Key words acute pancreatitis - revised Atlanta classification - guideline - glossary - german
translation
Einleitung
Die im Jahr 1992 etablierte Atlanta-Klassifikation hatte zum Ziel, interdisziplinär
und Konsensus-basiert eine einheitliche Terminologie für verschiedene Schweregrade
der akuten Pankreatitis (AP) zu definieren [1 ]. Zusätzlich wurden Begrifflichkeiten für Komplikationen einer akuten Pankreatitis
im Rahmen der Klassifikation veröffentlicht, die eine strukturierte und klare Kommunikation
zwischen den an der Diagnose und Behandlung der AP beteiligten Disziplinen erlauben
soll.
Die Atlanta-Klassifikation wurde damals von Vertretern aus Gastroenterologie, Radiologie
und Chirurgie zusammen mit weiteren Disziplinen während eines 3-tägigen Treffens zusammengestellt.
Ziel war es, eine klinisch basierte Klassifikation für die AP zu schaffen, die nicht
nur von Radiologen, sondern vor allem auch von den patientenführenden Disziplinen,
aber auch Forschern, als gemeinsame Sprache und Terminologie der AP benutzt werden
kann.
In der ursprünglichen Version von 1992 erfolgte lediglich eine Einteilung in eine
sogenannte leichte Pankreatitis (mild pancreatitis) und eine schwere Pankreatitis
(severe pancreatitis). Bei den Komplikationen wurde zwischen einer „acute fluid collection“,
einer akuten Pseudozyste sowie Pankreasabszess und Pankreasnekrose unterschieden.
Kritisch gesehen wird bei dieser ursprünglichen Version, dass sie sich vor allem auf
klinische Scores (RANSON oder APACHE II) bezieht. Zusätzlich existiert keine adäquate
Korrelation der klinischen Präsentation, des Schweregrades und der radiologischen
Kriterien, die lokale Komplikationen beschreiben [2 ]. Gerade bei den assoziierten Komplikationen gibt es keine adäquaten radiologischen
Definitionen, besonders im Hinblick auf Flüssigkeitsansammlungen bei der AP, die als
akute Pseudozysten (acute pseudocyst) oder als Pankreasabszess (pancreatic abscess)
zu einer uneinheitlichen und damit klinisch verwirrenden Begriffsverwendung führten.
Darüber hinaus gab es keine strukturierten morphologischen Ausdrücke, beispielsweise
zur Definition einer peripankreatischen oder einer pankreatischen Nekrose.
Im Laufe der Jahre wurde den mit der Pankreatitis vertrauten Experten zunehmend bewusst,
dass eine Revision dieser Klassifikation nötig war, um die Fortschritte in der Bildgebung
besser zu integrieren, aber auch die inkonsequente Benutzung der Terminologie zu optimieren.
Kritisch wurde auch gesehen, dass die in der Atlanta-Klassifikation von 1992 verwendeten
Begriffe klinisch teilweise sehr heterogen und ungenau definiert wurden [3 ]. 20 Jahre nach Etablierung der ursprünglichen Klassifikation erfolgte dann im Jahr
2012 die Verabschiedung der sogenannten revidierten Atlanta-Klassifikation [4 ]. Diese revidierte Version hatte zum Ziel, eine klar definierte gemeinsame Terminologie
zu schaffen, um unter anderem den Schweregrad der Pankreatitis, aber auch die lokalen
Komplikationen wie etwa Flüssigkeitsansammlungen korrekt nach Erkrankungsdauer und
Form bildgebend eindeutig zu beschreiben.
Diagnose
In der revidierten Atlanta-Klassifikation wird die Diagnose einer AP gestellt, wenn
mindestens 2 der folgenden 3 Kriterien zutreffen: (1) charakteristische typische (gürtelförmige)
Bauchschmerzen, (2) Erhöhung der Serumlipase und Amylase um mehr als Faktor 3 des
maximalen Normwertes sowie (3) bildgebender Nachweis von Veränderungen des Pankreas.
