Nervenheilkunde 2021; 40(07): 569-571
DOI: 10.1055/a-1389-6915
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

 

Gefäß-Nerven-Kontakt bei SUNCT/SUNA häufig vorhanden

**** Lambru G, Rantell K, O’Connor E, et al. Trigeminal neurovascular contact in SUNCT and SUNA: a cross-sectional magnetic resonance study. Brain 2020; 143; 3619–3628

Zusammenfassung

Die Ähnlichkeit der klinischen Präsentation von SUNCT (short lasting unilateral neuralgiform headache attacks with conjunctival injection and tearing) bzw. SUNA (short lasting unilateral neuralgiform attacks with cranial autonomic symptoms) und einer klassischen Trigeminusneuralgie sowie die Tatsache, dass beide Erkrankungen häufig auf die gleichen Medikamente ansprechen, hat die Autoren dazu veranlasst, weitere Gemeinsamkeiten zwischen diesen Erkrankungen zu suchen. Es wurden 159 Patienten mit SUNCT (n = 80)/SUNA (n = 79) MR-tomografisch untersucht, um einen Gefäß-Nerven- Kontakt zu finden. Es wurden 165 symptomatische und 153 asymptomatische Trigeminusnerven untersucht, wobei der symptomatische Nerv mit der Seite der Schmerzattacken gleichgesetzt wurde. Der Anteil eines nachgewiesenen Gefäß-Nerven- Kontaktes war mit 80 % auf der symptomatischen Seite deutlich höher als auf der asymptomatischen Seite mit nur 56,9 % und morphologische Schäden waren häufiger auf der symptomatischen Seite (61,4 %) als auf der asymptomatischen Seite (31 %) nachweisbar. Der Gefäß-Nerven-Kontakt war zu 95 % durch eine Arterie verursacht. Rein radiologisch betrachtet bestand bei Patienten mit einem sichtbaren Gefäß-Nerven- Kontakt und nachweisbaren morphologischen Schäden am Nerven ein 2,8-mal höheres Risiko SUNCT/SUNA auf der entsprechenden Seite zu haben (OR: 2,8, 95 % CI 1,44–5,44; p = 0,002). Einen Unterschied zwischen SUNCT und SUNA konnte in diesem Zusammenhang nicht gefunden werden. Es konnte aber klar festgestellt werden, dass die Pathophysiologie von SUNCT/SUNA und Trigeminusneuralgie große Überschneidungen zeigt und die weitere Untersuchung dieser Gemeinsamkeiten in Zukunft wohl möglich zu einem besseren Verständnis beider Erkrankungen führen könnte.


#

Kommentar

Die Studie hat eine beeindruckend große Anzahl an SUNCT/SUNA-Patienten zusammengetragen und diese systematisch MR-tomografisch untersucht und die von vielen Kollegen in diesem Bereich schon lange vermuteten Gemeinsamkeiten zwischen SUNCT/SUNA und der klassischen Trigeminusneuralgie pathophysiologisch untermauert. Nicht nur die Häufigkeit eines „normalen“ Gefäß-Nerven-Kontaktes wurde hier beschrieben, sondern auch eine erhöhte Häufigkeit von morphologisch nachweisbaren Nervenveränderungen auf der betroffenen Seite von SUNCT/SUNA-Patienten konnte gezeigt werden, ähnlich wie dies vor einigen Jahren bei der Trigeminusneuralgie dargestellt werden konnte. Für die weitere Forschung bietet dies interessante neue Perspektiven, um das trigeminale schmerzverarbeitende System besser zu verstehen. Auch von der klinischen Seite kann eine Rechtfertigung aus dieser Studie gezogen werden, die klassischen Medikamente zur Behandlung der Trigeminusneuralgie wie Carbamazepin oder Oxcarbazepin auch konsequent und mit fundiertem, wenn auch noch theoretischem Hintergrundwissen einzusetzen. Ganz nebenbei rechtfertigen die Ergebnisse dieser Studie nicht zuletzt die Unterscheidung von SUNCT und SUNA zu beenden.

Mark Obermann, Höxter


#
#

Indometacin für die prophylaktische Behandlung von chronischem Clusterkopfschmerz?

*Monta A, Redon S, Fabre C, et al. A retrospective observation on 105 patients with chronic cluster headache receiving indomethacin. Neurological Sciences 2021. doi: 10.1007/s10072-021-05114-4

Die Wirksamkeit von Indometacin beim Clusterkopfschmerz bleibt unklar.

Hintergrund

Zwar wird davon ausgegangen, dass Indometacin keine Wirkung beim Clusterkopfschmerz zeigt, dennoch gibt es Fallberichte, die eine Wirksamkeit beschreiben [1], [2]. Suggestiv ist auch die klinische und pathophysiologische Ähnlichkeit zu den Indometacin- sensitiven trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen Hemicrania continua und chronischen paroxysmalen Hemikranie.


