wurde.
Strahlentherapie und extrapleurale Pneumektomie
Bei alleiniger Operation erleiden trotz maximaler zytoreduktiver Therapie durch extra-pleurale
Pneumektomie (EPP) rund 80 % der Patienten ein intrathorakales Rezidiv [73 ].
Um diese Rezidivquote zu reduzieren, führte Valerie Rusch vom Memorial Sloan Kettering
Hospital in New York eine Phase-II-Studie durch, in der zwischen 1993 und 1998 nach
vollständiger extrapleuraler Pneumektomie der Hemithorax bestrahlt wurde [74 ]. Die Bestrahlung war zunächst intraoperativ geplant, doch wurde diese Vorgehensweise
nach 15 Patienten aufgegeben, da es durch die Bestrahlung zu einer kritischen Verlängerung
der Operationsdauer sowie zu einer Erhöhung der Infektionsrate gekommen war, in der
Folge stellte man auf eine postoperative Bestrahlung des Hemithorax um. In einer konventionellen
Mehrfeldertechnik wurde eine Gesamtdosis von 54 Gy appliziert, die Anzahl der lokoregionären
Rezidive ging in dieser Studie auf 13 % zurück.
Rolf Stahel vom CCC Zürich untersuchte in der multizentrischen Phase-II-Studie SAKK
17/04 die Vorteilhaftigkeit der adjuvanten Radiotherapie in einem trimodalen Setting
nach extrapleuraler Pneumektomie und neoadjuvanter Chemotherapie [75 ]. Es zeigte sich zwar ein um etwa 1,8 Monate längeres progressionsfreies Überleben,
doch stellte sich im Gesamtkontext die Frage, ob diese geringe absolute Verbesserung
den Aufwand für eine komplexe 6-wöchige Strahlentherapie tatsächlich rechtfertigt.
Die SAKK 17/04-Studie wurde aufgrund mehrerer Schwachpunkte von unterschiedlichen
Seiten bez. ihrer Validität angegriffen [76 ].
Der monozentrische SMART-Trial von Marc de Perot et al. implementierte eine Vorgehensweise,
wie wir sie aus der bimodalen Therapie von Rektumkarzinomen kennen [77 ].
Im Grunde handelt sich es um eine neoadjuvante hypofraktionierte Radiotherapie (5 × 5 Gy
ad 25 Gy) mit simultan-integriertem Boost (5 × 6 Gy ad 30 Gy) auf die PET-radiologisch
identifizierten FDG-aktiven Mesotheliomareale, gefolgt von einer extrapleuralen Pneumektomie
im 1-wöchigen Intervall.
Zwischen November 2008 und Oktober 2014 wurden 62 Patienten behandelt, die perioperative
Mortalität lag bei 4,8 %. Trotz Vorliegens eines Grad-III- oder IV-Stadiums bei 94 %
der Patienten und Nachweises eines ypN2-Lymphknotenstatus bei 54 % der Patienten trat
nur bei 8 Patienten ein ipsilaterales Rezidiv auf. Das mediane Gesamtüberleben lag
bei 51 Monaten für den epitheloiden Subtyp und bei 10 Monaten für das biphasische
Mesotheliom.
Auch wenn es sich nur um eine Monocenter-Studie mit damit limitierter Aussagekraft
handelt, so kann man doch von einem recht vielversprechenden Ergebnis sprechen.
Wenn man das neoadjuvante Therapiekonzept vor extrapleuraler Pneumektomie fortschreibt,
könnte man natürlich überlegen, ob man nicht in Anlehnung an die Keynote-Studien einen
Checkpointinhibitor überlappend oder unmittelbar nach Abschluss der hypofraktionierten
Radiotherapie einsetzt, um hierdurch eine radiogene Verstärkung der Immunantwort zu
bewirken.
Strahlentherapie und Pleurektomie/Dekortikation
Insgesamt aber hat sich die extrapleurale Pneumektomie aus unterschiedlichen Gründen
in den thoraxchirurgischen Zentren nicht durchgesetzt, stattdessen wird heute vielerorts
die Pleurektomie/Dekortikation (P/D), teils auch in erweiterter Form (EPD), präferiert.
