Schlüsselwörter Schwerhörigkeit - Hörgeräteversorgung - Qualitätssicherung - APHAB - Nutzen - Fragebogen
Key words hearing loss - hearing aid fitting - quality measurement - APHAB - benefit - questionnaire
Hintergrund
Etwa 466 Millionen Menschen, 6,1 % der Menschheit, sind von Schwerhörigkeit betroffen,
hiervon sind 93 % Erwachsene [1 ]. Schwerhörigkeit ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eines der weitverbreitetsten
Gesundheitsprobleme überhaupt [2 ]. In Deutschland liegt die Prävalenz für Schwerhörigkeit unter Erwachsenen je nach
Studie bei 16–21 % [3 ]. Diese nimmt ab dem 50. Lebensjahr stetig zu, es sind ungefähr ein Drittel aller
Erwachsenen ab einem Alter von 65 Jahren betroffen [4 ]
[5 ]. Eine beidseitige, symmetrische, progrediente Innenohrschwerhörigkeit in der zweiten
Lebenshälfte wird als Presbyakusis bezeichnet und ist der häufigste Grund für eine
Schwerhörigkeit in dieser Altersgruppe. Ursachen dafür können einerseits exogene Einflüsse
sein, wobei in industriellen Ländern Lärm und Übergewicht die wichtigsten sind, hinzu
kommen weitere Faktoren, wie z. B. Ischämie, Hypoxie, oxidativer Stress und Degeneration
von Haar- und Ganglienzellen [6 ]. Die mit einer Schwerhörigkeit im höheren Alter verbundenen Erkrankungen sind vielfältig.
Das relative Risiko, nach 10 Jahren an einer Demenz zu erkranken, steigt mit zunehmender
Schwerhörigkeit an, wobei bei einer mittelgradigen Hörminderung mit einem Hörverlust
von 40–70 dB im Oktavbereich zwischen 0,5 und 4 kHz eine Verdreifachung des Risikos
beschrieben wird [7 ]
[8 ]. In einigen Studien wird Schwerhörigkeit mit einem generellen Verlust kognitiver
Fähigkeiten in Verbindung gebracht, die das Gedächtnis und exekutive Funktionen reduzieren
[9 ]
[10 ]. Eine unbehandelte Schwerhörigkeit erhöht des Weiteren das Risiko, eine Depression
oder ängstliche Symptome zu entwickeln [11 ]
[12 ]. Im Gegensatz dazu kann eine rechtzeitige Hörgeräteversorgung (HGV) das Ausmaß von
Depression und die Lebensqualität verbessern [13 ]. Außerdem zeigte eine systematische Übersichtsarbeit bei bisher noch ungeklärtem
Kausalzusammenhang, dass Hörminderungen einen unabhängigen Risikofaktor für Stürze
bei älteren Menschen darstellen; nach dieser Untersuchung steigt das Risiko für Stürze
um das 1,69–2,39-Fache an [14 ].