#

Zusammenfassung

In der vorliegenden retrospektiven, monozentrischen Studie wurde die Wirksamkeit von Indometacin als prophylaktische Medikation in chronischen Clusterkopfschmerz- Patienten, die zwischen 2007 und 2018 behandelt wurden, untersucht. Die Wirksamkeit der Medikation wurde als ≥ 50 %ige Reduktion der Attackenfrequenz definiert (Responder). Als Non-Responder wurden Patienten definiert, die mind. 100 mg Indometacin/Tag über 7 Tage ohne Erfolg einnahmen. 324 chronische Clusterkopfschmerz-Patienten (63 % männlich, 33,92 ± 14,71 Jahre) wurden identifiziert. 105 Patienten hatten Indometacin als Prophylaxe (max. Dosierung: 125 ± 50,87 mg/Tag) versucht, davon zeigten 30 Patienten (29 %, davon 18 Frauen, 44,89 ± 12,88 Jahre) eine ≥ 50 %ige oder vollständige Reduktion der Attackenfrequenz. 34 Patienten (32 %) waren Non-Responder, in 41 Patienten (39 %) konnte keine Aussage zur Wirksamkeit der Medikation getroffen werden, da diese Patienten nicht mind. 100 mg Indometacin über 7 Tage eingenommen hatten. 16 Patienten aus der Responder- Gruppe (53 %) berichteten über Nebenwirkungen, am häufigsten gastrointestinal (87 %), trotz Protonenpumpenhemmereinnahme in 87 %. 19 Patienten aus der Responder- Gruppe beendeten die Medikation aufgrund eines Wirkverlusts (27 %), Nebenwirkungen (27 %), Kontraindikationen (13 %) oder gebessertem Zustand (37 %). Über die Dauer der Einnahme über 7 Tage hinaus wird nicht berichtet. Die Verschreibung von Indometacin erfolgte aus diagnostischen Gründen (26 %), aufgrund eines fehlenden Therapieansprechens (47 %) oder wegen interiktalen (Hintergrund-)Schmerzen (20 %). Verglichen mit den übrigen chronischen Clusterkopfschmerz-Patienten, waren Patienten in der Indometacingruppe häufiger weiblich (54 vs. 29 %), hatten öfter einen interiktalen (Hintergrund-)Schmerz (40 vs. 16 %) und mehr Clusterkopfschmerz-Attacken (2,97 ± 1,91 vs. 2,51 ± 1,74 Attacken/ Tag).


#

Kommentar

Die Rationale für die vorliegende Untersuchung ist interessant. Dennoch weist die Durchführung und Auswertung Schwächen auf, sodass eine Interpretation der Daten nur schwer möglich ist, z. B. bleibt unklar, auf welcher Grundlage das Ansprechen von Indometacin erhoben wurde (Attackenkalender oder subjektive Angabe). Zusätzlich konnte in 39 % keine Aussage über das Ansprechen gemacht werden. Beachtenswert ist, dass Indometacin überwiegend in Frauen, bei Vorhandensein von Hintergrundschmerz und zu diagnostischen Zwecken eingesetzt wurde. Dies könnte auch als ein Hinweis dafür gewertet werden, dass die Diagnose des Clusterkopfschmerzes insbesondere bei Frauen häufiger in Frage gestellt wird, evtl. auch wegen der bei Frauen oft weniger typischen Symptomatik.

Zusammenfassend ist die Studie eher als große Fallserie zu werten, die einen weiteren Hinweis auf eine mögliche Wirksamkeit von Indometacin bei chronischem Clusterkopfschmerz gibt. Eine tatsächliche Beurteilung der Wirksamkeit würde aber eine kontrollierte Studie mit ausreichend hoher Probandenzahl voraussetzen.

Katharina Kamm, München


#
#

Kündigen sich Clusterkopfschmerz-Episoden an?

*** Pedersen AS, Snoer A, Barloese M, et al. Prevalence of pre-cluster symptoms in episodic cluster headache: Is it possible to predict an upcoming bout? Cephalalgia 2021. doi: 10.1177/0333102421989255

Prä-Clusterkopfschmerz-Symptome können den Beginn einer Clusterkopfschmerz-Episode ankündigen.

Zusammenfassung

Mittlerweile ist gut verstanden, dass ähnlich wie bei der Migräne Vorboten für das Auftreten und nicht autonome Begleitsymptome von Clusterkopfschmerz-Attacken bestehen [1], [2]. Inwieweit dies auch für das Auftreten einer Clusterkopfschmerz-Episode gilt, untersuchte die gleiche dänische Arbeitsgruppe in dieser Studie.

