Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(03): 258-266
DOI: 10.1055/a-1389-7949
Übersichtsarbeit

Das gestresste Immunsystem und Autoimmunität

The Stressed Immune System and Autoimmunity
Georg Pongratz
1   Poliklinik, Funktionsbereich und Hiller Forschungszentrum für Rheumatologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Über einen möglichen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress, Immunsystem und Autoimmunität wird schon lange debattiert. Erkenntnisse aus der Grundlagen- und epidemiologischen Forschung, die das Verständnis für diesen komplexen Zusammenhang erhöhen werden in dieser kurzen Übersicht zusammengestellt. Zunächst werden bekannte anatomisch-physiologische Grundlagen für einen Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und Immunsystem dargestellt. Es wird beschrieben, dass die Interaktion zwischen Gehirn über autonomes Nervensystem und Hormonsystem bis zur Immunzelle mit entsprechenden Rezeptoren für Neurotransmitter und Hormone mittlerweile bis auf die molekulare Ebene gut beschrieben ist. Im Rahmen der akuten Stressreaktion treten charakteristische Veränderungen im Immunsystem auf, die ebenfalls gut dokumentiert sind. In einem zweiten Teil wird dann beschrieben welche Veränderungen im Rahmen einer chronischen Stressbelastung am Immunsystem auftreten können und zuletzt wird diskutiert inwiefern diese Veränderungen auch für pathophysiologische Zustände des Immunsystems, z. B. im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, relevant sein könnten. Zusammenfassend führt akuter Stress, im Sinne der optimalen Vorbereitung einer fight&flight Situation, zu einer Steigerung der Immunfunktion v. a. der humoralen Immunität, wohingegen die Auswirkungen von chronischem Stress weniger klar definiert sind und es eher zu einer Immundysregulation mit verminderter basaler Immunfunktion, v. a. der zytotoxischen Funktion aber einer gesteigerten Reaktion nach Aktivierung, v. a. im angeborenen Immunschenkel kommt. Epidemiologische Daten belegen gut, dass chronischer Stress zu einer erhöhten Suzeptibilität für Autoimmunerkrankungen führt. Erste klinische Anwendungen, wie beispielsweise die gezielte neuronale Stimulation des N. vagus sind in Erprobung, für einen breiteren klinischen Einsatz sollten aber die biologischen Netzwerkstrukturen noch besser verstanden werden, um die besten Angriffspunkte zu finden.


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Abstract

A possible Interaction between psychological stress, immune system and autoimmunity has been discussed for a long time. This short review provides evidence from basic and epidemiological research that contributes to a better understanding of these complex interactions. Firstly, known anatomical physiological basic conditions for the interaction between psychological stress and immune system are presented. It will be discussed whether the interaction between the brain, via the autonomic nervous system and the endocrine system, to the individual immune cell bearing the receptors for neurotransmitters and hormones is well characterised down to the molecular level. In the context of an acute stress response, characteristic changes within the immune system are noted, which are also well documented. In a second part, alterations in the immune system are described that may result from chronic stress exposure. Finally, it will be discussed in what way these alterations are also relevant for the development of pathophysiological immune conditions, such as autoimmunity. In conclusion, acute stress supports immune function, especially humoral immunity, to optimally prepare the fight or flight reaction. On the other hand, the effect of chronic stress is less well defined and chronic stress rather leads to Immunodysregulation with decreased basal immune function, especially cytotoxic function, but enhanced responses upon activation, especially of the innate branch. Epidemiological data provides solid evidence that chronic stress exposure leads to increased susceptibility for autoimmune diseases. First clinical applications, e. g. targeted neuronal vagal nerve stimulation, are currently under investigation, However, broader clinical use would require greater understanding of the underlying biological networks, in order to identify the best targets for intervention.


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Einleitung

Bereits vor 40 Jahren wurde beschrieben, dass es in der Milz eine enge anatomische Verbindung gibt zwischen dem sympathischen Nervensystem und Immunzellen [1]. Dieser Befund führte zur Etablierung eines damals neuen Forschungsfeldes der Neuroimmunologie (NI), die sich zur Aufgabe machte den Zusammenhang zwischen Nervensystem und Immunsystem zu untersuchen. Später wurde auch die endokrine Komponente mit in diese Betrachtungen einbezogen, da auch Hormone einen direkten Einfluss auf Immunzellen ausüben können und andererseits auch durch neuronale Komponenten mit gesteuert werden. Es entstand das Feld der NeuroEndokrinoImmunologie (NEI). Ab diesem Punkt ist es auch nicht schwer noch einen weiteren Schritt zu tun und zu versuchen mit einer biologisch-grundlagenorientierten Herangehensweise zu verstehen wie unsere Psyche das Immunsystem beeinflusst (Psychoneuroimmunologie, PNEI). Dabei bietet das Konzept „Stress“ mit seiner Aktivierung der Hypothalamisch-hypophysären-Nebennieren (HHN)-Achse und des sympathischen Nervensystems ein mögliches Modell, um PNEI Zusammenhänge und insbesondere die Auswirkung von Stress auf die Immunfunktion besser zu verstehen. In dieser kurzen Übersicht soll in einem ersten Teil, die anatomische und physiologische Grundlage dargestellt werden, die eine Kommunikation von Gehirn und Nervensystem überhaupt ermöglicht sowie die physiologischen Veränderungen im Immunsystem dargestellt werden, die unter akuten Stressbedingungen auftreten. In einen zweiten Teil wird dann anhand epidemiologischer Daten erörtert welche pathophysiologischen Konsequenzen am Immunsystem zu beobachten sind wenn man chronischen Stresszuständen ausgesetzt ist und schließlich wird diskutiert, inwiefern die durch Stress ausgelösten Alterationen im Immunsystem auch ein Faktor bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen sein können.

