Einleitung
Der erste SARS-CoV-2-Nachweis erfolgte in Deutschland am 27. Januar 2020 in Bayern
[1]. Aktuell sind 2 205 171
SARS-CoV-2-Infektionen mit 56 546 Todesfällen in Deutschland und 291 818
SARS-CoV-2-Infektionen mit 7013 Todesfällen in Baden-Württemberg beschrieben
(Stand 30.01.2021) [2]. An der Bewältigung der
COVID-19-Pandemie sind im deutschen Gesundheitswesen maßgeblich der öffentliche
Gesundheitsdienst, der stationäre und ambulante Sektor neben weiteren Akteuren beteiligt
[3]. In Deutschland soll dabei laut
Pandemieplänen zur Sicherstellung der notwendigen stationären
Behandlungsressourcen für schwer erkrankte Fälle die Patientenversorgung
möglichst ambulant erfolgen und stationär versorgte PatientInnen
frühzeitig entlassen werden [3]
[4]
[5]. Die ambulante Versorgung obliegt im Rahmen des
Sicherstellungsauftrags nach § 72 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen [6]. Konkrete Handlungsanweisungen für den ambulanten
Sektor sind auf Empfehlungen für das Risikomanagement in Arztpraxen im Falle einer
Influenzapandemie beschränkt [7]. Am 12.03.2020
wurden vom Robert-Koch-Institut erstmalig Maßnahmen zur getrennten Versorgung von
(vermuteten) COVID-19- und Nicht-COVID-19-PatientInnen im ambulanten und
prästationären Bereich veröffentlicht [8]. Hier werden verschiedene Testmöglichkeiten, COVID-Ambulanzen und
Empfehlungen mit räumlicher und zeitlicher Trennung für Praxen
aufgezählt.
Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung wurde in Deutschland der überwiegende
Anteil der COVID-19-PatientInnen bislang ambulant versorgt [9]. Weltweit ist das komplexe Einwirken der COVID-19-Pandemie auf den
primärärztlichen Bereich beschrieben [10].
In der ersten Phase der COVID-19-Pandemie kam es in Deutschland in der sehr dynamischen
Ausbreitungssituation zur Notwendigkeit der ad-hoc-Implementierung der o.g. (teils
erst
nachfolgend) empfohlenen Maßnahmen. Neben Umstrukturierungen in der
hausärztlichen Versorgung kam es dabei in Baden-Württemberg zum Aufbau neuer
ambulanter Versorgungsformen unter Trägerschaft der Kassenärztlichen Vereinigung
Baden-Württemberg (KVBW), im Folgenden als Corona-Anlaufstellen bezeichnet:
Abstrichstellen, Corona-Schwerpunktpraxen und Zentrale Fieberambulanzen [11]. In Abstrichstellen besteht die Möglichkeit einer
Testung auf SARS-CoV-2. Corona-Schwerpunktpraxen (Betriebsstättennummer und Organisation
durch eine bestehende Hausarztpraxis) und zentrale Fieberambulanzen (eigene
Betriebsstättennummer) bieten die Möglichkeit von Diagnostik und Untersuchung
bei PatientInnen mit Symptomen von COVID-19.
Das Ziel der Arbeit war deskriptiv in einer frühzeitigen Momentaufnahme zu erfassen,
welche ambulanten Strategien im primärärztlichen Setting zur Bewältigung
der frühen Phase der COVID-19-Pandemie in Baden-Württemberg eingeleitet wurden,
wie diese umgesetzt wurden und wie die Zusammenarbeit an der Schnittstelle der
Corona-Anlaufstellen gestaltet war.
Methodik
Studiendesign und -setting
Die deskriptive Beobachtungsstudie wurde in der Frühphase der COVID-19-Pandemie
geplant und nach Erhalt eines positiven Ethikvotums der Ethikkommission der Medizinischen
Fakultät Heidelberg (S-418/2020) sowie Registrierung im Deutschen Register
für klinische Studien (DRKS00022224) durchgeführt. Der Bericht orientiert sich
an den STROBE-Kriterien für Beobachtungsstudien [12]. Es erfolgte eine anonymisierte, schriftliche Befragung von leitendem Personal von
Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen mittels eines papierbasierten Fragebogens.
