Aktuelle Dermatologie 2021; 47(07): 323-330
DOI: 10.1055/a-1385-3215
Übersicht

Patientensicherheit in der Dermatologie: Optionen zu ihrer Optimierung

Patient Safety in Dermatology: Options for Optimization
P. Elsner
Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
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Zusammenfassung

Um die Patientensicherheit in der Dermatologie zu verbessern, gilt es, „vermeidbare unerwünschte medizinische Ereignisse“, definiert als „Patienten schadende Vorkommnisse, die eher auf der Behandlung als auf der Erkrankung selbst beruhen und die durch einen Fehler verursacht sind“, zu minimieren. Bereits die Problemwahrnehmung von möglichen Behandlungsfehlern ist dabei ein wichtiger erster Schritt. Diese Bewusstseinsschärfung geschieht wesentlich dadurch, dass alle Aspekte der Patientensicherheit in die ärztliche Aus- und Weiterbildung sowie in Fortbildungen integriert werden. Für die tägliche Praxis von medizinischen Einrichtungen spielt nach den Vorgaben des Gesetzgebers das Qualitätsmanagement eine wesentliche Rolle, in dem die Patientensicherheit als eine Priorität Berücksichtigung findet. Diese Qualitäts- und Sicherheitsorientierung muss als Führungsaufgabe verstanden werden, der auch angesichts konkurrierender, insbesondere ökonomischer, Unternehmensziele Vorrang einzuräumen ist. Mit der obligatorischen Einführung von Patientensicherheitsbeauftragten in Krankenhäusern, wie aktuell in Hessen erfolgt, kann dem Thema im Klinikmanagement eine wichtige Stimme verliehen werden. Neben der zu fördernden Patientenpartizipation am Behandlungsprozess auch bez. der Patientensicherheit ergeben sich gerade auch in der Dermatologie erhebliche Potenziale durch die Digitalisierung des Gesundheitswesens (e-Health). Auch wenn diese eigene Risikopotenziale beinhaltet, könnte sie zur Diagnose-, Therapie- und Koordinations- und Kommunikationssicherheit in der Dermatologie beitragen.


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Abstract

In order to improve patient safety in dermatology, the aim is to minimize “preventable adverse medical events,” defined as “patient-harming incidents that are due to the treatment rather than the disease itself and that are caused by an error.” Even problem awareness of potential treatment errors is an important first step. This increased awareness is essentially achieved by integrating all aspects of patient safety into medical training and continuing education. For the daily practice of medical institutions, quality management with patient safety as a priority plays an essential role according to the legal requirements. This quality and safety orientation must be understood as a management task to be given priority even in the face of competing, especially economic, goals. The mandatory introduction of patient safety officers in hospitals, as is currently the case in Hesse, can give the issue an important voice in hospital management. In addition to patient participation to be promoted in the treatment process, also with regard to patient safety, there is considerable potential in dermatology in particular due to the digitalization of the healthcare system (e-health). Even if digitalization has its own risk potentials for patient safety, it could contribute to more safety of diagnosis, therapy and coordination and communication in dermatology.


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Einleitung

Um die Patientensicherheit als in der Medizin erstrebenswertes Handlungsziel zu verbessern, gilt es, „vermeidbare unerwünschte medizinische Ereignisse“, die definiert sind als „Patienten schadende Vorkommnisse, die eher auf der Behandlung als auf der Erkrankung selbst beruhen und die durch einen Fehler verursacht sind“, zu minimieren. Als erster Schritt sollten unerwünschte Ereignisse und die zu ihnen führende Risikosituation erfasst und analysiert werden; darüber wurde im vorhergehenden Beitrag berichtet [1]. In diesem Beitrag sollen Präventionsmaßnahmen zur Fehlervermeidung im Gesundheitssystem, speziell in der Dermatologie, erörtert werden.