Um eine Hörminderung zu diagnostizieren, werden ton- und sprachaudiometrische Untersuchungen
verwendet. Um die subjektive Bewertung einer Hörminderung durch die Patienten besser
bewerten zu können, werden Frageninventare eingesetzt. Insgesamt gibt es eine große
Anzahl solcher Fragebögen, die verschiedene Aspekte des subjektiven Hörvermögens und
der Zufriedenheit mit Hörgeräten untersuchen [15 ]. Der von Cox und Alexander 1995 in den USA entwickelte APHAB (Abbreviated Profile
of Hearing Aid Benefit) ist ein 24 Fragen umfassendes Inventar, das für den deutschsprachigen
Raum evaluiert wurde [16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]. Dieses Frageninventar untersucht das subjektive Hörvermögen in 4 verschiedenen
Hörsituationen mit jeweils 6 Fragen. Ein Teil der Fragen ist invers gestellt, diese
Fragen müssen vor der Auswertung konvertiert werden [20 ]. Drei Subskalen sind dabei auf verschiedene Alltagssituationen bezogen, die vierte
auf das Missempfinden von lauten Situationen:
EC-Skala (ease of communication) – einfache Hörsituation ohne Nebengeräusche
BN-Skala (background noise) – Hören mit Hintergrundgeräuschen
RV-Skala (reverberation) – Hören in großen Räumen mit Echo- oder Hallsituationen
AV-Skala (aversiveness of sounds) – Hörempfinden von lauten Situationen
Auf einer 7-stufigen Skala wird angegeben, inwieweit die beschriebenen Situationen
für die Patienten subjektiv zutreffen und diese Prozenträngen zugeordnet („immer“:
99 %, „fast immer“: 87 %, „häufig“: 75 %, „in der Hälfte der Fälle“: 50 %, „gelegentlich“:
25 %, „selten“: 12 %, „nie“: 1 %). Die Fragen werden vor und ggf. nach einer HGV von
den Patienten beantwortet. Der subjektive Nutzen von Hörgeräten kann für jede Frage
einzeln sowie für die Subskalen durch Differenzbildung vor und nach einer Hörgeräteversorgung
errechnet werden; die Werte vor einer HGV werden mit APHABu , die nach einer HGV mit APHABa , der Nutzen einer HGV mit APHABb bezeichnet.
Der APHAB gehört zu den am umfassendsten untersuchten deutschsprachigen Fragebogeninventaren.
Die Sensitivität, einen Hörverlust von mindestens 25 dB in einer der Oktavenfrequenzen
zwischen 0,5 und 8,0 kHz zu ermitteln, liegt zwischen 0,70 und 0,84, die Spezifität
zwischen 0,79 und 0,95 [21 ]. Eine weitere Studie zeigte, dass die Wahrscheinlichkeit eines positiven Nutzens
einer HGV für die EC-, BN- und RV-Skala zwischen 0,75 und 0,88 liegt [22 ]. In diesen 3 Subskalen liegt der durchschnittliche Hörgewinn durch Hörgeräte jeweils
bei knapp 30 %. In der AV-Skala ist grundsätzlich keine Hörverbesserung zu erwarten
[22 ].
Der APHAB-Fragebogen ist im Rahmen einer HGV neben anderen Parametern seit 2012 obligater
Bestandteil der Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) nach der Hilfsmittel-Richtlinie
zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen
Krankenkassen [23 ]
[24 ]. Zur Ermittlung des Nutzens einer Hörgeräteversorgung werden dabei spezielle Berechnungsformeln
angewendet [25 ]
[26 ]. Zuerst wird je für die EC-, BN- und RV-Subskala des APHAB vor und nach einer HGV
der Mittelwert gebildet, diese Mittelwerte werden auch als APHAB-Score bezeichnet:
Formel 1a–c Mittelwerte für die Subskalen EC, BN und RV ohne und mit Hörgeräten sowie deren Nutzen
[25 ]
[26 ].
Die kumulierten APHAB-Werte (APHAB-Score) ergeben sich durch die Zusammenfassung der
Subskalen EC, BN und RV:
Formel 2a, b Kumulierte APHAB-Werte (APHAB-Score) ohne und mit Hörgeräten für die EC, BN und RV-Subskala
[25 ]
[26 ].
Aus der Differenz der beiden kumulierten APHAB-Werte ohne und mit HGV ergibt sich
der Gesamtnutzen bzw. die Gesamtbewertung:
Formel 3 Gesamtbewertung bzw. Gesamtnutzen einer Hörgeräteversorgung [25 ]
[26 ].
Da die Begriffe Gesamtnutzen und Gesamtbewertung in der Literatur synonym verwendet
werden, wird im Folgenden nur die Bezeichnung Gesamtnutzen verwendet, weil dieser
präzise Bezug auf das Ergebnis der Berechnungsformel nimmt.