Einteilung
Bezüglich der physiologisch-anatomischen Einteilung der AP unterscheidet die revidierte
Klassifikation die AP in eine interstitielle ödematöse Pankreatitis (ca. 85 %) und eine nekrotisierende Pankreatitis (15 %). Die Nekrosen werden wiederum topografisch in eine Nekrose des Pankreasparenchyms
(ca. 5 %), des peripankreatischen Gewebes (ca. 20 %) sowie in eine Kombination (75 %)
der beiden unterteilt.
Phasen
Klinisch wird der Verlauf der AP in eine Frühphase (early phase ) und eine Spätphase (late phase ) unterteilt. In der Frühphase liegt in der Regel eine systemische Inflammation vor.
Dabei wird die Frühphase als Veränderungen innerhalb der ersten Woche nach dem ersten Auftreten der Symptome
definiert. Die klinische Spätphase beschreibt im Anschluss Veränderungen ab der 2. Woche. Die Bildgebung ist bei fehlendem
Hinweis auf Komplikationen in der Regel erst in der Spätphase ab der 2. Woche sinnvoll,
frühestens jedoch nach 72 Stunden, da sich vorher eventuelle Nekrosen im Parenchym
noch nicht demarkiert haben ([Abb. 1a, b ]).
Abb. 1 a akute Pankreatitis mit peripankreatischer freier Flüssigkeit innerhalb 72 Stunden.
b erst nach 72 Stunden demarkiert sich die akute Nekrose (ANC) im Pankreaskorpus.
Schweregradbeurteilung
Der Schweregrad der AP wird prinzipiell basierend auf möglichem Organversagen sowie
lokalen und systemischen Komplikationen unterteilt. Im englischen Originaltext wird
die Pankreatitis als „mild “ bezeichnet, wenn kein Organversagen und keine Organkomplikation vorliegen. Bei einem
transienten Organversagen (Dauer < 48 Stunden) mit fakultativem Vorliegen von lokalen
Komplikationen wird die AP als „moderatly severe “ bezeichnet. Die sogenannte „severe “ AP liegt bei Organversagen von mehr als 48 Stunden sowie bei lokalen und systemischen
Komplikationen vor und weist Mortalitätsraten von 20–30 % auf.
Lokale Komplikation
Die ursprüngliche Atlanta-Klassifikation von 1992 definierte lokale Komplikationen
mit Begriffen wie „acute fluid collections“, „acute pseudocyst“ sowie „pancreatic
abscess“. Ein Problem mit diesen Bezeichnungen lag in der fehlenden scharfen Trennbarkeit
und Definition mit konsekutiv schlechten Intra-Observer-Übereinstimmungen.
In der revidierten Atlanta-Klassifikation werden die lokalen Komplikationen vor allem
durch die Bildgebung, insbesondere in Form der kontrastgestützten Computertomografie,
definiert. Prinzipiell erfolgt eine Einteilung der lokalen Komplikationen basierend
auf dem Zeitpunkt nach Auftreten der Erkrankung sowie der Einteilung in die interstitiell-ödematöse und in die nekrotisierende Pankreatitis ([Tab. 1 ]). Als „acute “ bei lokalen Komplikationen wird der Zeitraum innerhalb der ersten 4 Wochen nach
Auftreten der Erkrankung definiert, als „delayed “ bei lokalen Komplikationen nach 4 Wochen. Diese Begrifflichkeiten sollten nicht
mit den Phasen der Erkrankung verwechselt werden, die als „early phase “ und „late phase “ (siehe oben → Phasen) definiert sind.
Tab. 1
Abkürzungen: Acute Pancreatitis (AP). Die deutschen Begriffe sollten nicht durch eine
deutsche Abkürzung, sondern durch die ggf. vorhandene englische Abkürzung (Spalte
2) ergänzt werden.
