2. Seltene Erkrankungen der Nase, der Nasennebenhöhlen und der vorderen
Schädelbasis
Seltene Erkrankungen der Nase, Nasennebenhöhlen und Schädelbasis
können in folgende Kategorien eingeteilt werden:
-
Erkrankungen/Syndrome des olfaktorischen Systems
-
Fehlbildungen
-
Belüftungs- und Funktionsstörungen
-
Benigne und maligne Tumore
-
Entzündliche/granulomatöse Erkrankungen
In einem Referat aus dem Jahr 2015 wurden bereits seltene rhinologische Erkrankungen
mit Fokus auf eine granulomatöse Genese durch Martin Laudien dargelegt [15], weshalb die vorliegende Arbeit auf die ersten
vier der genannten Aspekte fokussiert. Hierbei werden die wichtigsten seltenen
Erkrankungen des olfaktorischen Systems, Fehlbildungen, Tumorerkrankungen und
Funktionsstörungen der Nase, der Nasennebenhöhlen und der vorderen
Schädelbasis unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur
dargestellt.
2.1 Erkrankungen/Syndrome des olfaktorischen Systems
Die Genese von Störungen des olfaktorischen Systems ist sehr variabel.
Mögliche Ursachen liegen in rhinologischen Erkrankungen, Traumata,
Neoplasien und kongenitalen Störungen oder sie werden als idiopathisch
bezeichnet [16]
[17]. Zudem existieren viele virale Erkrankungen, die mit einer
temporären und permanenten Hyp- bzw. Anosmie einhergehen können.
Aufgrund der Themenstellung fokussiert die vorliegende Arbeit nicht auf alle
seltenen Erkrankungen, die auch das olfaktorische System beeinträchtigen
können, sondern auf jene, die primär das Riechen betreffen.
Hierbei handelt es sich um folgende Syndrome bzw. Fehlbildungen:
2.1.1 Isolierte kongenitale Anosmie
Die isolierte kongenitale Anosmie ist extrem selten. Weltweit wurden bislang
15 Fälle einer isolierten kongenitalen Anosmie beschrieben [18]. Bei der isolierten kongenitalen
Anosmie liegt eine seit Geburt bestehende Anosmie vor. Die Ursache ist eine
Entwicklungsstörung des Bulbus olfactorius, die uni- oder bilateral
vorliegen kann [19]. Eine weitere Genese
scheint in dem Ersatz des olfaktorischen Epithels durch respiratorisches
Epithel, welches die Nasenhaupthöhle auskleidet, zu liegen.
Ursächlich ist eine autosomal dominante Störung mit
unvollständiger Penetranz. Es existiert keine kausale Therapie der
Fehlbildung.
2.1.2 Kallmann-Syndrom
Das Kallmann-Syndrom beschreibt eine erbliche Entwicklungsstörung, in
deren Rahmen es zu einem kongenitalen hypogonadotropen Hypogonadismus
aufgrund einer Gonadotropin-Releasing Hormon (GnRH)-Mangels kommt.
Zusätzlich ist bei betroffenen Patienten eine Hyposmie oder Anosmie
(bei Hypoplasie oder Aplasie des Bulbus olfactorius) zu beobachten, die auf
eine unterbrochene embryonale Migration der GnRH-synthetisierenden Neuronen
vom Riechepithel in die Hypothalamusregion basiert. Die Vererbung erfolgt
X-chromosomal rezessiv [20]. Die
Prävalenz des Kallmann-Syndroms wird auf 3,75:100 000
geschätzt [2]. Therapien zielen
auf die Induktion der Pubertät und später der
Fertilität ab. Während in diesem Bereich gute
Therapieerfolge erzielt werden können, ist eine Behandlung der
Hyposmie oder Anosmie nicht möglich.
2.1.3 Neuroektodermales Syndrom Typ Johnson
Das Neuroektodermale Syndrom Typ Johnson beinhaltet die Symptome Alopezie,
Anosmie oder Hyposmie, Schallleitungs-Schwerhörigkeit, malformierte
Ohren, Mikrotie und/oder Atresie des äußeren
Gehörganges und hypogonadotropen Hypogonadismus. Es wird nach den
Erstbeschreibern auch Johnson-McMillin Syndrom bezeichnet [21]
[22].
Die Vererbung erfolgt autosomal dominant, allerdings ist die genaue
Ätiologie nicht bekannt. Vermutet wird ein embryologischer Defekt
bei der Ausdifferenzierung der Neuralleiste der Kopfregion.
Die Prävalenz des Syndroms wird auf deutlich unter
1:1.000 000 geschätzt. Eine Therapie der mit dem Syndrom
assoziierten Hyposmie bzw. Anosmie ist nicht existent.
2.2 Fehlbildungen der Nase und Nasennebenhöhlen
In der aktuellen Literatur existieren mehr als 300 Syndrome mit Beteiligung der
Nase. Bei vielen dieser Syndrome kann auch die Entwicklung der Nase
beeinträchtigt sein, allerdings ist diese Pathologie im Gesamtaspekt der
vielen, im Rahmen des Syndroms vorkommenden Pathologien als untergeordnet zu
beurteilen. Der Übersichtlichkeit halber werden im folgenden Teil
Pathologien dargestellt, die primär die Nase und je nach
Ausprägung auch die Nasennebenhöhlen und vordere
Schädelbasis betreffen. Hierbei handelt es sich um folgende
Fehlbildungen:
2.2.1 Arrhinie/Hemirhinie
Die kongenitale Arrhinie stellt eine extrem seltene Fehlbildung dar, bei der
die äußere Nase nicht oder nur sehr rudimentär
angelegt ist ([Abb. 1]) und deren
Pathogenese noch nicht vollständig analysiert werden konnte. Es wird
vermutet, dass eine Entwicklungsstörung der paarigen Nasenplakoden
zwischen der 3. und 10. Gestationswoche eine Rolle in der Genese spielt. Die
vorzeitige Fusion der medianen Nasenfortsätze, eine fehlende
Resorption der nasalen Epithelpfropfen sowie eine abnorme Wanderung von
Zellen der Neuralleiste werden als weitere Entstehungsmechanismen
diskutiert. Eine Arrhinie kann als eigenständige Fehlbildung oder im
Rahmen von Syndromen wie dem Treacher-Collins Syndrom, das eine
oto-mandibuläre Dysplasie mit verschiedenen Defekten an Kopf und
Hals beinhaltet und dem „Arhinie-Mikrophthalmie-Syndrom
Bosma“ bzw. „Bosma-Henkin-Christiansen-Syndrom“,
einer Kombination aus Arrhinie, Choanalatresie und Mikrophthalmie,
auftreten.
Abb. 1 Klinisches Bild eines 5 Monate alten Patienten mit
einer Arrhinie ohne Rudimente.
Weltweit wurden ca. 20 Fälle beschrieben [2]. Noch seltener sind Fälle von kongenitaler einseitiger
Arrhinie (Hemirhinie, fehlende Nasenhälfte ([Abb. 2])). In einigen Fällen wird
das vollständige Fehlen einer Nasenanlage mit palpatorisch festem
Untergrund beschrieben ([Abb. 1]), andere
Fälle zeigen eine rudimentäre Nasenanlage als blind endender
Buckel oder Grübchen [23].
Abb. 2 Patientin mit Z.n. Rekonstruktion der rechten
Nasenhälfte bei Hemirhinie.
Die meisten berichteten Fälle einer Arrhinie sind sporadisch
aufgetreten und zeigen einen unauffälligen Karyotyp [24]
[25].
Die Überlebensrate von Patienten mit dieser Fehlbildung ist niedrig,
da es in ihrem Rahmen zu schweren oberen Atemwegsobstruktionen, Atemnot und
Infektionen der Atemwege sowie Mangelernährung kommen kann [26]. Die chirurgische Therapie ist Mittel
der Wahl, allerdings existieren nur wenig Daten hinsichtlich der Technik und
des besten Zeitpunktes für eine Operation. Eine Tracheostomie sollte
initial erfolgen, um die Atmung sicherzustellen. Allgemein wird empfohlen,
die rekonstruktive Operation spätestens bis zum Vorschulalter zu
planen.
2.2.2 Bifide Nase
Bei der bifiden Nase handelt es sich um eine seltene angeborene Missbildung
mit vermutlich autosomal-dominantem oder rezessivem Erbgang. Kennzeichen ist
eine Nasenspalte, deren Ausprägung sehr variabel ist. Diese reicht
von einer wenig auffälligen Furche am Nasensteg oder der Nasenspitze
([Abb. 3]) bis zur
vollständigen Spaltung der darunter liegenden Knochen und Knorpel,
was zur Ausbildung zweier Halbnasen führen kann. Der Atemweg ist im
Rahmen dieser Fehlbildung meist adäquat ausgebildet. Eine bifide
Nase kann als milde Form einer frontonasalen Dysplasie gesehen werden [27], aber auch andere Fehlbildungen wie
Hypertelorismus und Mittellinienspalten der Lippe treten in Zusammenhang mit
der Nasenfehlbildung auf [28].
Abb. 3 Milde Form einer bifiden Nase.
Die Ursache der frontonasalen Dysplasie ist unbekannt. Die vermutete
Ätiologie ist ein Fehler bei der Entwicklung der Nasenkapsel, in
dessen Verlauf zwischen der 4. und 6. Woche der Embryogenese die Migration
des olfaktorischen Epithels in die Nasenkapsel aufgehalten wird. Diese
bildet sich nicht vollständig aus und das primitive Hirngewebe
füllt den Raum zwischen dem dehiszenten Nasenrücken aus
[29].
Eine CT oder MRT Bildgebung ist vor einer operativen Therapie dringend
erforderlich, da auch milde Formen der frontonasalen Dysplasie mit
intrakraniellen Anomalien einhergehen können.
Operativ wird bei der milden Verlaufsform einer bifiden Nase i.d.R. eine
offene Rhinoplastik durchgeführt [27], was ein übersichtlicheres Operationsfeld
ermöglicht und die Gefäßversorgung der Haut und des
Weichteilmantels der Nase erhält. Es wird angenommen, dass die
Columellainzision sowie die Anhebung der Nasenhaut, die bei der offenen
Technik angewandt werden, das Wachstum der kindlichen Nase nicht beeinflusst
[30].
2.2.3 Kraniorhinie
Merkmale einer Kraniorhinie sind Brachyzephalie, fliehende Stirn, eine
sklerotische Schädelbasis, allerdings ohne Kraniosynostosen. Der
Ductus nasolacrimalis ist nicht ausgebildet. Die Nase ist breit
konfiguriert, die Alae nasi wirken aufgebläht und antevertiert. Es
zeigt sich ein nasaler Hirsutismus und bilateral symmetrische,
kugelförmige, zystenartige Strukturen mit kleinen Fisteln direkt
unterhalb der Nase. Ein Hypertelorismus kann zusätzlich vorhanden
sein. Die Vererbung ist wahrscheinlich autosomal dominant, allerdings legen
Fälle mit konsanguinen Eltern nahe, dass eine pseudodominante
autosomal rezessive Übertragung nicht völlig ausgeschlossen
werden kann [31]
[32]. Weltweit wurden vier betroffene
Familien beschrieben [2].
2.2.4 Kraniofaziale Gesichtsspalten und paramediane Nasenspalte
Kraniofaziale Gesichtsspalten sind äußerst seltene
Fehlbildungen der Embryogenese. Primäre oder echte Spaltbildungen
treten zwischen der 4. und 8. Gestationswoche auf, weil die Fusion zwischen
den verschiedenen Gesichtsprozessen nicht vollständig abgeschlossen
wurde. Sekundäre oder Pseudospalten treten später auf. Sie
betreffen die mesenchymale Differenzierung und können als Dysplasie
bezeichnet werden. In beiden Situationen ist das zukünftige
Wachstumspotenzial im Vergleich zum übrigen Gesicht vermindert. Die
Inzidenz kraniofazialer Gesichtsspalten wird mit
1,4–4,9:100 000 angegeben [33].
Von der Spaltbildung kann Hirngewebe, Weichgewebe und Knochen betroffen sein.
Knöcherne Fehlbildungen treten an der Stirn, Orbita, Sinus
ethmoidalis, Maxilla und Gaumen auf. Meningozelen und Meningoenzephalozelen
können bei intrakranieller Beteiligung vorkommen.
Mediane und paramediane Gesichtsspalten sind häufig mit
Hypertelorismus, anteriorer oder basaler Enzephalozele, Lageanomalien des
Oberkiefers und Nasendeformitäten assoziiert ([Abb. 4]). Es können auch
Weichteilmissbildungen wie Lippen- und Gaumenspalten und Lidkolobome
auftreten [33].
Abb. 4 Mediane Gesichtsspalte, frontonasale Dysplasie.
Die paramediane Nasenspalte stellt einen seltenen Entwicklungsdefekt
während der Embryogenese dar, der durch ein einseitiges oder
beidseitiges Kolobom der Nase gekennzeichnet ist ([Abb. 5]). Sie ist eine milde Form einer
kraniofazialen Gesichtsspalte. Die Fehlbildung kann in Form einer kleinen
Kerbe, die zu einer geringfügigen Abweichung der Nasenscheidewand
führt, bis hin zu Nasenspalten unterschiedlicher
Größe, die mit kleinen Zysten der Nasennebenhöhlen
in der Nasenmittellinie assoziiert sein können, auftreten.
Paramediane Nasenspalten treten isoliert oder in Verbindung mit
Lippenspalten und/oder anderen kraniofazialen Anomalien
(z. B. Hypertelorismus, Verbreiterung der Nasenwurzel,
Mittellinienspalte) auf. Nasenrücken und Nasenspitze sind in der
Regel gut erhalten [34].
Abb. 5 Paramediane Nasenspalte.
2.2.5 Duplikationsanomalien der Nase: Polyrhinie und akzessorisches
Nasenloch
Duplikationsanomalien der Nase beinhalten die Polyrhinie („doppelte
Nase“) und das akzessorische Nasenloch. Beide
Nasendeformitäten treten extrem selten auf (entsprechend Orphanet
wird die Inzidenz auf unter 1:1.000 000 geschätzt). In der
Literatur sind insgesamt 8 Fälle beschrieben, von denen 4 eine
Polyrhinie und 3 ein isoliertes akzessorisches Nasenloch sowie ein Patient
ein akzessorisches Nasenloch in Verbindung mit einer Lippenspalte aufwiesen
[35].
Die Polyrhinie ist eine angeborene Fehlbildung, bei der es zu einer
vollständigen Duplikation der Nase kommt. Alle publizierten
Fälle waren sporadisch. Es wird vermutet, dass der Fehlbildung ein
embryonaler Entwicklungsdefekt mit Duplikation des medialen Nasenfortsatzes
zugrunde liegt [36].
Das akzessorische Nasenloch ist eine ebenfalls äußerst
seltene angeborene Fehlbildung, die durch das Vorhandensein eines oder
mehrerer akzessorischer Nasenlöcher mit oder ohne akzessorischen
Knorpel gekennzeichnet ist. Die akzessorischen Löcher sind medial,
oberhalb, unterhalb oder lateral der anderen Nasenlöcher
lokalisiert. Im Gegensatz zur Polyrhinie besteht keine Duplikation des
Nasenseptums. Das akzessorische Nasenloch ist häufig mit anderen
Fehlbildungen der Kopf-/Halsregion assoziiert [37]
[38].
2.2.6 Proboscis lateralis
Der Proboscis lateralis ist eine äußerst seltene Fehlbildung,
die 1861 zum ersten Mal beschrieben wurde. Die fehlgebildete Seite der Nase
zeigt eine schlauchartige, rudimentäre Nasenanlage, die an jedem
beliebigen Punkt entlang der embryologischen Fusionslinie zwischen der
anterioren Maxilla und dem Processus frontonasalis ansetzen kann. In den
meisten Fällen ist der Ansatz dieses Rudiments am medialen Anteil
des Orbitadaches lokalisiert [39].
Der genaue embryologische Mechanismus, der für die Entwicklung des
Proboscis lateralis verantwortlich ist, konnte bislang nicht analysiert
werden. Zu den populären Theorien gehören die unvollkommene
Verschmelzung der lateralen Nasen- und Kieferfortsätze und die
irreguläre Verschmelzung des Kieferfortsatzes der betroffenen Seite
mit dem medialen Nasenfortsatz [40]
[41]
[42].
Entsprechend den existierenden Daten wird empfohlen, die chirurgische
Therapie in der frühen Kindheit zu beginnen, um mögliche
psychosoziale Konsequenzen zu vermeiden. Die abschließende
ästhetische Rekonstruktion der Nase sollte allerdings erst in der
späteren Jugend erfolgen, wenn das Wachstum des Nasengerüsts
abgeschlossen ist.
Es existieren verschiedene chirurgische Techniken zur initialen Korrektur des
Proboscis lateralis. Eine häufig angeführte Technik
beschreibt die Desepithelisierung des mittleren bis distalen Anteils des
rudimentären Schlauches, der dann in die eröffnete und
fehlgebildete ipsilaterale Nasenwand eingearbeitet wird [39].
2.2.7 Nasenrückenfistel
Die Nasenrückenfistel ist eine seltene Fehlbildung, die sich durch
das Vorhandensein einer Dermoidzyste auf dem Nasenrücken definiert.
Die Inzidenz liegt bei 1:20 000–1:40 000 [43]. Klinisch präsentiert sich eine
fest palpable, langsam wachsende Raumforderung, die Haut und dermale
Elemente, wie Haarfollikel und Talgdrüsen enthält. Es kann
zu intermittierender oder chronischer Sekretion von Talg und seröser
Flüssigkeit sowie zu lokalen Infektionen kommen. In einzelnen
Fällen besteht eine Verbindung nach intrakraniell, weshalb
anamnestisch auf meningitische Beschwerden und Krampfanfälle
fokussiert werden sollte. In sehr seltenen Fällen kann es zu
intrakraniellen Abszessformationen kommen. Therapie der Wahl ist die
vollständige Exzision des Befundes, je nach Ausdehnung in
Kooperation mit der Neurochirurgie. Bei vollständiger Resektion sind
Rezidive selten [44].
2.3 Belüftungs- und Funktionsstörungen
2.3.1 Silent Sinus Syndrom
Das Silent Sinus Syndrom bezeichnet eine i.d.R. einseitige Erkrankung des
Sinus maxillaris, die mit einem verringerten Volumen, einer Absenkung des
Orbitabodens und einem damit assoziierten Bulbustiefstand (Hypoglobus)
assoziiert ist [45]. Bereits 1964 wurden
von Montgomery 2 Fälle eines Enophthalmus bei maxillären
Mukozelen beschrieben [46], der Begriff
Silent Sinus Syndrom entstand im Rahmen der Beschreibung einer Fallserie von
19 Patienten mit Enophthalmus und einem einseitigen
„Kollaps“ des Sinus maxillaris [47]. In extrem seltenen Fällen ist das Siebbein oder die
Stirnhöhle von der Erkrankung betroffen [48]
[49]. Weltweit wurden bisher
98 Fälle beschrieben [2].
Betroffene Patienten sind weitestgehend frei von sinunasalen Beschwerden,
können aber über gelegentliches Druckgefühl der
betroffenen Seite des Oberkiefers berichten [50]
[51]. Trotz der durch den
Enophthalmus und Hypoglobus veränderten Sehachse kommt es wegen der
nur langsam fortschreitenden Symptomatik nur selten zu
Visusstörungen.
Als wahrscheinlichste Ursache für die Entstehung eines Silent Sinus
Syndroms wird eine Obstruktion am Ostium der betroffenen Nebenhöhle
vermutet. Es kommt zu einer konsekutiven Unterdruckbildung, eingezogenen
knöchernen Wänden und nachfolgenden Sekretretention [52]
[53]
[54]
[55]
[56].
Die ursprüngliche These, es handele sich um eine
Kieferhöhlen-Hypoplasie, konnte durch Studien widerlegt werden, bei
denen Computertomografien aus der Zeit vor der Erkrankung analysiert wurden,
auf denen ein normal konfigurierter Sinus maxillaris ersichtlich war [54]
[57]
[58]. Auch eine chronische
Rhinosinusitis wird als Ursache diskutiert [56].
Bei der Endoskopie zeigt sich ein stark retrahierter, ggf. atelektatischer
Processus uncinatus. Computertomografisch lässt sich ein
hypoplastisch anmutender Sinus maxillaris mit gleichmäßiger
Einziehung aller Wände darstellen. Das Lumen des Sinus kann frei
oder Sekret-verlegt sein [59]. In
koronarer Schichtung lässt sich in der Computertomografie der nach
kaudal eingezogene Orbitaboden darstellen, der zu einer konsekutiven
Verlagerung des Orbitainhalts führt ([Abb. 6]). Magnetresonanztomografisch lässt sich ein
hyperintenses Signal in der T2-Wichtung bei homogener Abbildung des Lumens
darstellen [51]
[59]
[60]
[61].
Abb. 6 Koronare CT-Rekonstruktion eines Patienten mit Silent
Sinus Syndrom linksseitig. Die Kieferhöhle ist verlegt, der
Orbitaboden nach unten gezogen.
Bei entsprechenden Beschwerden ist eine Kieferhöhlen-Fensterung Typ
2–3 [56]
[62]
[63]
[64] zur Wiederherstellung
der Belüftung möglich. Nach Eröffnung des Lumens
zeigt sich normale bis leicht hypertrophe Schleimhaut und je nach Befund
mukozelenartig konfiguriertes Sekret, welches abgesaugt werden kann.
Im Falle von Visusstörungen ist die Korrektur des Orbitabodens
Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Zur Rekonstruktion bzw. Anhebung des
Orbitabodens können alloplastische oder autologe Materialen
verwendet werden [55]
[65]. Mehrere Fallberichte zeigten
allerdings eine Rückbildung des Enophthalmus und Hypoglobus [52]
[57]
[65]
[66], weshalb eine operative Therapie
frühestens ein Jahr nach Wiederherstellung der
Kieferhöhlen-Belüftung erfolgen sollte, um spontane
Remissionen abzuwarten [62]
[65]
[67].
2.3.2 Hypersinus
Der Terminus Hypersinus bezeichnet eine Nasennebenhöhle, deren
Ausdehnung die normalen Begrenzungen deutlich überschreitet und
deren knöcherne Begrenzungen und Belüftungssituation normal
konfiguriert sind [68]. Die Ausdehnung der
betroffenen Nebenhöhle erstreckt sich innerhalb der
Schädelknochen-Begrenzungen, ohne diese – wie im Falle des
Pneumosinus dilatans oder der Pneumozele – zu verdrängen
bzw. zu verlagern. Insofern existieren bei betroffenen Patienten keine
kosmetischen oder funktionellen Probleme. In [Abb. 7] ist die starke Pneumatisation des Sinus frontalis
beidseits gut zu erkennen. In sagittaler Rekonstruktion zeigt sich der weit
nach kranial reichende Sinus frontalis ebenfalls, allerdings ohne die Kontur
der Stirn stark zu beeinträchtigen.
Abb. 7 Koronare und sagittale CT-Rekonstruktion eines
Patienten mit Hypersinus frontalis bds.
Der Hypersinus verursacht keine Beschwerden, weshalb diese anatomische
Variante nicht als Pathologie gezählt wird. Trotz einer bereits 1987
festgelegten Nomenklatur [69] werden die
Begriffe Hypersinus, Pneumosinus dilatans und Pneumozele bisweilen unscharf
oder sogar synonym verwendet, weshalb die Abgrenzung des Hypersinus in
diesem Zusammenhang aufgeführt wird.
2.3.3 Pneumosinus dilatans
Der Pneumosinus dilatans stellt eine massive Ausweitung meist einer
Nasennebenhöhle dar und manifestiert sich in den meisten
Fällen an der Stirnhöhle. Auch die Siebbeinzellen und die
Keilbein- sowie Kieferhöhlen können von der
außergewöhnlich starken Pneumatisation betroffen sein [56]. Vorwölbungen des Stirnbeins
oder intrakranielle, ethmoidale und orbitale Ausdehnung können
auftreten [69]. Die Erkrankung ist nicht
zwingend mit Beschwerden verknüpft, kann aber in einigen
Fällen lokales Druckgefühl und Cephalgien verursachen.
Während der Befall der Stirnhöhle zu kosmetischen
Beeinträchtigungen für den Patienten führen kann,
existieren Fallberichte mit ophthalmologischen Komplikationen bei
Lokalisation im Siebbein oder der Keilbeinhöhle [70]
[71]
[72] durch eine Kompression
des Nervus opticus.
Die weltweit berichtete Fallzahl wird mit 134 angegeben [73]
[74].
Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt. Als mögliche
Ursachen werden spontan drainierte Mukozelen, eine Infektion mit
gasbildenden Mikroorganismen, eine genetische Prädisposition oder
fibro-ossäre Dysregulation sowie hormonelle Dysregulationen
diskutiert [74]. Die derzeit
wahrscheinlichste Theorie ist ein Ventilmechanismus der Abflusswege der
Nebenhöhlen, der aufgrund des gesteigerten Drucks zu einer
langsamen, gleichmäßigen Ausdehnung des Sinus führt
und spontan drainierte Mukozelen diskutiert. Publikationen der letzten 20
Jahre geben zudem Hinweise auf eine Assoziation mit Meningeomen und
Arachnoidalzysten [73]
[75]
[76]
[77].
Bei der Nasenendoskopie zeigt sich ein meist unauffälliger Befund des
mittleren Nasengangs und der betroffenen Ostien, sofern diese einsehbar
sind. Computertomografisch ist die betroffene Nasennebenhöhle
(meist) gleichmäßig vorgewölbt und i.d.R. ohne
Ausdünnung des begrenzenden Knochens darstellbar. [Abb. 8] zeigt eine koronare
Computertomografie eines Patienten mit Pneumosinus dilatans. In sagittaler
Rekonstruktion ist die Vorwölbung der Stirnhöhlenvorderwand
sowie der hierdurch veränderte nasofrontale Winkel zu erkennen.
Abb. 8 Koronare und sagittale CT-Rekonstruktion eines
Patienten mit Pneumosinus dilatans mit Vorwölbung des Os
frontale.
Es existiert keine kurative Therapie. Unter der Annahme eines
Ventilmechanismus kann eine funktionelle Nasennebenhöhlen-Operation
mit Erweiterung des Ostiums und damit Beseitigung der Stenose in Betracht
gezogen werden. Bei Patienten mit kosmetischer Beeinträchtigung im
Rahmen eines Pneumosinus dilatans frontalis wurden Techniken zur operativen
Modellierung der Stirnhöhlenvorderwand von Draf et al. beschrieben
[78]. Bei Visusstörungen kann
in Abhängigkeit der Beschwerden und der Lokalisation der Pathologie
die Dekompression des Nervus opticus in Erwägung gezogen werden.
Auch ein Pneumosinus dilatans der Kieferhöhle kann sich entwickeln
und zeigt sich primär in einer äußeren Deformierung
[56].
2.3.4 Pneumozele
Pneumozelen sind Ausdehnungen einer Nasennebenhöhle über die
normalen Grenzen hinaus. Im Gegensatz zum Pneumosinus dilatans finden sich
Irregularitäten der knöchernen Begrenzung der betroffenen
Nebenhöhle mit Ausdünnungen und teilweisem
Integritätsverlust [69]
[79]. Die Symptome sind ähnlich wie
bei einem Pneumosinus dilatans. Bei Lokalisation im Sinus maxillaris,
frontalis und ethmoidalis kann es zu Verlagerung des Orbitainhalts mit
konsekutiver Protrusio bulbi kommen [80]
[81]
[82]. Ein Fallbericht schildert einen
temporären Visusverlust im Rahmen einer Pneumocele des Sinus
sphenoidalis [83]
[84].
Als Ursache für die Entwicklung einer Pneumozele wird ein
Ventilmechanismus im Bereich des Ostiums angenommen, der eine rasche
Angleichung von Druckdifferenzen zwischen der Nasenhaupthöhle und
der betroffenen Nebenhöhle verhindert.
Im Falle einer Protrusio bulbi kann die Entlastung der Orbita mit Resektion
der Lamina papyracea erfolgen. Bei einer Kompression des Nervus opticus im
Bereich des Sinus sphenoidalis aufgrund von nicht ausgeglichenen
Druckdifferenzen der Nasenhaupthöhle und des Sinus sphenoidalis ist
die operative Wiederherstellung der Belüftung des Sinus sphenoidalis
Therapie der Wahl. In o.g. Fallbericht wurde eine Resektion eines Polypen
durchgeführt, der das Ostium verlegte.