Im Gegensatz zum absolut messenden Gesamtnutzen ist eine weitere Berechnung bei der
Anwendung des APHAB im Rahmen der QSV der relativ bewertende Verbesserungsquotient.
Die Berechnungsformel wurde in einer vorangegangenen Untersuchung im Vergleich zu
der in der QSV verwendeten Formel modifiziert, weil die bisherige Formel einen negativen
Nutzen überbewertet (Formeln 4a, b, Infobox). Die neue Formel berücksichtigt, dass
der APHAB-Nutzen nur Werte von –98 bis + 98 Prozentpunkte annehmen kann [27 ]. In der hier vorgestellten Studie wurde dieser modifizierte Verbesserungsquotient
verwendet.
Zur Vorhersage eines möglichen Erfolgs einer HGV im Sinne einer Reduktion der subjektiven
Hörbeeinträchtigung können Kontingenztabellen, Boxplots und Perzentilverteilungskurven
eingesetzt werden. Mit Kontingenztabellen lassen sich bedingte Wahrscheinlichkeiten
für den potenziellen Nutzen einer HGV unter Kenntnis der Antworten eines Patienten
ohne Hörgeräte für jede APHAB-Skala ableiten [19 ]. Boxplots geben die Verteilung der Antworten in relativ grober Form wieder, daher
lässt sich mit diesen nur abschätzen, wie sich die individuell ermittelten Werte zu
dem jeweiligen Bereich verhalten; eine weitere Differenzierung darüber hinaus ist
nicht möglich [22 ]. Die Anwendung von Perzentilverteilungskurven ermöglicht eine feinere Abstufung
und damit genauere Angaben, indem z. B. gesagt werden kann, ob ermittelte Werte im
flachen oder steilen Bereich der Verteilungskurve liegen. Des Weiteren kann abgelesen
werden, wie viele Patienten im Verhältnis zum betrachteten Individuum mindestens ähnlich
gut bzw. schlecht geantwortet haben [22 ].
Offen war bislang die Frage, ob und wie oft ein Individuum vor und nach einer HGV
innerhalb seiner individuellen Range der APHAB-Perzentilverteilung verbleibt, ob es
also eine gewisse Perzentiltreue gibt, die eine genauere Abschätzung für den Erfolg
einer HGV geben könnte (Beispiel: Der Patient befände sich vor einer HGV auf einer
APHAB-Subskala auf der 40er-Perzentile, nach einer HGV ebenfalls). Es wurde bereits
gezeigt, dass eine hohe, interindividuell unterschiedliche Kompensationsfähigkeit
des subjektiven Hörvermögens besteht, da sich keine Korrelation zwischen einem tonaudiometrischen
Hörverlust und den Werten zumindest der BN-Skala bzw. dem Vorliegen bestimmter Hörverlusttypen
und dem APHAB nachweisen ließ [22 ]. Daher wäre es denkbar, dass es eine solche Perzentiltreue aufgrund der hohen interindividuellen
Variabilität in der Kompensationsmöglichkeit von Hörschwierigkeiten nicht gibt.
Eine weitere Möglichkeit zur Einschätzung des Erfolgs einer individuellen HGV wäre,
die Probanden nach Alter und APHABu -Werten in Subgruppen einzuteilen und dann den Gesamtnutzen und Verbesserungsquotienten
zu berechnen [27 ]. Die zugehörigen Daten sollen in einer sog. Heatmap visualisiert werden.
Methoden
Am Stichtag 17.01.2018 waren 12 562 Datensätze von schwerhörenden Patienten im Rahmen
einer Hörgeräteversorgung in der Datenbank QuIHz von über 100 Kliniken und Praxen
aus ganz Deutschland erfasst worden (www.quiz.de , [28 ]). Die Teilnahme der Probanden war freiwillig, die Daten wurden anonymisiert erfasst.