Begriff (Original)
Abkürzung
Definition
deutscher Begriff
Onset
Beginn der abdominellen Schmerzen
Erkrankungsbeginn
Early phase
< 1 Woche nach Erkrankungsbeginn
Frühphase
Late phase
> 1 Woche nach Erkrankungsbeginn
Spätphase
Acute complication
< 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn (APFC, ANC)
frühe Komplikation
Delayed complication
> 4 Wochen nach Erkrankungsbeginn (WON, pancreatic pseudocyst)
späte Komplikation
Mild AP
kein Organversagen
leichte akute Pankreatitis
Moderately severe AP
transientes Organversagen (< 48 h) und/oder lokale Komplikationen
mittelschwere akute Pankreatitis
Severe AP
persistierendes Organversagen (> 48 h), oft lokale und systemische Komplikationen
schwere akute Pankreatitis
Collection
Ansammlung von Flüssigkeit und nekrotischem Gewebe
Ansammlung
Fluid collection
Ansammlung von Flüssigkeit
Flüssigkeitsansammlung
Interstitial edematous AP
interstitielle ödematöse Pankreatitis
Necrotizing AP
nekrotisierende Pankreatitis
Acute peripancreatic fluid collection
APFC
frühe Komplikation einer interstitiellen ödematösen AP – homogene Flüssigkeitsansammlung
ohne Nekrose oder definierte Abkapselung
akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung
Pancreatic pseudocyst
späte Komplikation einer interstitiellen ödematösen AP, charakterisiert durch eine
definierte, abgekapselte Flüssigkeitsansammlung ohne relevante Nekroseanteile
Pankreas-Pseudozyste
Acute necrotic collection
ANC
frühe Komplikation einer nekrotisierenden AP -Flüssigkeitsansammlung und Nekrose ohne
Nachweis einer Abkapselung
akute Nekrose
Walled-off necrosis
WON
späte Komplikation einer nekrotisierenden AP, charakterisiert durch eine abgekapselte
Flüssigkeitsansammlung und Nekrose des Pankreasparenchyms oder des peripankreatischen
retroperitonealen Fetts oder beides
abgekapselte Nekrose
Verwendung der Terminologie und Übersetzung
Verwendung der Terminologie und Übersetzung
Auch wenn die Atlanta-Klassifikation in ihrer revidierten Fassung seit 2012 existiert,
wird sie dennoch gegenwärtig nicht konsequent im deutschsprachigen Raum eingesetzt.
Obgleich die Klassifikation publiziert wurde, um eine einheitliche Sprache in Klinik
und Wissenschaft interdisziplinär zu schaffen, verhindert die fehlende Anpassung und
Übersetzung in andere Sprachen außerhalb des angloamerikanischen Sprachraums sicherlich
eine Verbreitung und Akzeptanz in der täglichen Routine.
Um die Grundlage für eine bessere Akzeptanz der revidierten Atlanta-Klassifikation
für Patienten mit AP zu erreichen, wurde zunächst von Experten im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft
Abdominal- und Gastrointestinaldiagnostik in der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)
der Versuch unternommen, basierend auf Literaturrecherche und deutschsprachigen Publikationen
eine adäquate Übersetzung der Begrifflichkeiten der revidierten Atlanta-Klassifikation
für den deutschsprachigen Raum zu schaffen.
Um eine möglichst globale und rasche Akzeptanz dieser Terminologie in Deutschland
zu erreichen, wurde diese übersetzte Terminologie im Rahmen der Konsensuskonferenz
der S3-Leitlinie akute und chronische Pankreatitis vom 11.–13. Februar 2020 in Halle/Saale
den interdisziplinären Experten der AWMF-Leitlinie zur Abstimmung vorgelegt, weiterentwickelt
und diskutiert.
Im Rahmen der Leitlinienkonferenz und Abstimmung am 12. Februar 2020 erhielt der Übersetzungsvorschlag
für eine vereinheitlichte deutsche Terminologie der revidierten Atlanta-Klassifikation
eine Zustimmung von 97,3 % unter den interdisziplinären Experten der Leitlinienteilnehmer,
was einen starken Konsens zur Annahme belegt.