Die Studie wurde als retrospektive Befragungsstudie mit einem halbstrukturierten Interview bezüglich des Auftretens von spezifischen und allgemeinen Symptomen und „Schattenattacken“ vor dem Auftreten einer Clusterkopfschmerz-Episode durchgeführt. Die Definition von Schattenattacken, nämlich Attacken, die in ihrem Auftreten typischen Clusterkopfschmerz-Attacken ähneln, in ihrer Intensität und Begleitsymptomen aber deutlich milder sind und für die keine Akutmedikation benötigt wird, wurde den Teilnehmern vorher erklärt. Für jedes Symptom wurde der Abstand zum Beginn der Episode erhoben und die Teilnehmer sollten die Wahrscheinlichkeit einer folgenden Episode einschätzen. Einschlusskriterien waren eine durch einen Kopfschmerzspezialisten bestätigte episodische Clusterkopfschmerz- Diagnose und mindestens 5 aktive Episoden oder eine Episode im letzten Jahr, um Erinnerungsverzerrungen zu reduzieren. 100 Patienten mit episodischem Clusterkopfschmerz (m = 79, 42,2 Jahre) des Danish Headache Centers wurden zwischen Januar 2019 und April 2020 eingeschlossen. 76 % der Patienten berichteten mehr als 5 Episoden, 7 % der Patienten waren zum Zeitpunkt der Erhebung in ihrer ersten Episode. 86 % der Patienten berichteten über mindestens ein Prä-Cluster-Symptom, das durchschnittlich 6,8 Tage (IQR 3–14) vor Beginn einer Episode auftrat. Die 3 häufigsten Prä-Clusterkopfschmerz-Symptome waren ein leichterer Schmerz (62 %, 5,8 Tage, IQR 3–13), Schattenattacken (60 %, 6,5 Tage, IQR 4–14) und Nackenschmerz (41 %, 4,8 Tage, IQR 2–7). 29 % der Patienten bejahten das Auftreten eines/mehrerer trigemino- autonomer Symptome in der Zeit vor der Episode. Allgemeine Symptome wie Abgeschlagenheit/Fatigue (37 %, 5,3 Tage, IQR 2–10), Gereiztheit (33 %, 5,2 Tage, IQR 3–7) und schlafbezogene Symptome (vermindertes Energielevel: 27 %, Schlafprobleme: 19 %, nächtliches Aufwachen: 20 %) wurden ebenfalls berichtet. 53 der 93 Patienten (57 %) gaben an, dass sie auf der Grundlage der Prä-Cluster-Symptome eine beginnende Episode innerhalb von 4,6 Tagen, IQR 2–7, vorhersagen könnten. Sofern Schattenattacken auftraten, war die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Episode 3-mal höher. Patienten, die eine Episode vorhersagen konnten, hatten signifikant häufiger mehr als 5 Episoden als Patienten, die keine Vorhersage treffen konnten (90,6 % vs. 59,6 %) und waren länger erkrankt (18,2 vs. 11,5 Jahre).

Das Auftreten von diesen Symptomen wurde auch in Remission erhoben: 58 % der Patienten erlebten schon die Symptome in Remission, 53 % berichteten über einzelne Schattenattacken und 33 % der Patienten erlebten einzelne Clusterkopfschmerz-Attacken. 19 % der Patienten konnten vorhersagen, ob diesen Symptomen eine Episode folgt oder nicht. Dabei wurde am häufigsten berichtet (n = 7), dass die Intensität/Dauer/ Häufigkeit untypisch sei. In der Gruppe, die angab, dass sie Episoden aufgrund der genannten Symptome nicht vorhersagen können, traten diese Symptome ebenfalls während der Remission auf. Die Patienten gaben an, nicht einordnen zu können, ob eine Episode folgt oder nicht.


#

Kommentar

Eine genauere Charakterisierung von Beginn und Ende der Clusterkopfschmerz-Episoden ist lohnenswert und spannend, um ein vollständigeres klinisches Bild dieser Erkrankung zu erlangen. In diesem Sinne leistet die Studie einen wertvollen Beitrag zum klinischen Verständnis und vielleicht auch als Grundlage für weiterführende pathophysiologische Überlegungen. Eine methodische Einschränkung stellt die retrospektive Befragung dar und eine höhere Patientenzahl wäre wünschenswert. Dennoch sollte die Studie Behandler sensibilisieren, Patienten aktiv nach Prä-Clusterkopfschmerz-Symptomen zu fragen. Die klinische Erfahrung bestätigt, dass viele Patienten zu Beginn und Ende ihrer Episode Schattenattacken haben.

Ein Verständnis der Pathophysiologie dieser Schattenattacken im Vergleich zu voll ausgeprägten Attacken könnte auch in Bezug auf neue Therapieoptionen interessant sein. Die Studie zeigte, dass Patienten, die länger betroffen sind und bereits häufiger Episoden hatten, die Symptome besser einordnen können. Den Nutzen sehen die Autoren in einem möglichst frühzeitigen Beginn der prophylaktischen Behandlung. Hierzu müssten zunächst noch prospektive Daten zur Sicherheit der (individuellen) Vorhersage einer Episode auf der Basis der beschriebenen Prä-Clusterkopfschmerz-Symptome erhoben werden.

Katharina Kamm, München


#

INFORMATION

*****

Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet

****

Gute experimentelle oder klinische Studie

***

Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter

**

Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln

*

Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln

Die Kopfschmerz-News werden betreut von: Priv.-Doz. Dr. Ruth Ruscheweyh, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Klinikum der Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München, Tel. 089/440073901, ruth. ruscheweyh@med.uni-muenchen.de

Sie wird dabei unterstützt von Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz), PD Dr. Gudrun Goßrau, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Clusterkopfschmerz).

Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.


#
#
#

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
09. Juli 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany