Schlüsselwörter Metakarpalepseudarthrose - hochenergetische fokussierte elektromagnetische extrakorporale
Stoßwellentherapie – ESWT - extrakorporale Magnetotransduktionstherapie – EMTT
Key words Metacarpal non-union - high-energetic focused extracorporeal shockwave therapy – ESWT
- extracorporeal magnetotransduction therapy – EMTT
Einleitung
Verzögerte Knochenbruchheilungen wie auch manifeste Pseudarthrosen betreffen am Handskelett
insbesondere das Kahnbein und die Mittelhandknochen [1 ]. Die Anwendung der fokussierten extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) zur Verbesserung
der Knochenheilung ist seit mehr als 20 Jahren klinisch bekannt und überaus gut beschrieben
[2 ], [3 ], [4 ], [5 ].
Gerätetechnisch können und sollten fokussierte Stoßwellentherapiegeräte hinsichtlich
der Art der Erzeugung der Stoßwelle differenziert werden in:
elektrohydraulischer Generator
piezoelektrischer Generator
elektromagnetischer Generator
Die Arbeitsgruppe um Sergio Russo teilte als erste im Jahre 2000 ihre Erfahrungen
mit der Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen mittels ESWT mit [6 ]. Seit 1994 hatten Russo und Mitarb. 153 Kahnbeinpseudarthrosen mittels elektromagnetisch
generierter fokussierter ESWT (Storz Minilith, Tägerwilen, Schweiz) jeweils in 4 Sitzungen
mit je 4000 Impulsen bei 0,5 mJ/mm2 therapiert, wobei die Heilungsrate nach 16 Wochen bei 53 % lag. In dieser Zeitschrift
berichtete eine Salzburger Arbeitsgruppe im Sommer 2019 über eine Erfolgsrate von
71 % bei verzögerter Heilung von Kahnbeinfrakturen und Kahnbeinpseudarthrosen unter
Verwendung der hochenergetischen elektrohydraulisch generierten fokussierten ESWT
(0,41 mJ/mm2 , 4000 Impulse; eine Sitzung; MTS Orthogold 280, MTS Europe GmbH, Konstanz, Deutschland)
[7 ]. 2020 wurde die fokussierte ESWT bei Kahnbeinpseudarthrosen als konservativer zielführender
Therapieversuch beurteilt, so eine stabile Osteosynthese, Infektfreiheit und ein Defekt
von weniger als 5 mm vorliegt [8 ]. Durch Vergleich der Ergebnisse der Kahnbeinrekonstruktion mit (35 Patienten) und
ohne (33 Patienten) intraoperativer Stoßwellenanwendung konnten Mühldorfer-Fodor und
Mitarb. ebenfalls 2020 zeigen, dass die einmalige intraoperative Applikation fokussierter
elektrohydraulisch generierter ESWT die Ausheilungsrate bei Kahnbeinpseudarthrosen
bei Rekonstruktion mit einem nicht-vaskularisiertem Knochentransplantat verbessert
[9 ]. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen, dass bei elektrohydraulisch generierter fokussierter
ESWT häufig nur eine Sitzung, bei elektromagnetisch generierter fokussierter ESWT
3 bis 4 Sitzungen bei Knochenheilungsstörungen erfolgreich sind.
Der folgende Fall eines berufsgenossenschaftlich verunfallten Landwirtes mit Pseudarthrose
des fünften Mittelhandknochens thematisiert eine neuartige apparative Knochenstimulationstherapie
basierend auf einer Kombination der vorgenannten fokussierten hochenergetischen elektromagnetischen
Stoßwellentherapie (ESWT) und der extrakorporalen Magnetotransduktionstherapie (EMTT).