Patienten wurden von der Erfassung ausgeschlossen, deren Geburtsdatum fehlte oder
die am Tag der Erfassung unter 18 Jahre alt waren. Um eine Vergleichbarkeit mit vorherigen
Veröffentlichungen zu haben und eine zu große Seitendifferenz bei den Hörverlusten
zu vermeiden, wurde die Erfassung der Fälle ausgeschlossen, deren Summe ihres tonaudiometrischen
Hörverlustes bei 0,5, 1 und 2 kHz pro Seite mehr als 60 dB betrug [18 ]
[19 ]. Außerdem wurden Datensätze ausgeschlossen, bei denen nicht mindestens 4 von 6 Antwortpaaren
einer Unterskala vor und nach einer HGV vorhanden waren.
Die Perzentiltreue der Patienten vor und nach einer HGV wurde mithilfe des Rangkorrelationskoeffizienten
nach Spearman untersucht. Er gibt den ungerichteten, linearen Zusammenhang der Ränge
zweier Variablen an, der von einer positiven über keiner bis zu einer negativen Korrelation
reichen kann. Es kann dabei keine kausale Aussage gemacht werden. Die Effektstärke
rs kann Werte von –1 bis + 1 annehmen und wird nach Cohen in klein (> |0,1|), mittel
(> |0,3|) und stark (> |0,5|) eingeteilt [29 ]. Untersucht wurden die APHAB-Scores vor und nach einer HGV sowie Korrelationen mit
dem Alter, der Gesamtnutzen und der Verbesserungsquotient (Infobox 1).
Untersucht wurden das Alter und die APHAB-Scores vor sowie nach einer HGV. Alle Probanden
befanden sich in Bezug auf alle anderen in einer bestimmten Perzentilgruppe, z. B.
die Gruppe der 10 % mit den schlechtesten Werten. Angestrebt wurde eine möglichst
gleichmäßige Aufteilung in 10er-Perzentilgruppen. Durch Voruntersuchungen war bekannt,
dass ein Großteil der Probanden (ca. 68 %) zwischen 60 und 85 Jahre alt ist. In dem
am stärksten vertretenen Altersbereich von 60–85 Jahren wurden daher Altersgruppen
im Abstand von 5 Jahren gewählt, sodass in dieser besonders wichtigen Gruppe eine
genauere Differenzierung ermöglicht wurde. Die Gruppe der 50–60-Jährigen wurde zu
einer weiteren Gruppe zusammengefasst. In den Altersstufen bis 50 und über 85 Jahren
waren insgesamt so wenige Probanden vorhanden, dass diese bei der Gruppierung weiter
zusammengefasst werden mussten. Die Jüngsten wurden dabei mit den übrigen unter 50-Jährigen
und die ältesten Probanden mit den über 85-Jährigen vereint.
Für jede dieser Perzentilgruppen wurde in Abhängigkeit vom Alter der Verbesserungsquotient
ermittelt und tabellarisch erfasst. Zur besseren Visualisierung wurden die Verbesserungsquotienten
einer 6-stufigen Farbskala in gerundeten 10 %-Schritten zugeordnet und als sog. Heatmap
dargestellt.
Ergebnisse
Alters- und Geschlechtsverteilung
Die Datensätze reduzierten sich durch die genannten Ausschlusskriterien von ursprünglich
12 562 auf 6861. Von diesen 6861 Probanden waren 3723 männlich (54,3 %) und 3138 (47,7 %)
weiblich. Das durchschnittliche Alter aller Probanden betrug 72,26 Jahre (Standardabweichung
(SD) ± 11,86 Jahre, Median 74,55 Jahre), die Altersspanne reichte von 18–102 Jahren.
Nach dem Mann-Whitney-U-Test war das Durchschnittsalter der Männer mit 72,97 Jahren
(SD ± 12,24 Jahre) signifikant (p < 0,0001) höher als das der Frauen mit 71,42 Jahren
(SD ± 11,34 Jahre). Die geschlechtsbezogene Altersverteilung zeigt [Abb. 1 ].