In der Leitliniengruppe einigte man sich darauf, künftig im deutschsprachigen Raum
die übersetzten Begriffe benutzen zu wollen. Anders als im englischsprachigen Original
sollten die ins Deutsche übersetzten Begriffe jedoch nicht durch deutsche Abkürzungen
der Begriffe ergänzt werden, sondern ggf. mit der englischen Originalabkürzung. So
sollte beispielsweise die Spätkomplikation einer nekrotisierenden akuten Pankreatitis,
die durch eine abgekapselte Flüssigkeitsansammlung definiert ist und im englischsprachigen
Original als „walled off necrosis “ (WON) bezeichnet wird, im deutschen Text als abgekapselte Nekrose beschrieben werden,
und dabei gleichzeitig mit der englischen Abkürzung WON bezeichnet werden (siehe [Tab. 1 ]).
Im Folgenden sollen die Begriffe aus der revidierten Atlanta-Klassifikation im englischen
Original thematisch geordnet mit ihrer deutschen Übersetzung erörtert und definiert
und anhand von typischen radiologischen Bildern als illustriertes Glossar dargestellt
werden.
Chronologische Einteilung der akuten Pankreatitis sowie deren Komplikationen
Chronologische Einteilung der akuten Pankreatitis sowie deren Komplikationen
Onset
Der Onset wird im Deutschen mit dem Begriff „Erkrankungsbeginn “ übersetzt und ist dabei definiert als der Zeitpunkt des Beginns der akuten abdominellen
Schmerzen und klinischen Symptomatik. Bei der klinischen Dokumentation darf der Begriff
nicht mit der ersten Kontaktaufnahme mit einem Arzt bzw. Vorstellung in der Notaufnahme
verwechselt werden.
Die Definition des Erkrankungsbeginns ist konsekutiv die Grundlage für die beiden folgenden Definitionen der Frühphase und Spätphase der Erkrankung, die jeweils unterschiedliche diagnostische und therapeutische Konsequenzen
haben.
Early phase
Dieser Begriff wird mit „Frühphase “ übersetzt und ist definiert als der Zeitraum innerhalb der ersten Woche nach Erkrankungsbeginn (onset ). In dieser ersten Woche manifestiert sich die Erkrankung als eine systemische Entzündungsantwort,
wobei die Krankheitsschwere sowie die Behandlung vor allem auf der Basis und des Grades
des Organversagens bestimmt sind.
Late phase
Der Begriff wird mit „Spätphase “ übersetzt und beschreibt die Erkrankung ab der 2. Woche nach dem Erkrankungsbeginn . Die Spätphase kann Wochen bis Monate andauern und tritt vor allem bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer akuter Pankreatitis auf.
Acute complication
Dieser Terminus wird mit „frühe Komplikation “ übersetzt und beschreibt Komplikationen der AP, welche innerhalb der ersten 4 Wochen
nach Erkrankungsbeginn zu finden sind. Beispielsweise ist bei der interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitis die Frühkomplikation die akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung (APFC), bei der nekrotisierenden akuten Pankreatitis ist die typische Frühkomplikation
eine akute Nekrose (ANC).
Delayed complication
Diese wird als „Spätkomplikation “ bezeichnet und ist definiert durch Komplikationen, die nach der 4. Woche nach Erkrankungsbeginn auftreten. Dabei ist z. B. die Pankreaspseudozyste die Spätkomplikation der interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitis und die abgekapselte Nekrose (WON ) die Spätkomplikation einer nekrotisierenden akuten Pankreatitis .
Einteilung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
Einteilung des Schweregrades der akuten Pankreatitis
Um eine potenzielle Stratifikation der Patienten nach Schweregraden zu ermöglichen,
wurde die Einteilung des Schweregrades in der revidierten Atlanta-Klassifikation geändert.
Die ursprüngliche Klassifikation von 1992 teilte die Patienten entweder in eine schwere
Pankreatitis (severe pancreatitis ) oder eine leichte Pankreatitis (mild pancreatitis ) auf der Basis der Anwesenheit oder Abwesenheit eines Organversagens ein. Es zeigte
sich jedoch, dass ein Teil der Patienten mit lokalen Komplikationen und Flüssigkeitsansammlungen
zwar eine beträchtliche Morbidität aufwiesen, jedoch nur eine geringe Mortalität hatten
[2 ]. Daher wurde in der revidierten Atlanta-Klassifikation eine dritte Kategorie eingeführt,
die „moderately severe acute pancreatitis “.
Mild acute pancreatitis
Der Begriff wird mit „leichte akute Pankreatitis “ im Deutschen übersetzt. Von einer unreflektierten direkten Übertragung des Begriffs
„mild“ in den deutschen Begriff „mild“ sollte Abstand genommen werden. Es hat sich
nämlich eingebürgert, den Begriff „mild“ auch in der deutschen Sprache zu verwenden
(sog. „milde Pankreatitis“). Allerdings ist gemäß Duden das Adjektiv eher im Sinne
von „gütig“ zu verstehen und daher nicht adäquat zur Beurteilung eines Schweregrades
geeignet. Daher sollte hier der englische Begriff „mild“ (englisch) mit „leicht“ (deutsch)
übersetzt werden. Bei der leichten AP tritt weder ein Organversagen noch eine lokale
Komplikation auf. Bei diesen Patienten erfolgt zumeist eine stationäre Entlassung
innerhalb der ersten Woche (Frühphase ). Auch die Mortalität ist bei diesen Patienten äußerst gering [5 ].
Moderately severe acute pancreatitis
Dieser Schweregrad ist in der revidierten Atlanta-Klassifikation neu definiert und
wird mit „mittelschwere akute Pankreatitis “ ins Deutsche übersetzt. Bei diesen Patienten tritt ein vorübergehendes Organversagen
auf, das weniger als 48 Stunden dauert. Zusätzlich können ggf. lokale oder systemische
Komplikationen auftreten. Häufig handelt es sich bei den systemischen Komplikationen
um eine Exazerbation von bekannten Komorbiditäten, wie z. B. ein akutes Nierenversagen
im Rahmen eines chronischen Nierenversagens. Die lokalen Komplikationen können ein
breites Spektrum aufweisen: am häufigsten treten pankreatische bzw. peripankreatische
Flüssigkeitsansammlungen auf. Diese Flüssigkeitsansammlungen entstehen meistens in der 2. Woche nach Krankheitsbeginn (Spätphase ) und sind vor allem bei Patienten mit zunehmenden Schmerzen und Anstieg der pankreatischen
Enzyme zu beobachten. Bei diesen Patienten sollte in dieser Phase die Bildgebung,
am besten die kontrastgestützte Computertomografie oder auch kontrastgestützte MR-Tomografie,
durchgeführt werden [6 ].
Severe acute pancreatitis
Der Terminus wird als „schwere akute Pankreatitis “ übersetzt. Bei diesen Patienten persistiert das Organversagen mehr als 48 Stunden
mit regelmäßig vorhandenen systemischen oder lokalen Komplikationen.
Collection
Der Begriff wird mit „Ansammlung “ übersetzt. Im Gegensatz zur Flüssigkeitsansammlung (fluid collection ) besteht eine Ansammlung aus Flüssigkeit und gleichzeitig partiell nekrotischem Gewebe.
In Zusammenhang mit lokalen Komplikationen wird dieser Begriff daher auch nur bei
einer AP im Sinne einer nekrotisierenden Pankreatitis verwendet (acute necrotic collection ).
Fluid collection
Der Begriff wird mit „Flüssigkeitsansammlung “ übersetzt und beschreibt die Ansammlung von Flüssigkeiten ohne nekrotisches Gewebe.
Es wird daher als Komplikation einer interstitiell-ödematösen Pankreatitis bei der akuten peripankreatischen Flüssigkeitsansammlung (APFC) verwendet.
Interstitial edematous acute pancreatitis
Prinzipiell wird in der revidierten Atlanta-Klassifikation die AP in eine „interstitiell-ödematöse Pankreatitis “ und in eine „nekrotisierende Pankreatitis “ eingeteilt.