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der erste wichtige Schritt zu mehr Patientensicherheit bereits die Problemwahrnehmung darstellt, denn die Auseinandersetzung mit dem Thema „Behandlungsfehler“ war in der Medizin lange tabuisiert. Es galt eine „Null-Fehler-Mentalität“ [2]; d. h., man ging davon aus, dass aufgrund der ethisch begründeten Sorge um den Patienten einem verantwortungsvollen Arzt Fehler nicht passieren dürften und folglich auch nicht könnten. Hinzu kamen Bedenken, dass die Thematisierung von Behandlungsfehlern Patienten verunsichern könnte und dass diese bei schicksalshaften Verläufen einer Krankheit gleichwohl einen Behandlungsfehler vermuten und aussichtslose Arzthaftungsprozesse anstrengen würden. Schließlich wurde gegen eine Thematisierung von Behandlungsfehlern angeführt, dass angesichts einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung die Unschuldsvermutung gälte und das Recht, sich als Arzt nicht selbst belasten zu müssen („Nemo tenetur-Prinzip“). Daher war auch die durch das Patientenrechtegesetz 2013 [3] in § 630c BGB eingeführte Informationspflicht im Vorfeld umstritten, wonach ein Behandelnder, falls für ihn „Umstände erkennbar sind, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen“, den Patienten „über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren“ zu informieren hat. Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung wiesen in einer Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren darauf hin, dass die Regelung zu unbestimmt sei, und forderten, dass nur „offenkundige“ Behandlungsfehler offengelegt werden sollten [4]. Die Wirkung der Norm wurde in § 630c BGB durch ein Beweisverwertungsverbot in einem Straf- oder Bußgeldverfahren abgeschwächt, das eintritt, wenn der Behandelnde der Verwendung dieser Information nicht zustimmt. Von Seiten der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wurde jedoch kritisiert, dass eine Einschränkung auf Strafverfahren mögliche berufsrechtliche und Schlichtungs-Verfahren außer Acht ließe [4].

Allein mit der regelmäßigen Berichterstattung über die Tätigkeit der Schlichtungsstellen und ihre Fehlerstatistik ist das Thema von Behandlungsfehlern als ein anzugehendes Problemfeld zur Verbesserung der Patientensicherheit in die Wahrnehmung der Medizin gerückt.


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Trainings/Curricula (Medizinstudium, Facharzt-Weiterbildung, Fortbildungen)

Der inzwischen erfolgte Wandel im Problembewusstsein hat zu Initiativen geführt, das Thema der Patientensicherheit in die ärztliche Aus- und Weiterbildung sowie in Fortbildungen zu integrieren. Im „Masterplan 2020“ [5] und im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [6] nimmt die Patientensicherheit eine wesentliche Rolle im medizinischen Curriculum ein, entsprechend der Entscheidung der Bundesregierung, Patientensicherheit zu einem tragenden Prinzip der Ausbildungen in allen bundesrechtlich geregelten Gesundheitsberufen zu machen [7]. So ist ein wesentliches Lernziel des Medizinstudiums, dass die Absolventen die Patientensicherheit beachten und sich ihrer unmittelbaren persönlichen Verantwortung bewusst sind [6]. Die Begriffe bez. der Behandlungsfehler und kritischer Ereignisse und ihrer Meldung (CIRS) müssen den Studierenden bekannt sein und Verfahren zur Fehleranalyse und Fehlervermeidung praktisch geübt werden [6].

In der 2018 novellierten Muster-Weiterbildungsordnung für Ärzte [8] ist die Patientensicherheit in den „Allgemeinen Inhalten der Weiterbildung“ berücksichtigt, indem als Handlungskompetenzen „Vertiefung und Stärkung berufsspezifischer Haltungen zum Wohl des Patienten, die auf ärztlicher Expertise, anerkannten ethischen Grundsätzen, Kommunikativität, Kollegialität und präventivem Engagement beruhen“, und „Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements einschließlich des Fehler- und Risikomanagements sowie Anwendung von Leit- und Richtlinien“ gefordert werden; auch „Aufklärung und Befunddokumentation“ und „Durchführung einer strukturierten Patientenübergabe“ werden als geforderte Kompetenzen genannt [8].

Für die fachgebietsübergreifende ärztliche Fortbildung hat die Bundesärztekammer ein Fortbildungskonzept „Patientensicherheit“ erarbeitet [9], das zu einer Qualifikation als „Ärztlicher Risikomanager/-in“ führt.

Spezifische Angebote für Fortbildungen zur Patientensicherheit in der Dermatologie fehlen allerdings bisher; so sind Workshops zur Patientensicherheit bisher bei den Tagungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft nicht vorgesehen. Als bisher einzige deutschsprachige dermatologische Zeitschrift hat die „Aktuelle Dermatologie“ seit 2019 eine Rubrik „Fehler und Irrtümer in der Dermatologie“ eingeführt, in der Fehlermöglichkeiten dargestellt und die Patientensicherheit thematisiert werden [10]. Die Deutsche Dermatologische Akademie (DDA), eine Tochterorganisation von BVDD und DDG, bietet eine Vielzahl von Zertifikaten für spezifische Kompetenzbereiche von Dermatologen an [11]. Der Erwerb der Zertifikate bestätigt den Inhabern eine hochqualitative Weiterbildung und spezialisierte Tätigkeit in diesen dermatologischen Kompetenzbereichen; aktuell wird an einem Curriculum für ein Zertifikat „Patientensicherheit in der Dermatologie“ gearbeitet. Im Rahmen der von der DDA geplanten Zertifizierungen für Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte sollen ebenfalls Trainings zur Patientensicherheit angeboten werden.