Fallbericht
Ein 52-jähriger Landwirt verunfallte Anfang Dezember 2018 beim Anziehen einer Schraube
an einem Pflug, als er mit dem Schraubenschlüssel abrutschte und mit der rechten Hand
gegen ein Stahlblech schlug. Bei der Erstvorstellung 2 Tage nach dem Unfallereignis
fand sich eine Schaftfraktur des Metakarpale V rechts mit ausgesprengtem Keilfragment;
wiederum 2 Tage später erfolgte die geschlossene antegrade Kirschner-Drahtosteosynthese
mit nachfolgender Gipsschienenruhigstellung; Ende Januar 2019 die Entfernung der K-Drähte
bei noch nicht konsolidierter Mittelhandschaftfraktur ([
Abb. 1
]). Laut Aktenlage mag die Compliance in Sachen Ruhigstellung einen Einfluss auf die
Entscheidung zur frühzeitigen Entfernung der Drähte gehabt haben.
Abb. 1 Mittelhandschaftfraktur V rechts nach Arbeitsunfall Anfang Dezember 2018 (dorsopalmare
[links], schräg-seitliche [Mitte] Röntgenaufnahme der Hand vom 3.12.18) sowie dorsopalmare
Röntgenaufnahme nach intramedullärer K-Drahtosteosynthese vom 6.12.2018 (rechts).
Im weiteren Verlauf des Jahres 2019 kam es zur zunehmenden Abkippung des distalen
Fragmentes bei Pseudarthrose ([
Abb. 2
]). Von den betreuenden Kollegen wurde eine Knochenstimulationstherapie mit fokussierter
Stoßwellentherapie (ESWT) diskutiert, jedoch aus logistischen und organisatorischen
Gründen nicht umgesetzt. Mit großer zeitlicher Verzögerung erfolgte in einem berufsgenossenschaftlichen
Krankenhaus im Januar 2020 die offene Revisionsoperation mit einem nicht-vaskularisierten
Beckenkammspan und einer Miniplatte. Die konsekutiven postoperativen Röntgenaufnahmen
4 und 8 Wochen postoperativ zeigten keine knöcherne Konsolidierung, sodass Ende März
2020 die Erstvorstellung zur Knochenstimulationstherapie erfolgte ([
Abb. 3
]).
Abb. 2 Nach frühzeitiger Entfernung der intramedullären Drähte Ende Januar 2019 zeigt sich
eine verzögerte Knochenheilung (links und Mitte) und dann eine Pseudarthrose des 5.
Mittelhandknochens (rechts).
Abb. 3 Röntgenaufnahmen der rechten Hand im dorsopalmaren Strahlengang nach operativer Revision,
Beckenkammspaninterposition und Miniplattenosteosynthese 4 (links) und 8 (rechts)
Wochen postoperativ.
Die angepasste Schiene wurde noch getragen. Nach Abnahme fand sich bei der Inspektion
eine reizlose Narbe. Zur besseren Visualisierung des unvollständigen Einbaus des Beckenkammspanes
erfolgte in Dünnschichttechnik mit 0,2 mm Schichtdicke eine digitale Volumentomografie
(DVT) als „cone beam Computertomogramm“ mit dem SCS MedSeries H22 System (SCS Sophisticated
Computertomographic Solutions GmbH, Aschaffenburg, Deutschland), das durch spezielle
Sequenzen Metallartefakte durch einliegendes Osteosynthesematerial minimiert ([
Abb. 4
]). Danach wurde in Absprache mit der Berufsgenossenschaft mit der Knochenstimulationstherapie
begonnen.
Abb. 4 Cone-beam Computertomografie als digitale Volumentomografie mit artefaktreduzierter
Bildoptimierung mit Nachweis der unzureichenden Einheilung des Beckenkammspans 8 Wochen
nach Operation.