Was hat Stress mit Immunsystem zu tun? – Physiologische Grundlagen

Wie oben bereits kurz erwähnt hat die Interaktion zwischen Immunsystem und Nervensystem eine klare anatomische Korrelation, die von der Arbeitsgruppe um D. Felten bereits Anfang der 1980 Jahre beschrieben wurde [1]. Er konnte damals zeigen, dass Tyrosin Hydroxylase (TH), ein wichtiges Enzym im Katecholaminstoffwechsel und ein Marker für sympathische Nervenfasern in sekundär lymphatischen Organen zu finden war [1]. TH+ Nervenfasern waren in enger anatomischer Nachbarschaft zu Immunzellen in der Milz und nachdem auch noch synapsenähnliche Strukturen zwischen Immunzellen und TH+ Nervenfasern elektronenmikroskopisch nachweisbar waren, postulierte die Gruppe als erste eine funktionelle Interaktion zwischen Nervensystem und Immunsystem [2]. Mittlerweile ist die Innervation primärer und sekundärer lymphatischer Organe durch Nervenfasern [3] und die enge Beziehung zwischen Immunzellen und Nervenfasern sehr gut beschrieben. So finden sich z. B. auch in der Haut sogenannte „wired“ antigen presenting cells (wAPC), die von Nervenfasern regelrecht umhüllt sind [4].

Die Bedeutung des Hormonsystems bei der Interaktion mit dem Immunsystem war bereits 40 Jahre zuvor im Zeitraum zwischen 1945–1950 erarbeitet worden und resultierte in der bahnbrechenden Isolation von Compound E (später Kortison) durch Kendall und den ersten klinischen Einsatz bei der rheumatoiden Arthritis durch Hench [5], die beide dafür im Jahr 1950 den Nobelpreis erhielten. Auch der Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und Aktivierung der HHN wurde in diesem Zeitraum bereits beschrieben [6] [7]. Neben der HHN-Achse werden auch viele weitere Hormonsysteme, wie die Produktion von Sexualhormonen, Schilddrüsenhormone oder die Bauchspeicheldrüse durch Stress moduliert und auch diese Hormone sind in der Lage wiederum Immunzellen über entsprechende Rezeptoren direkt in ihrer Funktion zu beeinflussen [8] [9] [10] [11].

Als Voraussetzung für eine Kommunikation zwischen Immunzelle und Nervensystem bzw. Hormonsystem braucht es Neurotransmitter- bzw. Hormonrezeptoren auf bzw. in Immunzellen. Mit als erstes wurden adrenerge Rezeptoren auf Lymphozyten um 1970 beschrieben [12] und Steroidrezeptoren bereits zuvor in Immunzellen [13]. Mittlerweile wurden mittels direktem (Goldstandard: Radio-Ligand Binding assay, funktionell pharmakologisch) oder indirektem (Protein/mRNA) Nachweis Rezeptoren für fast alle Neurotransmitter und Hormone auf und in Immunzellen gefunden [14] [15]. Die Expression der Rezeptoren ist dabei dynamisch zu sehen und das Expressionsmuster, welches für unterschiedliche Immunzellen verschieden ist, ändert sich im Kontext, z. B. je nach Differenzierung oder Aktivierungsgrad. Auch eine Funktionalität dieser Rezeptoren wurde anhand von pharmakologischen Studien für fast alle Immunzellen nachgewiesen [16] [17].