Die interstitiell-ödematöse Pankreatitis ist mit 85 % die prädominante Verlaufsform und korreliert in vielen Fällen mit einer
leichten akuten Pankreatitis . Bei kontrastmittelgestützten Untersuchungen nimmt bei der interstitiell-ödematösen Pankreatitis das gesamte Pankreas Kontrastmittel auf und zeigt keinerlei Areale mit fehlender
Anreicherung. Die interstitiell-ödematöse Pankreatitis zeigt sich am häufigsten mit fokaler oder diffuser Pankreasvergrößerung und weist
typischerweise peripankreatische Entzündungszeichen im Sinne einer fokalen Imbibierung
sowie kleine Mengen peripankreatischer Flüssigkeit auf.
Necrotizing acute pancreatitis
Die nekrotisierende Pankreatitis , die etwa 5–10 % der Fälle der AP ausmacht, ist häufiger bei der mittelschweren akuten Pankreatitis bzw. bei der schweren akuten Pankreatitis anzutreffen. Die Nekrose kann entweder das Pankreasparenchym, das peripankreatische
Gewebe oder beide Kompartimente gleichzeitig betreffen. Dabei tritt am häufigsten
die Kombinationsform mit Nekrosen im Pankreasparenchym sowie peripankreatisch bei
75 % der nekrotisierenden Pankreatitis auf. In diesem Fall zeigt sich radiologisch eine nicht kontrastmittelaufnehmende,
heterogene, peripankreatische Ansammlung (collection ), die typischerweise in der Bursa omentalis und im vorderen Pararenalraum angrenzend
an die Gerota-Faszie zu finden ist. Eine parakolische Ausdehnung bis ins Becken sowie
die subperitoneale Ausdehnung ins Mesenterium sind möglich.
In 20 % der Fälle tritt lediglich eine peripankreatische Nekrose auf, in der das Pankreas
regulär Kontrastmittel aufnimmt, jedoch im peripankreatischen Gewebe nekrotische Areale
mit Ansammlungen (collection ) zu finden sind, die Flüssigkeit und solide bzw. Fettkomponenten enthalten können.
Am wenigsten häufig tritt die reine Pankreasnekrose auf (etwa 5 % der Fälle). Bei
dieser Form fehlt die peripankreatische Ansammlung vollständig. Radiologisch ist es nicht zu empfehlen, innerhalb der ersten 72 Stunden
eine Bildgebung durchzuführen. Einerseits kann gerade in der Frühphase das Pankreas ödematös und nach Kontrastmittelgabe teilweise mit verminderter Anreicherung
erscheinen, die Nekrosen vortäuschen. Andererseits demarkieren sich Parenchymnekrosen
sicher erst frühestens nach 72 Stunden. Damit besteht die Gefahr einer Fehlklassifikation.
Definition von Komplikationen
Definition von Komplikationen
Acute peripancreatic fluid collection (APFC)
Dieser Terminus wird mit „akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung “ (APFC) im Deutschen übersetzt. Diese Komplikation entsteht innerhalb der ersten
4 Wochen als frühe Komplikation einer interstitiellen ödematösen akuten Pankreatitis . Insgesamt beschreibt er eine homogene Flüssigkeitsansammlung ohne Nachweis von Nekrosen
und ohne definierte Abkapselung. Bei vollständig fehlenden Nekroseanteilen beschränkt
sich die Flüssigkeitsausdehnung auf die retroperitonealen Kompartimente. Akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen befinden sich immer peripankreatisch ([Abb. 2a, b ]). Bei Nachweis ähnlicher Flüssigkeitsformationen innerhalb des Pankreasparenchyms
handelt es sich per Definition um eine akute Nekrose (ANC) ([Abb. 1b ]) und kann damit nicht mehr einer interstitiell-ödematösen Pankreatitis entsprechen, sondern setzt eine Klassifikation als nekrotisierende Pankreatitis voraus. In der Regel werden akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen im Laufe
der Zeit selbstständig resorbiert und sollten, um ggf. die Infektion einer ansonsten
sterilen Flüssigkeitsansammlung zu vermeiden, nicht drainiert oder punktiert werden.