Studienpopulation und Rekrutierung
Es wurden alle Corona-Anlaufstellen und hausärztlich tätigen
ÄrztInnen mit Kassenarztzulassung in Baden-Württemberg über die
Webseite der KVBW identifiziert. Der Stand am 15.06.2020 betrug 16 Abstrichstellen,
51 Zentrale
Fieberambulanzen, 204 Corona-Schwerpunktpraxen und 8135 HausärztInnen. Zur Verminderung
eines Bias wurden alle Hausarztpraxen ausgeschlossen, die Corona-Schwerpunktpraxen
waren.
Hinsichtlich der Corona-Anlaufstellen erfolgte eine Vollerhebung. In der Gruppe der
Hausarztpraxen wurde eine zufällige Stichprobe von n=400 mittels
Zufallszahlgenerator gezogen unter Berücksichtigung aller Land- und Stadtkreise analog
ihrer Verteilung nach Einwohnerzahl. Am 15. Juni 2020 wurden alle LeiterInnen der
271
Corona-Anlaufstellen sowie die Stichprobe von n=400 Hausarztpraxen aus
Baden-Württemberg postalisch eingeladen an der schriftlichen Befragung teilzunehmen.
Am
20. Juli 2020 wurde die Datenerhebung beendet. In der Gruppe der Hausarztpraxen wurden
nach der
Rücksendung Personen ausgeschlossen, die auch in einer Corona-Anlaufstelle
tätig waren, um das Risiko eines Bias zu vermindern.
Variablen und Datenauswertung
Die Fragebögen für Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen wurden in einem
interdisziplinären Team auf Grundlage von 6 Orientierungsinterviews mit
HausärztInnen entwickelt, die Pilotierung erfolgte in einem Testlauf mit
HausärztInnen aus dem Studienteam. Die Fragebögen enthielten Fragen zu
Soziodemografie, Struktur/Organisation, Patientenkontakten/Kapazität,
Anamnese/Diagnostik/Dokumentation/Versorgung/Rückmeldung/Schnittstellen,
Einstellung/Haltung, Wissensquellen/Wissensstand, Maßnahmen zur
Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie, Inanspruchnahme, weitere Versorgung von
PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung sowie die Option einer Freitexteingabe.
Die
Häufigkeiten der nominalen bzw. ordinalen Antwortoptionen zu ausgewählten
Fragen wurden mittels der Statistiksoftware IBM SPSS Version 25.0 deskriptiv berechnet.
Die
Häufigkeiten wurden bezogen auf die Anzahl der verwertbaren Rückmeldungen. Bei
den ordinalen Antwortoptionen „trifft ganz zu“ - „trifft weitgehend
zu“ - „trifft teils zu, teils nicht zu“ - „trifft weitgehend
nicht zu“- „trifft überhaupt nicht zu“ – „kann
ich nicht beurteilen“ wurden die erste und zweite Antwortoption als „trifft
zu“ und die vierte und fünfte. als „trifft nicht zu“ wegen der
geringen Anzahl an Nennungen zusammengefasst. Ein statistischer Vergleich zwischen
den Gruppen
der Corona-Anlaufstellen wurde aufgrund der geringen Fallzahlen in der Gruppe der
Fieberambulanzen nicht durchgeführt.
Ergebnisse
Studienpopulation
Von den 271 angeschriebenen Corona-Anlaufstellen füllten n=92 (33,9%)
den Fragebogen aus. Die Rücklaufquote betrug in der Gruppe der Fieberambulanzen
n=16 (31,4%), der Corona-Schwerpunktpraxen n=74 (36,3%) und der
Abstrichstellen n=2 (12,5%). Die Rücklaufquote in der Gruppe der
Hausarztpraxen betrug n=79 (19,8%). Hiervon wurden n=16 ausgeschlossen,
weil sie eine Tätigkeit in einer Corona-Anlaufstelle angaben. Nach Ausschluss konnten
n=63 (15,8%) ausgewertet werden. In [Tab.
1] wird die Studienpopulation beschrieben. Die überwiegende Mehrheit der
LeiterInnen der Corona-Anlaufstellen waren HausärztInnen (n=76, 82,6%).
Die Verteilung der Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen bezogen auf den Standort
und das
Alter war ähnlich.
Tab. 1 Charakterisierung der Studienpopulation.
