Der Deutsche Hebammenverband fasst in seinem Zahlenspiegel zur Situation der Hebammen
4 / 2019 zusammen: „Der DHV hat 19.862 Mitglieder, davon 16.468 aktiv (Stand: Februar
2019). Mindestens 13.388 Hebammen, die Mitglied im DHV sind, arbeiten (auch) freiberuflich
als Beleghebamme oder betreuen außerklinische Geburten, arbeiten in der Wochenbettbetreuung
und Vorsorge. Sie arbeiten zum Teil in Teilzeit und parallel zur Angestelltentätigkeit.
Davon arbeiten 2.705 freiberuflich in der Geburtshilfe, das sind 20,2 Prozent.“ [1]
Zunehmend scheint die Freiberuflichkeit eine attraktive Alternative zur Festanstellung
in einer Klinik, weiß Hadi Al-Wakil, Geschäftsführer der AZH Abrechnungszentrale für
Hebammen GmbH. Er berät mit seinem Team Hebammen beim Start in die Soloselbstständigkeit
ebenso wie beim Wechsel aus dem Angestellten- ins Dienst-Beleghebammen-System. Bei
diesem Modell wird die Kreißsaal-Organisation komplett von freiberuflichen Hebammen
übernommen. Die Kolleginnen arbeiten wie vorher in einem gemeinsamen Dienstmodell.
Der überwiegende Teil der kooperierenden Hebammen nutzt ein sog. Pool-System. Hierbei
werden die abgerechneten Leistungen in einem gemeinsamen Einnahmentopf gesammelt und
anteilig nach den eingebrachten Anwesenheitszeiten aufgeteilt. Das garantiert eine
gerechte Verteilung und reduziert das Verdienstrisiko der einzelnen Hebamme.
„Wir informieren und unterstützen jedes Jahr zahlreiche angestellte Hebammenteams,
die sich für das Belegsystem interessieren“, berichtet Al-Wakil. „Entscheidet sich
das Team nach Aufklärung über die Vor- und Nachteile für weitere Schritte, begleiten
wir die Verhandlungen mit der Klinikleitung. Außerdem unterstützen wir bei den internen
Vorbereitungen für eine gut funktionierende Ablauforganisation.“ 2020 hat die Abrechnungszentrale
für Hebammen GmbH Hebammen-Teams im Vinzenz-Palotti-Hospital Bensberg, im Klinikum
Bamberg, in der Fürst Stirum Klinik Bruchsal, im Universitätsklinikum Augsburg, im
Klinikum Coburg und im Helios Klinikum Erfurt auf dem Weg ins Belegsystem begleitet.
„Alle Beteiligten sind mit den Ergebnissen dieser Lösung sehr zufrieden“, so Al-Wakil.
Im außerklinischen Bereich berät das AZH-Team Praxen und Geburtshäuser, führt Tagesveranstaltungen
an Hebammenschulen und in Studiengängen durch. „Aufgrund vermehrter Nachfrage vereinbaren
wir mittlerweile auch Webinare mit Hebammen, die sich außerhalb oder nach ihrer eigentlichen
Hebammenausbildung über den Weg in die Freiberuflichkeit informieren möchten.“
Inhalte des Businessplans
Inhalte des Businessplans
Wer die sichere Festanstellung für eine freiberufliche Tätigkeit als Hebamme hinter
sich lässt, sollte vorab einige grundsätzliche Fragen abklären. Das gilt erst recht,
wenn sich mehrere Hebammen zusammenschließen, deren persönliche Situation ganz unterschiedlich
sein kann, z.B. was Familienplanung, finanzielle Rücklagen und Stand innerhalb der
beruflichen Laufbahn angeht. Ein Businessplan hilft dabei, die Geschäftsgründung systematisch
anzugehen. Er ist zudem i.d.R. die Voraussetzung, um Kredite oder Förderungen zu beantragen
bzw. mit Kooperationspartnern zu verhandeln. Der Businessplan enthält die wichtigsten
Eckdaten des Geschäftskonzeptes und der Finanzplanung, z.B.:
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Geschäftsidee Welche Leistungen sollen angeboten werden?
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Gründerin(nen) Wer wird freiberuflich als Hebamme bzw. Hebammen-Team tätig? Was ist die Motivation,
sich selbstständig zu machen? Welche fachliche und unternehmerische Qualifikation,
wie viel Berufserfahrung liegt vor?