Die fokussierte elektromagnetische Stoßwellentherapie wurde hochenergetisch titrierend
bis 0,35 mJ/mm2 mit insgesamt 4000 Impulsen bei 4 Hz pro Sitzung (41,6 J Gesamtenergie pro Sitzung)
3-malig ohne örtliche oder Leitungsanästhesie durchgeführt (Storz Ultra, Tägerwilen,
Schweiz) ([
Abb. 5
]), was bei langsamer Eskalation der Energieflussdichte möglich ist. Bei elektromagnetisch
generierter fokussierter ESWT sind gemäß der Leitlinie der deutschsprachigen Stoßwellenfachgesellschaft
DIGEST für gewöhnlich 3 Behandlungssitzungen nötig, bei elektrohydraulischem Generator
nur eine Sitzung, ggf. eine zweite nach 3 Monaten [10 ]. Die Behandlungen dauerten knapp 17 Minuten. Dabei wurde sonografisch navigiert
von lateral wie palmar stoßwellenbehandelt, da von streckseitig die Platte eingebracht
war und fokussierte Stoßwellen an Grenzflächen wie einer Plattenosteosynthese abgeschwächt
werden. An die fokussierte ESWT schloss sich jeweils direkt die elektromagnetische
extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) mit dem Storz Magnetolith an ([
Abb. 6
]). Die Behandlung mittels Magnetolith erfolgte auf Energiestufe 8/8 bei 8 Hz und
mit 6000 Impulsen und dauerte 12,5 Minuten. Entsprechend dauerte die Gesamtbehandlung
jeweils 30 Minuten. Von dieser Kombinationsbehandlung fanden 3 Sitzungen im Abstand
einer Woche statt. Die Hand war in diesem Zeitraum weiter durch eine maßgefertigte
Orthese ruhiggestellt.
Abb. 5 Fokussierte hochenergetische (bis 0,35 mJ/mm2) elektromagnetische extrakorporale
Stoßwellentherapie (ESWT) mit 4000 Impulsen und 41,6 J Gesamtenergie pro Sitzung mit
dem Storz Ultra System (Storz Medical, Tägerwilen, Schweiz).
Abb. 6 Extrakorporale Magnetotransduktion (EMTT) mit dem Magnetolithsystem mit 6000 Impulsen
auf Energiestufe 8/8 bei 8 Hz nach der fokussierten ESWT.
Die Rationale für die Kombination der fokussierten ESWT mit der EMTT ergab sich aus
eigenen positiven Erfahrungen in der Stressfraktur-/Knochenödembehandlung an Hand-
und Fußwurzelknochen, wo die Kombination beider Verfahren additive Effekte auf die
Knochenbruchheilung zeigte. So scheint die Kombination aus fokussierter elektromagnetischer
ESWT und EMTT die Knochenheilung nach Revisionsoperationen bei Kahnbeinpseudarthrosen
mittels nicht-vaskularisiertem Knochenspan zu beschleunigen [11 ].
Die elektromagnetische extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) mit dem
Magnetolith ist eine nicht-invasive und schmerzfreie Therapieform mit Magnetfeldstärken
von 10 bis 80 mTesla und hohen Oszillationsfrequenzen von 100–300 kHz. Die oszillierenden
Magnetimpulse werden mit einer Impulsrate bis 8 Hz freigegeben. Jeder Einzelimpuls
oszilliert mit hoher Frequenz, ohne die Temperatur im Gewebe zu erhöhen. Die EMTT
unterscheidet sich von anderen Formen der Magnetfeldtherapie wie der pulsierenden
Magnetfeldtherapie (PEMF) u. a. durch die hohe Oszillationsfrequenz von 100–300 kHz.
Diese Eigenschaft ermöglicht eine hohe Eindringtiefe bis 18 Zentimeter. Auch unterscheiden
sich PEMF- und EMTT-Geräte durch die effektive Transduktionsleistung (effective transduction
power) als Gradient dBmax/dt gemessen in Tesla/s. Auf dem Markt befindliche PEMF-Geräte
erzielen effektive Transduktionsleistungen von < 60 kT/s (BTL 28 kT/s; Zimmer EmField
42kTesla/s [Zimmer MedizinSysteme GmbH, Neu-Ulm, Deutschland]), während EMTT-Geräte
wie das Magnetolith (65 kT/s) oder das Theracell (105 kT/s) (UTH Meditec GmbH, Salach,
Deutschland) Werte > 60 kT/s ausüben. Die Annahme ist, dass je schneller ein Magnetfeld
rotiert, desto höher und pronunzierter ist die bioelektrische Aktivität im Gewebe,
sprich der biologische Effekt.
14 Wochen nach der operativen Revision und 6 Wochen nach der ersten kombinierten ESWT/EMTT-Behandlung
zeigte die Schnittbilddiagnostik einen verbesserten knöchernen Einbau des Beckenkammspans
([
Abb. 7
]). Der Patient konnte daraufhin wieder in den Arbeitsprozess eingliedert werden.