Die Lunge toleriert erfahrungsgemäß lokale Strahlendosen bis 20 Gy, oberhalb dieses
Wertes tritt aufgrund einer induzierten Pneumonitis ein vollständiger Funktionsverlust
der entzündlich veränderten Lungenanteile ein.
Bei großvolumiger Bestrahlung der Lunge können auch kleinere Strahlendosen von nur
5 Gy zum teilweisen oder vollständigen Verlust der Lungenfunktion führen.
Eine Radiotherapie vor oder nach extrapleuraler Pneumektomie muss naturgemäß keine
Rücksicht auf die ipsilaterale Lungentoxizität nehmen, sodass in diesem Fall auch
ohne Spezialtechniken eine biologische Dosis von über 50 Gy auf den Hemithorax appliziert
werden kann.
Über lange Zeit erlaubten die zur Verfügung stehenden konventionellen Bestrahlungstechniken
keine selektive Bestrahlung der Pleuraanteile im Bereich von Thoraxwand und Mediastinum
unter hinreichender Schonung des residuellen Lungengewebes, sodass eine Radiotherapie
in adäquater Dosierung weder im neoadjuvanten noch im adjuvanten Setting möglich war
[78 ].
Erst durch die Entwicklung der modernen Bestrahlungsverfahren mit 4D-CT, Atemtriggerung
und Intensitätsmodulation wurde es möglich, unter Lungenschonung ausreichende Dosen
im Zielvolumen zu applizieren.
Andreas Rimner vom Memorial Sloan Kettering Hospital und Kenneth Rosenzweig vom Mt.
Sinai Hospital in New York zeigten nun zunächst in 2012, später in 2016, dass auch
nach lungenerhaltender Pleurektomie eine adjuvante Strahlentherapie erfolgreich durchgeführt
werden kann [79 ]
[80 ].
Insgesamt wurden 45 Patienten in die zweizentrige Studie eingeschleust und erhielten
zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie mit 2–4 Zyklen Cisplatin/Carboplatin und
Pemetrexed.
Von den 21 operativ behandelten Patienten wurde bei 8 eine einfache oder erweiterte
Pleurektomie/Dekortikation durchgeführt, 13 Patienten wurden partiell pleurektomiert.
Insgesamt unterzogen sich 16 der operativ behandelten Patienten (~75 %) der adjuvanten
Radiotherapie, hinzu kamen 11 Patienten, die nach der Systemtherapie als inoperabel
gewertet worden waren.
Die Bestrahlung selber erfolgte bei den inoperablen Patienten im Abstand von 4–6 Wochen
nach Abschluss der Systemtherapie, bei den operierten Patienten bis spätestens 8 Wochen
nach Operation.
Insgesamt wurde in intensitätsmodulierter Bestrahlungstechnik eine Gesamtdosis von
50,4 Gy appliziert. Unter der Bestrahlung entwickelten rund 30 % der Patienten eine
radiogene Pneumonitis, die allerdings vollständig durch Prednisolon beherrschbar war.
Das Gesamtüberleben der Bestrahlungspatienten lag nach 2 Jahren bei 59 % für die resezierten
Patienten und bei 25 % für die bei Inoperabilität alleinig radiotherapierten Patienten.
Die Überlebenskurven waren damit vergleichbar mit trimodaler Therapie und extrapleuraler
Pneumektomie.
Im Mai 2019 präsentierte Marco Trovo vom Universitätsklinikum Udine die ersten Ergebnisse
einer Phase-III-Studie [81 ]. Die zwischen August 2014 und Februar 2018 eingeschlossenen Patienten erhielten
zunächst eine neoadjuvante Chemotherapie mit Cis- bzw. Carboplatin und Pemetrexed,
nach 4–6 Wochen erfolgte die lungenerhaltende Operation. 108 Patienten wurden im Anschluss
randomisiert. Der Standardarm erhielt eine palliative Radiotherapie von 20–30 Gy auf
die thorakalen Zugangswege sowie den makroskopischen Tumor, im experimentellen Arm
wurde eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie auf den Hemithorax unter Ausschluss
des intakten Lungengewebes von 5 × 2 Gy ad 50 Gy mit simultan integriertem Boost auf
makroskopische Tumorresiduen von 5 × 2,4 Gy ad 60 Gy durchgeführt.