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Zielgruppe An wen richtet sich das Angebot (nur Vor- und Nachsorge oder auch Geburtsbetreuung,
klinische oder außerklinische Geburtsbetreuung)? Welche Bedürfnisse haben die zu betreuenden
Frauen und Familien? Wie groß ist der geplante Aktionsradius?
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Marktsituation Wie hoch ist der Bedarf für eine freiberufliche Hebamme (bzw. das Team) in der Region?
Wie entwickelt sich die Versorgungssituation perspektivisch? Welche Marktlücken bzw.
Kooperationsmöglichkeiten gibt es?
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Wettbewerbssituation Wie viele Hebammen(-Teams) gibt es im Umkreis? Worin unterscheidet sich ihr Angebot?
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Öffentlichkeitsarbeit und Marketing Wie soll das Angebot bekannt gemacht werden (z. B. Praxisschild, Kontaktaufnahme
zu Gynäkologinnen und Kliniken, eigene Website, Social Media, Flyer, lokale Presse,
Anzeigen)? Welche Kontakte sind zu knüpfen bzw. auszubauen?
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Standort Wo werden die Leistungen angeboten (z. B. eigene Praxis, Praxisgemeinschaft, nur
Hausbesuche, Beleghebamme in einer Klinik)? Wie sieht die Einrichtung der Praxis aus?
Wie ist die Erreichbarkeit (Geschäftszeiten, öffentliche Verkehrsmittel, Parkplätze)?
-
Organisation und Ausstattung Welche Arbeitsschritte erfordern die einzelnen Leistungen und wie hoch ist der Zeit-
bzw. Personalbedarf? Wie werden die Aufgaben im Team verteilt? Welche Regelungen sind
ggf. mit der Klinik im Belegvertrag zu treffen? Welche organisatorischen und vertraglichen
Vereinbarungen sollte das Team festlegen? Wie viel Zeit wird für fachfremde Arbeiten
aufgewandt (z. B. EDV-Einrichtung, Bestellungen etc.)? Für welche Aufgaben wird externe
Hilfe benötigt (z. B. Abrechnung, Steuerberatung, PC-Support etc.) Welches Praxis-Mobiliar
und welche Betriebsmittel sind erforderlich? Was muss alles angemeldet werden?
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Rechtsform Wird die Hebamme als Einzelunternehmerin tätig oder gründet ein Team z.B. eine Partnerschaftsgesellschaft,
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH) oder einen eingetragenen Verein (e. V. )?
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Chancen und Risiken Wie wird sich das Gründungsvorhaben mittel- bis langfristig entwickeln? Wie werden
Risiken abgesichert (Haftpflicht, Rechtsschutz, Arbeitsunfähigkeit)?
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Wichtige Planzahlen Welche Verdienstaussichten stehen dem Risiko der Freiberuflichkeit gegenüber? Wie
hoch sind die Investitionen und laufenden Kosten (Hebammen-Ausstattung, Praxis-Mobiliar,
Miete u. Nebenkosten, Telefon, Büroartikel, Kfz-Kosten, Fortbildungskosten, Kosten
für Abrechnungszentrale bzw. Steuerberater, Haftpflichtversicherung, Beitrag Berufsgenossenschaft,
Beitrag Berufsverband)? Wie hoch die eigenen Lebenshaltungskosten? Wie hoch muss der
Nettoumsatz sein? Wann ist die Gewinnschwelle erreicht? Wie werden Liquiditätsengpässe
abgesichert?
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Finanzplan Bei der Erstellung eines Finanz- und Kapitalbedarfsplanes für die ersten drei Jahre
unterstützen z. B. Steuerberater und Abrechnungsunternehmen.
Vorbereitung zur Freiberuflichkeit
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Anmeldung beim örtlichen Gesundheitsamt
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Abschluss einer Berufs-Haftpflicht-Versicherung
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Beantragung eines Institutionskennzeichens (IK)
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Beitritt zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe sowie Eintrag in die Vertragspartnerliste
der GKV
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Anmeldung der freiberuflichen Tätigkeit beim Finanzamt
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Beitritt zur Berufsgenossenschaft (BGW)
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An- oder Ummeldung bei der Deutschen Rentenversicherung
-
Abklärung Status Kranken- und Pflegeversicherung
Quelle: AZH Abrechnungszentrale für Hebammen GmbH
Pflichten freiberuflicher Hebammen
Pflichten freiberuflicher Hebammen
Selbstständige Hebammen gehen nach § 18 Einkommensteuergesetz einer freiberuflichen
Tätigkeit nach, d. h. sie sind nicht verpflichtet, ein Gewerbe anzumelden. Allerdings
müssen sie die Aufnahme ihrer freiberuflichen Tätigkeit dem Finanzamt und dem Gesundheitsamt gegenüber
anzeigen. Berufseinsteiger müssen dabei die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung nachweisen.