2.3.5 Organisiertes Hämatom
Das sinunasale organisierte Hämatom ist eine seltene, gutartige
Erkrankung. Es kommt zu wiederholten Einblutungen, die
möglicherweise durch ein sehr kleines Ostium und/oder eine
nicht ausreichende mukoziliäre Clearance des betroffenen Sinus
raumfordernden Charakter entwickeln. Im weiteren Verlauf kommt es zu
Fibrosierungen und Neovaskularisation. Aufgrund des expansiven Wachstums
kann es zu Destruktionen umgebender Strukturen kommen, weshalb
bildmorphologische Aspekte malignen Wachstums oder einer Pathologie mit
lokal aggressiver Expansion ähnlich einem invertierten Papillom oder
einer Pilzsinusitis entstehen können [85]
[86]. Diverse Studien haben
die Charakteristika der Erkrankung analysiert, allerdings ohne genauere
Daten hinsichtlich der Inzidenz zu liefern [85]
[86]
[87].
Primäre Beschwerden sind häufig rezidivierende Epistaxis,
Schmerzen, Druckgefühl im Gesichtsbereich und gelegentlich
Hypästhesien im Versorgungsgebiet des N. infraorbitalis [85]
[86]
[87]
[88].
CT- und MRT-grafisch zeigen sich mit expansiven Gewebsmassen
angefüllte Sinus, häufig mit Ausdehnung in die ipsilaterale
Nasenhaupthöhle [87]. Lokal
aggressives Wachstum kann zu Expansion in den Sinus ethmoidalis, die Orbita,
die Fossa pterygopalatina und die Fossa infratemporalis, die Wange und sogar
den Hartgaumen führen. In der Computertomografie stellen sich die
Areale heterogen und mit unregelmäßig fleckiger
Kontrastmittelaufnahme dar. Auch Kalzifikationen können auftreten.
Magnetresonanztomografisch zeigen sich vergleichbare
Kontrastmittelanreicherungen in der T1 Wichtung mit eher hypointensem
Randsaum.
Histopathologisch zeigen sich Einblutungen mit frischeren und älteren
Arealen, extensiv dilatierte Gefäße, amyloides Material mit
irregulär konfigurierten Gefäßen, Zonen mit
deutlicher Neovaskularisation sowie Hämosiderinablagerungen und
Fibrosen [87].
Die explorative Endoskopie in Narkose wird zur Diagnosesicherung und Therapie
empfohlen. Über einen endonasalen Zugang sollte das Hämatom
vollständig entfernt werden. Im Rahmen der Ausräumung kommt
es häufig zu stärkeren diffusen Blutungen. Um einer weiteren
Abkapselung des Befundes vorzubeugen wird empfohlen, ausreichend weite
Zugänge zu dem betroffenen Sinus anzulegen. Rezidive sind in der
derzeit bekannten Literatur äußerst selten beschrieben [85]
[86]
[87]
[88].
Die zu erwartenden endoskopischen und radiologischen Befunde bei
Silent-Sinus-Syndrom, Organisiertem Hämatom und Pneumosinus dilatans
sind in [Tab. 2] aufgelistet.
Tab. 2 Zu erwartende endoskopische und radiologische
Befunde bei Silent-Sinus-Syndrom, Organisiertem Hämatom
und Pneumosinus dilatans, entnommen aus [56].
Erkrankung
|
Endoskopischer Befund
|
Radiologischer Befund
|
Silent-Sinus-Syndrom
|
Erweiterung des mittleren Nasengangs mit Lateralisation
des Proc. uncinatus
|
CT:
-
Verkleinerung des
Kieferhöhlen-Volumens
-
Retraktion aller
Kieferhöhlen-Wände
-
Kaudalverlagerung Orbitaboden
-
Volumenvergrößerung Orbita
-
homogene Verschattung der Kieferhöhle
-
Proc. uncinatus liegt der Orbita an
|
Organisiertes Hämatom
|
Gewebsvermehrung im mittleren Nasengang und in der
Nasenhaupthöhle, Fibrin, Granulationen. Z. T.
polypöse Schleimhautschwellung und
Vorwölbung der lateralen Nasenwand
|
CT:
MRT:
-
T1: homogen isointens mit Muskulatur, heterogene
KM-Anreicherung
-
T2: inhomogen mit hypointensem Randsaum
|
Pneumosinus dilatans
|
Unauffälliger Befund
|
CT: Erweiterung des Sinus maxillaris über die
natürlichen Grenzen hinaus ohne
Ausdünnung der
knöchernenWände
|
2.3.6 Young-Syndrom
Erstmals beschrieben wurde das Young-Syndrom von dem Urologen David Young,
dem aufgefallen war, dass 54% der Patienten mit obstruktiver
Azoospermie Lungendefekte aufwiesen [89].
Im Jahr 1978 wurden sinunasale Beschwerden in die Symptomatik aufgenommen.
Seither ist das Krankheitsbild als Trias aus obstruktiver Azoospermie,
chronischer Rhinosinusitis und Bronchiektasien oder chronischen Bronchitiden
definiert [90]
[91].
Hinsichtlich der Inzidenz des Young-Syndroms existieren keine
verlässlichen Daten. Eine Quecksilber-Exposition scheint mit dem
Auftreten der Erkrankung assoziiert zu sein. Untermauert wird dies durch die
nach der Erstbeschreibung beschriebene hohe Inzidenz von bis zu 1 von 500
Männern auf heute nur noch wenige Fallberichte, was dem generellen
Verschwinden von Quecksilber aus Industrie und Medizin geschuldet sein
dürfte [92]. Eine positive
Familienanamnese ist laut aktuellem Stand keine Prädisposition
für das Auftreten der Erkrankung.
Das Young-Syndrom betrifft junge Männer. Primärer Grund
für das Aufsuchen ärztlicher Hilfe ist in den meisten
Fällen die Infertilität, nur selten chronisch sinunasale
oder pulmonale Beschwerden. Die chronisch sinunasalen Beschwerden
verschwinden mit dem Abschluss der Adoleszenz wohingegen die pulmonalen
Beschwerden persistieren [93]
[94]
[95].
Die mukoziliäre Clearance ist bei betroffenen Patienten deutlich
verlängert, was allerdings kein spezifisches diagnostisches
Kriterium darstellt [96]. Initial
vermutete Strukturdefizite der Dynein-Arme innerhalb der Zilien konnten
nicht als Ursache bestimmt werden. Stattdessen geht man heute von einer
veränderten Konsistenz des nasalen Schleimfilms aus, die für
die Beschwerden der Patienten verantwortlich ist [91].
Differenzialdiagnostisch muss an eine Mukoviszidose, eine primär
ziliäre Dyskinesie und das Kartagener Syndrom gedacht werden.
Wang et al. untersuchten ein Kollektiv von 33 Patienten mit obstruktiver
Azoospermie und beschrieben 4 Patienten mit einer dokumentierten Anamnese
einer chronischen Rhinosinusitis, einer auffälligen Bildgebung der
Nasennebenhöhlen, einer positiven Familienanamnese sowie einer
Medikation, die die mukoziliäre Clearance beeinträchtigen
kann. Da die Anzahl der in der Literatur dargelegten Fälle seit der
Erstbeschreibung massiv gesunken ist und aufgrund der lange inkonsistent
verwendeten Definition einer chronischen Rhinosinusitis wurde die Existenz
des Young-Syndroms 2009 von Arya et al. sogar angezweifelt [91].
2.3.7 Primäre ziliäre Dyskinesie
Die primäre ziliäre Dyskinesie ist eine Störung der
Struktur und Funktion der beweglichen Zilien der Schleimhaut der
Nasenhaupthöhle und der Nasennebenhöhlen, die zu chronischen
sinunasalen und pulmonalen Beschwerden führt. Die primäre
ziliäre Dyskinesie äußert sich typischerweise in
Atembeschwerden bei Säuglingen, frühem ganzjährigem
Husten und einer Nasenatmungsbehinderung. Aufgrund der fehlenden
Zilienfunktion kommt es zu einer Stase des Schleimhautfilms in der Nase und
den Nasennebenhöhlen, die bei betroffenen Patienten zu einer
purulenten Sekretion führt. Die korrekte Diagnosestellung ist eine
Herausforderung, da eine Vielzahl von Erkrankungen existiert, die zu
ähnlichen Symptomen führen. Das Kartagener-Syndrom ist eine
Trias aus chronischer Rhinosinusitis, Bronchiektasien und dem Vorliegen
eines Situs inversus als Folge einer ziliären Dyskinesie [97].
Ursächlich ist eine genetische Störung, die zu einer
gestörten Ultrastruktur der Zilien der Nasenschleimhaut und damit
deren Funktionslosigkeit führt. Derzeit sind 33 Gene bekannt, die
mit der Ausbildung einer primären ziliären Dyskinesie
assoziiert sind und deren Mehrheit einem autosomal rezessivem Erbgang folgt
[97]. Die Prävalenz liegt bei
1:15 000 Lebendgeburten
Bei der primären ziliären Dyskinesie führen
Mutationen in Genen, die für axonemale Strukturen kodieren, zu
funktionsgestörten Zilien. Defekte bei der primären
ziliären Dyskinesie können äußere
Dyneinarmdefekte, innere Dyneinarmdefekte, zentrale mikrotubuläre
Anomalien, radiale Speichendefekte und äußere
ultrastrukturelle Anomalien beinhalten. Auch der Spermienschwanz und die
Fimbrien der Eileiter besitzen bewegliche Zilien, weshalb
Infertilität bei betroffenen Männern und Frauen auftreten
kann. Anomalien der Anatomie sind möglich, da der Defekt der
beweglichen Flimmerhärchen während der Embryogenese zu einer
abnormalen thorakoabdominalen Ausrichtung führt. Ein Situs inversus
tritt bei 50% der Fälle von primärer
ziliärer Dyskinesie auf, da die normale Bewegung der Zilien
gestört ist und die viszerale Rotation hierdurch ein Zufallsereignis
wird [97]
[98]
[99].