Auf einen akuten Stressreiz, hierzu zählt neben psychologischem Stress übrigens auch Entzündung, reagieren die Systeme immer ähnlich [16] [17] [18]. Es kommt zunächst zu einer Verschiebung des Verhältnisses der Aktivität des autonomen Nervensystems hin zu einem Überhang an sympathischer Aktivität im Verhältnis zur parasympathischen Aktivität und zu einer Ausschüttung von Adrenalin aus der Nebenniere [18] ([Abb. 1a]). Diese Reaktion ist maximal nach ca. 15 Minuten im Plasma der Probanden nachzuvollziehen [18]. Dazu kommt eine Ausschüttung von ACTH aus der Hypophyse mit einem Maximum nach ca. 20 Minuten mit konsekutivem, zeitlich etwas versetztem Anstieg der Kortisolausschüttung mit einem Maximum nach ca. 30 Minuten [18] ([Abb. 1]). Beide Reaktionen dienen der Vorbereitung und Durchführung einer „fight&flight“ Reaktion. Hier finden Veränderungen in der Körperphysiologie statt, die dazu beitragen besser kämpfen bzw. besser fliehen zu können und auch die Konsequenzen, z. B. Verletzungen besser meistern zu können. So wird der Körper optimal auf diese herausfordernde Situation vorbereitet. Die Blutgerinnung funktioniert besser, es passiert eine Vasokonstriktion an den Akren, um bei möglicher Verletzung den Blutverlust zu minimieren, die Sehfähigkeit wird fokussiert, Muskeln werden vorangespannt, es wird leicht verwertbare Energie in Form von Glukose bereitgestellt und auch das Immunsystem wird auf eine mögliche Verletzung und das Eindringen von Fremdantigen vorbereitet [16]. Der sympathische Stimulus unterstützt das Immunsystem und bewirkt eine Mobilisierung von Leukozyten von Gefäßwänden und aus sekundär lymphatischen Organen [16] [19] [20] ([Abb. 1a]). Auch psychologische Faktoren wie Stress oder eine stimulierenden Umgebung können deshalb im Mausmodell direkt die Immunzellzusammensetzung beeinflussen [21]. Zusätzlich wird Energie mobilisiert, da das Immunsystem durch Zellen, die sich teilen müssen und durch die gesteigerte Anforderung an die Proteinsynthese im Schadensfall einen sehr hohen Energiebedarf hat [16] [17] ([Abb. 1]). Weitere Dinge tragen zu einer optimierten Immunreaktion bei, wie der gesteigerte Blut- und Lymphfluss sowie die verbesserte und beschleunigte Antigenpräsentation [17] [22] ([Abb. 1a]). Wenn B-Zellen zum Beispiel bei der Aktivierung dem sympathischen Neurotransmitter Noradrenalin ausgesetzt sind, kommt es zu einer gesteigerten Antikörperproduktion [23]. Dabei sind selbst die molekularen Mechanismen, die dieses neuronale Signal in eine funktionelle Antwort der B-Zelle umsetzen recht detailliert bekannt [23] [24]. Auch in einem allgemeineren Kontext konnte eine klare Beeinflussbarkeit von Immunzellen durch akuten physiologischen Stress bis auf die molekulare Ebene nachvollzogen werden [18]. Dabei konnte man zeigen, dass bei Probanden, die als Modell für eine akute Stressreaktion einem Trier Social Stress Test (TSST) unterzogen wurden, bereits 10 Minuten nach Beginn im peripheren Blut Zellen nachweisbar waren, die eine über das dreifach erhöhte Nuclear Factor Kappa B (NFkB) Aktivität aufwiesen. Der NFkB ist ein Transkriptionsfaktor, der die Produktion vieler proinflammatorischer Mediatoren unterstützt. Die Autoren dieser Arbeit konnten auch zeigen, dass der sympathische Neurotransmitter Noradrenalin über die Bindung an alpha- und beta-Rezeptoren zu dieser erhöhten Aktivität des NFkB in peripheren Blutzellen nach akutem psychologischem Stress beitragen kann [18] ([Abb. 1a]).

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Abb. 1 Schematische Darstellung zum Einfluss von akutem a und chronischem b Stress auf die Immunfunktion. a Unter einem akuten Stressreiz kommt es zu einer kurz andauernden fight&flight Reaktion mit Aktivierung der Hormonachsen, hier repräsentiert durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse (HHN) mit dem Hauptvertreter Kortisol und der Aktivierung des sympathischen Nervensystems mit den Hauptvertretern Noradrenalin und Adrenalin. Die Aktivierung der Stressachse unterstützt auf systemischer Ebene das Immunsystem durch unspezifische Mechanismen, wie Erhöhung des Blutdrucks und Herzzeitvolumens, Bereitstellung von Energie aus Leber und Fettgewebe, erhöhten Lymphfluss und Mobilisierung von Leukozyten. Über adrenerge Rezeptoren modulieren sympathische Neurotransmitter auch direkt Immunzellen. Insgesamt resultiert eine gezielte Steigerung der Immunfunktion, v. a. des humoralen Schenkels. Nach beenden des Stressreizes fällt die Immunfunktion in die „gesunde“ Homöostase zurück. b In der chronischen Stresssituation bleiben die Stressachsen dauerhaft aktiviert, dies führt zur Insulinresistenz, Dyslipidämie, erhöhtem Blutdruck mit der Folge von Schaden, z. B. an Gefäßen und erhöhtem Kardiovaskulärem Risiko. Auch am Immunsystem stellt sich eine dauerhafte „pathologische“ Homöostase ein. Es kommt zu einer Dysregulation mit verminderter Immunzellfunktion einschließlich regulatorischer Zellen. Man beobachtet auch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Aktivierung mit z. B. überschießender IL-6 Produktion. Das dysregulierte Immunsystem begünstigt die Entstehung von Infektionen, Malignomen oder Autoimmunität zusammen mit weiteren prädestinierenden Faktoren. ACTH, Adrenocorticotropes Hormon, IL-2, Interleukin 2; IL-6, Interleukin 6; NFkB, nuclear factor kappa B; SNS, sympathisches Nervensystem; Treg, T regulatorische Zelle.

Neben diesem Zusammenhang zwischen psychologischen Stress – sympathischem Nervensystem – adrenergen Rezeptoren auf Immunzellen – vermehrter Bindung von NFkB und Produktion proinflammatorischer Zytokine ist ein weiterer Weg beschrieben, wie Stress zu einer Immunaktivierung führen kann. Dieser Mechanismus wird v. a. im Bereich der Depressions- und Angstforschung diskutiert [25]. Dort wird ein enger Zusammenhang zwischen der Aktivierung von Mikroglia im Gehirn und der Entstehung von depressivem Verhalten vermutet [25] [26]. Ein entscheidender Faktor bei der Aktivierung von Mikroglia ist das Zytokin Interleukin-1 (IL-1), welches über die Proteolyse aus einer Vorstufe mithilfe des sogenannten Nod-like receptor pyrin containing 3 inflammasome (NLRP3) hergestellt wird [26]. Mehrere Mechanismen werden diskutiert, wie es durch psychologischen Stress zu einer Aktivierung des NLRP3 im Gehirn kommen kann. Eine interessante Spur bieten Mäuse, bei denen sogenannte Toll like Rezeptoren (TLR) fehlen. Diese TLRs sind normalerweise dafür da, Gefahrensignale aus der Umwelt wahrzunehmen, z. B. Lipopolysaccharide, wie sie in der Wand gram-positiver Bakterien vorkommen oder virale RNA Moleküle. Werden Mäuse, denen TLR2/4 fehlt, wiederholt Stresssituationen ausgesetzt, zeigen sich diese resilient im Vergleich zu Kontrollmäusen [27]. Die Autoren vermuten, dass durch psychologischen Stress Gefahrensignale, z. B. S100 Proteine aus Neuronen freigesetzt werden können, was dann eine direkte Aktivierung der angeborenen Immunität, z. B. Mikrogliazellen, über TLR2/4 bedingt, was dann wiederum über die Produktion und Freisetzung von proentzündlichen Mediatoren, z. B. IL-1 zu entsprechenden psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen beitragen könnte. Ob entsprechende Mechanismen der Aktivierung von Immunzellen über TLRs durch psychologischen Stress auch in der Peripherie stattfinden könnte ist nicht geklärt.

Zusammenfassend, kann psychologischer Stress über mehrere Mechanismen (z. B. Ausschüttung von Neurotransmittern und Hormonen oder Anstoßen der Produktion von endogenen Gefahrensignalen) dazu führen, dass Immunzellen und damit Entzündung moduliert wird ([Abb. 1a]).


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Ist Stress gut oder schlecht für das Immunsystem?

Eine mögliche Unterscheidung kann zwischen akutem und chronischem Stress gemacht werden, aber auch weitere Faktoren, wie Vorhersagbarkeit sind wichtig für die (patho)physiologische Reaktion auf das Stressereignis.

Kurz andauernder, akuter Stress ist für den Körper mehr oder weniger „normal“ und auch für das Immunsystem kein großes Problem ([Abb. 1a]). Beispielsweise werden auch während sportlicher Aktivität die Stressachsen kurzzeitig aktiviert, was jedoch einen günstigen Gesamteffekt erzielt [28] [29]. Die kurzeitige Aktivierung der beschriebenen Systeme kann kompensiert werden und das Immunsystem fällt nach beenden des Stressors normalerweise wieder in seinen Ausgangszustand zurück [18] [30] [31] ([Abb. 1]). In einer umfassenden Metaanalyse wurden charakteristische Veränderungen im Immunsystem durch Stress in ansonsten gesunden Probanden herausgearbeitet. Die Schwierigkeit bei dieser Art der Analyse ist, dass Studien mit unterschiedlichen Stressoren und experimentellem Setup zusammengenommen werden und es stellt sich die Frage nach der Vergleichbarkeit. Die Analyse zeigte für akute Stressreize, über mehrere Studien gemittelt, einen Anstieg der Leukozyten, v. a. der Neutrophilen, der zytotoxischen T-Zellen und der NK Zellen und deren Funktion [32], was gut über die erhöhte sympathische Aktivität mit Mobilisierung von Immunzellen erklärbar ist ([Abb. 1a]). Außerdem wurde ein Anstieg von Interleukin-6 (IL-6) und eine Inhibition der stimulierten Lymphozytenproliferation beschrieben [32] ([Abb. 1]). Der IL-6 Anstieg ist ebenfalls über die beschriebene Aktivierung von NFkB durch den sympathischen Neurotransmitter Noradrenalin erklärbar. Problematisch wird es, wenn der Stressor persistiert oder unberechenbar, wiederholt auftritt, denn in diesem Fall ist auch das Immunsystem mit einer kontinuierlichen bzw. „willkürlichen“ Exposition gegenüber modulierenden Mediatoren, z. B. Neurotransmittern konfrontiert [33] [34] ([Abb. 1b]). Es ist kontrovers, ob bei chronischer Aktivierung der Stressachse das normalerweise anti-inflammatorisch wirkende Kortisol aus der Nebenniere zunehmend an Einfluss verliert. Man könnte sich entsprechende Mechanismen vorstellen, da es aufgrund der dauerhaften Belastung der Nebenniere zu einer zunehmenden Depletion von Kortisolvorstufen kommen könnte, resultierend in einer inadäquaten Kortisolproduktion oder auch eine Desensibilisierung des Glukokortikoid Rezeptors auftreten könnte [35]. Die Folge wäre ein relativer Hypokortisolismus. Klinisch kursiert in diesem Zusammenhang der Begriff „Adrenal Fatigue“, systematische Analyse von Daten zum burnout syndrom und Fatigue zeigen aber keine Veränderung in der Funktionalität der HPA Achse [36].

Unter chronischen Stressbedingungen zeigte sich in der oben erwähnten Metaanalyse eine verminderte NK Zell Funktion, verminderte stimulierte Lymphozytenproliferation und verminderte Interleukin-2 Produktion [32], welche v. a. auch für die normale Funktion von regulatorischen T-Zellen wichtig ist. Die Veränderungen wären über eine vermehrte Aktivität der HHN Achse mit in der Summe immunsuppressiver Wirkung über Steroide erklärbar. Daten die diesen Zusammenhang klar belegen gibt es nicht, es zeigt sich aber in Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), als Modell für chronischen Stress, dass je nach Schweregrad, Cortisol Spiegel auch über längere Zeit erhöht gemessen werden können [37] [38].

