Aktuelle Dermatologie 2021; 47(04): 173-175
DOI: 10.1055/a-1363-8394
Kasuistik

Irritative Kontaktdermatitis auf Minoxidil-Präparate bei Stimulation der Hautbarrierepenetration durch Okklusion

Irritative Contact Dermatitis to Minoxidil Preparations Through Occlusive Application-Induced Intensification of Skin Barrier Penetration
Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Immunologisches Zentrum, Städtisches Klinikum Dessau, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane und Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg, Dessau
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Eine Patientin mit androgenetischer Alopezie (female pattern) wurde zunächst mit Minoxidil 2 %-Lösung behandelt, wobei sie innerhalb von 15 Tagen ein juckendes Kopfhauterythem entwickelte. Die Epikutantestung zeigte eine polyvalente Kontaktsensibilisierung, wobei sie auf die Bestandteile der Minoxidil-Präparate Propylenglycol, Butylhydroxytoluol (E321), Cetylalkohol und Stearylalkohol sowie auf die offene Epikutantestung auf Minoxidil 5 %- und 2 %-Lösung, Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung negativ war. Allerdings fiel eine protrahierte, 48-stündige Okklusion mit Minoxidil 5 %- und 2 %-Lösung positiv aus, während eine Reaktion auf Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung nicht beobachtet wurde. Der Lymphozyten-Transformations-Test auf Minoxidil war negativ. Eine Therapie mit Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung konnte für die Dauer von 15 Monaten fortgeführt werden, anschließend wurde die Therapie aufgrund einer erneuten lokalen Reaktion beendet.


#

Abstract

A female patient with androgenetic alopecia was initially treated with minoxidil 2 % solution and developed an itchy scalp erythema within 15 days. The patch test showed polyvalent contact sensibilization but was negative to the components of the minoxidil preparations propylene glycol, butyl hydroxytoluene (E321), cetyl alcohol and stearyl alcohol as well as to minoxidil 5 % and 2 % solution, minoxidil 5 % foam and fluprednidene 21-acetate/estradiol solution. However, a prolongated occlusive test for 48 h with minoxidil 5 % and 2 % solution was positive, while a reaction to minoxidil 5 % foam and fluprednidene 21-acetate/estradiol solution was not observed. The lymphocyte transformation test for minoxidil was negative. Therapy with minoxidil 5 % foam and fluprednidene 21-acetate/estradiol solution could be continued for 15 months, after which the patient discontinued the treatment due to a new local reaction.


#

Einleitung

Minoxidil (2,4-Diamino-6-Piperidinopyrimidin-3-Oxid) ist ein Kalium-Kanal-Öffner, der eine Zellhyperpolarisation verursacht. Die daraus resultierende Blutgefäßerweiterung führt zu einer verstärkten Nährstoffversorgung der Haarfollikel und damit zu einer Verlängerung der Wachstumsphase der Haare [1]. Über eine allergische Kontaktdermatitis auf Minoxidil wurde erstmals 1985 durch Degreef et al. berichtet [2]. 1992 zeigte Whitmore, dass die inzwischen mehrmals beschriebene Kontaktdermatitis auf Minoxidil nicht durch den Wirkstoff verursacht wurde, sondern durch die Grundlage und v. a. Propylenglycol, welches in der Grundlage des Originalpräparates enthalten ist [3]. Der Einsatz einer Schaumgrundlage mit Butylhydroxytoluol statt Propylenglycol verbesserte signifikant die Prävalenz lokaler Intoleranzreaktionen des Originalpräparates (p = 0,046) [4]. Allerdings wiesen Hagemann et al. auch auf eine – eher seltene – Sensibilisierung auf Minoxidil hin, die einen positiven LTT auf Minoxidil voraussetzt [5].


#

Fallbericht

Anamnese

Eine 52-jährige Patientin stellte sich mit seit über 5 Jahren zunehmender androgenetischer Alopezie (female pattern) vor. Seit 2 Jahren befand sie sich in der Menopause. Eine seit 2 Jahren durchgeführte systemische Therapie mit Dienogest 2 mg und Östradiolvalerat 2 mg pro Tag verbesserte nicht das klinische Bild. An Vorerkrankungen bestand eine nicht therapiebedürftige Hyperthyreose.