Merkmale
|
Corona-Anlaufstellen n=92
|
Hausarztpraxen n=63
|
Altersgruppe, n (%)
a
|
unter 30 Jahre
|
1 (1,1)
|
0
|
zwischen 30 und 40 Jahren
|
13 (14,1)
|
7 (11,1)
|
zwischen 41 und 50 Jahren
|
27 (29,3)
|
16 (25,4)
|
zwischen 51 und 60 Jahren
|
39 (42.4)
|
26 (41,3)
|
über 60 Jahre
|
11 (12,0)
|
14 (22,2)
|
keine Angabe
|
1 (1,1)
|
0
|
Standort, n (%)
a
|
Stadtzentrum
|
44 (47,8)
|
36 (57,1)
|
Stadt-Umkreis (20 km)
|
31 (33,7)
|
17 (27,0)
|
Ländliches Gebiet (Stadt>20 km)
|
17 (18,5)
|
8 (12,7)
|
Keine Angabe
|
0
|
2 (3,2)
|
Geschlecht, n (%)
a
|
Weiblich
|
30 (32,6)
|
32 (50,8)
|
Männlich
|
61 (66,3)
|
31 (49,2)
|
keine Angabe
|
1 (1,1)
|
0
|
Berufliche Qualifikation, n (%)
b
|
HausärztInnenc
|
76 (82,6)
|
n/a
|
Andere FachärztInnen
|
13 (14,1)
|
Nichtärztliche Mitarbeitended
|
3 (3,3)
|
Corona-Anlaufstellen – Subtypen, n (%)
a
|
Zentrale Fieberambulanz (ZFA)
|
16 (17,4)
|
n/a
|
Corona-Schwerpunktpraxis (CSP)
|
74 (80,4)
|
Abstrichstelle
|
2 (2,2)
|
a Einfachantwort. b Mehrfachantworten.
c Beinhaltet sowohl FachärztInnen für
Allgemeinmedizin als auch FachärztInnen für Innere Medizin mit aktuell
hausärztlicher Tätigkeit. d Gesundheits- und
KrankenpflegerInnen, Medizinische Fachangestellte.
Beschreibung des primärärztlichen Settings
Die Ergebnisse zu Inbetriebnahme, zusätzlichen Versorgungsangeboten und
Öffnungszeiten finden sich in [Tab. 2]. Die
Inbetriebnahme der Corona-Anlaufstellen erfolgte überwiegend im März 2020
(n=42, 48,3%) und April 2020 (n=34, 39,1%).
Tab. 2 Beschreibung des primärärztlichen Settings in der ersten Phase
der COVID-19-Pandemie.
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Corona-Anlaufstellen n (%)
|
Inbetriebnahme der Corona-Anlaufstelle
a
(87/92)
|
Februar 2020
|
5 (5,7)
|
März 2020
|
42 (48,3)
|
April 2020
|
34 (39,1)
|
Mai 2020
|
5 (5,7)
|
Juni 2020
|
1 (1,1)
|
Zusätzliche Versorgungsangebote
b
(91/92)
|
Mindestens 1 Versorgungsangebot für die Häuslichkeit (Corona-Taxi,
Mitbetreuung Pflegeheime, Hausbesuche)
|
65 (71,4)
|
Öffnungszeiten in Tagen
b
(91/92)
|
Täglich (Montag bis Freitag)
|
82 (90,1)
|
Zusätzlich samstags
|
13 (14,3)
|
Zusätzlich sonntags
|
11 (12,1)
|
Tageweise (1–2 oder 3–4 Tage/Woche)
|
11 (12,1)
|
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Hausarztpraxen n (%)
|
Zuweisung von PAT_COV neben der Versorgung per Telefon oder Videokonsultation
an
b,d
(61/63)
|
Abstrichstellen
|
24 (39,3)
|
Zentrale Fieberambulanz
|
29 (47,5)
|
Corona-Schwerpunktpraxen
|
17 (27,9)
|
Klinik
|
18 (29,5)
|
Keine
|
13 (21,3)
|
Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV zu Beginn der COVID-19
Pandemie
a,c,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
52 (82,5)
|
Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV in der Osterzeit 2020
a,c
(63/63)
|
Trifft zu
|
59 (93,7)
|
Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV zum Befragungszeitpunkt (Juni
2020)
a,c ,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
33 (52,4)
|
Verpflichtende telefonische Anmeldung vor Terminvereinbarung durch PAT_COV
a,c,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
58 (92,1)
|
Ausschließlich telefonische oder Videokonsultation-Behandlung von PAT_COV mit
leichtem Verlauf
a,c ,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
51 (81,0)
|
a Einfachantwort. b Mehrfachantworten.
c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft
zu“ berichtet.
d
PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19;
PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.