Abb. 7 3D-Schnittbilddiagnostik mit DVT mit sichtbarem Knochenanbau und verbesserter knöcherner
Konsolidierung des Metakarpale V 4 Wochen nach der letzten Knochenstimulationssitzung.
Diskussion
Dieser Fallbericht zeigt die erfolgreiche postoperative Knochenstimulationsbehandlung
mit der hochenergetischen fokussierten elektromagnetischen Stoßwellentherapie (ESWT)
in Kombination mit der elektromagnetischen extrakorporalen Magnetotransduktionstherapie
(EMTT) bei einer Metakarpale-V-Pseudarthrose. Die Einheilung des nicht-vaskularisierten
Beckenkammspans in das Metakarpale V konnte innerhalb von nur 6 Wochen nach Therapiebeginn
erreicht werden. Damit verlief im vorliegenden Fall die Knochenbruchheilung der Metakarpalepseudarthrose
s. o. durch die Kombination der ESWT mit der EMTT deutlich schneller als dies für
die alleinige ESWT von Kahnbeinpseudarthrosen bekannt ist.
Die größte vorliegende Studie zur Behandlung von Kahnbeinpseudarthrosen (n = 153)
mittels ESWT zeigte nach 7 Wochen eine 48%ige und nach 16 Wochen eine 53%ige Heilungsrate
[6 ]. Fallnhauser und Mitarb. berichteten über eine mittlere Knochenheilungszeit des
Kahnbeins von 256 Tagen, sprich 8,4 Monaten nach elektrohydraulischer fokussierter
ESWT, ohne jedoch die Heilungszeit für ihre 21 Patienten mit verzögerter Knochenbruchheilung
und der 21 Patienten mit Pseudarthrose gesondert anzugeben [7 ]. Mühldorfer-Fodor und Mitarb. berichteten über eine Heilungsrate des Kahnbeins nach
24 Wochen von 77 % bei Patienten mit zusätzlicher ESWT bei Kahnbeinpseudarthrosenrekonstruktion
mittels nicht-vaskularisiertem Beckenkammspan versus einer Heilungsrate von 61 % bei
Patienten ohne zusätzliche ESWT [9 ].
Für das Kahnbein konnte jüngst gezeigt werden, dass unmittelbar und in den folgenden
30 Minuten nach Applikation einer fokussierten piezoelektrischen hochenergetischen
ESWT die Durchblutung signifikant um bis zu 39 % gesteigert wird [12 ]. Stojadinovic und Mitarb. konnten zeigen, dass die Chance zur knöchernen Heilung
einer Pseudarthrose bei Behandlung mittels ESWT umso größer ist, je früher die ESWT
erfolgt, wobei auch die Lokalisation der Pseudarthrose eine Rolle spielt [12 ]. Passend dazu lag die Heilungsrate von Kahnbeinpseudarthrosen behandelt mittels
nicht-vaskularisiertem Beckenkammspan und Schraubenosteosynthese sowie zusätzlicher
ESWT 2 Wochen nach der Operation nach 52 Wochen bei 81 % und war damit nur unwesentlich
besser als die Behandlung ohne ESWT mit 75 % [14 ], wohingegen die Knochenheilungsrate bereits nach 24 Wochen bei zusätzlicher intraoperativer
ESWT 77 % betrug und ohne ESWT 61 % [9 ].
Die elektromagnetische extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) zeigt ergänzend
zur ESWT durchgeführt additive Effekte. So war die Kombination aus fokussierter hochenergetischer
elektromagnetischer ESWT und EMTT der alleinigen ESWT bei Rotatorenmanschettentendinopathien
signifikant überlegen [15 ]. Solch ein additiver Effekt mag die Knochenheilung im vorliegenden Fall beschleunigt
haben, sodass dieser Fall in dieser Hinsicht für weitere, möglichst prospektiv randomisierte
Studien zum Einfluss der Kombination der EMTT mit der ESWT bei Knochenheilungsstörungen
Anstoß und Momentum liefern mag.
Video 1 3-D-Visualisation mit SCS MedSeries H22 der Metakarpalepseudarthrose