Schlüsselwörter Fatigue - sexuelle Probleme - Schlafprobleme - Nebenwirkungen - Langzeitfolgen
Key words breast cancer - quality of life - patient reported outcomes - fatigue - sexual problems
Einleitung
Das Überleben nach Brustkrebs hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich
verbessert. Die durchschnittliche relative 5-Jahres-Überlebensrate von Frauen mit
Brustkrebs liegt in Deutschland bei ca. 88 %. Daher ist die langfristige Lebensqualität
von großer Bedeutung. Auch während der adjuvanten Therapie spielen Lebensqualitätsaspekte
eine wichtige Rolle, unter anderem für die Therapie-Compliance oder bereits bei der
Entscheidung zwischen verschiedenen onkologischen Therapien. Dabei möchten Betroffene
wissen, wie sich andere Patientinnen während und nach der jeweiligen Therapie gefühlt
haben. Im fortgeschrittenen Stadium, wenn keine Heilung mehr möglich ist, ist die
Verbesserung bzw. der Erhalt der Lebensqualität sogar das primäre Ziel.
Der Begriff „Quality of Life (QOL)“ tauchte erstmals in den 1960er-Jahren in der medizinischen
Literatur auf. Es brauchte jedoch gut 30 Jahre, bis Lebensqualität als relevanter
Endpunkt in klinischen Studien anerkannt wurde. In jüngerer Zeit haben von den Patienten
berichtete, subjektiv wahrgenommene Gesundheitszustände, sogenannte Patient-Reported
Outcomes (PROs), einschließlich der selbstberichteten gesundheitsbezogenen Lebensqualität,
in onkologischen Studien stark an Bedeutung gewonnen. Von der amerikanischen Food
and Drug Administration (FDA) und der European Medicines Agency (EMA) wird der Einsatz
von PROs in Zulassungsstudien zur Erfassung von Symptomen, Beeinträchtigungen und
Nebenwirkungen der Therapie zunehmend gefordert [1 ]. Die Erfassung der Sicht der Patienten ist essenziell bei der Erhebung der Lebensqualität
und Symptombelastung, da die Einschätzungen von Ärzten oft nur mäßig mit den Erfahrungen
der Patienten korrelieren.
Begriffe und Methodik
Definition der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Der Begriff „Lebensqualität“ ist ein multidimensionales Konstrukt aus physischen,
psychischen und sozialen Aspekten. Da die subjektiv empfundene Qualität des Lebens
auch von Wohlstand, Freiheit, Politik, Bildung, Kultur und Religion abhängen kann,
wird oft der Begriff „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ (Health-Related Quality
of Life, HRQOL) verwendet, wenn der Einfluss von gesundheitsbezogenen Faktoren betrachtet
werden soll.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL) wurde von der WHO 1993 [2 ] definiert als:
„Die Wahrnehmung der eigenen Lebenssituation im Kontext der Kultur- und Wertesysteme,
in denen das Individuum lebt, und in Bezug auf seine Ziele, Standards und Anliegen.
Es handelt sich um ein weitreichendes Konzept, das in komplexer Weise von der körperlichen
Gesundheit, dem psychosozialen Zustand, dem Grad der Unabhängigkeit, den sozialen
Beziehungen und ihrem Verhältnis zu den wichtigsten Merkmalen der Umwelt beeinflusst
wird.“
HRQOL gehört zu der Gruppe der Patient-Reported Outcomes (PROs). Einfach ausgedrückt,
ist ein PRO ein Maß für die Wahrnehmung des Patienten des eigenen Gesundheitszustandes
oder der Lebensqualität.
Patient-Reported Outcome (PRO) wurde von der FDA definiert als:
„Eine Messung, die auf einem Bericht basiert, der direkt vom Patienten (d. h. von
der Versuchsperson) über den Status des Gesundheitszustandes eines Patienten ohne
Änderung oder Interpretation der Reaktion des Patienten durch einen Kliniker oder
eine andere Person kommt.“
Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
HRQOL wird mittels validierter Fragebogen erfasst. Dabei wird zwischen (krankheits)spezifischen
und generischen (krankheitsübergreifenden) Instrumenten unterschieden ([Tab. 1 ]). Die spezifischen Instrumente sind sensitiver in Bezug auf Veränderungen der betrachteten
Erkrankung und werden von Patienten meist als relevanter erachtet als generische Instrumente,
da sie die eigenen Probleme besser abbilden. Generische Instrumente ermöglichen dafür
krankheitsübergreifende Vergleiche und spielen etwa bei gesundheitsökonomischen Evaluationen
eine wichtige Rolle. Das am häufigsten in Nordamerika verwendete krebsspezifische
Instrument ist der FACT-Fragebogen, in Europa der EORTC QLQ-C30. Beide haben viele
tumor-, symptom- oder behandlungsspezifische Zusatzmodule und sind in vielen Sprachen
validiert.
Tab. 1
Häufig verwendete generische und krebsspezifische Lebensqualitätsfragebogen.
Typ
Instrument
Items
Generisch
SF-36
Medical Outcomes Study Short-Form 36
36
EQ‐5D-3 L
EuroQol Scale (je 3 Antwortmöglichkeiten, alte Version)
5
EQ‐5D-5 L
EuroQol Scale (je 5 Antwortmöglichkeiten, seit 2009)
5
EQ VAS
EuroQol Scale Visual Analogue Scale
1
Krebsspezifisch
EORTC QLQ-30
European Organisation for Research and Treatment of Cancer Quality of Life – Core
Questionaire
30
EORTC QLQ-BR23
Brustkrebsspezifisches Zusatzmodul (alte Version)
45
EORTC QLQ-BR45
Brustkrebsspezifisches Zusatzmodul (seit 2018)
45
FACT‐G
Functional Assessment of Cancer Treatment – General
27
FACT‐B
Functional Assessment of Cancer Treatment – Breast
37
Die HRQOL kann global durch einen Wert auf einer Skala eingeschätzt werden. Der EORTC
QLQ-C30-Fragebogen erfasst die globale HRQOL als Mittelwert von zwei subjektiven Selbsteinschätzungen
auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 7 (ausgezeichnet) anhand der folgenden Fragen:
1) „Wie würden Sie insgesamt Ihren Gesundheitszustand während der letzten Woche einschätzen?“
und 2) „Wie würden Sie insgesamt Ihre Lebensqualität während der letzten Woche einschätzen?“.
Neben der globalen Lebensqualitätseinschätzung werden auch unterschiedliche Funktionsbereiche
und Symptome erfasst, die einen potenziellen Einfluss auf die HRQOL haben. Der EORTC
QLQ-C30 erhebt zudem die physische, emotionale, soziale und kognitive Funktion und
die Rollenfunktion (Beeinträchtigungen in der Arbeit oder Freizeit) sowie typische
Symptome während oder nach einer Krebstherapie (Müdigkeit/Fatigue, Schlafstörungen,
Schmerzen, Atemnot, Übelkeit/Erbrechen, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Durchfall)
und finanzielle Auswirkungen.
Kürzlich wurde von der EORTC-Gruppe ein neuer Summenscore eingeführt, der die einzelnen
Funktionen und Symptome des EORTC QLQ-C30 gewichtet zusammenfasst. Dieser Summenscore
zeigte bessere prognostische Werte für das allgemeine Überleben als der globale HRQOL-Score
und jeder andere Score des EORTC QLQ-C30 [3 ].
Brustkrebsspezifische Funktionen und Symptome werden mit dem EORTC QLQ-BR45 Zusatzmodul
erhoben, beispielsweise Beschwerden in der Brust bzw. in Arm/Schulter oder sexuelle
Aktivität. Das BR45-Modul ist eine Erweiterung des älteren BR23-Moduls.
Referenzwerte
Zur Einordnung der HRQOL bei Krebspatienten sind Vergleiche mit der Allgemeinbevölkerung
hilfreich. Für den EORTC QLQ-C30 liegen dazu normative Werte aus einer repräsentativen
Stichprobe (n = 4,684) aus der deutschen Bevölkerung stratifiziert nach Alter und
Geschlecht vor [4 ]. Kürzlich wurden zudem Referenzwerte zum EORTC QLQ-C30 für Brustkrebspatientinnen
im frühen sowie fortgeschrittenen Stadium, stratifiziert nach unterschiedlichen Kriterien
(Alter, Region, Performancestatus, Komorbiditäten), publiziert, die Kliniker zur Interpretation
von QOL-Werten ihrer Patientinnen heranziehen können [5 ].
Interpretation und Analyse der Erhebungen
Von der Initiative Setting International Standards in Analyzing Patient-Reported Outcomes
and Quality of Life Endpoints Data (SISAQOL) werden derzeit Standards für die Erhebung,
statistische Analyse und das Berichten von PROs erarbeitet (https://event.eortc.org/sisaqol/conferences-and-publications/ ). Wie bei jeder Messung müssen mögliche Ungenauigkeiten oder systematische Verzerrungen
bei der Erhebung von PROs in Betracht gezogen werden. Möglich ist u. a. ein sogenannter
Response-Shift.