Die hausärztlichen Ergebnisse zur Nutzung von Corona-Anlaufstellen,
Einschätzung der Inanspruchnahme, Implementierung von verpflichtender telefonischer
Anmeldung und ausschließlicher Versorgung per Telefon bzw. Video finden sich ebenfalls
in [Tab. 2]. Der überwiegende Anteil der
Hausarztpraxen (n=48, 78,7%) nutzte Corona-Anlaufstellen. Die Anzahl der
Hausarztpraxen mit wahrgenommener reduzierter Inanspruchnahme von Nicht-COVID-PatientInnen
reduzierte sich von einem Maximum mit n=59 (93,7%) in der Osterzeit auf
n=33 (52,4%) zum Befragungszeitpunkt Mitte - Ende Juni 2020.
Gegenüberstellung von Corona-Schwerpunktpraxen und zentralen Fieberambulanzen im
Aufbau
Die Ergebnisse finden sich in [Tab. 3].
Corona-Schwerpunktpraxen wurden vorwiegend in eigenen Praxisräumen eingerichtet
(n=57, 78,1%), Fieberambulanzen (n=15, 93,8%) hingegen
überwiegend in anderen Räumen (fremde Praxisräume, Klinikräume,
Hallen, Container, Zelte u. a.). Die beiden Abstrichstellen wurden in Containern
organisiert. Sonstige Angaben waren unter anderem eine ehemalige Kaserne, Garagen
oder eine
umgebaute Wohnung.
Tab. 3 Gegenüberstellung von Corona-Schwerpunktpraxen und zentralen
Fieberambulanzen im Aufbau.
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Corona-Schwerpunktpraxen n (%)
|
Zentrale Fieberambulanzen n (%)
|
Räumlichkeiten
b
|
(73/74)
|
(16/16)
|
Vorhandene eigene Praxisräume
|
57 (78,1)
|
1 (6,3)
|
Andere (fremde Praxisräume, Klinikräume, Hallen, Container, Zelte,
Sonstiges)
|
16 (21,9)
|
15 (93.8)
|
Initiative der Einrichtung
b
|
(74/74)
|
(16/16)
|
Kassenärztliche Vereinigung (KV)
|
38 (51,4)
|
9 (56,3)
|
Gesundheitsamt
|
5 (6,8)
|
9 (56,3)
|
Landratsamt
|
3 (4,1)
|
8 (50,0)
|
Kommune
|
3 (4,1)
|
4 (25,0)
|
Ärzteschaft
|
17 (23,0)
|
12 (75,0)
|
Kliniken
|
0
|
6 (37,5)
|
Eigeninitiative
|
34 (45,9)
|
2 (12,5)
|
Sonstige
|
1 (1,4)
|
0
|
Inhaltliche Unterstützung des Aufbaus
b
|
(69/74)
|
(16/16)
|
Kassenärztliche Vereinigung (KV)
|
41 (59,4)
|
10 (62,5)
|
Gesundheitsamt
|
11 (15,9)
|
5 (31,3)
|
Landratsamt
|
5 (7,2)
|
9 (56,3)
|
Kommune
|
12 (17,4)
|
4 (25,0)
|
Ärzteschaft
|
13 (18,8)
|
11 (68,8)
|
Kliniken
|
0
|
2 (12,5)
|
Eigeninitiative
|
17 (24,6)
|
2 (12,5)
|
Sonstige
|
13 (18,8)
|
3 (18,8)
|
Dauer des Aufbaus
b
|
(73/74)
|
(16/16)
|
1 Tag
|
18 (24,7)
|
0
|
2–3 Tage
|
25 (34,3)
|
4 (25,0)
|
4–6 Tage
|
23 (31,5)
|
8 (50,0)
|
1 bis 2 Wochen
|
3 (4,1)
|
2 (12,5)
|
mehr als 2 Wochen
|
4 (5,5)
|
2 (12,5)
|
Der Aufbau der Corona-Anlaufstelle war aufwendig
a,c
|
(73/74)
|
(16/16)
|
Trifft zu
|
33 (45,2)
|
13 (81,3)
|
Dokumentation
a
|
(74/74)
|
(16/16)
|
Vollständig digital
|
52 (70,3)
|
4 (25)
|
Teilweise digital, teilweise papier-basiert
|
20 (27)
|
11 (68,8)
|
Vollständig papierbasiert
|
2 (2,7)
|
1 (6,2)
|
a Einfachantwort. b Mehrfachantworten.