Die Diagnose wird durch eine Kombination aus Symptomen und den Ergebnissen
einer Nasen- oder Bronchialbürstenbiopsie zum Nachweis einer
gestörten ziliären Ultrastruktur und Ziliarbeweglichkeit
gestellt. Die Analyse der Nasenschleimhaut mit
Hochgeschwindigkeits-Videomikroskopie zur Beurteilung der
Ziliarmotilität ist sehr sensitiv und spezifisch.
Bei Patienten über 5 Jahren sind nasale Stickstoffmonoxidmessungen
sensitiv und können die Diagnosestellung erleichtern. Der Gehalt des
durch die Mukosa produzierten Stickstoffmonoxids ist bei Patienten mit
primärer ziliärer Dyskinesie im Vergleich zu gesunden
Patienten deutlich erniedrigt. Aufgrund der teilweise ähnlichen
Symptome sind ein Schweiß-Chlorid-Test und ggf. genetische Tests
sinnvoll, um eine Mukoviszidose ausschließen zu können [97]
[100]
[101]
[102].
Es existieren keine großen, langfristig angelegten randomisierten
Studien zur Therapie der primären ziliären Dyskinesie,
weshalb viele Aspekte der Versorgung auf empirischen Empfehlungen anderer
Lungenerkrankungen mit ähnlichen Pathologien basieren. Trotz des
Versuches, einen europäischen Konsensus aus den Erfahrungen
großer spezialisierter Zentren zu erzielen, existieren große
Unterschiede in den Ansätzen, die Erkrankung zu therapieren [103]
[104].
Eine engmaschige Betreuung durch Pulmologen ist erforderlich.
Regelmäßige Spirometrien, Sputum-Kulturen und
Röntgen-Thorax Kontrollen werden empfohlen. Vor allem bei Kindern
ist die regelmäßige Hals-Nasen-Ohrenärztliche
Kontrolle aufgrund der rezidivierenden Otitiden und daraus resultierenden
Schallleitungsstörungen erforderlich.
Nasale Symptome manifestieren sich in der Regel als Rhinorrhoe und
Nasenatmungsbehinderung. Eine Polypenbildung bei betroffenen Kindern ist
selten. Prophylaktische Antibiotika helfen, die infektiöse
Komponente der Rhinosinusitis zu reduzieren. Die Indikation zur
Nasennebenhöhlenoperation sollte zurückhaltend gestellt
werden, da deren Wirksamkeit umstritten ist. Es gibt keine Evidenz
für den Nutzen intranasaler Steroide, allerdings können sie
bei der Behandlung einer zusätzlichen allergischen Rhinosinusitis
hilfreich sein. Verbesserte genetische Diagnosestellungen sind der erste
Schritt hin zu einer zukünftigen, genbasierten Therapiestrategie wie
z. B. Genersatztherapie, Aminoglykosid-induziertes
„translationales Überlesen“ (read-through) und
pharmakogenetischen Ansätzen [105].
2.4 Tumore
Tumore des Sinunasaltrakts und der vorderen Schädelbasis können
primär in dieser Region entstehen oder ihren Ursprung an einer
entfernteren Stelle der Kopf-Hals-Region, allerdings eine Manifestation
innerhalb des Sinunasaltrakts oder an der Schädelbasis aufweisen. In der
Einteilung der World Health Organization von 2017 wird auf eine weitere Gruppe
von Neoplasien verwiesen, deren Auftreten innerhalb des Sinunasaltrakts und der
vorderen Schädelbasis aus differenzialdiagnostischen Gründen von
Bedeutung ist. Die folgende Einteilung benigner und maligner Entitäten
des Sinunasaltrakts und der vorderen Schädelbasis entstand in Anlehnung
an diese Klassifikation der WHO [106].
2.4.1 Benigne Tumore
Benigne Tumore des Sinunasaltrakts werden in drei Hauptkategorien eingeteilt,
die im folgenden Teil dargestellt werden:
2.4.1.1 Weichteil-, Nerven- und Gefäßtumore
2.4.1.1.1 Schleimhautpapillome
Drei unterschiedliche Varianten von Schleimhautpapillomen werden
unterschieden. Allen gemeinsam ist die Entstehung aus der sogenannten
Schneider-Membran, die Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen auskleidet
[107]
[108]
[109]
[110]. Diese ektodermal entstandene, mit
Zilien besetzte Mukosa entwickelt sich als eine Invagination von
olfaktorischem Ektoderm in der vierten Woche der embryonalen Entwicklung
[111]. Aus pathologischer Sicht werden
3 Schneider-Papillome unterschieden:
-
Invertiertes Papillom
-
Exophytisches Papillom
-
Onkozytäres Papillom
Exophytisches Papillom:
Diese Entität ist auch als fungiformes oder septales Papillom bekannt
und stellt 6–50% aller Schneider-Papillome. Im Gegensatz zum
invertierten Papillom treten sie vorwiegend bei Männern im Alter
zwischen 20 und 50 Jahren auf. Manifestationsort ist in den meisten
Fällen das anteriore Nasenseptum, gelegentlich auch die laterale
Nasenwand. Multifokales Auftreten ist möglich, bilaterale
Manifestationen wurden sehr selten beschrieben [112]. Eine Manifestation in den Nasennebenhöhlen ist
äußerst selten. Makroskopisch imponiert das exophytische
Papillom als rosig bis graue Raumforderung mit gefältelter
Oberfläche. Die Therapie der Wahl ist die Exzision. Eine maligne
Entartung wurde nicht beschrieben.
Onkozytäres Papillom:
Diese Entität ist mit 2–26% die seltenste
Ausprägung der Schneider-Papillome. Die Geschlechterverteilung ist
annähernd gleich, eine Manifestation ist meist nach der
fünften Dekade feststellbar. Die onkozytären Papillome
entstehen ausschließlich an der lateralen Nasenwand, dem Sinus
ethmoidalis oder maxillaris [113]
[114]. Sie sind dem invertierten Papillom in
vielen Punkten sehr ähnlich, sodass einige Autoren die
onkozytären Papillome als mikroskopische Variante des invertierten
Papilloms bezeichnen [111]
[115]
[116]. Eine maligne Entartung ist – analog zum invertierten
Papillom – möglich (siehe folgendes Kapitel).
Invertiertes Papillom:
Invertierte Papillome repräsentieren mit 47–78% die
häufigste Entität der Schneider-Papillome. Sie zeigen ein
polypöses, meist gelapptes Wachstum, mikroskopisch in das Stroma der
Mukosa eingestülpte Epithelzapfen. Entstehungsort ist in 48%
der Sinus ethmoidalis, in 28% der Sinus maxillaris, in 7,5%
der Sinus sphenoidalis und in 2,5% der Sinus frontalis. Auch
Manifestationen an der Schleimhaut des Nasenseptums sind möglich.
Typischerweise ist eine unilaterale Manifestation festzustellen. Eine
bilaterale Manifestation ist äußerst selten beschrieben
[117]
[118]. Eine sekundäre metachrone Malignisierung ist in bis
zu 4% der invertierten Papillome dargestellt mit dem
Plattenepithelkarzinom als häufigste Entität, die bei
Rezidiven eines invertierten Papilloms auf bis zu 11% ansteigt [119]
[120]
[121].
Die Inzidenz des invertierten Papilloms liegt zwischen 0,5 und
1,5:100 000 Einwohnern pro Jahr mit einem Altersgipfel zwischen der
5. Und 6. Dekade. Männer sind häufiger betroffen (M:W
2–5:1) [108]
[118]
[122].
Patienten mit invertiertem Papillom berichten von Nasenatmungsbehinderung,
Epistaxis und Epiphora, sofern eine Affektion der ableitenden
Tränenwege oder des unteren Nasengangs vorliegt. Je nach
Lokalisation und invasivem Wachstumsverhalten kann es zu der Ausbildung
einer Mukozele oder einer Protrusio bulbi kommen.
Klinisch präsentiert sich meist eine ödematöse, eher
durchsichtig wirkende Polypenformation. Allerdings unterliegt das
Erscheinungsbild starken Variationen, da die polypöse Raumforderung
auch entzündlich und fleischig imponieren kann [123].
Die Computertomografie ist die bildgebende Modalität der Wahl, da
knöcherne Erosionen, die auf eine Maligne Transformation hinweisen,
dargestellt werden. Häufig ist am Entstehungsort des invertierten
Papilloms eine Hyperostose oder Sklerose der knöchernen Grenzen zu
erkennen. Auch kann eine Kalzifikation innerhalb der Raumforderung vorkommen
[124].
Die Exzision mit der unmittelbar umgebenden Schleimhaut ist Therapie der
Wahl. Ein Sicherheitsabstand von 1–1,5 cm sollte
berücksichtigt werden [62]
[125]
[126]. Zudem ist die Abtragung bzw. Ausdünnung des Knochens im
Bereich der Ansatzstelle erforderlich. Rezidive treten bei unzureichender
Resektion deutlich häufiger auf [127]. Bei defensiver Polypektomie oder lokaler Exzision wurden in
bis zu 78% der Fälle Rezidive beschrieben [128]. Innerhalb der letzten Jahre haben
sich durch die mediale Maxillektomie und ihre Variationen effizientere
Zugangswege zu allen Bereichen der Kieferhöhle etabliert [64]. Diese Technik hat den
ursprünglichen Caldwell-Luc Zugang in den meisten Fällen
ersetzt [129]
[130]. Eine Übersichtsarbeit mit Positionspapier zeigte
gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Ergebnisse für die
endoskopische Resektion von invertierten Papillomen. Bei der Lokalisation in
der Kieferhöhle ist der endonasale Zugang dem offenen Vorgehen
hinsichtlich Rezidiv-Häufigkeit überlegen [121]
[131]. Bei Verwendung eines prälacrimalen Zugangs ist die
Rezidivrate noch geringer [125].