Das 2-Jahres-Überleben lag im experimentellen Arm mit radikaler Strahlentherapie des
Hemithorax mit 58 % mehr als doppelt so hoch wie im Standardarm nach palliativer Strahlentherapie
(28 %).
Empfehlungen der Leitlinien
Siehe ([Tab. 6 ]).
Tab. 6
Therapieempfehlungen internationaler Leitlinien.
Leitlinie
Prophylaxe
Neoadjuvant
Adjuvant
Palliativ
ESMO [5 ]
nein (nur in Studien)
im Rahmen von Studien
im Rahmen von Studien, in spezialisierten Zentren
bei schmerzhafter Brustwandinfiltration oder Durchwanderungsmetastasen
ERS ESTS EACTS ESTRO [9 ]
nein
im Rahmen von Studien
im Rahmen klinischer Studien und/oder mit chirurgischem Register
bei schmerzhaften Mesotheliominfiltraten in Normalgewebe
NCCN [4 ]
nein
Post-(E)P/D: pleurale IMRT in spezialisierten Zentren
Post-EPP: Hemithorax-RT bei gutem AZ
bei schmerzhaften Mesotheliominfiltraten (Thoraxwand, Mediastinum, Ösophagus)
bei symptomatischen Fernmetastasen (Hirn, Weichteile, Knochen)
Eine deutsche Leitlinie zur Therapie des Pleuramesothelioms existiert (noch) nicht.
Zusammenfassung
Die moderne Strahlentherapie kann einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Therapie
des Pleuramesothelioms leisten, der weit über die früher angedachte palliative Rolle
hinausgeht.
Die Strahlentherapie ist hierbei als integraler Bestandteil eines interdisziplinären
Mesotheliom-Teams bei der Gestaltung und Umsetzung multimodaler Therapiekonzepte zu
verstehen.
Bei Ausfall oder Nichtdurchführbarkeit einzelner Komponenten des multimodalen Konzeptes
kann eine zeitnah integrierte Strahlentherapie zu einer wesentlichen Verbesserung
der Behandlungsergebnisse beitragen.
Ein in die multimodale Therapie des Pleuramesothelioms involviertes strahlentherapeutisches
Zentrum sollte über die folgenden Kernkompetenzen verfügen:
Langjährige Expertise in der intensitätsmodulierten Strahlentherapie von Lungentumoren,
z. B. als zertifizierter Partner eines Lungenkrebszentrums
Ausführliche Erfahrung in der 4D-Bestrahlungsplanung
Ausführliche Erfahrung in der PET-fusionierten Bestrahlungsplanung
Fähigkeit zur bioäquivalenten Dosisberechnung in Lungengewebe anhand von Monte-Carlo-Algorithmen
Langjährig eingeführte und qualitätsgesicherte atemgetriggerte bildgeführte intensitätsmodulierte
Strahlentherapie
Ausbildung auf aktuellem radioonkologischem Ausbildungsniveau unter Kenntnis der aktuellen
systemischen Therapieoptionen
Psychoonkologische Therapie
Psychoonkologische Therapie
In der breit gefächerten psychoonkologischen Ambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
(UKE) wurden in den letzten 5–10 Jahren nur ganz wenige ambulante Mesotheliom-Patienten
gesehen. Möglicherweise spiegelt dies ein Stück weit die Situation wider, dass es
deutlichen Nachbesserungsbedarf bei der Information, der Aufklärung, dem Zugang und
auch der Einladung dieser Patienten und ihrer Angehörigen für diese Betreuungsangebote
gibt.