#

Klinischer Befund

Die Patientin präsentierte sich in einem guten Allgemeinzustand. Im Scheitelbereich konnte man eine sichtbare Haarlichtung mit frontalem Haarsaum beobachten. Der Haarzupftest fiel negativ aus, das Trichogramm wies ein telogenes Effluvium frontoparietal nach.


#

Therapie

Eine lokale Behandlung mit Minoxidil 2 %-Lösung und Flupredniden 21-acetat 0,25 mg/g/Östradiol 0,5 mg/g-Lösung jeweils 1-mal abends abwechselnd wurde durchgeführt.


#

Therapie und Verlauf

Aufgrund eines juckenden Kopfhauterythems musste die Patientin 15 Tage nach Therapiebeginn die Therapie mit Minoxidil 2 %-Lösung und Flupredniden 21-acetat 0,25 mg/g/Östradiol 0,5 mg/g-Lösung absetzen. Eine Standard-Epikutantestung sowie eine Epikutantestung auf mögliche Allergene der DKG-Friseurreihe (Testläppchen für 24 Stunden) zeigte eine Sensibilisierung auf p-Phenylendiamin (1 %), 4-Phenylendiamin (1 %), 4-Toluylendiamin (1 %), Myroxylon pereirae (25 %), Nickelsulphat (5 %) und Kobaltchlorid (1 %; alle in Vaseline). Die Epikutantestung auf Propylenglycol (5 %), Butylhydroxytoluol (E321; 2 %), Cetylalkohol (20 %) und Stearylalkohol (20 %, alle in Vaseline) sowie auf Minoxidil 2 %-Lösung, Minoxidil 5 %-Lösung, Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung fiel negativ aus.

Die Epikutantestung auf Minoxidil 2 %-Lösung, Minoxidil 5 %-Lösung und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung sowie eine Testung auf Minoxidil 5 %-Schaum, welcher, statt Propylenglycol, Butylhydroxytoluol (E321), Cetylalkohol und Stearylalkohol enthält, wurden unter 48- statt 24-stündiger Okklusion wiederholt. Die Minoxidil 5 %-Lösung war bereits nach 24 Stunden positiv (+), die Minoxidil 2 %-Lösung war erst nach 48 Stunden positiv (+ +), und die Reaktion auf beide Präparate blieb positiv (+ +) auch nach 96 Stunden ([Abb. 1]). Eine Reaktion auf Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung wurden auch unter okklusiven Bedingungen nicht beobachtet. Der Lymphozyten-Transformations-Test (LTT) auf Minoxidil fiel negativ aus.

Zoom Image
Abb. 1 Ergebnisse der 24- und 48-stündigen Epikutantestung mit Minoxidil 5 %-Lösung, Minoxidil 2 %-Lösung und Minoxidil 5 %-Schaum 48 und 96 Stunden nach der Auftragung der Präparate (24-stündige Testung) bzw. 24 und 48 Stunden bei der 48-stündigen Testung.

Die Therapie wurde mit Minoxidil 5 %-Schaum und Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung fortgeführt. 15 Monate später musste die Minoxidil-Therapie trotz der deutlichen Besserung des Krankheitsbildes abgebrochen werden, weil die Patientin starken Kopfhautjuckreiz nach Anwendung von Minoxidil 5 %-Schaum entwickelte. Die Therapie wurde weiter mit Flupredniden 21-acetat/Östradiol-Lösung ohne weitere Reaktionen durchgeführt.