Zusammenfassend scheint akuter, „physiologischer“ Stress die Immunfunktion zu fördern ([Abb. 1a]). Es wird diskutiert, dass vor allem die TH2 Antwort und damit v. a. die humorale B-Zell Antwort, durch akuten Stress gefördert wird wohingegen TH1 Zytokine wie TNF oder IFN-γ gehemmt werden [39] ([Abb. 1a]). Chronischer Stress dagegen führt eher zu einer verringerten zytotoxischen Reaktion und weniger Unterstützung der T-Zell Funktion durch Inhibition von IL-2 ([Abb. 1b]). Ob dies aufgrund einer vermehrten Aktivität der HPA Achse beruht ist nicht klar gezeigt, aber eine mögliche Erklärung. Die Dysregulation des Immunsystems persistiert in der chronischen Stresssituation mit negativen Folgen ([Abb. 1b]).

Da v. a. die zytotoxische Immunkomponente wichtig für die Kontrolle maligner Prozesse und bei der Abwehr v. a. viraler Infekte ist, bieten diese Veränderungen eine mögliche Erklärung für die erhöhte Rate an Malignomen, die erhöhte Infektanfälligkeit oder auch das schlechtere Ansprechen auf eine Impfung unter chronischem Stress [40] [41] [42] [43] [44]. Interessanterweise reagieren aber gesunde Probanden ebenfalls mit einer verminderten Impfantwort auf ein Neoantigen, wenn man deren Stresslevel aktiv durch gezielte Intervention (mindfulness-based stress reduction, MBSR) senkt [45]. Daher ist bezüglich einer optimalen Impfantwort wohl weder zu viel aber auch zu wenig Stress ungünstig. In der NEI Grundlagenforschung findet man sehr häufig Reaktionsmuster in Form sogenannter Glockenkurven, was das molekulare Gegenstück zu dieser Beobachtung darstellt. Es kommt damit, auch im Hinblick auf mögliche zukünftige PNEI Interventionen mehr auf ein optimales Gleichgewicht der Systeme als auf absolute Änderungen an. Das Verständnis der komplexen Zusammenhänge ist aber aktuell noch nicht ausreichend um hier klare Strategien vorzugeben.

Als ein Modellsystem für chronischen psychologischen Stress können pflegende Angehörige („Caregiver“) betrachtet werden. Sie weisen durch die dauernde psychische und physische Belastung im Rahmen ihrer Pflegeveranwortung ein deutlich dauerhaft erhöhtes Stressniveau im Vergleich zu Kontrollpersonen auf [46]. Ein gut untersuchtes Zytokin, welches wahrscheinlich aufgrund seiner guten Messbarkeit und Stabilität im Serum, aber auch weil es in vielen Untersuchungen zur neuroimmunen Interaktion als gut modulierbar aufgefallen ist heraussticht, ist das IL-6 als Surrogatmarker für die Aktivität des angeborenen Immunsystems. Untersucht man bei Caregivern Parameter des Immunsystems, sieht man Veränderungen zur Kontrollgruppe. So steigt der Spiegel von Interleukin-6 in Modellrechnungen bei Caregivern schneller im Verlauf des Lebens an, als dies bei Kontrollpersonen der Fall ist [47]. Untersucht man Caregiver Monozyten stellt man außerdem eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber einem aktivierenden LPS Stimulus, sowie eine abgeschwächte anti-entzündliche Wirkung von Kortisol fest [46]. Dies unterstützt nun doch die oben bereits kurz diskutierte Hypothese, dass chronische Aktivierung der HPA Achse die Sensitivität der Immunzellen gegenüber Kortisol verringert. Auch die Wirkung eines akuten Stressreizes scheint durch eine chronische Stresssituation modulierbar – das System wird empfindlicher und pro-entzündliche Reaktionen verstärkt ([Abb. 1b]). So sieht man unter akuten Stressbedingen im Rahmen des TSST, eine Steigerung der IL-6 Spiegel innerhalb von 2 Stunden im Serum [48]. Die IL-6 Produktion lässt sich aber deutlich mehr steigern, wenn Probanden untersucht werden, die ihren sozialen Status eher niedrig einschätzen, was mit einer chronisch vermehrten Stressexposition einhergeht [48].

Nicht jeder Mensch reagiert auf Stress gleich wofür es viele psychologische Gründe, z. B. unterschiedliche Coping Strategien gibt. Interessanterweise gibt es aber gerade bezüglich der Interaktion Stress-Immunsystem auch genetische Varianten, welche die Responsivität des Immunsystems auf einen Stressreiz hin modulieren. So weist der Promotor des Interleukin-6 Gens nach Stimulation von Makrophagen mit dem adrenergen Neurotransmitter Noradrenalin unterschiedlich starke Aktivität auf, je nachdem, ob an einer bestimmten Stelle im Promotor die Base Guanin oder Cytosin vorkommt [49]. Das heißt, auch das Immunsystem kann individuell unterschiedlich auf Stressreize reagieren, was auch die Heterogenität mancher PNEI Befunde mit erklärt.