Abb. 1 Verteilung der Altersgruppen nach Geschlecht.
APHAB-Score und durchschnittlicher Gesamtnutzen
Der durchschnittliche APHAB-Score, also der kumulative Mittelwert der Subskalen EC,
BN und RV, lag bei 50,70 vor und bei 29,29 nach einer HGV ([Tab. 1 ]), der höhere Wert der Männer war nach dem Mann-Whitney-U-Test signifikant (p < 0,0001).
Der durchschnittliche Gesamtnutzen lag bei 21,41 ([Tab. 1 ]), der höhere Wert für die Männer war nach dem Mann-Whitney-U-Test nicht signifikant
(p > 0,05). Der durchschnittliche Gesamtnutzen sank von der Altersgruppe der unter
50-Jährigen von 24,83 auf 19,32 bei den 75–79-Jährigen ab, um danach wieder leicht
und über den Durchschnittswert anzusteigen ([Abb. 2 ]).
Tab. 1
APHAB-Nutzen und Verbesserungsquotient in Bezug auf das Geschlecht.
APHAB-Score vor Hörgeräteversorgung
APHAB-Score nach Hörgeräteversorgung
Gesamtnutzen
Verbesserungsquotient in %
Männer
51,28
30,06
21,76
40,78
Frauen
49,37
28,38
20,99
41,29
gesamt
50,70
29,29
21,41
41,01
Abb. 2 Vergleich von Gesamtnutzen und Verbesserungsquotient in Bezug auf die Altersgruppen.
Verbesserungsquotient in Bezug zum Alter und APHABu -Score
Der Mittelwert des Verbesserungsquotienten lag bei 41,01 % ([Tab. 1 ], [Abb. 2 ]). Nach dem Mann-Whitney-U-Test ist der geringfügig höhere Wert der Frauen von 41,29 %
im Vergleich zu dem der Männer mit 40,7 % nicht signifikant (p > 0,05). Der altersgruppenbezogene
Verbesserungsquotient veränderte sich ähnlich wie beim durchschnittlichen Gesamtnutzen,
zeigte jedoch bei den jüngeren Probanden höhere Werte in Bezug zum Durchschnitt und
stieg bei den über 80-Jährigen weniger stark und ohne den Mittelwert zu übersteigen
an ([Abb. 2 ]). Die Verteilung der alters- und geschlechtsbezogenen Konfidenzintervalle zeigt
[Abb. 3 ]. Die Verbesserungsquotienten der Probanden mit einem Alter unter dem Durchschnitt
von 72,26 Jahren unterschieden sich signifikant von denen, die älter waren (p < 0,0001).
Die Probanden, deren Alter unter dem Durchschnitt lag, hatten einen durchschnittlichen
höheren Verbesserungsquotienten von 44,36 % als die über dem Durchschnittsalter liegenden,
bei denen der Verbesserungsquotient bei 37,66 % lag.
Abb. 3 Verbesserungsquotienten nach Alter und Geschlecht mit zugehörigen 95 %-Konfidenzintervallen.
Perzentilgruppen
Nach der Aufteilung der Probanden in 10 %-Perzentilgruppen ihrer APHAB-Werte vor einer
HGV ergaben sich die Grenzwerte für die jeweiligen Perzentilgruppen ([Tab. 2 ]). Die erste Perzentilgruppe (PG 1) repräsentiert die 10 % höchsten APHABu -Scores, also diejenigen 10 % der Probanden, die subjektiv am schlechtesten vor einer
HGV hörten. Dagegen sind in der zehnten Perzentilgruppe (PG 10) die 10 % der am besten
subjektiv Hörenden (mit den niedrigsten APHABu -Scores) repräsentiert.
Tab. 2
Spearman-Korrelationen der verschiedenen untersuchten Parameter.