Grundsätzlich sind die langfristigen Ergebnisse umso besser, je
gründlicher die erkrankte Schleimhaut reseziert wird [118].
2.4.1.1.2 Leiomyome
Leiomyome sind gutartige Tumore mit muskulärer Differenzierung. Bei
Angioleiomyomen besteht zudem eine vaskuläre Differenzierung.
In der Kopf-Hals-Region sind sie extrem selten und repräsentieren
insgesamt nicht einmal 1% aller insgesamt vorkommenden Leiomyome
[132]. In den meisten Fällen
sind die Patienten Erwachsene ohne Bevorzugung eines Geschlechts. Die
meisten sinunasal vorkommenden Leiomyome weisen eine vaskuläre
Differenzierung auf [106]
[132]
[133].
Das Tumorwachstum ist lange unbemerkt und sorgt zumeist für
unspezifische Symptome wie Druckgefühl und langsam progredienter
Nasenatmungsbehinderung. Epistaxis und Schmerzen können
hinzukommen.
Makroskopisch präsentieren sich nasale Leiomyome polypoid bis
nodulär und gut abgrenzbar mit einer
weißlich/bräunlichen Schnittfläche. Die
Raumforderung liegt meist unter intakter Schleimhaut. Ulcerationen treten
selten auf. Spindelförmige Tumorzellen sind in sich
überlappenden Faszikeln angeordnet mit ovalen, länglichen,
zigarrenförmig anmutenden Zellkernen ohne Atypien. Eosinophiles,
fibrilläres Zytoplasma ist vorhanden. Im Gegensatz zum Leiomyosarkom
existieren keine mitotischen Veränderungen. Das Angioleiomyom
besitzt zusätzlich prominente Gefäße, die von
Muskelzellen umgeben und eng mit ihnen verbunden sind [106].
Trotz des seltenen Vorkommens existiert die Möglichkeit einer
malignen Transformation hin zu einem Leiomyosarkom. Insofern sollte eine
Verzögerung der Therapie vermieden werden. Therapie der Wahl ist die
Tumorresektion. Die Prognose ist bei vollständiger Exzision
äußerst gut. Rezidive sind in diesem Fall extrem selten
[134]
[135]
[136].
2.4.1.1.3 Hämangiome
Das lobuläre kapilläre Hämangiom wurde durch die
Franzosen Poncet und Dor 1897 erstmals beschrieben und als Botryomycosis
hominis bezeichnet [137].
Ursprünglich wurde vermutet, die Erkrankung sei von Pferden auf
Menschen übertragen, was allerdings durch Hartzell einige Jahre
später widerlegt wurde [138].
Heutige Synonyme sind Granuloma pyogenicum, kapilläres
Hämangiom und Epulis gravidarum.
Mukosale Hämangiome repräsentieren ca. 10% aller
Kopf-/Hals-Hämangiome und ca. 25% aller
nichtepithelialen Neoplasien des Sinunasaltrakts [106]
[139]
[140].
Ihren Ursprung nehmen die Hämangiome in Kapillaren, wenn deren Dichte
zu groß wird und diese trotzdem ihre ursprüngliche
Architektur mit Stamm und Verästelungen sowie umgebenden Perizyten
behalten. Aufgrund der Assoziation mit Traumata bzw. Manipulationen und
hormonellen Umstellungen im Rahmen von Schwangerschaften wird eine reaktive
Entstehung der lobulären kapillären Hämangiome
diskutiert [141]. Ein gehäuftes
Auftreten wird zudem bei Anwendung des Proteinkinase-Inhibitors Vemurafenib
berichtet [142].
Das lobuläre kapilläre Hämangiom (Granuloma
pyogenicum) tritt in allen Altersstufen auf, zeigt allerdings eine
Häufung bei Kindern und adoleszenten Männern sowie Frauen im
gebärfähigen Alter. Jenseits der 4. Dekade ist die
Geschlechterverteilung gleich.
Die Läsionen können eine Größe von bis zu
5 cm erreichen. Die Oberfläche ist rotbläulich unter
intakter Mukosa gelegen. Der Tumor tastet sich weich, ist kompressibel und
mutet gelegentlich polypös an.
Histologisch zeigen lobuläre kapilläre Hämangiome ein
stamm- und astartig verzweigtes Muster aus kapillärer Proliferation,
das von Perizyten umgeben ist. Die einzelnen Lobuli sind durch ein
fibromyxoides Stroma voneinander getrennt. Inflammatorische Infiltrate
treten vor allem bei ulzerierten Oberflächen auf [141].
Primäres klinisches Symptom ist die unilaterale Epistaxis gefolgt von
einer schmerzlosen, obstruktiven Raumforderung. Häufigste
Manifestationsorte sind vorderes Nasenseptum und der Kopf der unteren
Nasenmuschel. Ein Auftreten in den Nasennebenhöhlen ist ebenfalls
möglich ebenso wie der Befall der äußeren Nase.
Therapie der Wahl ist die Tumorexzision. Ausgedehntere Befunde können
einer präoperativen Embolisation zugeführt werden, um das
Blutungsrisiko zu verringern. Bei schwangeren Patientinnen ist eine
Regression nach Geburt zu erwarten. Multiple Rezidive sind bei
unvollständiger Resektion vor allem bei Kindern zu erwarten [143].
2.4.1.1.4 Schwannome
Schwannome sind gutartige Tumore, die von Schwann-Zellen ausgehen. Synonym
werden die Begriffe Neurilemmom und benigner peripherer Nervenscheidentumor
verwendet.
25–45% aller Schwannome entstehen in der Kopf-Hals-Region. Am
häufigsten in genanntem Bereich finden sich Manifestationen entlang
des N. vestibulocochlearis. Nur etwa 4% aller Schwannome
manifestieren sich im Sinunasaltrakt. Laut Orpha.net liegt die Inzidenz von
benignen Schwannomen bei 6:100 000, die sinunasale
Ausprägung ist damit als noch wesentlich geringer anzunehmen. Die
Altersspanne der sinunasalen Manifestationen ist mit 17–81 Jahren
weit gefasst und zeigt einen Altersgipfel bei 50 Jahren auf ohne Bevorzugung
eines Geschlechts [106]
[144].
Ursprünge sind entlang der Äste der Hirnnerven V und IX sowie
des autonomen Nervensystems zu finden. Die entstehenden Tumore
können die Nasenhaupthöhle und alle Nasennebenhöhlen
betreffen [144]
[145].
Primäre Symptome sind Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis, Hyposmie
und gelegentlich Schmerzempfindungen sowie die Ausprägung eines
Horner Syndroms. Bildgebende Verfahren zeigen eine inhomogene Tumormasse
niedriger Dichte mit gelegentlicher Knochenarrosion.
Differentialdiagnostische Überlegungen schließen daher
Ästhesioneuroblastome, adenoidzystische Karzinome und
Plattenepithel-Karzinome mit ein. ([Abb.
9]) zeigt eine computertomografische Darstellung eines
großen Schwannoms des Nervus maxillaris, welches den Ursprung im
Foramen rotundum hat. Magnetresonanztomografisch zeigt sich ein in der
T1-Wichtung hyperintenses, inhomogenes Binnensignal der Raumforderung.
Abb. 9
a & b Koronare und sagittale
CT-Rekonstruktionen eines Patienten mit Schwannom des Nervus
maxillaris. In Bild b ist der Ursprung am Foramen rotundum rechts zu
erkennen. Bild c T1-gewichtete koronare MRT des Schwannoms
rechts.
Schwannome haben eine kugelförmige, gut abgrenzbare Konfiguration.
Der Tumor tastet sich fest und zeigt eine gelblich-bräunliche, teils
zystischen Oberfläche [106].
Histologisch sind Schwannome unbekapselte Tumore, die sich aus zellreichen,
sogenannten Antoni A Arealen mit nukleären Palisaden sowie
zellarmen, myxoiden Antoni B Arealen zusammensetzen. Die Tumorzellen zeigen
ein fusiformes Bild mit zystoplasmatischen Ausziehungen, das einen wellige
bis spindelige Erscheinung verleiht. Mitosen sind äußerst
spärlich, Nekroseareale existieren nicht [106].
In Ausnahmefällen ist eine Entartung eines Schwannoms
möglich. Nach vollständiger Tumorresektion sind Rezidive
sehr selten. Aufgrund des sehr langsamen Tumorwachstums ist eine subtotale
Tumorresektion in Fällen von starker Adhärenz zu kritischen
neurovaskulären Strukturen möglich [144]. Innerhalb des Tumors verlaufende
Fasern des betroffenen Nerven sind in der Regel funktionslos, weshalb eine
Resektion zu keinen neurologischen Ausfällen führt [146]. In Fällen von zervikalen
Schwannomen wird die intrakapsuläre Dissektion empfohlen, um die
Nervenfaszikel, welche den Tumor umgeben, nicht zu zerstören [147]. Aufgrund der beengten
Platzverhältnisse und der engen Zugangswege ist dies bei Schwannomen
der Nasennebenhöhlen allerdings nur sehr eingeschränkt
möglich.
2.4.1.1.5 Neurofibrome
Neurofibrome sind gutartige periphere Nervenscheidentumore aus
Schwann-Zellen, perineuralartigen Zellen und intraneuralen Fibroblasten.
Synonym wird der Begriff Fibroneurom verwendet.
Sinunasale Manifestationen von Neurofibromen sind äußerst
selten und können in allen Altersklassen auftreten. Der Altersgipfel
betroffener Patienten liegt bei 50 Jahren. Für Patienten mit einer
Neurofibromatose Typ I liegt er bei 35 Jahren [148]. Die Prävalenz der Neurofibromatose liegt bei
21:100 000. Letztere sind für ca. 10% der
sinunasalen Neurofibrome verantwortlich.