Neue Möglichkeiten für attraktive Fortbildungsangebote zur Patientensicherheit gerade auch für jüngere Dermatologen („Digital Natives“) können sich durch Lernspiele („Serious Games“) eröffnen, mit denen in einer Simulationsumgebung wichtige ärztliche Fähigkeiten – wie die Fehlerprävention – geübt werden können [12].

Patientensicherheit in Qualitäts-Management/Zertifizierung

Die in Deutschland an der stationären, vertragsärztlichen, vertragspsychotherapeutischen und vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer sind nach § 135a Abs. 2 Nr. 2 SGB V verpflichtet, ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Die grundsätzlichen Anforderungen an ein solches Qualitätsmanagement werden dabei vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) [13] bestimmt, der dazu wesentliche Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit zählt. Die in der Qualitätsmanagement-Richtlinie genannten Methoden und Instrumente des Qualitätsmanagements ([Tab. 1]) betreffen dabei zahlreiche Elemente der Fehlerprävention. So sollte die Patientensicherheit zu den Qualitätszielen gehören, die bei der Regelung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, in Prozess- bzw. Ablaufbeschreibungen, beim Schnittstellenmanagement und in Checklisten zu berücksichtigen und in Teambesprechungen und bei Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen jeweils zu schulen sind. Patienten- und Mitarbeiterbefragungen, das Beschwerdemanagement und Fehlermeldesysteme liefern wesentliche Informationen über den Stand der Patientensicherheit in einer Einrichtung. Besondere im Qualitätsmanagement zu regelnde Aspekte, die zusätzlich herausgehoben werden, betreffen die Patienteninformation und -aufklärung, das Notfall- und Hygienemanagement sowie die Arzneimitteltherapiesicherheit. In Zertifizierungsaudits werden die Einhaltung der QM-Vorgaben durch interne und externe Auditoren überprüft und im Sinne eines „Peer Reviews“ Hinweise auch auf eine Verbesserung der Patientensicherheit gegeben.

Tab. 1

Methoden und Instrumente des Qualitätsmanagements entsprechend der Qualitätsmanagement-Richtlinie/QM-RL des Gemeinsamen Bundesausschusses [13].

  • Messen und Bewerten von Qualitätszielen

  • Erhebung des Ist-Zustandes und Selbstbewertung

  • Regelung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten

  • Prozess- bzw. Ablaufbeschreibungen

  • Schnittstellenmanagement

  • Checklisten

  • Teambesprechungen

  • Fortbildungs- und Schulungsmaßnahmen

  • Patientenbefragungen

  • Mitarbeiterbefragungen

  • Beschwerdemanagement

  • Patienteninformation und -aufklärung

  • Risikomanagement

  • Fehlermanagement und Fehlermeldesysteme

  • Notfallmanagement

  • Hygienemanagement

  • Arzneimitteltherapiesicherheit

  • Schmerzmanagement

  • Maßnahmen zur Vermeidung von Stürzen bzw. Sturzfolgen

  • Prävention von und Hilfe bei Missbrauch und Gewalt


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Patientensicherheit in Unternehmensführung und Teams

Vom Aktionsbündnis Patientensicherheit wird die Bedeutung der Unterstützung der Bemühungen um die Patientensicherheit durch die Führung von Gesundheitseinrichtungen, seien dies Kliniken oder Arztpraxen, betont, insbesondere bez. deren Verantwortung für eine nicht von Schuldzuweisungen („Scapegoat“) geprägte, sondern auf den konstruktiven Umgang mit Fehlern angelegte Sicherheitskultur [14]. Die Förderung von Sicherheit in risikoreichen Arbeitssystemen wird im Allgemeinen als zentrale Führungsaufgabe angesehen und hat normative, strategische und operative Aspekte [15].

Unter normativer Führung ist zu verstehen, dass Sicherheit als ein normativer und kultureller Wert im Unternehmen verstanden wird, der für alle Mitarbeiter, einschließlich der Führung, verbindlich ist (Sicherheitskultur); Führungskräfte sollten dabei eine Vorbildfunktion einnehmen, indem sie sich den selbstgesetzten Normen entsprechend verhalten.