Dass chronischer Stress nicht immer negative Auswirkungen haben muss zeigt sich im Mausmodell zur Depression bzw. zum sickness behaviour. Hier wird LPS verwendet, um depressions-ähnliches Verhalten zu induzieren, was dann ausgewertet werden kann. Interessanterweise zeigen Mäuse deutlich geringere Krankheitssymptome, wenn sie einem vorhersagbaren, milden, aber dennoch chronischen Stressor ausgesetzt werden im Vergleich zu nicht gestressten Mäusen [50]. Als entscheidend betrachten die Autoren für diese Beobachtung die Vorhersagbarkeit des Stressereignisses [50].

Zusammenfassend kristallisieren sich einige Dinge heraus, die folgende hypothetische Situation beschreiben: Körpersysteme, wie das autonome Nervensystem und das Hormonsystem werden direkt durch psychologischen Stress beeinflusst ([Abb. 1]). Dies führt zu einer weiteren Beeinflussung anderer Körpersysteme, wie dem Immunsystem. Bei kurz andauernder Auslenkung der Systeme schwingt das Gesamtsystem in einen homöostatischen, gesunden Zustand zurück ([Abb. 1a]). Findet die Auslenkung dauerhaft statt, wie das unter chronischen Stressbedingungen der Fall ist, kommt es zu permanenteren Veränderungen ([Abb. 1b]). Am Immunsystem führt kurzer, akuter Stress meist zu einer Verstärkung der aktuell nötigen Immunantwort und zwar im Bereich Antigenpräsentation, der zytotoxischen Funktion und der humoralen Immunantwort ([Abb. 1a]). Chronischer Stress scheint die Immunfunktion eher zu hemmen, die Empfindlichkeit der Antwort auf einen aktivierenden Stimulus nimmt aber zu ([Abb. 1b]). Die Ursachen für die Alteration im Immunsystem unter chronischem Stress sind aber weniger klar definiert als in der akuten Stresssituation.


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Was hat Stress mit Autoimmunität zu tun?

An diesem Punkt stellt sich die Frage nach Evidenz für eine stressbedingte Entstehung oder Beeinflussung des Verlaufs immunologisch vermittelter Erkrankungen, wie den Autoimmunerkrankungen. Autoimmunerkrankungen sind bis auf wenige klar definierte monogenetische Varianten multifaktoriell bedingt. Man geht davon aus, dass Umweltfaktoren, wie bspw. Infekte oder Rauchen auf dem passenden genetischen Hintergrund, die Erkrankungen auslösen können. Auch Stress kann in diesem Sinne als „Umweltfaktor“ diskutiert werden, da eine direkte Beeinflussung des Immunsystems stattfindet und damit ein Eingriff in die Immunhomöostase [39] ([Abb. 1b]).

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine systemische Autoimmunerkrankung, die sich in erster Linie durch chronische Gelenkentzündung und -zerstörung manifestiert. Dabei weist die RA die höchste Prävalenz aus dem entzündlich-rheumatischen Formenkreis auf. Erste Untersuchungen, zum Thema der möglichen Beeinflussung psychologischer Faktoren auf die RA stammen bereits aus den 60er Jahren [51]. Die Autoren werteten psychologische Daten von mehreren Zwillingspaaren aus, von denen jeweils nur ein Zwilling an einer RA erkrankt war. Bei den am besten mit Daten unterlegten fünf erwachsenen Zwillingspaaren, zeigte sich in vier eine Stressepisode in zeitlicher Assoziation mit dem Erkrankungsausbruch, was die Autoren als Indiz für einen möglichen kausalen Zusammenhang werteten [51]. Weitere Beobachtungen, die diese Hypothese stützten wurden bei der Analyse von Daten zur juvenilen Arthritis gemacht. Kinder mit juveniler Arthritis stammten im Vergleich zu gesunden Kontrollen überzufällig häufig aus sozialen Verhältnissen, die eine psychische Belastung wahrscheinlicher machen [52]. In einer monozentrischen kanadischen Studie wurden ebenfalls Kinder mit der juvenilen Form einer RA bezüglich Unterschieden in der Exposition potentiell chronischer psychischer Belastung im Vergleich zu gesunden Kontrollen untersucht. Es zeigte sich ein durch schwere Verluste (OR 4,81), chronisch kranke Angehörige (OR 2,29) oder geschiedene Eltern (OR 1,96) jeweils signifikant gesteigertes Risiko an einer juvenilen Arthritis zu leiden [53].