Psychoonkologie beschäftigt sich mit der Bedeutung psychologischer und sozialer Faktoren
in der Entwicklung und dem Verlauf von Krebserkrankungen sowie den individuellen,
familiären und sozialen Prozessen der Krankheitsverarbeitung und umfasst die systematische
Nutzung dieses Wissens in der Prävention, Früherkennung, Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation
und Nachsorge.
Zur Frage der Diagnose und Früherkennung: Wir müssen uns Gedanken darüber machen,
was es bedeutet für Patientinnen und Patienten, wenn sie früher von der Diagnose und
dem möglichen ungünstigen Verlauf erfahren. „Biomarker“ – die Diskussion darum gibt
es in vielen Feldern der Medizin – und: viele Mediziner und auch Patienten denken,
das ist „toll, wir können es noch früher erkennen“. Aber: Ist früheres Erkennen für
die Psyche wirklich gut? Das ist die erste Frage, die systematisch untersucht werden
muss. Für die Psychoonkologie ist die Perspektive des Patienten und seiner Familien
gerade auch in schwierigen klinischen Situationen das Zentrum der klinischen Arbeit.
Meist kommt die Diagnose aus heiterem Himmel, der sog. Diagnoseschock, und nachfolgend
treten eine Menge Fragen bei den Patienten und ihren Familien auf. Wir wissen ziemlich
genau, mit welchen Symptombelastungen Krebspatienten konfrontiert sind, das sind v. a.:
Belastungen durch den Krebs selbst und die Behandlung, z. B. Operationen, Strahlentherapie,
Chemotherapie, Schmerzen, Fatigue, Invalidität, psychosoziale Symptome und mögliche
Behinderungen.
Familiäre Belastungen, die Veränderung von sozialen Rollen und Aufgaben, Veränderung
in der Beziehung zum Partner, zu Kindern, zu Freunden.
Soziale, finanzielle und auch berufliche Belastungen, Aufgabe wichtiger Funktionen,
neue Abhängigkeiten und Isolation.
Probleme im Versorgungssystem, Barrieren im Hilfesystem, Fehlen von Informationen,
z. T. eine entpersonalisierte Behandlung, Zeitmangel, fehlende Intimität in der Behandlung
usw.
Existenzielle und spirituelle Fragen, Konfrontation mit der Endlichkeit des eigenen
Lebens, die Suche nach Sinn etc.
Es gibt also ein großes Spektrum von Belastungsfaktoren, die in allen diesen Lebensbereichen
auftreten können. Auch gerade bei Mesotheliompatienten ist anzunehmen: Je mehr belastende
Symptome auftreten, desto geringer ist die Lebensqualität.
Es gibt auch viele Fragen, die sich Patienten stellen und die Patienten in dieser
kritischen Situation bewegen: Warum bin gerade ich betroffen? Warum ist mir das passiert?
Warum wurde nicht genügend getan, um das zu verhindern, was mir nun passiert ist?
Es kann auch eine mögliche Situation der Verbitterung auftreten. Warum gerade jetzt?
Werde ich wieder gesund werden? Kann ich diese Behandlung überhaupt überstehen? Was
wird aus mir, aus meinem Leben? Was passiert mit meinen Kindern, meiner Familie? Was
hat das Leben in der Situation, in der ich mich klinisch befinde, überhaupt für einen
Sinn? Kann ich überhaupt etwas tun?
Das Mesotheliom ist eine seltene Erkrankung. Diagnose, Behandlung, medizinische Entscheidungsfindung
und wahrscheinlich auch der Zugang zu umfassender Information sind im Vergleich zu
anderen Erkrankungen erschwert. Also ist die Frage auch: Wo können Patienten und ihre
Angehörigen entsprechende Informationen einholen? Helfen Webseiten (z. B.: www.orpha.net für seltene Erkrankungen) oder gibt es Krebs- oder Onkologie-spezifische Webseiten?
Ein weiteres Problem ist die fehlende Orientierung im medizinischen Versorgungssystem.