c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft
zu“ berichtet.
Hinsichtlich der Initiative der Einrichtung und inhaltlichen Unterstützung fallen
Mehrfachnennungen auf. Besonders häufig wurden bei den Corona-Schwerpunktpraxen die
KVBW (n=38, 51,4%; n=41, 59,4%) und die Eigeninitiative
(n=34, 45,9%; n=17, 24,6%) genannt. Bei den Fieberambulanzen
wurden besonders häufig die Ärzteschaft (n=12, 75%;
n=11, 68,8%), die KVBW (n=9, 56,3%; n=10,
62,5%) und das Gesundheitsamt (n=9, 56,3%; n=5, 31,3%)
genannt. Sonstige Organisationen (n=13, 18,8%), die beim Aufbau der
Corona-Schwerpunktpraxen inhaltlich unterstützt haben, waren das Deutsche Rote Kreuz,
die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und die Malteser.
Die Dauer des Aufbaus erfolgte bei einem Großteil der Corona-Anlaufstellen unter 1
Woche (n=80, 88,0%). Dabei war tendenziell der Aufbau der
Corona-Schwerpunktpraxen schneller als bei den Fieberambulanzen. n=33 (45,2%)
der Corona-Schwerpunktpraxen und n=13 (81,3%) der Fieberambulanzen empfanden
den Aufbau als aufwendig.
In den Corona-Schwerpunktpraxen überwog mit n=52 (70,3%) die
vollständig digitale Dokumentation, wohingegen die Mehrheit der Fieberambulanzen
(n=11, 68,8%) sowie die beiden Abstrichstellen teilweise digitale und teilweise
papier-basierte Dokumentation angaben. Angegebene Gründe hierfür waren
Schwierigkeiten mit der IT, dass keine Hard- oder Software zur Verfügung standen oder
hygienische Gründe
Zusammenarbeit an der Schnittstelle Corona-Anlaufstelle
Die Ergebnisse seitens der Corona-Anlaufstellen zu Anmeldung, Rückmeldung,
Standardisierung der Anmeldung/Dokumentation/Rückmeldung und
Zufriedenheit mit der Inanspruchnahme finden sich in [Tab.
4]. Die am häufigsten genannten Anmeldepfade für PatientInnen in den
Corona-Anlaufstellen waren gesteuert und konnte vorwiegend über HausärztInnen
(n=88, 95,7%) und Gesundheitsamt (n=74, 80,4%), aber auch durch
weitere Akteure erfolgen. 18,5% (n=17) der Corona-Anlaufstellen
ermöglichten eine ungesteuerte Behandlung ohne Anmeldung. 27,2% (n=25)
gewährten auch die ungesteuerte Anmeldung durch PatientInnen selbst. Der am
häufigsten genannte Anmeldeweg in den Corona-Anlaufstellen war der telefonische
(n=85, 92,4%). Der am häufigsten genannte Rückmeldeweg
über das Ergebnis der Konsultation war der mündliche an die PatientInnen
(n=65, 77,4%). Ebenfalls in [Tab. 4]
finden sich die Einschätzungen der Hausarztpraxen über den Informationsstand in
Bezug auf die Corona-Anlaufstellen.
Tab. 4 Zusammenarbeit an der Schnittstelle Corona-Anlaufstelle.