Häufigste Lokalisationen sind Naseneingang und Sinus maxillaris bei
überwiegend unilateraler Manifestation. Beschwerden betroffener
Patienten sind Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und Schmerzen über
den betroffenen Arealen [148]
[149].
Neurofibrome zeigen eine glänzende, fusiforme und manchmal polypoide
Oberfläche und sind fest palpabel [148]
[149].
Auch Neurofibrome sind unbekapselte Tumore, die eng mit Nervenästen
assoziiert sind. Modifizierte Schwannzellen, intraneurale Fibroblasten und
perineurale Hybridzellen mit gröberen Kollagensträngen sowie
Mastzellen in einem mukopolysaccharid-reichen Stroma bestimmen das
histopathologische Bild. Ovaläre bis spindelförmige Zellen
mit undulierenden, spitz zulaufenden Zellkernen mit dünnen
zytoplasmatischen Prozessen, die sich in das Stroma ausdehnen, sind
vorhanden.
Die Prognose ist bei vollständiger Tumorresektion sehr gut. Rezidive
treten in 5% v. a. bei inkompletten Resektionen auf. Eine
Malignisierung ist äußerst selten [150].
2.4.1.1.6 Meningeome
Meningeome sind gutartige Tumore meningothelialen Ursprungs. Sinunasale
Meningeome gehen von extrakraniellen, versprengten arachnoiden Zellen
innerhalb von Nervenscheiden oder Gefäßen aus.
Sinunasale Meningeome sind äußerst selten und für
weniger als 0,1% aller primären sinunasalen Neoplasien,
2% aller Meningeome und 24% aller extrakraniellen Meningeome
verantwortlich. Differenziert werden müssen sie von intrakranialen
Befunden mit extrakranieller Ausbreitung in den Sinunasal-Trakt.
Patienten jeden Alters sind betroffen und es existiert – entgegen den
intrakraniellen Meningeomen – keine Prädilektion für
das weibliche Geschlecht. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 48
Jahre bei einer Altersspanne von 13–88 Jahren.
Manifestationen finden sich häufig in der Nasenhaupthöhle als
auch den Nasennebenhöhlen. Eine Manifestation in nur einem der
beiden Orte ist noch seltener. Interessanterweise sind die meisten
derartigen Tumore linksseitig lokalisiert [151]
[152]
[153].
Die Patienten fallen häufig mit einer endonasalen, polypös
anmutenden Raumforderung, mit Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis,
sinunasalen Beschwerden, Schmerzen, Cephalgien, Exophthalmus, periorbitalen
Ödemen oder Visusstörungen auf [106].
Knocheninfiltrationen und Schleimhautulzerationen sind möglich. Die
Schnittfläche des Tumors zeigt eine grau-weißliche,
bräunliche oder rötliche Farbe. Kalzifikationen und
Knochenfragmente können häufig identifiziert werden.
Mikroskopisch können extrakranielle Meningeome
äußerst unterschiedliche Erscheinungsbilder aufweisen.
Häufig zeigen sie meningotheliomatöses Wachstum mit
undeutlichen Zellgrenzen. Intranukleäre Pseudoeinschlüsse
und Psammomkörper sind häufig.
Von den 15 beschriebenen histologischen Typen von Meningeomen kommen im
sinunasal-Trakt meningotheliale, transitionale, metaplastische und
psammomatöse Tumore vor. Die meisten Tumore können dem WHO
Grad I zugeteilt werden. Sinunasale Manifestationen von Meningeomen Grad II
(atypische Meningeome mit schnellem Wachstum) oder Grad III (anaplastische
Meningeome, infiltratives Wachstum) sind extrem selten [154]
[155].
Differenzialdiagnosen schließen Karzinome, Melanome, aggressive
psammomatöse ossifizierende Fibrome ein.
Die vollständige chirurgische Exzision ist Therapie der Wahl, auch
wenn Rezidivraten von bis zu 30% berichtet werden. Bei Meningeomen,
die nicht vollständig resektabel sind, kann eine Radiotherapie zur
Wachstumshemmung führen [156]
[157]. Die insgesamte Prognose sinunasaler
Meningeome ist gut. Metastasierungen und maligne Transformationen werden
nicht beschrieben [106].
2.4.1.2 Ossäre Tumore
2.4.1.2.1 Osteome und Gardner Syndrom
Osteome sind gutartige, langsam wachsende Tumore des Schädelknochens,
die sich häufig in den Nasennebenhöhlen und der
Schädelbasis manifestieren. Am häufigsten finden sich die
Knochenwucherungen im Sinus frontalis (70–80%), dem Sinus
ethmoidalis (20–25%), dem Sinus maxillaris (5%) und
extrem selten dem Sinus sphenoidalis. Die Inzidenz von Osteomen in den
Nasennebenhöhlen liegt bei ca. 3% [118]
[158]
[159]. Damit sind Osteome
per definitionem keine seltene Erkrankung der Nasennebenhöhlen. Sie
können allerdings ein Symptom im Rahmen des Gardner Syndroms sein,
weshalb sie in der vorliegenden Arbeit trotzdem thematisiert werden.
Die Ätiologie der Tumore ist nicht gänzlich geklärt.
Aktuellen Theorien vermuten embryologische Fehlbildungen, traumatische oder
entzündliche Trigger, genetische Prädisposition und
Störungen des Calcium-Stoffwechsels als Ursache [118]
[158]
[160].
Nur ca. 10% aller Osteome der Nasennebenhöhlen werden
symptomatisch. Beschwerden von betroffenen Patienten sind häufig
assoziiert mit Obstruktionen der Drainagewege der Nebenhöhlen, also
rezidivierenden akuten Sinusitiden und auch chronisch sinunasalen
Beschwerden. Druckgefühl, Gesichtsschmerzen und Rhinorrhoe sind
klassische Symptome. Bei Beteiligung benachbarter Strukturen der
Nasennebenhöhlen kann es zu Kompressionen der Orbita oder des Nervus
opticus sowie bei intrakranieller Beteiligung zu einem Pneumatocephalon
kommen [158]
[161].
Die Computertomografie zeigt hyperdense, homogene, gut abgrenzbare Areale.
Die Magnetresonanztomografie kann helfen, ossifizierende Fibrome oder eine
fibröse Dysplasie differentialdiagnostisch auszuschließen
[118].
Asymptomatische Osteome sollten entsprechend aktuellem Konsens mittels
„wait and scan“ behandelt werden [162]
[163]
[164].
Regelmäßige computertomografische Kontrollen alle 2 Jahre
geben Aufschluss über Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors [165]. Bei symptomatischen Osteomen ist die
möglichst vollständige Resektion Methode der Wahl. Je nach
Lokalisation kommen endonasale oder offene chirurgische Verfahren zum
Einsatz.
Gardner-Syndrom: Das Gardner-Syndrom zählt mit einer Inzidenz
von 1:8 000 zu den seltenen Erkrankungen [166]. Die Prävalenz in den USA
liegt derzeit bei ca. 1:1 000 000 Einwohnern. Patienten, die
vom Gardner Syndrom betroffen sind, zeigen häufig (multiple)
Osteome, Weichteiltumore und eine intestinale Polyposis (v. a. im
Colon) auf. Das Gardner Syndrom wird autosomal dominant vererbt.
Ein genetischer Zusammenhang mit der Entwicklung des Gardner-Syndroms wurde
in einer Mutation des Gens für adenomatöse Polyposis coli
(APC) gezeigt, das auf Chromosom 5 liegt. Dieses Tumorsuppressorgen ist
für die Produktion des APC-Proteins verantwortlich, welches das
Zellwachstum im Zellzyklus reguliert [167]
[168]
[169].
Regelmäßige Coloskopien sind bei betroffenen Patienten
obligat. Bei Nachweis der APC-Genmutation gilt die Entwicklung eines
Colonkarzinoms ab einem Alter von 40 Jahren als sicher, weshalb bei
Vorliegen von 20 oder mehr Colon-Polypen eine Colektomie empfohlen wird
[166]. Insofern sollte bei Vorliegen
multipler Osteome differenzialdiagnostisch immer an das Vorliegen des
Gardner Syndroms gedacht werden.
2.4.1.2.2 Fibröse Dysplasie
Bei der Fibrösen Dysplasie besteht eine mesenchymale
Knochenentwicklungsstörung, die durch postzygotisch somatisch
aktivierende Mutationen verursacht wird. Es kommt zu einer Aktivierung der
Adenylylzyklase und Erhöhung von zyklischem AMP, das auf die
nachgeschalteten Signalwege wirkt und den Ersatz von normalem Knochen durch
fibröses Gewebe und abnormal strukturierten Knochen bewirkt [170]. Die Inzidenz wird mit
1:4 000–10 000 angegeben [171]
[172].
Je nach Lokalisation der Knochenherde berichten die Patienten von Cephalgien
und Druckgefühl. Bei Lokalisation an der Tabula externa des
Schädelknochens kommt es zu sichtbaren Deformitäten und
entsprechend kosmetischer Beeinträchtigung. Manifestationen an den
Ostien oder Schlüsselstellen der Nebenhöhlen-Drainagewege
können zu sinunasalen Beschwerden führen, die die
zugrundeliegende Erkrankung lange maskieren.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung existieren nur wenig Daten zur
Therapie der fibrösen Dysplasie. Eine kausale Therapie existiert
bislang nicht. Es wurde über Schmerzreduktion durch Gabe von
Bisphosphonaten berichtet [173]
[174]
[175]. Eine Supprimierung der Osteoblastenaktivität konnte
allerdings nicht nachgewiesen werden [176]. Bei asymptomatischem Verlauf wird die primär
observierende Therapie favorisiert. Funktionseinschränkungen und
Beschwerden wie Cephalgien rechtfertigen ein operatives Vorgehen in
Abhängigkeit der Lokalisation der Manifestation. Eine
prophylaktische operative Therapie wird nicht empfohlen, stattdessen sollten
entsprechend der verfügbaren Daten regelmäßige
bildmorphologische Verlaufskontrollen erfolgen [177]
[178].