Response-Shift
Response-Shift bezeichnet eine Veränderung des Bewertungshintergrunds für subjektive
Erhebungen im Verlauf von schweren Erkrankungen. Dies kann etwa in Form einer Repriorisierung
oder Neukonzeptualisierung auftreten: Werte oder Ziele, die eine Probandin für die
Lebensqualität für wesentlich hielt, können nach einer Brustkrebserkrankung quantitativ
oder qualitativ anders als vor der Erkrankung bewertet werden. Das könnte das Phänomen
erklären, dass die Lebensqualität nach überstandener Brustkrebsbehandlung oft über
den Werten vor der Diagnose und über den Vergleichswerten aus der altersbezogenen
Allgemeinbevölkerung liegt. Response-Shift kann aber auch infolge einer Rekalibrierung
auftreten: Patientinnen, die beispielsweise in der akuten Behandlungsphase unter sehr
starken Schmerzen gelitten haben, beurteilen später moderate Schmerzen auf einer Skala
von 0 bis 10 möglicherweise niedriger, als sie dieselben Schmerzen vor der Akutphase
bewertet hätten. Beim Vergleich der Lebensqualität zwischen randomisierten Gruppen
spielt der Response-Shift jedoch meist keine wesentliche Rolle.
Epidemiologie
Determinanten und Kofaktoren der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Die HRQOL wird allgemein von soziodemografischen Faktoren, und bei Krebspatienten
auch von klinischen Faktoren bestimmt ([Abb. 1 ]). In der Allgemeinbevölkerung berichten Männer generell bessere HRQOL, höhere Funktionswerte
und weniger Symptome als Frauen. Bei beiden Geschlechtern sinken die Funktionswerte
und nehmen die Symptome mit steigendem Alter in der Allgemeinbevölkerung zu [4 ]. Im Gegensatz dazu ist bei Patientinnen mit nicht metastasiertem Brustkrebs niedrigeres
Alter mit schlechterer HRQOL bzw. mehr Symptomen assoziiert [6 ]
[7 ]. Des Weiteren zeigten Studien niedrigere HRQOL bei hohem Body-Mass-Index (BMI) und
körperlicher Inaktivität [7 ]
[8 ]. Diese prinzipiell veränderbaren Faktoren sind somit ein nicht unwesentlicher Ansatzpunkt
zu Verbesserungen der Lebensqualität. Auch geringe soziale Unterstützung sowie Verlust
der Berufstätigkeit sind wichtige Faktoren, die in Bezug auf Lebensqualität im Blick
behalten werden sollten. Darüber hinaus gehen psychische Vorbelastungen (frühere oder
bestehende depressive Symptome, mentale Erkrankungen) ebenfalls mit stärkeren Verlusten
der HRQOL und einer höheren Symptomlast, insbesondere der Fatigue, einher [7 ]
[8 ]. In einer deutschen Studie bei 2671 Langzeitüberlebenden nach Brustkrebs berichteten
17 % moderate bis große Angst vor einem Rezidiv, was mit negativen Auswirkungen auf
die Lebensqualität einherging [9 ]. Neben relevanten klinischen Aspekten in Bezug auf die Bekämpfung des Tumors sollten
daher auch die prädiktiven Faktoren hinsichtlich Lebensqualität nach Brustkrebs betrachtet
werden.
Abb. 1 Personenbezogene (rot) und klinische (grün) Faktoren, die mit verringerter gesundheitsbezogener
Lebensqualität (HRQOL) assoziiert sind.
Von den üblichen Brustkrebstherapien hat Chemotherapie die stärkste negative Auswirkung
auf die HRQOL [6 ]
[8 ]. Dabei zeigten sich keine starken Unterschiede zwischen Chemotherapien mit oder
ohne Taxane [10 ]. Patientinnen mit Brustkrebs im Frühstadium, die Selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren
(SERMs) erhalten hatten, zeigten mehr depressive Symptome als Patientinnen unter anderen
endokrinen Therapien [6 ]. Der Einfluss der Therapie nimmt jedoch mit der Zeit ab und spielt für die längerfristige
Lebensqualität keine große Rolle mehr. Patientinnen im fortgeschrittenen Stadium berichten
durchschnittlich eine schlechtere HRQOL als Patientinnen in früheren Stadien [6 ]. Für die Lebensqualität nach Brustkrebs scheinen Fatigue, Schmerzen, psychische
sowie kognitive Probleme besonders relevant zu sein [11 ]
[12 ].