Im klinischen Alltag kann die Differenzierung einer akuten peripankreatischen Flüssigkeitsansammlung von einer akuten nekrotischen Flüssigkeitsansammlung manchmal Schwierigkeiten bereiten. In Zweifelsfällen sollte hier die Bildgebung nach
1–2 Wochen wiederholt werden, was häufig eine genauere Diagnose ermöglicht [4 ]. Sollte sich die akute peripankreatische Flüssigkeitsansammlung nach 4 Wochen nicht
aufgelöst haben, organisiert sie sich in der Regel und entwickelt eine Kapsel, sodass
sie als späte Komplikation als Pankreaspseudozyste in Erscheinung tritt (siehe dort).
Abb. 2 a Frühphase, interstitielle ödematöse Pankreatitis (APFC) mit Imbibierung des peripankreatischen
Fettgewebes. b die peripankreatische Flüssigkeit reicht vom Pankreasschwanz entlang der Gerota Faszie
bis um die Milz herum.
Pancreatic pseudocyst
Der Terminus wird mit „Pankreaspseudozyste “ übersetzt und stellt eine späte Komplikation einer interstitiell-ödematösen Pankreatitis dar. Definiert ist er durch eine abgekapselte Flüssigkeitsansammlung ohne relevante
Nekroseanteile bei einer interstitiell-ödematösen Pankreatitis . Bezüglich der zeitlichen Definition entstehen Pseudozysten nach etwa 4 Wochen aus
akuten peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen (APFC) und lediglich bei interstitiell-ödematösen Pankreatitiden (Abb. [3a, b ]). Pseudozysten entwickeln sich in weniger als 10 % bei einer interstitiell-ödematösen Pankreatitis
[7 ]. Die Lokalisation von Pseudozysten ist in der Regel peripankreatisch ([Abb. 4 ]).
Abb. 3 a Frühphase, interstitielle ödematöse Pankreatitis (APFC); b Verlauf nach 5 Wochen im Sinne einer späten Komplikation mit Pankreas-Pseudozyste.
Abb. 4 Große, eingeblutete Pseudozyste, typisch die Lokalisation in der Bursa omentalis
bzw. peripankreatisch.
Acut necrotic collection (ANC)
Dieser Begriff wird als „akute Nekrose “ übersetzt und stellt eine frühe Komplikation innerhalb der ersten 4 Wochen einer nekrotisierenden Pankreatitis dar. In diesem Fall lassen sich eine Flüssigkeitsansammlung sowie eine gleichzeitig vorliegende Nekrose ohne Nachweis einer Abkapselung in der
Bildgebung nachweisen. Akute Nekrosen sind schlecht organisierte nekrotische Ansammlungen, die nur in einer nekrotisierenden Pankreatitis entstehen können ([Abb. 5 ]). Sie finden sich oft in der Bursa omentalis sowie in den pararenalen Kompartimenten
und können sich in das Pankreasparenchym als Nekrosen ausdehnen. Differenzialdiagnostisch
unterscheiden sie sich von akuten peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen durch das Vorliegen von nekrotischem Gewebe, das als solide Anteile bzw. als fettige
makroskopische Substrate innerhalb einer Flüssigkeitsansammlung erscheint. Im Rahmen
der Konsentierung wurde im Expertengremium gesondert abgestimmt, ob die „ANC“ als
„akute nekrotische Flüssigkeitsansammlung“ oder einfacher als „akute Nekrose“ bezeichnet
werden sollte. Hier wurde mit starkem Konsens (> 75 %) für die Übersetzung „akute
Nekrose“ entschieden.
Abb. 5 Fast homogene Hypodensität (Perfusionsausfall) des Pankreas, keine KM-Aufnahme des
Parenchyms, einer akuten Totalnekrose entsprechend.