Wie oben bereits kurz erwähnt, zeigen Patienten mit post-traumatischer Belastungsstörung (PTBS) Veränderungen im Gehirn [54] und in der Funktion des autonomen Nervensystems sowie des Hormonsystems, die einer chronischen Stresssituation entsprechen [37] [38] [55]. PTBS kann deshalb auch als Modell für Veränderungen im Immunsystem bzw. zur Untersuchung von Erkrankungen unter chronischem Stress herangezogen werden. In einer großen Beobachtungsstudie, der Nurses Health Study II wurde der Gesundheitszustand der Teilnehmerinnen umfassend protokolliert und für über 50 000 Probandinnen lagen Angaben zum Schweregrad einer PTSB und Angaben zum Bestehen einer Autoimmunerkrankung vor. In der Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass unabhängig von Alter, Ethnizität, sozioökonomischem Status und Raucherstatus, das Risiko eine RA zu entwickeln mit der Anzahl der Symptome im Rahmen der PTBS linear auf das ca. 1,8 fache ansteigt [56]. In einer ähnlichen Auswertung, ebenfalls aus dem Datensatz der Nurses Health Study II, zeigte sich auch das Risiko für die Entwicklung eines systemischen Lupus erythematodes (SLE) je nach Anzahl der PTBS Symptome deutlich erhöht [57]. Dass das Risiko der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung über die Diagnosen hinweg erhöht ist, bestätigte sich auch in Daten von Kriegsveteranen. Die adjustierte odds ratio für die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung in diesem Kollektiv war bei Vorliegen einer PTBS um das 3,3 fache erhöht (95% KI: 2,0–5,7) im Vergleich zu nicht an PTBS erkrankten Veteranen [58]. Eine der umfangreichsten epidemiologischen Untersuchungen zum Thema Stress und Autoimmunität wurde 2018 von einer schwedischen Arbeitsgruppe veröffentlicht [59]. Die Autoren hatten Gesundheitsdaten von über sieben Millionen Menschen im Zeitraum 1981–2013 analysiert. Sie untersuchten Patienten mit Stress-assoziierten Erkrankungen, wie PTBS und verglichen diese zum einen mit über einer Million gemachten Kontrollen, zum anderen mit über 100 000 Vollgeschwistern bzgl. der kumulativen Inzidenz für eine Autoimmunerkrankung. Es zeigte sich sowohl im Vergleich mit den gemachten Kontrollen, als auch im Vergleich zu den Vollgeschwistern ein deutlich höheres Risiko für das Auftreten von 21 der 34 untersuchten Autoimmunerkrankungen in der Stress-assoziierten Gruppe [59].

Neben diesen epidemiologischen Beobachtungen gibt es auch Untersuchungen im Tiermodell, die eine förderliche Rolle der Stressachse für die Entstehung von Autoimmunität zeigen. So konnte im Mausmodell der Kollagen-induzierten Arthritis gezeigt werden, dass ohne ein intaktes sympathisches Nervensystem eine Autoimmunarthritis nur deutlich abgeschwächt ausgelöst werden kann [60] [61]. Auch Immunisierungen bei Mäusen sind deutlich weniger effektiv, wenn sympathische Neurotransmitter vor Antigenexposition depletiert werden [62]. Andererseits führt aber auch ein wiederholter Stressor im Rattenmodell der Arthritis zu einer verminderten Suszeptibilität bzw. weniger Krankheitsaktivität bei der Modellarthritis [63] [64] [65]. Auch mit diesen Befunden wird die Hypothese gestützt, dass sowohl zuviel, als auch zu wenig Aktivität der Stressachsen zu einer Dysregulation des Immunsystems führen kann. Wie sich diese letztendlich auf die Entwicklung und/oder Schwere einer immunologisch vermittelten Erkrankung auswirkt kann von weiteren Faktoren abhängen. Es spielt beispielsweise die zeitliche Relation von Antigenexposition und Stressor eine Rolle. So konnte ebenfalls im Mausmodell der Arthritis gezeigt werden, dass je nach Krankheitsstadium sympathische Neurotransmitter eine pro- bzw. anti-entzündliche Wirkung haben können [61].


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Zusammenfassung und Ausblick