Strategische Führung bzgl. Sicherheit bedeutet, dass es Managementaufgabe ist, der Sicherheit die angemessene Priorität gegenüber anderen unternehmerischen Zielsetzungen, insbesondere Produktivität und Effizienz, zu verschaffen [15]. Dies ist im Gesundheitswesen unter den Bedingungen der Ökonomisierung [16] ein kritischer Punkt. Gefährdungen der Patientensicherheit entstehen durch mangelhafte Personalausstattung, Zeitdruck und Multitasking des vorhandenen, überlasteten Personals, aber auch möglicherweise unzureichende sachliche Ressourcen wie das Fehlen einer geeigneten IT-Unterstützung; die bei objektiver Betrachtung möglicherweise erforderliche Konsequenz, auf Leistungen zu verzichten, die nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbracht werden können, wird aufgrund der Motivationslage von Beteiligten (Sorge um Erhalt von Boni bei Führungskräften, Angst vor Sanktionen und weiteren Sparmaßnahmen bei Mitarbeitern) möglicherweise nicht gezogen. Führungskräfte befinden sich insofern in Zielkonflikten, die offengelegt werden sollten; sie könnten gerade auch gegenüber Vorgesetzten und Kostenträgern durch die Einrichtung unabhängiger Patientensicherheitsbeauftragter Unterstützung erhalten.

In der operativen Führung müssen Führungskräfte ihre Mitarbeiter als Gruppe zusammenhalten und auf die Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben orientieren und sie dabei unterstützen. In der Medizin wird in Praxis und Klinik meist in Teams gearbeitet, die durch Führung koordiniert werden müssen, wobei eine explizite Koordination durch offene Kommunikation, die am besten in neuartigen oder kritischen Situationen eingesetzt wird, zu unterscheiden ist von der impliziten Koordination durch stillschweigende Übereinkunft, die ein gemeinsames Verständnis der Situation und entsprechendes Training voraussetzt und sich am besten für die Bewältigung von standardisierten Routineaufgaben eignet [17]. Die Führung durch aktive Zuweisung von Aufgaben (etwa durch den leitenden Notarzt an einer Unfallstelle oder durch den Dermatologen in der Praxis bei einem allergologischen Notfall mit Anaphylaxie) wird von Standardisierung unterschieden, die in bestimmten Situationen die aktive und explizite Führung ersetzen kann [17]. In weniger komplexen Fällen und in erfahrenen Teams ist ein „Empowerment“ im Sinne der Verantwortungsübertragung an Teammitglieder wirksamer als eine direktive Führung [18].


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Patientensicherheitsbeauftragte als „Motoren“ der Patientensicherheit

In Qualitätsmanagement-Systemen für das Gesundheitswesen sind für zahlreiche Bereiche „Beauftragte“ vorgesehen, die nach spezieller Schulung diese Bereiche in einer Institution monitoren und die Unternehmensführung auf Qualitätsmängel und erforderliche Maßnahmen zu ihrer Behebung aufmerksam zu machen haben. Dies betrifft etwa die Arbeitssicherheit, die Hygiene, die Informationssicherheit und den Katastrophenschutz. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert, dass diesen Beauftragten und Fachkräften hauptamtliche Patientensicherheitsbeauftragte und -fachkräfte (Patient Safety Officers, PSO) in allen Institutionen im Gesundheitswesen verpflichtend zur Seite gestellt werden; diese Personen sollten eine selbstständige Berufsgruppe analog zur Krankenhaus-Hygiene darstellen, die wie die Datenschutzbeauftragten gegenüber der Unternehmensführung unabhängig sein sollten [14]. Begründet wird dies damit, dass sich bislang favorisierte freiwillige bzw. auf die spontane Entwicklung vertrauende Lösungen als Illusion herausgestellt hätten [14]. Insbesondere in den USA ist die Funktion des Patient Safety Officers in Kliniken und Gesundheitsorganisation seit Längerem etabliert, und es existieren Curricula für ihre Ausbildung [19].