Walled of necrosis (WON)
Dieser Terminus wird als „abgekapselte Nekrose “ übersetzt und stellt eine späte Komplikation (4 Wochen nach Erkrankungsbeginn) bei Patienten mit einer nekrotisierenden Pankreatitis dar ([Abb. 6a–c ]). Definiert ist die abgekapselte Nekrose durch eine abgekapselte Flüssigkeitsansammlung
mit zusätzlich vorliegenden Nekroseanteilen, entweder des Pankreasparenchyms bzw.
des peripankreatischen retroperitonealen Fettes oder von beiden Kompartimenten gleichzeitig.
Diese abgekapselten Nekrosen mit „Zelldetritus“, Fettanteilen und Flüssigkeit sind
oft mit der MRT sehr gut zu erfassen ([Abb. 7a–d ]).
Abb. 6 a Nekrotisierende Pankreatitis im Verlauf in der CT: In der Frühphase a mit bereits angedeuteter Minderperfusion im Pankreaskorpus; Verlauf nach 4 Tagen
b mit Demarkierung der akuten Nekrose (ANC) im Korpus; Verlauf nach 8 Wochen c mit typischer später Komplikation und Ausbildung einer abgekapselten Nekrose (WON).
Abb. 7 a Nekrotisierende Pankreatitis im Verlauf mit MRT: Beginnende Demarkierung der akuten
Nekrose (ANC) im Pankreaskopf in T2w a und fettsaturierter T1w post KM b . Verlauf nach 9 Wochen: Als typische späte Komplikation zeigt sich eine abgekapselte
Nekrose (WON) in T2w c und fettsaturierter T1w post KM d mit Fettanteilen und Zelldetritus.
Abstimmung im Rahmen der Konsensuskonferenz
Abstimmung im Rahmen der Konsensuskonferenz
Die vorliegende Version der Übersetzung der revidierten Atlanta-Klassifikation in
die deutsche Sprache wurde gesondert im Rahmen der S3-Leitlinie am 12. Februar 2020
konsentiert und erreichte im Expertengremium eine Zustimmung von 97,3 %.
[Abb. 8 ] fasst dabei nochmal die wichtigsten verwendeten Begriffe und Definitionen der akuten
Pankreatitis (AP) in einer Übersicht zusammen.
Abb. 8 Übersicht aller Begriffe, Phasen und Definitionen der AP.
Fazit
Die Neuauflage der deutschen S3-Leitlinie zur Pankreatitis vereint erstmals alle Statements
der akuten, chronischen und der Autoimmunpankreatitis in einer Leitlinie. Ziel des
Expertengremiums war es darüber hinaus, dies auch in einer einheitlichen Sprachregelung
zu dokumentieren. So wurden alle Begrifflichkeiten der revidierten Atlanta-Klassifikation
zu einem deutschen Glossar ([Tab. 1 ]) zusammengefasst, der zukünftig flächendeckend seine Anwendung findet. Um bei den
Abkürzungen der Komplikationen durch die Einführung neuer, deutscher Abkürzungen nicht
zusätzliche Verwirrung zu stiften, einigte man sich darauf, bei Verwendung der deutschen
Begrifflichkeiten in Klammern gesetzt die englischen Abkürzungen ergänzend zu verwenden.
So soll künftig z. B. die „walled-off necrosis“ als „abgekapselte Nekrose (WON)“ oder
die „acute necrotic collection“ als „akute Nekrose (ANC)“ im Deutschen verwendet werden.
Die Verwendung der deutschen Begriffe ermöglicht es zudem, sprachliche Unklarheiten
und Übersetzungsfehler durch die vorherige „Eindeutschung“ jetzt klar zu definieren,
wie z. B. „milde Pankreatitis“ korrekt als „leichte Pankreatitis“ zu beschreiben.
Die gesamte Leitlinienexpertengruppe ist sich dabei einig, dass auch für das Update
künftiger deutscher Leitlinien eine solche einheitliche Sprachregelung richtungsweisend
sein sollte.