Verlauf der gesundheitsbedingten Lebensqualität sowie relevanter PROS nach Brustkrebs
Während der adjuvanten Therapie berichten Brustkrebspatientinnen im Mittel signifikant
schlechtere globale Lebensqualität und schlechtere Werte in allen Funktionsbereichen
(physische, emotionale, soziale, kognitive und Rollenfunktion), mehr Symptome, insbesondere
Fatigue und Schlafstörungen, sowie mehr finanzielle Sorgen als Frauen gleichen Alters
in der Allgemeinbevölkerung. Ein oder mehrere Jahre nach Abschluss einer adjuvanten
Brustkrebstherapie bewerteten (erkrankungsfreie) Frauen im Mittel ihre Lebensqualität
gleich gut oder sogar besser als Frauen vergleichbaren Alters der Allgemeinbevölkerung,
jedoch zeigt sich noch eine signifikant höhere Symptomlast [12 ]
[13 ]
[14 ].
[Abb. 2 ] stellt häufig von Frauen nach Brustkrebs berichtete Probleme dar. Betroffene berichten
noch mehrere Jahre nach der Brustkrebsdiagnose beispielsweise über kognitive Beeinträchtigungen
wie verminderte Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisprobleme. Die kognitive Funktion
war in unterschiedlichen Studien bei Frauen auch mehrere Jahre nach Brustkrebs noch
signifikant schlechter als bei Frauen vergleichbaren Alters der Allgemeinbevölkerung
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]. Die genauen Ursachen dafür sind noch unklar und werden derzeit weiter erforscht.
Darüber hinaus zeigten sich bei erkrankungsfreien Brustkrebsüberlebenden nach 5 Jahren
auch signifikant häufiger Schlafprobleme als in der Referenzpopulation [12 ]
[13 ].
Abb. 2 Langfristige Symptome und Probleme nach Brustkrebs; sortiert nach geschätzter Häufigkeit,
basierend auf mehreren Umfragen [12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ].
Als besonders häufiges Problem, bei dem sich Frauen nach Brustkrebs mehr Unterstützung
wünschen, werden sexuelle Beschwerden (z. B. vaginale Trockenheit, Dyspareunie, Libidoverlust)
sowie Hitzewallungen genannt [12 ]
[16 ]. Klimakterische Beschwerden sind in der Altersgruppe der Betroffenen nicht überraschend.
Jedoch zeigte eine Studie bei 843 erkrankungsfreien Frauen rund 6 Jahre nach Brustkrebsdiagnose
(ohne endokrine Therapie bzw. bereits abgeschlossen) signifikant schlechtere vasomotorische
und sexuelle Scores im Vergleich zu Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung [17 ].
Eines der häufigsten Probleme während der adjuvanten Therapie ist Fatigue. Prävalenz
und Intensität sinken in den Monaten und Jahren nach Therapieende deutlich ab. Jedoch
berichtet etwa ein Viertel der erkrankungsfreien Frauen selbst 5 Jahre nach der Brustkrebsdiagnose
noch moderate bis starke Fatigue [12 ]
[13 ]. Die ist ein nicht zu vernachlässigendes Problem, insbesondere weil Fatigue in verschiedenen
Untersuchungen die stärkste Beeinträchtigung der HRQOL aufwies und zudem einer der
Hauptgründe ist, dass Frauen nach Brustkrebs nicht mehr ins Berufsleben zurückkehren
[15 ]. Prädiktoren für persistierende Fatigue umfassen u. a. mangelnde körperliche Aktivität,
starkes Übergewicht, psychische Probleme, Schlafprobleme, Mangel an sozialer Unterstützung,
aber auch klimakterische Symptome [8 ]. Chemotherapie hingegen – einer der wichtigsten Faktoren für das Auftreten von Fatigue
– ist kein Prädiktor für ein langfristiges Persistieren der Fatigue.
Die HRQOL kann durch weitere, therapiespezifische Nebenwirkungen eingeschränkt werden
wie Arthralgie, eine häufige Nebenwirkung von Aromatasehemmern, oder Polyneuropathie,
eine potenzielle Nebenwirkung mancher Chemotherapien. Zudem haben Frauen selbst mehrere
Jahre nach einer überstandenen Brustkrebserkrankung häufig eine reduzierte kardiorespiratorische
Fitness.