APHABu -Score
APHABa -Score
Gesamtnutzen
Alter
Verbesserungsquotient
APHAB-Score vor HGV
1
0,285[* ]
0,582[* ]
0,111[* ]
0,270[* ]
APHAB-Score nach HGV
0,285[* ]
1
–0,550[* ]
0,184[* ]
–0,797[* ]
Gesamtnutzen
0,582[* ]
–0,550[* ]
1
–0,061[* ]
0,913[* ]
Alter
0,111[* ]
0,184[* ]
–0,061[* ]
1
–0,125[* ]
Verbesserungsquotient
0,270[* ]
–0,797[* ]
0,913[* ]
–0,125[* ]
1
* Die Korrelation ist auf 2-seitigem 0,01-Niveau signifikant.
Der durchschnittliche Verbesserungsquotient nahm bei sinkendem APHAB-Score vor einer
HGV in Bezug auf die Perzentilgruppen ab ([Abb. 4 ]). Bei einem Vergleich der Probanden, deren APHABu -Score über dem Durchschnittswert von 50,7 lag, mit denen mit einem niedrigeren APHABu -Score war der Unterschied im Verbesserungsquotienten nach dem Mann-Whitney-U-Test
signifikant (p < 0,001). Dieser Unterschied reichte bei der Perzentilgruppe 10 (10 %
besten APHABu -Scores) mit einem durchschnittlichen Verbesserungsquotienten von 23,22 % zur Perzentilgruppe
1 (10 % schlechtesten APHABu -Scores) mit einem durchschnittlichen Verbesserungsquotienten von 52,07 % ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 Perzentilgruppen-bezogene Verbesserungsquotienten in Bezug auf den APHAB-Score vor
einer Hörgeräteversorgung (HGV), zu den Perzentilgruppen [Tab. 2 ].
Korrelation von APHAB-Werten vor und nach einer HGV
Bei der Berechnung nach Spearman ergab sich für den APHAB-Score vor und nach einer
HGV ein Korrelationskoeffizient von 0,285 ([Tab. 3 ]). Da rs zwischen 0,1 und 0,3 liegt, ist die Effektstärke nach Cohen klein. Der Gesamtnutzen
korrelierte mit 0,582 und der Verbesserungsquotient mit 0,270 mit dem APHAB-Score
vor einer HGV ([Tab. 3 ]).
Tab. 3
Perzentilgruppen des APHAB-Scores vor einer Hörgeräteversorgung (APHABu ).
Perzentilgruppe APHABu
Mittelwert
Minimum
Maximum
Anzahl
10
21,89
1,00
29,86
687
9
34,04
29,89
37,57
686
8
40,44
37,59
42,89
681
7
45,14
42,94
47,21
689
6
49,35
47,22
51,28
693
5
53,20
51,30
55,33
683
4
57,45
55,38
59,50
687
3
61,62
59,52
64,00
683
2
67,10
64,03
70,50
693
1
76,92
70,51
96,20
679
Gesamt
50,70
1,00
96,20
6861
Heatmap
Setzt man die auf die Alters- und die Perzentilgruppen bezogenen durchschnittlichen
Verbesserungsquotienten in Bezug zu den zugehörigen APHAB-Scores vor einer HGV, dann
erhält man die durchschnittlich errechneten Verbesserungsquotienten für jede dieser
Untergruppen ([Tab. 4 ]). Mit steigendem Alter und höherer Perzentilgruppe nimmt der durchschnittliche Verbesserungsquotient
dabei ab. Das höchste Verbesserungspotenzial von 60,78 Prozentpunkten hatten die unter
50-Jährigen in der ersten Perzentilgruppe, das schlechteste die 85-Jährigen in der
zehnten Perzentilgruppe mit 11,21 Prozentpunkten. Diesen annähernd diagonalen Verlauf
eines abnehmenden Verbesserungspotenzials von links unten nach rechts oben in [Tab. 4 ] zeigt auch die Farbkodierung der Heatmap von dunkelgrün nach dunkelrot ([Tab. 4 ]). Des Weiteren zeigt die Heatmap, dass in den Perzentilgruppen 8–10 der Altersgruppen
oberhalb der 50-Jährigen eine Verbesserung von maximal ca. 40 Prozentpunkten zu erreichen
ist. Hingegen ist in der Perzentilgruppe 1 unabhängig vom Alter ein Verbesserungsquotient
von 50–60 Prozentpunkten möglich ([Tab. 4 ]).