Als erstes deutsches Bundesland hat Hessen mit der Patientensicherheitsverordnung (PaSV) vom 30. Oktober 2019 die Voraussetzungen für die Einrichtung der Position von Patientensicherheitsbeauftragten geschaffen [20] ([Tab. 2]). Danach hat jedes Krankenhaus mindestens einen Patientensicherheitsbeauftragten zu bestellen, der direkt an die Leitung des Krankenhauses berichtet; eine Unabhängigkeit gegenüber der Leitung des Krankenhauses besteht jedoch nicht. Die Aufgaben des Patientensicherheitsbeauftragten betreffen die Weiterentwicklung der Sicherheitskultur im Krankenhaus, die Mitwirkung bei und Koordinierung der Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit, die Beurteilung der klinischen Risiken für das Krankenhaus insgesamt und für die einzelnen Organisationseinheiten und die Vorbereitung eines Berichtes zur Patientensicherheit, die das Krankenhaus dem für das Krankenhauswesen zuständigen Ministerium mindestens einmal jährlich zu erstatten hat [20].

Tab. 2

Position und Aufgaben des Patientensicherheitsbeauftragten in Krankenhäusern nach der hessischen Patientensicherheitsverordnung (PaSV) vom 30. Oktober 2019 [20].

Position

  • Gesundheitseinrichtung: Krankenhaus

  • Bestellung durch Leitung

  • Verantwortlichkeit unmittelbar gegenüber der Leitung des Krankenhauses

  • Qualifikation auf dem Gebiet des Klinischen Risikomanagements (Fortbildung in einem Umfang von mindestens 20 Stunden)

  • jährliche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Umfang von 8 Stunden auf dem Gebiet der Patientensicherheit oder des klinischen Risikomanagements

Aufgaben

  • Mitwirkung bei der Weiterentwicklung der Sicherheitskultur im Krankenhaus

  • Mitwirkung bei und Koordinierung der Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit

  • Beurteilung der klinischen Risiken für das Krankenhaus insgesamt und für die einzelnen Organisationseinheiten unter Beteiligung der jeweils Verantwortlichen und Beauftragten

  • Vorbereitung eines jährlichen Berichts über den Stand der Sicherheit der medizinischen Versorgung und der Identifizierung von Themen oder Schwerpunkten zur Verbesserung der Patientensicherheit

  • Bearbeitung von Anfragen


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Patientenbeteiligung zur Förderung der Patientensicherheit

Wird Patientensicherheit allein von ärztlicher oder pflegerischer Seite gedacht, manifestiert sich darin ein vielfach kritisierter und historisch überholter Paternalismus, der eine aktive Patientenpartizipation am Behandlungsprozess und die Möglichkeiten der Patientenbeteiligung an einer Sicherheitskultur in der Medizin nicht ausreichend nutzt. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit stellt als Interventionstyp sog. „Komplexe Mehrfachinterventionen“ (Complex Multicomponent Interventions, CMCI) in den Mittelpunkt zukünftiger Verbesserungsstrategien, die aus mehreren Einzelinterventionen bestehen, die jeweils unterschiedlichen Bereichen entstammen (Technik, Integration der Patienten, Lernen, Organisation, System) und immer die Patientenbeteiligung berücksichtigen [14]. Das Patientenengagement für die eigene Sicherheit setzt Einsichts- und Einflussmöglichkeiten in den Behandlungsprozess voraus.

Patientenbeteiligung an einer Sicherheitskultur könnte bereits mit der aktiven Entscheidung von Patienten für Ärzte und Krankenhäuser beginnen, die sichtbar kommunizierte Patientensicherheitskonzepte haben; eine Option, die angesichts des Mangels von Wahlmöglichkeiten allerdings vielfach unrealistisch ist.

Entscheidend dürfte aber sein, dass Patienten von Ärzten und Pflegenden in einem Klima des Vertrauens motiviert werden, aktive Partner bei ihrer eigenen Sicherheit zu sein. Dies sollte kein Lippenbekenntnis, sondern authentisches Anliegen von Leistungserbringern sein; eine Interview-Studie berichtete, dass Patienten durch verschiedene Faktoren davon abgehalten wurden, sich mit ihrer Sicherheit auseinanderzusetzen: Vertrauen in die Ärzte, dem Wunsch, „den Frieden zu wahren“ und Rücksichtnahme auf reale oder vermutete Gefühle oder Interessen der Ärzte [21]. Fördernd für das Patientenengagement ist hingegen, wenn Patienten das Gefühl haben, Ärzte und Pflegepersonal durch Verantwortungsübernahme entlasten zu können und wenn ein gutes Vertrauensverhältnis besteht [21]. Maßgebend für das Patientenengagement scheinen persönliche Fähigkeiten, Erfahrungswissen, Charakter, Beziehungen zu den behandelnden Ärzten und Pflegenden und die Bedeutung zu sein, die Patienten der Sicherheit beimessen [22].