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Corona-Anlaufstellen n (%)
|
Die Anmeldung in der Corona-Anlaufstelle kann erfolgen durch
b
(92/92)
|
ohne Anmeldung
|
17 (18,5)
|
Hausarztpraxis
|
88 (95,7)
|
Gesundheitsamt
|
74 (80,4)
|
116 117
|
65 (70,7)
|
Kliniken
|
40 (43,5)
|
ärztlichen Bereitschaftsdienst
|
42 (45,7)
|
Pflegeheime
|
46 (50,0)
|
PatientInnen telefonisch selbst
|
25 (27,2)
|
Die Anmeldung erfolgt per
b
(92/92)
|
Telefon
|
85 (92,4)
|
Fax
|
37 (40,2)
|
E-Mail
|
31 (33,7)
|
Sonstige
|
10 (10,9)
|
Die Rückmeldung erfolgt an/per
b
(84/92)
|
PatientIn mündlich
|
65 (77,4)
|
PatientIn im Papierformat
|
23 (27,4)
|
Zuweisende Hausarztpraxis per Telefon
|
26 (31,0)
|
Zuweisende Hausarztpraxis per Fax
|
47 (56,0)
|
Zuweisende Hausarztpraxis per Mail
|
12 (14,3)
|
Zuweisende Hausarztpraxis durch PatientIn
|
14 (16,7)
|
Sonstige (Kliniken, Gesundheitsamt, keine Rückmeldung)
|
17 (20,2)
|
Es gibt einen standardisierten Anmeldebogen
a,c
(90/92)
|
Trifft zu
|
40 (44,4)
|
Es gibt einen standardisierten Dokumentationsbogen
a,c
(91/92)
|
Trifft zu
|
38 (41,8)
|
Es gibt einen standardisierten Rückmeldebogen
a,c
(90/92)
|
Trifft zu
|
22 (24,4)
|
Die Inanspruchnahme meiner Corona-Anlaufstelle bewerte ich als zufriedenstellend
a,c
(91/92)
|
Trifft zu
|
57 (62,6)
|
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Hausarztpraxen n (%)
|
Über die Standorte der Corona-Anlaufstellen bin ich gut
informiert
a,c
(62/63)
|
Trifft zu
|
54 (87,1)
|
Über die Öffnungszeiten der Corona-Anlaufstellen bin ich gut
informiert
a,c
(62/63)
|
Trifft zu
|
48 (77,4)
|
Über die Abläufe der Corona-Anlaufstellen bin ich gut
informiert
a,c
(62/63)
|
Trifft zu
|
43 (69,4)
|
a Einfachantwort. b Mehrfachantworten.
c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft
zu“ berichtet. d PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter)
COVID-19; PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.
Zukunft und Weiterentwicklung
Die Ergebnisse zur Zukunft und Weiterentwicklung in der Versorgung in Corona-Anlaufstellen
und in Hausarztpraxen finden sich in [Tab. 5]. Aus Sicht
der Corona-Anlaufstellen wurde am häufigsten mit 67,9% (n=53) eine
Steigerung von Informationsangeboten für HausärztInnen und mit 74,4%
(n=58) eine Steigerung von Informationsangeboten für PatientInnen als
Möglichkeiten zur Steigerung der Inanspruchnahme der eigenen Einrichtungen angegeben.
Die Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechende Abrechnungsregelungen
wurde mit
n=34 (43,6%) am wenigsten häufig als Möglichkeit zur Steigerung
der Inanspruchnahme angegeben.
Tab. 5 Zukunft/Weiterentwicklung.
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Corona-Anlaufstellen n (%)
|
Möglichkeiten zur Steigerung der Inanspruchnahme der Corona-Anlaufstelle sind
meines Erachtens
b
(78/92)
|
Informationsangebot für HausärztInnen steigern
|
53 (67,9)
|
Informationsangebot für PatientInnen steigern
|
58 (74,4)
|
Informationsangebot allgemein steigern
|
49 (62,8)
|
Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechend äußere
Regelungen während der Pandemie
|
52 (66,7)
|
Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechende Abrechnungsregelungen
während der Pandemie
|
34 (43,6)
|
Für die kommenden 6 Wochen halte ich den Betrieb meiner Einrichtung dauerhaft
für sinnvoll
a,c
(91/92)
|
Trifft zu
|
65 (71,4)
|
Für die kommenden 6 Wochen halte ich bei starkem Anstieg der
COVID-Fälle den Betrieb meiner Einrichtung für
sinnvoll
a,c
(90/92)
|
Trifft zu
|
87 (96,7)
|
Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)
|
Hausarztpraxen n (%)
|
Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meiner
Praxis telefonisch für sinnvoll
a,c,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
46 (73,0)
|
Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meiner
Praxis per Videosprechstunde für sinnvoll
a,c,d
(62/63)
|
Trifft zu
|
15 (24,2)
|
Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meinen
Praxisräumen für sinnvoll
a,c,d
(63/63)
|
Trifft zu
|
33 (52,4)
|
Für die kommenden 6 Monate halte ich den Betrieb der Corona-Anlaufstellen
dauerhaft für sinnvoll
a,c
(63/63)
|
Trifft zu
|
32 (50,8)
|
Für die kommenden 6 Monate halte ich den Betrieb der Corona-Anlaufstellen bei
starkem Anstieg der Fälle für sinnvoll
a,c
(62/63)
|
Trifft zu
|
51 (82,3)
|
a
Einfachantwort.