Meist sind spezialisierte Zentren weit entfernt und bedingen möglicherweise höhere
Reisezeiten. Für die psychosoziale Versorgung gibt es bisher keine spezifizierten
Angebote, und Selbsthilfe steht wahrscheinlich, v. a. in der Fläche, weniger zur Verfügung
als bei häufigen Krebserkrankungen.
Psychosoziale Belastungen
Bei einer spezifischen Recherche nach Studien, die psycho(-soziale) Belastungen bei
dieser Patientengruppe untersucht haben, finden sich im Grunde zwei Studien mit jeweils
einer Studienpopulation von nur 16 Patienten [82 ]
[83 ]. In der älteren Studie haben 6 Patienten die Diagnose so traumatisch erlebt, dass
sie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickelt haben. Wie kann
daher die Diagnosemitteilung so schonend erfolgen, dass solche Trauma- bzw. Stress-bezogenen
Symptome möglichst nicht oder nur minimal auftreten? Die Studie von 2013 beantwortet
diese Frage: „It’s all bad news“ – Unsicherheit, Kontrollverlust und Unsicherheit
der Behandlung. Im Grunde sind es nur schlechte Nachrichten, die mit dieser Diagnose
verbunden sind, dennoch gibt es ein „Wechselbad der Gefühle“ zwischen guten und schlechten
Tagen.
Derzeit sind für diese spezifische Patientengruppe psychosoziale Unterstützungsangebote
nicht regelhaft implementiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass möglicherweise
eine stärkere Angstausprägung, verstärkte Gefühle der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes
und damit ungünstige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Patienten insgesamt
zu einer höheren psychosozialen Belastung führen.
Psychosoziale Belastungen treten meist zu bestimmten Zeitpunkten auf: bei der Diagnosemitteilung,
bei Beendigung der Behandlung, beim Wiederauftreten und in der palliativen oder terminalen
Phase. Diese Phasen sind verbunden mit existenziellen Krisen, und das sind klinische
Situationen, in denen besonders aktiv psychoonkologisch gehandelt werden muss.
Eine sog. „Progredienzangst“ (Angst vor dem Fortschreiten oder Wiederauftreten der
Erkrankung) gibt es bei vielen chronischen Erkrankungen, aber natürlich insbesondere
bei Patienten mit Krebserkrankungen. Beim Mesotheliom ist die reale Gefahr des Fortschreitens
der Erkrankung gegeben, also eine real bestehende Bedrohung. Progredienzangst kann
funktional sei, weil die Patienten dadurch regelmäßig Nachsorgetermine in Anspruch
nehmen. Sie kann aber auch dysfunktional sein, wenn sie negative Auswirkungen auf
das Leben und auf die Lebensqualität der Patienten hat. Lungentumorpatienten zeigen
im Vergleich zu anderen Tumoren besonders starke Progredienzangst.
Psychische Störungen bei Krebspatienten sind häufig. Irgendeine psychische Störung
(4-Wochen-Prävalenz) tritt bei fast jedem 3. Patienten auf und im 12-Monatsfenster
bei 40 % der Patienten [84 ]
[85 ]. Typisch sind: Angststörungen, Anpassungs- und depressive Störungen. Zu den depressiven
Erkrankungen ist anzumerken, dass im Falle von onkologischen Erkrankungen auch Mischbilder
auftreten, wo es z. B. um existenzielle Phänomene geht, z. B. ein Syndrom der Demoralisierung.
Versorgungssituation
In der stationären Akutversorgung sollte eine psychoonkologische Versorgung angeboten
werden, was in vielen Kliniken realisiert ist. Schwieriger ist die ambulante oder
die rehabilitative Versorgung. Aber in all diesen Settings ist es klinisch angemessen,
wenn im Rahmen der Behandlung oder der multimodalen Behandlung auch psychoonkologische
Angebote gemacht werden. Ziel der psychoonkologischen Interventionen ist der Erhalt
oder sogar die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Klassischerweise
entspricht die psychoonkologische Betreuung keinem veränderungsorientierten therapeutischem
Ansatz, sondern eher einem methodenintegrierten Ansatz, der supportiv begleitend mit
Patienten und ihren Familien arbeitet.