Besonders eignet sich die Kontrolle der Medikation für eine aktive Patientenbeteiligung. Vertraut ist vielen Klinikern aus Visiten die Patientenfrage „Wofür sind diese Tabletten?“, was eine Überprüfung der Medikation und ihrer Richtigkeit zur Folge hat. Dass gerade die Medikationssicherheit von einer Patientenbeteiligung profitieren kann, zeigte ein kürzlich durchgeführtes systematisches Review, das bei 6 von 11 Interventionsstudien mit Kontrollgruppen eine statistisch signifikante Verbesserung bei mindestens einem Outcome zur Medikationssicherheit ergab [23]. Weitere Beispiele für gelungene Patientenpartizipation in der Sicherheit sind die Dienstübergabe in Kliniken, die möglichst am Patientenbett stattfinden sollte [24], und der aktive Austausch von Konsultationsdokumentationen mit Patienten, die aktiv überprüfen sollten, ob Dokumentationsfehler vorgekommen sein könnten, die die diagnostische Genauigkeit beeinträchtigen könnten, und empfohlene Untersuchungen und Überweisungen nachverfolgen sollten [25]. Derartige Initiativen wurden im deutschen Gesundheitssystem bisher nicht flächendeckend umgesetzt; die unten zu besprechenden Möglichkeiten einer digitalen Krankengeschichte, die zur Einsicht für Patienten geöffnet wird, könnten hier Veränderungen bringen.


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Digitale Unterstützungsmöglichkeiten für die Patientensicherheit ([Tab. 3])

Tab. 3

Potenzial digitaler Hilfsmittel („e-Health-Tools“) zur Verbesserung der Patientensicherheit in der Dermatologie.

Diagnosesicherheit

  • Bildanalyse mittels künstlicher Intelligenz in der Dermatoonkologie

  • Standardisierte Erfassung diagnostischer Parameter durch elektronische Questionnaires/Apps

  • Algorithmen- oder KI-gesteuerte Analyse der digitalen Patientenakte zur Differenzialdiagnostik

Therapiesicherheit

  • Algorithmen- oder KI-gesteuerte Analyse der digitalen Patientenakte zur Erkennung von „Sicherheitsereignissen“

  • Sicherheit dermatochirurgischer und laserdermatologischer Eingriffe: videogestütztes Monitoring

  • Arzneimittelsicherheit: Screening von Interaktionsrisiken bei der Verordnung

  • Verlaufsmonitoring mittels Apps/Recallfunktion

Koordinations- und Kommunikationssicherheit

  • Echtzeitzugriff aller an der Behandlung eines Patienten Beteiligter im Gesundheitswesen auf die digitale Patientenakte

  • Partizipativer Patientenzugriff zur digitalen Patientenakte: Informations- und Ablaufmonitoring

  • Digitales Logging von Schreiben, Freigabe, Versand und Lesen beim e-Arztbrief

Insbesondere auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens (e-Health) werden große Hoffnungen bez. einer Optimierung der Patientensicherheit gesetzt. Die e-Health (digital health) wird dabei im Sinne der WHO definiert als die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien für die Gesundheit [26], z. B. für die Behandlung von Patienten, die Durchführung von Forschung, die Ausbildung von Gesundheitspersonal, die Verfolgung von Krankheiten und die Überwachung der öffentlichen Gesundheit. Aus Sicht des deutschen Bundesgesundheitsministeriums bietet die Digitalisierung der Medizin die Chance, „die Herausforderungen, vor denen fast alle Gesundheitssysteme der westlichen Welt stehen – immer mehr ältere und chronisch kranke Menschen sind zu behandeln, teure medizinische Innovationen zu bezahlen, strukturschwache ländliche Gebiete medizinisch zu versorgen –, besser zu lösen“ [27]. Als konkrete Initiativen werden genannt die „Einführung der elektronischen Patientenakte, die Einführung des elektronischen Rezeptes, die Schaffung eines neuen Zugangs für digitale Gesundheitsanwendungen (‚‚App auf Rezept‛), das Voranbringen der Telemedizin oder auch die Etablierung eines Forschungsdatenzentrums“ [27].