b
Mehrfachantworten.
c
Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft zu“
berichtet. PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19;
PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.
Diskussion
In der vorliegenden Arbeit konnten in einer frühzeitigen Momentaufnahme die ambulanten
Strategien und Umsetzungen im primärärztlichen Setting zur Bewältigung
der frühen Phase der COVID-19-Pandemie beschrieben werden: Innerhalb kürzester
Zeit wurden in den meisten Hausarztpraxen Maßnahmen wie Inanspruchnahme von
Corona-Anlaufstellen, verpflichtende telefonische Anmeldung und Versorgung von PatientInnen
mit
leichtem Verlauf bei (vermuteter) COVID-19-Erkrankung rein telefonisch oder per Video
implementiert. Die initial wahrgenommene und aus mehreren Ländern berichtete
Unterversorgung von Nicht-COVID-19-PatientInnen ging bis zum Befragungszeitpunkt deutlich
zurück [13]. Parallel dazu wurden
Corona-Anlaufstellen als neue ambulante Versorgungsformen vorwiegend unter
hausärztlicher Leitung aufgebaut. Ähnliche Ansätze in der
Pandemie-Struktur im primärärztlichen Setting sind in Australien, Neuseeland,
Kanada, den Niederlanden, Großbritannien und den USA jeweils mit unterschiedlichen
Gewichtungen beschrieben [13]. Der Aufwand beim Aufbau der
Corona-Anlaufstellen wird v. a. bei einem Großteil der Fieberambulanzen und bei
fast der Hälfte der Corona-Schwerpunktpraxen als hoch eingeschätzt. Dies deckt
sich mit Ergebnissen aus Schwerpunktpraxen in Berlin [14].
Auch bei HausärztInnen in Deutschland wird die Praxisorganisation als
maßgebliche Herausforderung während der COVID-19-Pandemie genannt [15].
Aus der Vielzahl der beteiligten Akteure in den Corona-Anlaufstellen lässt sich die
Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit vielen Schnittstellen z. B. in Bezug auf
Information und Kommunikation ableiten. Managementlücken taten sich in den
Corona-Anlaufstellen bei der gesteuerten Anmeldung, der standardisierten Dokumentation
und der
Digitalisierung auf. Schon vor Beginn der COVID-19-Pandemie wurde die Performance
des deutschen
Gesundheitssystems im Ländervergleich in das untere Mittelfeld mit guten Leistungen
in
Versorgungsprozessen und Outcomes aber Verbesserungsbedarf in Zugang und administrativer
Effizienz eingeordnet [16].
Die Inanspruchnahme war nur in 62,5% der Corona-Anlaufstellen als zufriedenstellend
angegeben. Häufig genannte Möglichkeiten die Inanspruchnahme zu erhöhen,
war eine Steigerung der Informiertheit der HausärztInnen und PatientInnen. Den Bedarf
an
verlässlichen Informationen seitens der Hausärzteschaft beschreibt auch
Bergmaier [15].
Bezüglich der zukünftigen Versorgung wurde eine große
Heterogenität der Haltung zur Versorgung von PatientInnen mit (vermuteter)
COVID-19-Erkrankung in der eigenen Praxis und der Notwendigkeit des dauerhaften Erhalts
von
Corona-Anlaufstellen festgestellt. Sowohl die Patiententrennung als auch fehlendes
Feedback an
die Entscheidungsträger sind in der Literatur als Herausforderungen im
primärärztlichen Setting beschrieben [17].
