Hamostaseologie 2021; 41(06): 425-426
DOI: 10.1055/a-1370-0394
Editorial

Laudatio auf Rüdiger E. Scharf

 

    Abstract

    Verehrte Leserinnen und Leser,

    die Ihnen vorliegende Ausgabe der Hämostaseologie – Progress in Haemostasis dient neben der gewohnt hochka-rätigen Informationsübermittlung als Festschrift anlässlich des 70. Geburtstags von Universitätsprofessor Dr. med. Rüdiger Eberhard Scharf, des langjährigen Herausgebers. Er ist emeritierter Lehrstuhlinhaber und ehemaliger Direktor des Instituts für Hämostaseologie, Hämotherapie und Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.


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    Rüdiger Scharf wurde am 19. März 1951 in Jena geboren. Die Eltern hatten prägenden Einfluss auf das Wertesystem ihres aufgeschlossenen, vielseitig interessierten Sohnes. Das Vorbild des ärztlichen Vaters, von dem Rüdiger Scharf auch heute noch mit Dankbarkeit und Zuneigung spricht, brachte ihn anstelle eines geplanten Jura- und Philosophiestudiums zur Medizin.

    Von 1969 bis 1975 studierte Rüdiger Scharf in Saarbrücken, Homburg, Cambridge (UK) und München (TUM) Humanmedizin. Er war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. Seine Begabung zu wissenschaftlichen Fragestellungen und deren Beantwortung durch Modellsysteme und originelle Experimente zeigte sich schon als biochemischer Doktorand, vor allem bei seiner Habilitation “Thrombozyten und Mikrozirkulationsstörungen”, die er bereits mit 33 Jahren abschloss.

    Rüdiger Scharf ist den anspruchsvollen Weg des Clinician-Scientist konsequent gegangen: nach der summa cum laude Promotion (1976) und Medizinalassistentenzeit in Heidelberg und Mannheim folgte eine Postdoc-Ausbildung (1977–1978) bei Prof. E. F. Lüscher in Bern. Hier befasste er sich mit Stoffwechseluntersuchungen humaner Blutplättchen und fand mit den Thrombozyten einen Schwerpunkt, der sich wie ein roter Faden durch seine weiteren Forschungsaktivitäten ziehen sollte. Anschließend wechselte er an die Medizinische Universitätsklinik Düsseldorf. Hier erhielt er unter seinen klinischen Lehrern Profs. W. Schneider, F. Loogen, G. Strohmeyer und B. Grabensee eine umfassende internistische Ausbildung mit Schwerpunkten in Hämatologie-Onkologie, Kardiologie-Intensivmedizin, Gastroenterologie-Hepatologie und Nephrologie-Rheumatologie. Seine klinische und akademische Karriere setzte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit fort: 1984 zum Oberarzt und Privatdozenten, 1987 zum Leitenden Oberarzt ernannt, wurde er bereits als 35-jähriger auf eine C2-Professur für Innere Medizin an der Universität Düsseldorf berufen.

    Als “shooting star” erhielt Rüdiger Scharf 1988 die prestigeträchtige Auszeichnung eines Heisenberg-Stipendiums, eine besonders kompetitive Ehrung der DFG zur Förderung der Elitebildung. Rüdiger Scharf wählte das Scripps Research Institute in La Jolla, Südkalifornien, zur Fortsetzung und Vertiefung seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. Die Pionierarbeiten zur funktionellen durchflusszytometrischen Analytik von Thrombozyten und seine gemeinsam mit Profs. L. A. Harker, Z. M. Ruggeri und E. Beutler durchgeführten molekularbiologischen Studien waren bahnbrechend, so dass er bereits zwei Jahre später einem Ruf der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf eine Professur für Experimentelle Hämatologie und Hämostaseologie folgen konnte. Als 1994 die Nachbesetzung des transfusionsmedizinisch-hämostaseologischen Lehrstuhls an der Universität Düsseldorf anstand, wurde eine internationale Bestenauslese vorgenommen. Das Ergebnis ist hinreichend bekannt.

    Mit der ihm eigenen Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit packte Rüdiger Scharf die in seinem Amt gestellten Aufgaben elanvoll und effektiv an. Er reorganisierte das gesamte Institut und baute es zu einem renommierten Hämotherapie-Zentrum aus. So zählte die Düsseldorfer Uni-Blutspendezentrale weltweit zu den ersten, die bereits ab 1995 das virusgenomische Screening auf HIV und HCV, später auch auf HBV und CMV als Routinediagnostik von Spenderfreiwilligen praktizierte. Vor allem der Thrombose-Hämostase-Schwerpunkt und das interdisziplinäre Hämophilie-Zentrum fanden nationale und internationale Anerkennung. Die Reputation stützte sich auch auf rege Forschungsaktivitäten, die nicht nur Rüdiger Scharfs Favoritengebiet angeborener und erworbener Thrombozytendefekte, sondern ebenso das breite Spektrum thrombophiler Hämo-stasestörungen, die molekulargenetische Diagnostik und antithrombotische Therapie, umfassten. Zugleich widmete sich Rüdiger Scharf intensiv der Hämophiliebehandlung, insbesondere der Akuttherapie bei erworbener Hemmkörperhämophilie.