Tab. 4 Durchschnittliche Verbesserungsquotienten in Bezug auf Altersgruppen und Perzentilgruppen
(PG = Perzentilgruppe des APHAB-Scores vor einer Hörgeräteversorgung, vgl. Tab. 2)
inkl. der zugehörigen 95 %-Konfidenzintervalle (KI). Zusätzliche Farbkodierung als
Heatmap, dabei wurde auf ganze 10 %-Schritte gerundet.
Diskussion
Diese Studie untersuchte anhand der Datensätze von 6861 Probanden die durchschnittliche
Verbesserung des subjektiven Hörvermögens mittels des APHAB-Fragebogens anhand des
durchschnittlichen Gesamtnutzens und Verbesserungsquotienten. Zudem wurde die Perzentiltreue
der Probanden vor und nach einer Hörgeräteversorgung überprüft sowie die Perzentil-
und altersabhängige Verteilung des durchschnittlichen Verbesserungsquotienten in einer
Heatmap dargestellt.
Alters- und Perzentilgruppen
Bei der Einteilung der Probanden nach Alter wurden feste Altersgrenzen genommen, die
zwar zu einer unterschiedlichen Anzahl in den Gruppen führen, aber eine praktikable
und schnelle Zuordnung des Probanden in die jeweilige Gruppe erlauben. Hingegen würde
eine Einteilung in gleich große Gruppen im Bereich zwischen 60 und 85 Jahren sehr
geringe und unzweckmäßig kleine Altersabstände erzeugen. Die Perzentilgruppierung
über die APHABu -Werte führte zu Probandengrößen von ca. 680 ([Tab. 2 ]). Dabei fällt auf, dass in der 1. Perzentilgruppe als maximaler APHAB-Wert nicht
99 steht, obwohl dies rechnerisch bei der Beantwortung des APHAB mit einem maximal
schlechten subjektiven Verstehen möglich ist. In dieser Studie hatte dies kein Proband
erreicht. Hingegen wurde in der 10. Perzentilgruppe der theoretische APHAB-Bestwert
von 1 erreicht.
Verbesserungsquotient in Bezug zum Lebensalter
Mit steigendem Lebensalter verringerte sich der Verbesserungsquotient tendenziell
in allen Perzentilgruppen und entsprach somit auch dem Trend des Gesamtnutzens. Dies
bedeutet, dass jüngere Probanden unabhängig von ihrem APHABu -Score von einer HGV mehr profitierten als ältere. Mögliche Erklärungen hierzu wären
z. B. eine mögliche bessere Handhabung der Hörgeräte und Compliance durch jüngere
Patienten. Weiter wären degenerative Prozesse und ein partielles Verlernen des regulären
Hörens denkbare Ursachen. Insgesamt war der signifikante Unterschied allerdings klein.
Diese Überlegungen unterstreichen die Notwendigkeit einer frühzeitigen HGV und sollten
Anlass für eine besondere Schulung und Nachsorge gerade älterer Patienten sein.
Verbesserungsquotient und Gesamtnutzen in Bezug auf den APHABu -Score
In einer vorangegangenen Untersuchung wurde gezeigt, dass der Verbesserungsquotient
schwach negativ mit dem Alter (–0,1 ≥ r ≥ –0,3) und mäßig positiv mit dem APHABu -Score (0,1 ≥ r ≥ 0,3) korreliert [27 ]. Dies spiegelte sich auch in unserer Studie mit durchschnittlich höheren Verbesserungsquotienten
bei hohen APHABu -Scores vor einer HGV in den niedrigrangigen Perzentilgruppen wider. Das bedeutet,
dass Probanden mit einer schlechten subjektiven Ausganghörsituation nicht nur absolut,
sondern auch relativ mehr von einer HGV als Probanden mit leicht eingeschränktem subjektivem
Hörproblem (niedrigem APHABu ) profitierten.