Das Gesundheitsamt ist zudem die vorgesetzte Dienststelle, d. h. die Amtsärztin bzw.
der Amtsarzt ist der freiberuflichen Hebamme gegenüber weisungsbefugt. Hebammen in
der außerklinischen Geburtshilfe sind verpflichtet, ein persönliches Hebammentagebuch
zu führen.
Die Hebammenberufsordnungen der Bundesländer regeln weitere besondere Pflichten von
Hebammen bei freiberuflicher Tätigkeit. So sind diese u.a. verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die sie gegenüber Haftpflichtansprüchen im Rahmen ihrer beruflichen
Tätigkeit absichert. Freiberufliche Hebammen müssen sich ferner auch an Maßnahmen
der externen Qualitätssicherung für außerklinische Geburtshilfe beteiligen, z.B. an bundes- oder landesweiten Perinatalerhebungen.
Seit Inkrafttreten des neuen Vertrags über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a
SGB V sind freiberufliche Hebammen zudem verpflichtet, ein Qualitätsmanagement-System einzuführen [2]. Einen Übersichtsartikel dazu finden Sie in DIE HEBAMME 3 / 2018 [3].
Gemäß § 2 SGB VII besteht eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung. Spätestens eine Woche nach Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit muss die Anmeldung
bei der zuständigen Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
(www.bgw-online.de) erfolgen. Im Versicherungsfall zahlt die BGW Verletztengeld bzw. (Teil-)Rente und
Unterstützungsleistungen bei beruflicher Wiedereingliederung (Fortbildung, Umschulung,
Kraftfahrzeughilfe, Wohnungshilfe, Reha).
Freiberufliche Hebammen tragen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung allein. Im Bereich der Krankenversicherung besteht Wahlfreiheit zwischen der gesetzlichen
oder privaten Krankenversicherung. Die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen
sind abhängig vom Einkommen und den jeweils gültigen Beitragssätzen bzw. dem individuellen
Zusatzbeitrag. Die Krankenkassen beraten auch über mögliche Wahltarife und Zusatzversicherungen.
Freiberufliche Hebammen sind gemäß § 2 SGB VI verpflichtet, eine gesetzliche Alterssicherung
abzuschließen. Zuständig ist die Deutsche Rentenversicherung (www.deutsche-rentenversicherung.de). Die Anmeldung muss spätestens drei Monate nach Beginn der Tätigkeit erfolgen. Die
Beiträge errechnen sich aus dem steuerpflichtigen Bruttoeinkommen, im ersten Jahr
auf Basis des geschätzten voraussichtlichen Arbeitseinkommens.
Abrechnung von Hebammenleistungen
Abrechnung von Hebammenleistungen
Hebammenleistungen werden als Kassenleistung mit der gesetzlichen (GKV) oder privaten
Krankenversicherung (PKV) direkt abgerechnet. Die Details fasst Hadi Al-Wakil nachfolgend
zusammen:
Bei der GKV orientieren sich die abrechnungsfähigen Leistungen am Vertrag über die
Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V [2]. Voraussetzung für die Abrechnung
ist, dass die Hebamme gemäß § 293 SGB V über ein persönliches Institutionskennzeichen
(IK) verfügt, das sie bei der Abrechnung ihrer persönlichen Leistungen mit den Krankenkassen
verwendet. Hebammen, die gemeinsam abrechnen, müssen dafür gesonderte IK führen. Die
Hebamme muss das IK bei der Sammel- und Verteilungsstelle IK beantragen. Das Antragsformular
ist als Download unter www.arge-ik.de verfügbar.