In einer aktuellen Studie für das Bundesgesundheitsministerium wurde die psychoonkologische
Versorgung in Deutschland insgesamt analysiert [86 ]. Es gibt eine 90–110 %ige Versorgung in Ballungszentren, dort ist die Versorgungslage
sehr gut. Aber in ländlichen Regionen (v. a. in Ostdeutschland) ist die Versorgung
deutlich schlechter aufgestellt.
Psychoonkologische Versorgung ist Standard in vielen zertifizierten Krebszentren,
Leitlinien liegen vor und werden angewendet. U. a. werden Patienten regelmäßig zu
ihrer Belastung gescreent. Klassischerweise wird mit dem sog. Distress-Thermometer
und weiteren psychosozialen Fragebogen gearbeitet. Wenn entsprechende Belastungsscores
eine geringe Belastung zeigen, kann das das onkologische Team alleine regeln. Bei
stärkeren psychosozialen Auffälligkeiten wird ein Angebot unterbreitet, Fachkollegen
aus der Psychologie, Psychiatrie oder Psychosomatik hinzuzuziehen (je nach Standort
und Verfügbarkeit).
Psychoonkologen leisten viel Beratungs- und Informationsarbeit, bieten aber auch in
klassischer Weise Entspannungsverfahren an. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit Kunst-
und Musiktherapeuten. Im Rahmen der Konsil- und Liaisondienste werden auch Angebote
im Sinne einer Krisenintervention vorgehalten. Für Mesotheliompatienten sollten auch
Einzel- und Gruppengespräche (gruppentherapeutische Angebote, Paar- und Familiengespräche)
oder sogar spezialisierte Programme zur Behandlung von Fatigue, Progredienzangst oder
sinnorientierte Maßnahmen angeboten werden. Fortgeschritten Erkrankte leiden unter
hoher existenzieller Belastung, auch die Depressionsraten sind deutlich höher als
bei anderen Tumorstadien. Hier ist das Ziel, psycho-onkologische Hilfe frühzeitig
einzuleiten.
Es gibt bisher nur sehr wenige auch getestete Verfahren (sog. sinnorientierte Kurzzeittherapien),
die dieser Situation für einen Patienten in der palliativen Versorgung angeboten werden
können [87 ]. Es gibt ein deutsches Behandlungsmanual für die Behandlung palliativ Erkrankter,
welches erprobt worden ist. Ziele sind:
Symptommanagement und die Kommunikation mit dem Behandlungsteam,
Veränderung des Selbst in der Beziehung zu den nahestehenden Menschen durch die schwerwiegende
Diagnose,
Auswirkungen auf Lebenssinn und Spiritualität,
Endlichkeit und Gedanken an die Zukunft, Hoffnung und Sterblichkeit.
Diese 4 Dimensionen werden im Rahmen dieser Kurzzeittherapie mit den Patienten angesprochen
und bearbeitet.
Zusammenfassung
Insgesamt ist die Psychoonkologie als Teildisziplin der Onkologie bedeutsam für die
Begleitung und Unterstützung von Mesotheliompatienten. Aufgrund der Schwere und der
Prognose der Erkrankung ist ein hoher Bedarf an psychoonkologischer Versorgung anzunehmen.
Palliative Versorgungsangebote sollten Patienten mit Mesotheliom zur Verfügung stehen.
Fragen des Bedarfs, des Zugangs und Angebots, auch der Wirksamkeit von qualitätsgesicherten
psychoonkologischen Maßnahmen sind allerdings noch weitgehend unbeantwortet. Hier
besteht deutlicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Die Zusammenarbeit mit spezialisierten
Zentren ist sinnvoll und ausbaufähig. Eine regionale Unterversorgung kann zukünftig
über telemedizinische und digitale Versorgungsangebote, Videosprechstunden, auch Videoangebote,
gemindert werden, indem Grenzen und auch Entfernungen überbrückt werden.