Bei der Verwendung des Gesamtnutzens zeigte sich bereits in der Vorstudie, dass sich
Personen mit noch relativ gutem Hörvermögen (niedrigem APHABu ) nur um relativ wenige Prozentpunkte in ihrem Hörvermögen durch eine HGV verbessern
konnten [27 ]. Diese Progredienz zur Mitte war mit dem hier verwendeten Verbesserungsquotienten
([Tab. 2 ]) zu beobachten. Die höheren Verbesserungsquotienten von Probanden mit hohen APHABu -Scores zeigten, dass diese Probanden besonders gut von einer HGV profitieren; es
lohnt sich also, eine HGV auch bei bereits stark eingeschränkten Hörfähigkeiten zu
beginnen.
Perzentiltreue
Die Korrelation nach Cohen zwischen APHAB-Score vor und nach einer HGV war mit rs = 0,285 klein, somit ist von keiner Perzentiltreue auszugehen. Damit bestätigt sich
die eingangs vermutete hohe interindividuelle Kompensationsfähigkeit hinsichtlich
des subjektiven Hörvermögens der Probanden. Eine Vorhersage des Erfolgs einer HGV
im Sinne der Verbesserung des subjektiven Hörvermögens ist somit nur in engen Grenzen
möglich. Die durchschnittlichen Verbesserungsquotienten und der Gesamtnutzen der einzelnen
Subgruppen bieten dafür einen Anhalt.
Heatmap
Die Heatmap visualisiert die vorgenannten Zusammenhänge zwischen durchschnittlichen
Verbesserungsquotienten einerseits und dem Alter und APHABu -Score der Probanden andererseits. Insgesamt war der Einfluss des APHABu -Scores auf den Verbesserungsquotienten stärker als das Alter. Im unteren rechten
Quadranten der Heatmap befinden sich die älteren Probanden mit unterdurchschnittlichen
APHABu -Scores. Trotz fortgeschrittenem Alter und gutem subjektivem Hören konnten diese Probanden
einen durchschnittlichen Verbesserungsquotienten von 40–50 % erreichen. Die geringste
Verbesserung erreichten Probanden in der 10. Perzentilgruppe, hier war auch der Einfluss
des Alters am größten.
Fazit für die Praxis
Insgesamt zeigte sich eine hohe interindividuelle Variabilität in der Kompensationsmöglichkeit
von Hörschwierigkeiten. Eine Perzentiltreue von Probanden vor und nach einer Hörgeräteversorgung
war nicht erkennbar. Jedoch lassen sich Aussagen zum durchschnittlichen Erfolg nach
dem Verbesserungsquotienten in Abhängigkeit von Perzentilgruppen und dem Lebensalter,
dargestellt in einer Heatmap, vom APHABu -Score erkennen. Dabei zeigte sich, dass besonders Probanden mit einem schlechten
APHABu -Score von einer HGV profitieren. Alte Patienten mit einem geringen subjektiven Hörverlust
profitierten am geringsten, junge mit einem hohen subjektiven Hörverlust am meisten
von einer Hörgeräteversorgung.
Formel 4a, b Alternative Verbesserungsquotienten B1 und B2 als modifizierte Berechnungsweise für einen relativen Nutzen, die Vereinigung der
beiden Mengen wird als Verbesserungsquotient B bezeichnet [27 ]. Diese Formeln waren Grundlage zur Berechnung des Verbesserungsquotienten in dieser
Studie.
Funding
Deutscher Berufsverband der HNO-Ärzte e. V.