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität nach Brustkrebs
Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität nach Brustkrebs
Die Entwicklung von nebenwirkungsärmeren Krebstherapien kann zu einer geringeren Beeinträchtigung
der HRQOL beitragen. Nebenwirkungen sind jedoch nicht gänzlich vermeidbar und müssen
gegen die Wirksamkeit der Therapie abgewogen werden. Umso wichtiger für die Verbesserung
bzw. den Erhalt der Lebensqualität sind darum supportive Maßnahmen. Ein erster wichtiger
Schritt wäre ein Monitoring der Symptome durch systematische Befragung der Patientinnen.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass beispielsweise Fatigue zu selten von Ärzten
oder Pflegepersonal angesprochen wird. Viele Patientinnen berichten auch nicht auf
eigene Initiative darüber [15 ], teils aus Unwissenheit, dass es sich bei ihren Symptomen um ein potenziell behandelbares
Problem handelt, teils aus Mangel an kommunikativen Fähigkeiten oder schlicht aus
Mangel an Zeit im Gespräch mit dem Arzt. Als Konsequenz wird dieses stark die Lebensqualität
einschränkende Symptom häufig unzureichend behandelt. Eine randomisierte, kontrollierte
Studie von Ethan Basch und Kollegen [18 ] zeigte, dass bereits ein einfaches internetbasiertes Monitoring von 12 häufigen
Symptomen, das bei Verschlechterungen eine Meldung an die Study Nurse schickte, bei
Patienten im metastasierten Stadium zu signifikanten Verbesserungen der HRQOL und
darüber hinaus sogar zu signifikant längerem Überleben führte. Neben dem Symptommonitoring
wäre eine Betrachtung von psychosozialen Faktoren sinnvoll, wie frühere oder bestehende
depressive Symptome, Angstzustände, soziale Unterstützung, finanzielle, familiäre
oder organisatorische Schwierigkeiten aufgrund der Erkrankung, um bei Bedarf frühzeitig
Maßnahmen zum Erhalt der Lebensqualität zu ergreifen, wie beispielsweise den Kontakt
zu einer kompetenten Beratungsstelle zu vermitteln.
Darüber hinaus wurden nichtmedikamentöse Interventionen zum Erhalt bzw. zur Verbesserung
der HRQOL bzw. zur Reduzierung der Symptomlast in zahlreichen randomisierten, kontrollierten
Studien untersucht ([Tab. 2 ]). Derzeit liegt hinsichtlich HRQOL gute Evidenz für die Wirksamkeit von Yoga, Kraft-/Ausdauertraining,
kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) und mindfulness-based stress reduction (MBSR)
vor [19 ]
[20 ]
[21 ]
[22 ]. Welche Intervention in der gegebenen Situation am besten wirkt, ist noch unklar.
Aktuelle Studien sollen die Interventionen besser auf die jeweiligen individuellen
Patienten-, Therapie- und Symptomcharakteristiken abstimmen.
Tab. 2
Nichtmedikamentöse Interventionen mit gut belegten Effekten auf die HRQOL.
Intervention
Gute Evidenz für Effekte auf:
Wahrscheinliche[
1
] weitere Effekte auf:
Kommentar
Kraft-/Ausdauertraining [20 ]
HRQOL, Fatigue, körperliche Fitness, Angst, Depressivität
Schlaf, Knochendichte, Polyneuropathie, kognitive Funktion, Kardiotoxizität, Sturzprophylaxe,
Schmerzen, sexuelle Funktion
Trainingsempfehlungen müssen durch weitere Forschung noch besser individualisiert
werden.
Yoga [21 ]
HRQOL, Fatigue, Schlaf, Stress, kognitive Funktion
Depression, Angst, Schmerz, körperliche Fitness, Sturzprophylaxe, Schmerzen
Welche Yoga-Richtung die besten Effekte erzielt, muss weiter erforscht werden. Auch
Tai-Chi und Qi Gong haben z. T. gute Effekte gezeigt.
Psychosoziale, edukative und/oder verhaltensbasierte Interventionen
(z. B. MBSR, CBT) [19 ]
z. T. für Fatigue, HRQOL
Abhängig von Interventionsausrichtung
Spezifisch auf bestimmte Symptome ausgerichtete Interventionen erzielen oft bessere
Effekte für dieses Symptom.
1 Evidenz moderat bzw. Studienlage noch nicht ausreichend.
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Senologie 2020; 17: 88–93; DOI https://doi.org/10.1055/a-1030-9792.