In Australien sind eine starke Kommunikation mit den Primärversorgern, Feedbackschleifen
und Online-Schulungen für den primärärztlichen Sektor während
der COVID-19-Pandemie implementiert worden [18].
Einigkeit bestand über die Notwendigkeit des Angebots von Corona-Anlaufstellen bei
starkem Anstieg von COVID-19-Fällen. Vor dem Hintergrund der Dynamik der
COVID-19-Pandemie und mit Blick auf den hohen Aufwand im Aufbau insbesondere der
Fieberambulanzen könnten hierfür Vorlagen für Struktur und Workflows wie
in China und Südkorea hilfreich sein [19]
[20]. Der Wunsch nach Beibehalt der rein telefonischen
Behandlung inklusive Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde auch durch Bergmaier erhoben
[15], die Politik steuerte erst jüngst nach einer
mehrmonatigen Pause dahingehend nach. Warum der Bedarf an Videosprechstunde nur durch
ein
Viertel der antwortenden HausärztInnen bekundet wird, sollte Gegenstand weiterer
Erhebungen sein.
Innerhalb Europas war Deutschland in der „ersten Welle“ eines der
Länder mit den wenigsten Todesfällen bezogen auf die Einwohnerzahl [21]. Die Kapazitätsgrenzen der stationären
Versorgung und Beatmungsplätze wurden nicht erreicht [22]. Die Auswertungen der noch anhaltenden „zweiten Welle“ stehen aus.
Der Zeitpunkt der Umsetzung eines nationalen Pandemieplans sowie das Gelingen der
Mobilisierung
des primärärztlichen Sektors könnten einen Einfluss auf die
Mortalitätsrate haben [23]. Die beschriebenen
Anpassungen im primärärztlichen Setting könnten im Sinne eines
„Schutzwalls“ für Krankenhäuser einen wesentlichen Beitrag dazu
geleistet haben [9].
Limitationen
Der Rücklauf kann als vergleichbar mit anderen Erhebungen in Deutschland im
hausärztlichen Setting beurteilt werden. Dennoch ist aufgrund der niedrigen Anzahl
die
Aussagekraft eingeschränkt und nur eine deskriptive Auswertung möglich.
Über Gründe des niedrigen Rücklaufs der Abstrichstellen (n=2
von 16) kann nur spekuliert werden. Eine Ursache könnte eine erschwerte postalische
Zustellung gewesen sein bei Einrichtung außerhalb bestehender Praxisräume. Ein
Non-Response-Bias kann nicht ausgeschlossen werden. Durch die Vollerhebung bei den
Corona-Anlaufstellen sowie Einbezug aller Land- und Stadtkreise in Baden-Württemberg
dürften die Ergebnisse dennoch einen realistischen regionalen Überblick geben.
Für eine Verallgemeinerung (regional und national) sollten weitere Erhebungen
stattfinden.
Schlussfolgerung
Mit Improvisation und durch das Zusammenspiel mehrerer Akteure gelang in einem Kraftakt
eine
rasche Implementierung von Anpassungen im primärärztlichen Setting
während der frühen Phase der COVID-19-Pandemie. Folgende Anregungen lassen sich
aus den Ergebnissen ableiten: Auf den Aspekt Kommunikation und Austausch an den Schnittstellen
der Corona-Anlaufstellen könnte ein vermehrter Fokus gelegt werden. Gesteuerte
Zugangswege zu Corona-Anlaufstellen sowie vollständig digitale Erhebung und
Standardisierung in der Kommunikation könnten wichtige Impulse zur geregelten Versorgung
von PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung sein. Gleichzeitig könnte dies
der
Grundstein für ein Monitoring während einer Erkrankung sein, zur Datenerhebung
für Forschung im primärärztlichen Setting beitragen und Grundlagen
für ein ambulantes Monitoring der Bedarfe darstellen. Feedbackschleifen könnten
Gründe für heterogene Haltungen, Bedarfe und mögliche umsetzbare
Lösungen erheben. Für die langfristige Pandemieplanung sollten konkrete und
praxistaugliche Empfehlungen in die Pandemiepläne aufgenommen und kommuniziert
werden.