Für den Zusammenhang zwischen psychologischem Stress und der Modulation der Immunfunktion gibt es ein klares anatomisch-physiologisches Korrelat ([Abb. 1]). Das sympathische Nervensystem und die HHN-Achse reagieren auf einen Stressreiz mit einer Änderung ihrer Aktivität und sind andererseits eng eingebunden in die Steuerung der Immunfunktion, da Immunzellen mit Rezeptoren für Neurotransmitter und Hormone ausgestattet sind und auch enge, synapsenähnliche Beziehungen zwischen sympathischen Nervenendigungen und Immunzellen bestehen ([Abb. 1]). Tritt ein akuter Stressreiz auf, führt dies zu einer ebenfalls kurz andauernden Ausschüttung von Katecholaminen und Stresshormonen und dient in der akuten Situation der Vorbereitung für ein fight&flight Ereignis ([Abb. 1a]). Hierunter fällt auch die optimale Vorbereitung des Immunsystems auf das potentielle Eindringen fremder Antigene. Durch Katecholamine und Stresshormone wird der Blut- und Lymphfluss erhöht, die Antigenpräsentation optimiert, Leukozyten mobilisiert und Energie für das Immunsystem bereitgestellt ([Abb. 1a]). Man findet eine Steigerung der Produktion von Interleukin-6 als Ausdruck gesteigerter Funktion im angeborenen Immunschenkel und auch eine Förderung der Antikörperproduktion als Ausdruck gesteigerter adaptiver Immunfunktion ([Abb. 1a]). Nach überstandener Gefahrensituation fällt das System in seinen Ausganszustand zurück und die Homöostase im gesunden Zustand ist wiederhergestellt ([Abb. 1a]). Bleibt der Stressor jedoch bestehen oder kommt es zu Stress in willkürlichen Abständen über längere Zeit, können die Systeme nicht zu ihrem „gesunden“ Ausgangszustand zurückkehren ([Abb. 1b]). Diese Situation ist weniger gut definiert. Dies liegt zum einen daran, dass es sehr viele verschiedene Arten von chronischem Stress gibt auf denen die Analysen beruhen und die dazu gehörigen Veränderungen der Körpersysteme nicht so klar definiert sind wie in der akuten Stresssituation. So wird immer noch debattiert darüber, wie die HHN-Achse auf chronischen Stress reagiert. Diskutiert wird eine inadäquate Produktion von Kortisol, eine verringerte Empfindlichkeit auf Kortisol oder eine Depletion von Kortisol. Dagegen stehen Untersuchungen die keine Dysfunktion der HHN-Achse unter chronischen Stressbedingungen aufzeigen konnten. Auch für die Immunfunktion sind verschiedene Veränderungen unter chronischen Stressbedingungen beschrieben ([Abb. 1b]). Ein konstanter Befund scheint, dass die Immunfunktion in diesen Situationen global eher gehemmt ist, was man anhand von Studien belegen kann, die eine erhöhte Infektanfälligkeit, ein erhöhtes Malignomrisiko und ein schlechteres Ansprechen auf Impfungen zeigen können. Allerdings ist die Empfindlichkeit auf einen Aktivierungsstimulus, zumindest einelner Immunzellen, wie Monozyten erhöht und diese reagieren mit einer vermehrten Produktion pro-entzündlicher Mediatoren, wie IL-6 ([Abb. 1b]). Das Gesamtsystem ist unter chronischen Stressbedingungen also in einer „pathologischen“ Homöostase ([Abb. 1b]). Die Auswirkungen auf die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen sind vor allem anhand epidemiologischer Daten belegt, die im Wesentlichen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen unter chronischen Stressoren dokumentieren. Dies ist auf den ersten Blick kontraintuitiv, da einerseits die Immunfunktion gehemmt, andererseits aber Autoimmunerkrankungen gefördert werden können. Im Endeffekt ist es aber wahrscheinlich Ausdruck dessen, dass sich die Körpersysteme unter chronischen Stressbedingungen in einer „pathologischen“ Homöostase befinden, die zu einer Dysregulation im Immunsystem führt ([Abb. 1b]). Um diese Erkenntnisse letztendlich in klinische Anwendungen umzusetzen müssen die komplexen Netzwerkstrukturen noch besser definiert werden und dadurch mögliche Interventionspunkte herausgearbeitet werden, die es ermöglichen die Systeme wieder in eine „gesunde“ Homöostase zu bringen. Zur Erreichung dieses Ziel können auch moderne biomathemathische Methoden beitragen, die dies über Simulation der komplexen Zusammenhänge erreichen können [66]. Es gibt aber bereits erste klinische Ansätze, die sich die Erkenntnisse der NEI Forschung zunutze machen indem, bspw. über gezielte neuronale Stimulation des N. vagus versucht wird die Balance zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivität wiederherzustellen [67] [68] [69] [70]. Auch mindfulness-based Interventionen bei rheumatoider Arthritis als supportive Therapie wird diskutiert, die Evidenzgrundlage ist jedoch zu schwach, um belastbare Aussagen zur Beeinflussbarkeit der Entzündung in diesem Kontext zu machen [71].


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass bezüglich der Inhalte dieser Arbeit, keine Interessenskonflikte bestehen.

Danksagung

Herzlichen Dank an die Hiller Stiftung für die kontinuierliche Unterstützung der rheumatologischen Forschung in Düsseldorf. Diese Arbeit wurde von der DFG unterstützt (PO 801/8-1).

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Georg Pongratz
Poliklinik, Funktionsbereich und Hiller
Forschungszentrum für Rheumatologie
Universitätsklinikum Düsseldorf
Moorenstraße 5
40225 Düsseldorf
Deutschland   
Phone: 0211 81 06129   
Fax: 0211 81 06153   

Publication History

Article published online:
29 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Schematische Darstellung zum Einfluss von akutem a und chronischem b Stress auf die Immunfunktion. a Unter einem akuten Stressreiz kommt es zu einer kurz andauernden fight&flight Reaktion mit Aktivierung der Hormonachsen, hier repräsentiert durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse (HHN) mit dem Hauptvertreter Kortisol und der Aktivierung des sympathischen Nervensystems mit den Hauptvertretern Noradrenalin und Adrenalin. Die Aktivierung der Stressachse unterstützt auf systemischer Ebene das Immunsystem durch unspezifische Mechanismen, wie Erhöhung des Blutdrucks und Herzzeitvolumens, Bereitstellung von Energie aus Leber und Fettgewebe, erhöhten Lymphfluss und Mobilisierung von Leukozyten. Über adrenerge Rezeptoren modulieren sympathische Neurotransmitter auch direkt Immunzellen. Insgesamt resultiert eine gezielte Steigerung der Immunfunktion, v. a. des humoralen Schenkels. Nach beenden des Stressreizes fällt die Immunfunktion in die „gesunde“ Homöostase zurück. b In der chronischen Stresssituation bleiben die Stressachsen dauerhaft aktiviert, dies führt zur Insulinresistenz, Dyslipidämie, erhöhtem Blutdruck mit der Folge von Schaden, z. B. an Gefäßen und erhöhtem Kardiovaskulärem Risiko. Auch am Immunsystem stellt sich eine dauerhafte „pathologische“ Homöostase ein. Es kommt zu einer Dysregulation mit verminderter Immunzellfunktion einschließlich regulatorischer Zellen. Man beobachtet auch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Aktivierung mit z. B. überschießender IL-6 Produktion. Das dysregulierte Immunsystem begünstigt die Entstehung von Infektionen, Malignomen oder Autoimmunität zusammen mit weiteren prädestinierenden Faktoren. ACTH, Adrenocorticotropes Hormon, IL-2, Interleukin 2; IL-6, Interleukin 6; NFkB, nuclear factor kappa B; SNS, sympathisches Nervensystem; Treg, T regulatorische Zelle.