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Digitalisierung gleichzeitig spezifische Risiken erzeugt, die die Integrität, Verfügbarkeit und den Zugriff auf für die Gesundheitsversorgung relevante Daten betreffen. Durch das „Internet der Dinge“ sind auch Geräte in der Medizin zunehmend vernetzt und damit für Systemfehler anfällig und durch Hackerangriffe gefährdet. Für England und Wales wurde berichtet, dass es innerhalb von 10 Jahren zu 2627 Vorfällen im Zusammenhang mit Ausfällen der Gesundheits-IT kam, von denen 331 (13 %) einen geringen Schaden, 102 (4 %) einen mittleren Schaden und 14 (1 %) einen schweren Schaden verursachten [28]. 4 Vorfälle (< 1 %) trugen zum Tod von Patienten bei [28]. Die digitale Sicherheit von Informationssystemen im Gesundheitswesen stellt also selbst eine neue Herausforderung für die Patientensicherheit dar.

Liegen Patientendaten in digitaler Form vor, können diese genutzt werden für eine Analyse mittels Algorithmen oder „selbstlernender Systeme“, der sog. „Künstlichen Intelligenz“, um deren Konsistenz zu prüfen. So kann in einem Datensatz etwa untersucht werden, ob die bei einer gegebenen Diagnose eingesetzten Therapieverfahren, z. B. Medikamente, leitliniengerecht sind, ob diese innerhalb ihrer Zulassung oder „off label“ eingesetzt werden und ob Arzneimittelinteraktionen zu befürchten sind; damit können Therapiefehler, die aufgrund der Vielzahl klinischer Informationen vom Arzt möglicherweise übersehen werden, frühzeitig erkannt und korrigiert werden. Dies ist bzgl. der Arzneimittelsicherheit heute in rudimentärer Form bereits möglich mit routinemäßig eingesetzten Datenbanken, etwa dem in die Arzneimitteldatenbank „ifap index“ integrierten „interaktiven Therapieassistenten i:fox“, der Verordnungen überprüft und potenzielle Risiken wie Arzneimittelinteraktionen und Kontraindikationen, Doppelverordnungen, Risiken und Gegenanzeigen bei schwangeren und stillenden Patientinnen und wirkstoffbezogene Allergierisiken anzeigt [29]. In Weiterführung dieses Ansatzes kann die Künstliche Intelligenz den Arzt, aber auch den Patienten dabei unterstützen, Verordnungen mit einem hohen Risiko eines Medikationsfehlers zu erkennen [30].

Im Hintergrund können Programme kontinuierlich digitale Patientenakten („electronic health records“, EHR) durchsuchen und aufgrund bestimmter, im Vorfeld zu definierender „Trigger“ auf mögliche sicherheitsrelevante Ereignisse hinweisen. Für ein Programm zur Echtzeit-Patientensicherheits-Überwachung, das auf den führenden kommerziell verfügbaren EHRs basierte, wie sie derzeit in den meisten US-Krankenhäusern eingesetzt werden, konnte gezeigt werden, dass es die Erkennung von Sicherheitsereignissen verbesserte und im Durchschnitt mehr als 10-mal mehr Sicherheitsereignisse als bei konventionellen Ansätzen (händischer „Chart Review“) anzeigte [31]. Weiterführend wären für das Monitoring von dermatochirurgischen oder Laserbehandlungen video-gestützte Analyseverfahren zur Erkennung sicherheitsrelevanter Situationen denkbar.

Ähnlich wie für die Therapie ist für die ärztliche Diagnosestellung eine Unterstützung mit Erhöhung der Patientensicherheit durch die Digitalisierung möglich. Im Vorfeld einer Konsultation könnten Patienten durch sog. „Online-Symptom-Checker“ diagnostische Kriterien selbst erfassen und durch IT-Systeme bewerten lassen, wobei allerdings für deren Nutzen bei dringlichen Gesundheitsproblemen die Evidenz bisher gering ist [32]. Die Nutzung bildanalytischer Verfahren in Kombination mit künstlicher Intelligenz für die Analyse von Dermatoskopie-Bildern wurde in den vergangenen Jahren als Instrument zur Diagnosesicherung in der Dermatoonkologie intensiv erforscht; eine auch erfahrenen Dermatologen vergleichbare diagnostische Präzision konnte gezeigt werden [33] [34], sodass diese Verfahren zur Diagnoseunterstützung Eingang in die Praxis finden und dabei helfen sollten, die Diagnose- und damit die Patientensicherheit zu verbessern.