Voraussetzung für die Abrechnung mit der GKV ist der Beitritt zum Vertrag über die
Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V. Er erfolgt beim GKV über Anlage 4.1.
des Vertrags [2]. Freiberufliche Hebammen, die Mitglied im Berufsverband DHV oder
BfHD sind, treten dem Vertrag über ihre Verbandsmitgliedschaft automatisch bei. Hierfür
müssen sie ihre Berufserlaubnis, den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung
und die Anmeldung beim Gesundheitsamt nachweisen. Zudem muss die Hebamme sich in der
Vertragspartnerliste der GKV eintragen (Anlage 4.2. [2]). Hierfür muss sie neben ihrem
IK und ihren Kontaktdaten auch ihre geplanten Tätigkeitsbereiche (z.B. Schwangerenbetreuung,
Wochenbettbetreuung, Kurse) angeben. Die gesetzlichen Kostenträger vergüten ausschließlich
Leistungspositionen aus Tätigkeitsbereichen, die zuvor angemeldet wurden. Es ist sehr
wichtig, alle relevanten Bereiche anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung, die üblicherweise
elektronisch erfolgt, reicht die Hebamme als Nachweis für erbrachte Leistungen neben
der Rechnung Versichertenbestätigungen beim Kostenträger ein. Auf diesen bestätigt
die Versicherte mit ihrer Unterschrift den Erhalt der abgerechneten Leistungen.
Die Abrechnung mit privat krankenversicherten Klientinnen funktioniert nahezu identisch.
Mit Ausnahme von Sachsen hat jedes Bundesland hierfür eine Privatgebührenordnung formuliert.
Die Gebührenordnungen lehnen sich inhaltlich an den Vertrag der GKV-Versicherten an.
Hierbei können unterschiedliche Sätze in Rechnung gestellt werden (maximal 2,0). Die
Anforderungen an die Abrechnung mit Selbstzahlerinnen stellen sich bezogen auf die
notwendigen Anmeldevoraussetzungen weniger aufwendig dar. Hier reicht theoretisch
die gestellte Rechnung über die erbrachten Leistungen aus.
Der Vertrag nach § 134a SGB V inklusive o.g. Anlagen ist auf folgenden Websites zu
finden:
Eine Hebamme fest anstellen
Heidi Kuntz ist seit 20 Jahren Hebamme mit eigener Praxis in Zweibrücken. Vor 5 Jahren
stellte sie eine junge Kollegin direkt nach der Berufsausbildung ein. Worauf es dabei
ankommt, beschreibt sie Punkt für Punkt:
Das Modell: Festanstellung einer Hebamme. Der Arbeitsvertrag wurde mithilfe eines Steuerberaters
entwickelt und mit der Hebamme ausgehandelt.
Arbeitszeiten und Gehalt: Die Angestellte arbeitet 8 Stunden/Tag, jedes zweite Wochenende hat sie frei bzw.
Rufdienst für 8 Stunden/Tag. Ein realisierbares und faires Bruttogehalt wurde mithilfe
des Steuerberaters errechnet. Er hat verglichen, was angestellte Krankenhaus-Hebammen
verdienen, welche Einnahmen die Angestellte für die Praxis einbringen könnte und welche
Ausgaben für sie anfallen (Sozialversicherungen, Haftpflicht, Leasing eines Praxisautos,
Benzin, Kfz-Versicherung …)
Größte Herausforderung: Wenn die Mitarbeiterin krank ist oder in Mutterschutz geht, muss die Inhaberin ihr
Gehalt eine zeitlang fortzahlen, obwohl die Einnahmen durch ihre Betreuung wegfallen.
Aufgrund der 1:1-Betreuung kann die Inhaberin nicht mehr Geburten gleichzeitig betreuen.
Deshalb sollte sie einen Puffer für Notfälle von 10.000 bis 15.000 Euro anlegen und
sich mit weiteren Einnahmequellen entsprechend absichern. Heidi Kuntz bietet z.B.
Kurse für Kinder und Schwangere an, die nicht von den Kassen übernommen werden, wie
Babyschwimmen, Kinderschwimmen oder Personal-Training mit der Powerplate.
Vertretung im Krankheitsfall: Heidi Kuntz hat für ihre Praxis einen Belegvertrag mit der Universitätsklinik Homburg
Saar abgeschlossen. Im Krankheitsfall übernehmen die Klinikhebammen die von ihr betreuten
Frauen.
Vorteil für die angestellte Hebamme: Sicherer Arbeitsplatz, festes Einkommen, Eins-zu-eins-Einarbeitung, Absicherung bei
Krankheit und Schwangerschaft.
Welche Skills muss sie Hebamme mitbringen, um ein Unternehmen aufzubauen? Heidi Kuntz: Visionen,
Ziele, sehr viel Mut und Women-Power. Außerdem sollte man immer einen Plan-B haben,
wenn es mit Plan-A nicht läuft.
Wie geht’s weiter: Heidi Kuntz expandiert weiter und will im Sommer ein Geburtshaus eröffnen.
Kontakt: www.familyinform.de