#
#

Diskussion

Interessanterweise penetriert Minoxidil die Haut sowohl durch den follikulären Weg als auch perkutan, sodass 5 Minuten nach dem Auftragen von Minoxidil-Schaum Minoxidil im Blutserum nachgewiesen werden kann [6]. Eine Hautirritation kann sogar die Minoxidilkonzentration im Serum deutlich erhöhen [7]. Diese Befunde können Grund der Beobachtung von Friedman et al. sein, dass eine allergische Kontaktdermatitis auf ein Minoxidilpräparat und trotz eines initial anscheinend erfolgreichen Grundlagewechsels früher oder später wieder auftreten kann [8]. In unserem Fall lagen weder eine Minoxidil- noch eine Propylenglycol-Sensibilisierung vor, sondern eine irritative Kontaktdermatitis bei Stimulation der Hautbarrierepenetration durch Okklusion bei einer Patientin mit multivalenter Kontaktsensibilisierung. Die Patientin trug häufig in der Nacht eine Kappe, um ihre Bettwäsche vor dem aufgetragenen Präparat zu schützen. Somit lag ein Okklusionseffekt vor.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Rossi A, Cantisani C, Melis L. et al. Minoxidil use in dermatology, side effects and recent patents. Recent Pat Inflamm Allergy Drug Discov 2012; 6: 130-136
  • 2 Degreef H, Hendrickx I, Dooms-Goossens A. Allergic contact dermatitis to minoxidil. Contact Dermatitis 1985; 13: 194-195
  • 3 Whitmore SE. The importance of proper vehicle selection in the detection of minoxidil sensitivity. Arch Dermatol 1992; 128: 653-656
  • 4 Blume-Peytavi U, Hillmann K, Dietz E. et al. A randomized, single-blind trial of 5 % minoxidil foam once daily versus 2 % minoxidil solution twice daily in the treatment of androgenetic alopecia in women. J Am Acad Dermatol 2011; 65: 1126-1134.e2
  • 5 Hagemann T, Schlütter-Böhmer B, Allam JP. et al. Positive lymphocyte transformation test in a patient with allergic contact dermatitis of the scalp after short-term use of topical minoxidil solution. Contact Dermatitis 2005; 53: 53-55
  • 6 Blume-Peytavi U, Massoudy L, Patzelt A. et al. Follicular and percutaneous penetration pathways of topically applied minoxidil foam. Eur J Pharm Biopharm 2010; 76: 450-453
  • 7 Fiedler VC, Wendrow A, Szpunar GJ. et al. Treatment-resistant alopecia areata. Response to combination therapy with minoxidil plus anthralin. Arch Dermatol 1990; 126: 756-759
  • 8 Friedman ES, Friedman PM, Cohen DE. et al. Allergic contact dermatitis to topical minoxidil solution: etiology and treatment. J Am Acad Dermatol 2002; 46: 309-312

Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Prof. honoraire Dr. h. c. Dr. med. Christos C. Zouboulis
Hochschulklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Immunologisches Zentrum, Städtisches Klinikum Dessau
Medizinische Hochschule Brandenburg
Theodor Fontane und Fakultät für Gesundheitswissenschaften Brandenburg
Auenweg 38, 06847 Dessau
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
16. April 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Rossi A, Cantisani C, Melis L. et al. Minoxidil use in dermatology, side effects and recent patents. Recent Pat Inflamm Allergy Drug Discov 2012; 6: 130-136
  • 2 Degreef H, Hendrickx I, Dooms-Goossens A. Allergic contact dermatitis to minoxidil. Contact Dermatitis 1985; 13: 194-195
  • 3 Whitmore SE. The importance of proper vehicle selection in the detection of minoxidil sensitivity. Arch Dermatol 1992; 128: 653-656
  • 4 Blume-Peytavi U, Hillmann K, Dietz E. et al. A randomized, single-blind trial of 5 % minoxidil foam once daily versus 2 % minoxidil solution twice daily in the treatment of androgenetic alopecia in women. J Am Acad Dermatol 2011; 65: 1126-1134.e2
  • 5 Hagemann T, Schlütter-Böhmer B, Allam JP. et al. Positive lymphocyte transformation test in a patient with allergic contact dermatitis of the scalp after short-term use of topical minoxidil solution. Contact Dermatitis 2005; 53: 53-55
  • 6 Blume-Peytavi U, Massoudy L, Patzelt A. et al. Follicular and percutaneous penetration pathways of topically applied minoxidil foam. Eur J Pharm Biopharm 2010; 76: 450-453
  • 7 Fiedler VC, Wendrow A, Szpunar GJ. et al. Treatment-resistant alopecia areata. Response to combination therapy with minoxidil plus anthralin. Arch Dermatol 1990; 126: 756-759
  • 8 Friedman ES, Friedman PM, Cohen DE. et al. Allergic contact dermatitis to topical minoxidil solution: etiology and treatment. J Am Acad Dermatol 2002; 46: 309-312

Zoom Image
Abb. 1 Ergebnisse der 24- und 48-stündigen Epikutantestung mit Minoxidil 5 %-Lösung, Minoxidil 2 %-Lösung und Minoxidil 5 %-Schaum 48 und 96 Stunden nach der Auftragung der Präparate (24-stündige Testung) bzw. 24 und 48 Stunden bei der 48-stündigen Testung.