Prof. Dr. med. Michael Tronnier
Auf die Frage, was uns Dermatologen an unserem Fach fasziniert, ist meist zu hören,
ob Berufseinsteiger oder „alter Hase“, dass wir Dermatologen unsere Medizin ganz wesentlich
nur mit unseren erkennenden Augen betreiben können. Dermatologie ist Morphologie.
Dabei erkennen wir primär keine Diagnosen, sondern Reaktionsmuster an bzw. auf der
Haut. Form, Farbe, Verteilung von Hautveränderungen und deren zeitliche Verläufe ergeben
eine schier unendliche Vielzahl klinischer Erscheinungsbilder, die wir dann hoffentlich
oft und erfolgreich einer Diagnose zuordnen können.
So vielfältig wie die Makroskopie der Haut ist auch die Mikroskopie der Haut, zugegeben,
müssen wir hier dem bloßen Auge etwas nachhelfen. Auch hier beschreiben wir Muster.
Dabei können definierte Muster zu pathogenetisch gänzlich unterschiedlichen Diagnosen
führen. So lässt sich bspw. eine Akantholyse in neoplastischen (Plattenepithelkarzinom),
infektiösen (Zoster), genetisch determinierten (M. Darier), autoimmunologischen/entzündlichen
(Pemphigus/M. Grover) Prozessen oder auch in scheinbar normaler Haut (inzidentelle
Akantholyse) finden. Auf der anderen Seite zeigen definierte Diagnosen wie die Psoriasis
in ihren Erkrankungsformen und im Verlauf („Life of lesion“) sehr unterschiedliche
histologische Muster. Wir Dermatologen sind in der außerordentlich komfortablen Situation,
die Informationen der Makroskopie mit denen der Mikroskopie in einer klinisch-pathologischen
Korrelation zusammenzuführen. Diese Verschmelzung macht uns nicht nur diagnostisch
besser, sondern hilft auch elementar beim Verständnis pathogenetischer Prozesse bis
hin zur Planung therapeutischer Interventionen.
Wie nahezu in allen Disziplinen in der Medizin verändert sich auch die Diagnostik
der Mikromorphologie der Haut. Die Elektronenmikroskopie, die uns ab Mitte des letzten
Jahrhunderts bahnbrechende Informationen zu zahlreichen Erkrankungen hat liefern können,
ist als aufwendige Methode weitgehend durch immunologische, immunhistologische und
molekulare Techniken verdrängt. Aber der Einzug neuer Verfahren und Techniken wie
zuletzt die Molekularpathologie oder „künstliche Intelligenz“ mit automatisierter
Mustererkennung soll uns Dermatohistopathologen keine Existenzängste bereiten. Basis
der mikroskopischen Untersuchung ist und bleibt die klassische H&E-Histologie. Auch
wenn wir komplexere Techniken nicht immer selbst vorhalten können, sind diese über
Kooperationsmodelle als Ergänzung der elementaren histologischen Untersuchung bei
speziellen Fragestellungen immer erreichbar und helfen uns zu einer größeren diagnostischen
Genauigkeit – im Sinne unserer Patienten. Diese Chance sollten wir wahrnehmen.
Die Dermatohistopathologie ist integraler Bestandteil unseres Faches. Unser aller
Aufgabe muss im Sinne unseres Faches sein, an unseren jeweiligen Standorten die Dermatohistopathologie
auch in Zukunft weiter zu leben und zu lehren. Für Weiterbildungsassistenten sollte
der Zugang zur Dermatohistopathologie offen sein und die Mitarbeiter motiviert werden,
eine dermatohistopathologische Zusatzweiterbildung zu absolvieren. Ein Besuch der
Tagungen unserer deutschen Fachgesellschaft (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Histologie)
kann dabei – wenn die Kongresse wieder stattfinden dürfen – den nötigen Appetit machen.
Und noch zuletzt: Die Histopathologie der Haut ist nicht nur wichtig für unser Fach,
die tägliche Arbeit am Mikroskop bereitet auch viel Spaß!
Ihr
Michael Tronnier, Hildesheim