Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42(01): 45-50
DOI: 10.1055/a-1352-7815
Forschung

Hilft viel viel? Ein Beitrag zur Dosierungsfrage von Arzneipflanzen in der Tiermedizin

Michael Walkenhorst
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Frick, Schweiz
,
Hannah Ayrle
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Frick, Schweiz
› Author Affiliations
Preview
ABKÜRZUNGEN

CFU Colony Forming Units

MBW metabolic body weight / metabolisches Körpergewicht (kg0.75)

Hilft bei der Infektionsbehandlung viel viel? Hochdosiert und lang antibiotisch zu behandeln, galt lange Zeit als Goldstandard. Zugrunde lag die Annahme, bakterielle Krankheitserreger durch die Medikation zu 100 %, also vollständig(!) zu eliminieren. Dieses Dogma bröckelt. Durch eine 14 Tage andauernde tägliche Verabreichung von 6 mg Colistinsulfat pro kg Körpergewicht ließen sich die Colony Forming Units (CFU) von E. coli pro g Absetzerferkel(durchfall)kot nach 7 Tagen von ca. 107 auf ca. 103 reduzieren. Weitere 7 Tage später lagen bei andauernder und an das zunehmende Körpergewicht angepasster Dosierung die E. coli-CFU bereits schon wieder 100fach höher bei ca. 105 [2] . Hätte man mit einer noch höheren Dosierung noch mehr bewirkt? Die nach 14 Tagen antibiotischer Dauermedikation ausgeschiedenen Bakterien dürften sich zumindest mit der Medikation in entsprechender Dosierung arrangiert haben.

In der Tiermedizin die richtige Dosierung zu finden, ist grundsätzlich schon weitaus schwieriger als in der Humanmedizin. Man hat es nicht nur mit unterschiedlichen Tierarten und zum Teil deutlich unterschiedlichen Wirk- und Abbauphysiologien zu tun, sondern nicht selten schwanken auch Größe und Körpergewicht innerhalb ein und derselben Art erheblich. Man halte sich nur einen Chihuahua und einen Bernhardiner Hund, eine Jersey und eine Holstein Friesian Kuh oder ein Shetland Pony und ein Shire Horse vor Augen. Breit angelegte pharmakokinetische und -dynamische Untersuchungen oder Dosisfindungsstudien für Tierarzneimittel sind rar. Noch wesentlich seltener sind sie im Hinblick auf pflanzliche Wirkstoffe [1] , [22] und es ist nicht zu erwarten, dass sich dieser Zustand in naher Zukunft ändert.

In der Tiermedizin gilt es nach wie vor als lege artis, Dosierungen zwischen verschiedenen Tierarten oder verschiedenen Kalibern derselben Tierart, oder auch vom Menschen aufs Tier nicht über das normale Körpergewicht, sondern über das sogenannte metabolische Körpergewicht (kg0.75, MBW; [11] ) umzurechnen.

Dosierungsempfehlungen von Arzneipflanzen für Tiere gibt es dennoch mittlerweile wieder in den einschlägigen Fachbüchern, in der Regel auf Basis historischer Literatur.

Wie lassen sich zukünftig Arzneipflanzendosierungen für Tiere besser abschätzen, einordnen und weiterentwickeln? Dieser Frage widmet sich der folgende Artikel.



Publication History

Article published online:
15 February 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany