Halpin DM.
GOLD Science Committee.
Global Initiative for the Diagnosis, Management, and Prevention of Chronic Obstructive
Lung Disease.
Am J Respir Crit Care Med 2021;
203: 24-36
DOI:
10.1164/rccm.202009-3533SO
Die gesteigerte ACE2-mRNA-Expression bei COPD legte die Vermutung nahe, dass Erkrankte
sich häufiger mit dem SARS-CoV-2 anstecken könnten. Zudem bestand die Annahme, dass
inhalative Kortikosteroide die ACE2-mRNA modulieren und möglicherweise Therapieanpassungen
erforderlich sind. Bis auf 1 Untersuchung bestätigte sich eine gesteigerte Infektionsrate
bei COPD-Patienten nicht. Im Unterschied dazu ergab sich aber ein höheres Risiko für
Krankenhausaufnahmen (HR 1,55; 95 %-KI 1,46–1,64). Einige Gruppen kamen zu dem Schluss,
dass die Wahrscheinlichkeiten für schwere Verläufe und Tod erhöht sind. Als mögliche
Gründe sind eine schlechte Therapieadhärenz, ein schwieriges Selbst-Management während
der Pandemie und eine reduzierte pulmonale Reserve möglich.
Bei vermuteten Exazerbationen durch SARS-CoV-2 sind frühzeitige RT-PCR-Tests auch
bei leichten Symptomen notwendig. Da auch Fälle mit negativem Ergebnis und positiver
Bildgebung vorkamen, ist eventuell eine serielle Testung erforderlich. Abhängig vom
Patientenalter, der Jahreszeit und dem klinischen Setting sollten auch andere Ursachen
einer verschlechterten COPD z. B. durch andere Erreger oder eine Umweltbelastung abgeklärt
werden. Bislang ergaben sich keine Hinweise auf eine verzögerte Rekonvalszenz oder
modifizierte Krankheitsverläufe durch das bei COPD veränderte Lungenmikrobiom. Wegweisende
Symptome sind Fieber, Anorexie, Myalgien und gastrointestinale Symptome, die bei anderen
Exazerbationen seltener sind.
Wegen der Gefahr einer Virustransmission und bei hohen Prävalenzen sollten Lungenfunktionsprüfungen
essenziellen Fällen vorbehalten bleiben. Die Abklärung einer Obstruktion könne eventuell
mit elektronischen, portablen Heimspirometern und Video-Begleitung erfolgen. Für Bronchoskopien
sind negative Testergebnisse erforderlich. In Notfällen sind die Patienten wie Infizierte
unter besonderen Schutzmaßnahmen für das Personal zu untersuchen. Der Röntgen-Thorax
ist bei leichten COVID-19-Verläufen wenig sensitiv. In moderaten und schweren Fällen
und bei klinischen Verschlechterungen finden sich meist bilaterale Veränderungen.
Das Röntgen und auch der Point-of-Care-Ultraschall eignen sich für die Abgrenzung
anderer Ursachen (z. B. Lobärpneumonie, Pneumothorax, Pleuraerguss). Schwer Erkrankte
sollten eine CT des Thorax erhalten, die bei COPD plus COVID-19 häufiger Milchglasverschattungen,
fleckige Muster und interstitielle Auffälligkeiten zeigte als bei Betroffenen ohne
COPD. Wegen der gesteigerten Wahrscheinlichkeit für thromboembolische Ereignisse kommt
auch eine CT-Angiografie in Betracht. Laborchemisch waren u. a. schwere Lymphozytopenien,
Thrombozytopenien, erhöhte Werte für D-Dimere, CRP, Procalcitonin und LDH mit dem
Risiko für schwere Verläufe assoziiert. Dies galt für Patienten mit und ohne COPD.
Präventive Maßnahmen bleiben auch für COPD-Patienten Schutzmasken, Händedesinfektion
und Abstandsregeln. Britische Gruppen raten zu einer Selbstisolation bei einer FEV1
< 50 %, mMRC ≥ 3, nach schweren Exazerbationen und bei Sauerstofftherapie. Dabei sollten
die Patienten dennoch zu Aktivität und Bewegung ermutigt werden.
Zur Therapie empfiehlt die GOLD-Gruppe
-
eine fortgesetzte Behandlung mit inhalativen Kortikosteroiden, langwirksamen Bronchialdilatatoren,
Roflumilast oder chronischen Makroliden,
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systemische Kortikosteroide und Antibiotika wie bei Exazerbationen indiziert,
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bei schweren COVID-19-Fällen den Standard mit evt. Remdesivir, Dexamethason, Antikoagulation,
Atemunterstützung mit nasaler High-Flow-Therapie, Bauchlage, protektiven Lungenstrategien
und Rehabilitationsmaßnahmen,
-
die Impfpriorisierung.
Bei Patienten mit COPD stellen die Autoren in Verdachtsfällen die frühzeitige, ggf.
serielle Testung auf SARS-CoV-2 heraus. Die Behandlung von COPD-Exazerbationen und
bei koinzidenter COVID-19-Pneumonie erfolgt nach dem Standard. Bereits nach moderaten
Verläufen sollte eine intensivierte Nachsorge erfolgen, insbesondere, wenn eine Sauerstoffsubstitution
vorliegt. Falls computertomografisch Residuen bestehen, sind Kontroll-CT nach 6–12
Monaten zu überlegen. Überlebende mit COPD und schwerer Infektion seien als Patienten
mit einem hohen Risiko für eine „chronic critical illness“ zu betrachten, ein heterogenes
Krankheitsbild, das nicht auf die akute Infektionsperiode beschränkt bleibt.
Dr. med. Susanne Krome, Melle