    Als engagierter, empathischer und gewissenhafter Arzt war Rüdiger Scharf seinen Mitarbeitern ein Vorbild. Seine eigene Rolle sah er als Brückenbauer zwischen Grundlagenforschung und Klinik, und augenzwinkernd zitierte er gern Prof. E. Bocks Beschreibung der Cheffunktion als “Lehrmeister von Mehrleistern”. Zwölf Habilitationen während seiner 22-jährigen Dienstzeit bestätigen diesen Anspruch. Zugleich war Rüdiger Scharf Mitinitiator und stv. Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs 612 (“Molekulare Analyse kardiovaskulärer Funktionen und Funktionsstörungen”), der die maximale Förderung über drei Perioden erreichte. Neben Klinik, Forschung, Lehre und Administration bewahrte er sich “Inseln” für seine musischen Aktivitäten und engagierte sich langjährig als Vorsitzender des Fördervereins des Düsseldorfer Uni-Chors und akademischen Orchesters.

    Auch außerhalb seiner Alma mater wurden Rüdiger Scharf zahlreiche Funktionen und Ämter angetragen. Die, die er annahm, hat er mit vorbildlichem Einsatz ausgefüllt. So engagierte er sich über 35 Jahre für die GTH, zunächst als Sekretär der Kongresse 1986 und 1987, von 1991 bis 1994 als Vorstandsmitglied, 2015 mit mir zusammen als GTH-Kongresspräsident und von 2009 bis heute als Herausgeber der Zeitschrift Hämostaseologie – Progress in Haemostasis. 2008 war er Präsident des deutsch-französischen DGTI-Kongresses in Düsseldorf. Auch für internationale Fachgesellschaften (ISTH, SSC, ASH, AHA, ISBT, SFTS) war Rüdiger Scharf in vielen Funktionen aktiv. Ebenfalls ehrenamtlich wurde er in Beratungsgremien der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts, des Bundesministeriums für Gesundheit und andere berufen. Die Qualität seiner Arbeit blieb ihm stets wichtig. Deshalb freute er sich über die Anerkennung, die in zahl-reichen Preisen und Ehrungen zum Ausdruck gebracht wurde.

    Als Student und Postdoc wurde er, wie erwähnt, durch die Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert, eine Ehre, die <1% aller Studierenden zuteil wird. Seine Doktorarbeit wurde als beste medizinische Dissertation mit dem Eduard-Martin-Preis der Universität des Saarlandes ausgezeichnet. Der Albert-Knoll-Preis (1980) der Saarländisch-Pfälzischen Internisten-Gesellschaft war ihm wichtig, weil Prof. Schneider, sein Düsseldorfer Mentor, diesen Preis früher ebenfalls erhalten hatte. Weitere Auszeichnungen folgten: bereits 1984 die bis dahin höchste wissenschaftliche Ehre durch Verleihung des Alexander-Schmidt-Preises, der Habilitationspreis der Universität Düsseldorf, Ehrungen durch die International Society of Nephrology und die University of California Los Angeles, sämtlich 1984. Die Rudolf-Jürgens-Gedenkmedaille (1997) für Leistungen in translationaler Hämostase-Forschung am Anfang seines Ordinariats und der hochdotierte Erwin-Deutsch-Preis der GTH (2014) gegen Ende seiner Amtszeit, legen Zeugnis ab von seiner über ein Vierteljahrhundert währenden Schaffenskraft als Hochschullehrer, Institutsdirektor, Arzt und Wissenschaftler. Im Jahre 2017, bereits nach seiner Entpflichtung, folgte die Einladung zu einer Gastprofessur an der Harvard Medical School. Erfolgreicher kann man ein Leben als Physician-Scientist nicht leben. Und er ist ja erst siebzig Jahre alt geworden!

    Rüdiger Scharf ist ein umfassend gebildeter, systematisch denkender, differenzierter und zugleich pragmatisch handelnder Mann mit vielen musischen Interessen. Sein Wertesystem drängt er anderen nicht auf, sondern lebt es konsequent selbst. Als Ehemann seiner wunderbaren Frau Anne ([Fig. 1]), als Vater zweier erfolgreicher, liebenswerter Kinder und als Großvater von bisher vier Enkelkindern, hat er bereits den Grundstein zu seiner Unsterblichkeit gelegt. Uns verbindet Freundschaft im aristotelischen Sinne: “Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern“, schreibt der Philosoph. Ich bin stolz, Freund dieses Menschen sein zu dürfen.

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    Fig. 1 Rüdiger und Anne Scharf.

    Christoph Bode, Freiburg


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).


    Publication History

    Received: 19 July 2021

    Accepted: 19 July 2021

    Article published online:
    23 December 2021

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    Fig. 1 Rüdiger und Anne Scharf.