Im Rahmen von teledermatologischen Anwendungen werden neben von Patienten erstellten Fotos standardisierte Questionnaires verwendet [35], die im Sinne der Patientensicherheit eine optimierte Symptomerfassung bieten können. Die Nutzung künstlicher Intelligenz in der Analyse dieser Daten gemeinsam mit den übersandten Bildern könnte differenzialdiagnostische Vorschläge durch das System ermöglichen, die das Blickfeld des Klinikers erweitern. Letztlich handelt es sich dabei um Weiterentwicklungen differenzialdiagnostischer Lehrbücher, die algorithmisch von Effloreszenzen und Lokalisationen zu differenzialdiagnostischen Optionen führen [36]. Bei der Versorgung chronisch erkrankter dermatologischer Patienten erfassen „Gesundheits-Apps“ kontinuierlich Beschwerden und die Medikation und können bei drohender Befundverschlechterung zur Konsultation motivieren. In einer aktuellen Arbeit wurden bereits 21 Apps mit einem Bezug zum Pruritus identifiziert [37]; so bietet eine der Apps etwa eine Dokumentation von Beschwerden bei chronischem Pruritus entsprechend eines validierten standardisierten Fragebogens der EADV (European Academy of Dermatology and Venereology) Task Force Pruritus in deutscher Sprache. Über einen Barcode erlaubt die App das Einscannen der Patienteninformationen in die Patientenakte. In zahlreichen klinischen Studien in der Dermatologie gehören Apps zur kontinuierlichen Erfassung von Symptomen bereits zum Standard. Außerhalb von Studien entwickelte Apps für chronische Dermatosen wie das atopische Ekzem zielen vielfach primär auf eine Erhöhung der Therapieadhärenz, könnten aber auch zur Optimierung der Patientensicherheit eingesetzt werden [38].

Ein besonderes Potenzial dürfte für den Einsatz von e-Health-Tools zur Patientensicherheit jedoch durch eine Verbesserung der Koordinations- und Kommunikationssicherheit bestehen. Im arbeitsteiligen Gesundheitswesen werden insbesondere ältere, multimorbide Patienten vielfach durch mehrere Spezialisten gleichzeitig betreut; die Kommunikation zwischen den Behandelnden ist häufig, insbesondere bei dringlichen Entscheidungen, eine Herausforderung und mit „analogen Mitteln“ nicht befriedigend zu lösen. Hausärzte sollen zwar als „Lotsen im Gesundheitssystem“ die Funktion übernehmen, die Behandlung eines Patienten zu koordinieren; dies gelingt jedoch nicht immer und wenn, dann häufig mit Verzögerung. Selbst in Kliniken wurden das Fehlen integrierter Kommunikationsmittel, mangelnde Kenntnis des Konsilstatus, Ineffizienzen im Zusammenhang mit Papier-basierten Krankenakten, unintuitive Benutzeroberflächen, Mangel an aktuellen Kontaktinformationen als Hemmnisse für die Behandlungskoordination und -kommunikation identifiziert [39]. Die Verfügbarkeit einer digitalen Patientenakte, die mit datenschutzrechtlicher Genehmigung des Patienten von allen an der Versorgung Beteiligten gelesen und weitergeführt werden darf, könnte die Abstimmung zwischen verschiedenen Fachgebieten und sektorenübergreifend zwischen Klinik und Praxis in Echtzeit verbessern. Insofern der Patient Zugang zu seiner eigenen digitalen Akte erhält, kann von ihm partizipativ und kontinuierlich die dort niedergelegte Information und das zwischen den behandelnden Ärzten abgestimmte Vorgehen kontrolliert werden [40]. Mittels elektronischer Tools wie dem e-Arztbrief, für den Schreib-, Freigabe-, Versand- und Leseaktivitäten sicher geloggt werden könnten, könnte auch die Übermittlung und Kenntnisnahme patientensicherheitsrelevanter Informationen durch weiterbehandelnde Ärzte besser als in der „analogen Welt“ sichergestellt werden.


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Zusammenfassung

Konkrete Maßnahmen zur Optimierung der Patientensicherheit sind in der Dermatologie wie im gesamten deutschen Gesundheitssystem möglich und aufgrund gesundheitspolitischer Entscheidungen erforderlich. Die Änderungen in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung, aber auch Angebote in der Fortbildung dürften das Problembewusstsein für die Patientensicherheit in den kommenden Jahren erhöhen. Die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben wie der Bestellung von Patientensicherheitsbeauftragten in Kliniken mit Reporting-Pflichten an Management und Aufsichtsbehörden dürfte zu einer Verbesserung der Patientensicherheit ebenso beitragen wie eine Aktivierung von Patienten, sich für ihre eigene Sicherheit im Behandlungsprozess zu engagieren. Gerade in der Dermatologie ergeben sich erhebliche Potenziale für die Patientensicherheit durch die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens (e-Health).


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Peter Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena
Deutschland   

Publication History

Article published online:
14 April 2021

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