2.4.1.2.3 McCune-Albright-Syndrom
Das McCune Albright Syndrom wurde zuerst 1936 als eine Trias von
fibröser Dysplasie, Café-au-Lait-Flecken der Haut und
Pubertas praecox beschrieben [179]. Der
heute bekannte, deutlich variablere Phänotyp macht das McCune
Albright Syndrom zu einer interdisziplinäreren Herausforderung.
Ursächlich für die Ausbildung des Syndroms ist eine Mutation
des GNAS1-Gens (Guanine nucleotide binding protein alpha stimulating
activity polypeptide 1), welches auf Chromosom 20 lokalisiert ist.
Die Seltenheit dieser Erkrankung führt zu einer nur unzureichenden
Charakterisierung der sinunasalen Beteiligung von Patienten mit
McCune-Albright-Syndrom. Derzeit bekannte Symptome stammen vorwiegend aus
Fallberichten, die Komplikationen der Erkrankung schildern. Die
Prävalenz der Erkrankung wird auf 0,55:100.000 geschätzt
[2].
Patienten mit McCune-Albright-Syndrom schildern primär
Schwäche in den Extremitäten oder Schmerzempfindungen. Die
am häufigsten betroffene Lokalisation ist der proximale Femur.
Frakturen der betroffenen Knochenareale finden häufig in der
Kindheit statt mit sinkender Inzidenz in Richtung Adoleszenz [180]. Charakteristisch sind die
Deformierungen des Knochens unter Belastung, die zu den für die
Erkrankungen typischen kraniofazialen Stigmata führen. Kraniofaziale
Ausbildungen der fibrösen Dysplasie weisen ein langsames Wachstum
mit schmerzloser Schwellung auf, die zu einer bisweilen deutlichen
Asymmetrie des Mittelgesichts führt ([Abb. 10] und [11]). Milde
Verläufe werde häufig zufällig im Rahmen von
Röntgenaufnahmen der Zähne und im Rahmen von bei Polytraumen
durchgeführten Computertomografien diagnostiziert [170]. Schwerere Verläufe
führen häufiger zu Schmerzempfindungen,
Parästhesien, Okklusionsstörungen,
Hörbeeinträchtigungen und Visusstörungen [170]
[178]
[181]
[182]. Betroffene Patienten zeigen in bis zu
50% Beeinträchtigungen der Schilddrüsenfunktion,
meist eine Hyperthyreose. GNAS führt in ca. 15% der
Patienten zu einer Steigerung von Prolaktin und GH in der Hypophyse.
Letzteres führt zu den charakteristischen kraniofazialen
Veränderungen, die bei den meisten Patienten ersichtlich sind [183].
Abb. 10 Typische kraniofaziale Veränderungen eines
Patienten mit McCune-Albright-Syndrom.
Abb. 11 Koronare und axiale CT-Schichtung eines Patienten mit
McCune-Albright-Syndrom.
DeKlotz et al. konnten in einem Kollektiv von 130 Patienten mit
McCune-Albright Syndrom bei 112 Patienten kraniofaziale
Veränderungen nachweisen [182].
33% berichteten von Cephalgien oder Gesichtsschmerzen, Nasenatmung
war in 29% der Fälle und chronisch sinunasale Beschwerden
sowie Hyposmie in jeweils 7% festzustellen. Ein Progress der
sinunasalen Beteiligung der Fibrösen Dysplasie nach Abschluss der
Adoleszenz ist selten. Schwerwiegende Komplikationen im Rahmen des normalen
Fortschreitens der Erkrankung sind ebenfalls selten anzutreffen ([Abb. 12]).
Wie bei der Fibrösen Dysplasie existiert keine kausale Therapie.
Bisphosphonate zeigten keinen relevanten Therapieerfolg [184]
[185]
[186].
Gemäß allgemeinem Konsens wird das konservative Vorgehen
häufiger favorisiert, wohingegen chirurgische Maßnahmen bei
signifikanten Symptomen oder bei Kompression vitaler Strukturen zum Einsatz
kommen [187]
[188]
[189]
[190].
Abb. 12 Hämangioendotheliom der linken Nasenhauphöhle
mit Lokalisation am Nasenseptum (links im Bild zu sehen) als sanguinolente
Raumforderung.
2.4.1.3 Andere Weichteiltumore
In der folgenden Sektion werden seltene benigne Entitäten des
Sinunasaltrakts vorgestellt, die epithelialen, odontogenen, neuroglialen
Ursprungs sind.
2.4.1.3.1 Respiratorisches epitheliales adenomatoides Hamartom (REAH)
Das respiratorische epitheliale adenomatoide Hamartom wurde erstmals 1995
beschrieben [191]. Im Rahmen dieser
Erkrankung kommt es zu einer tumorartigen Proliferation von Drüsen
im Stroma, welches von mehrreihigem Flimmerepithel bedeckt ist.
Manifestationen finden sich in den Nasennebenhöhlen, der
Nasenhaupthöhle und dem Nasenrachen. Uni- oder bilaterale
Manifestationen sowie Assoziation mit chronisch polypöser
Rhinosinusitis sind möglich. Die Zahl der weltweit beschriebenen
Fälle schwankt zwischen 60 [191]
[192]
[193]
[194]
[195]
[196], bis ca. 200 [197]
[198]. Das Syndrom zählt aufgrund der niedrigen Inzidenz zu
den seltenen Erkrankungen.
Vor allem Männer zwischen 30 und 90 Jahren sind von der Neubildung
betroffen [191]
[195]. Die Symptome entsprechen
üblicherweise denen einer chronischen Rhinosinusitis, also
Druckgefühl und Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und Rhinorrhoe,
Gesichtsschmerzen und Hyposmie [191]
[192]
[193]
[199]
[200].
Am häufigsten manifestiert sich das epitheliale adenomatoide Hamartom
in der Nasenhaupthöhle, vor allem am posterioren Nasenseptum. Nicht
selten kommt es zu einem Befall beider Seiten [191]
[192]
[193]
[194]
[195]
[196]
[199]. Häufig wird es im Rahmen einer Polyposis nasi
diagnostiziert. Bei Manifestation an der Fossa olfactoria kann es zu einer
deutlichen Erweiterung derselben kommen, was differenzialdiagnostisch
hinsichtlich einer Polyposis nasi relevant ist [201]
[202]. Eine Erweiterung der
Fossa olfactoria bei einem lokalen Befall, fehlende
Kontrastmittelanreicherung in der Computertomografie und ansonsten
bildmorphologisch unauffällige Nasennebenhöhlen sollten
daher unbedingt an ein epitheliales adenomatoides Hamartom denken
lassen.
Aufgrund des primären Eindrucks wird die Diagnose häufig im
Rahmen einer Biopsie gesichert. Therapeutisch ist die vollständige
Exzision anzustreben. Rezidive sind in den verfügbaren Studien
innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren nicht beobachtet worden [191]
[193]
[199]
[203]
[204].
2.4.1.3.2 Sinunasales Ameloblastom
Ameloblastome sind gutartige, aber aggressive odontogene Tumore, die in den
meisten Fällen den Unterkiefer betreffen. Nur etwa 15%
treten am Oberkiefer auf. Als eine Untergruppe sind die sinunasalen
Ameloblastome zu betrachten, die vermutlich von der epithelialen Auskleidung
der Nasennebenhöhlen abstammen. Manifestationsorte sind die
Nasennebenhöhlen, in einigen Fällen auch mit Beteiligung der
Nasenhaupthöhle.
Es zeigt sich eine meist schmerzlose Raumforderung, die im weiteren Verlauf
zu Nasenatmungsbehinderung und Druckgefühl führen kann. Im
Unterschied zu Ameloblastomen des Kiefers zeigt die Sinunasale Variante
radiografisch ein solides Bild mit teilweisen Verschattungen [205].
Histologisch gesehen sind sinonasale Ameloblastome identisch mit
Manifestationen der Mundhöhle, mit klassischen Merkmalen
palisadierter säulenförmiger Basalzellen, die eine zentrale
Proliferation umgeben, die dem sternförmigen Retikulum eines sich
entwickelnden Zahnes ähnelt. In den Nasennebenhöhlen kann
eine ameloblastomartige Proliferation unter intakter Mukosa dargestellt
werden. Dieser Befund ist – bei gleichzeitig nicht vorhandener
Verbindung zum Kiefer – eine Bestätigung für einen
primär sinunasalen Ursprung des Tumors. Im Gegensatz zu den
gnathischen Variante ist die Prävalenz des sinonasalen Ameloblastoms
bei Männern höher. Die Inzidenz wird insgesamt auf ca.
0,5:100 000 000 geschätzt [206]
[207]. Der Altersgipfel liegt bei ca. 60 Jahren [208] und damit etwa 15–20 Jahr
höher als bei der am Kiefer lokalisierten Variante [106].
Der Behandlungserfolg und damit die Rezidivfreiheit ist abhängig von
der vollständigen chirurgischen Exzision des Befundes. Detaillierte
bildgebende Darstellungen sind essentiell, um Residuen zu vermeiden.
Rezidive treten in den meisten Fällen innerhalb von 1–2
Jahren auf, können allerdings auch nach deutlich längeren
Zeiträumen entstehen [205].
Beschreibungen von Mortalität durch sinunasale Ameloblastome,
Metastasierungen oder maligne Transformationen existieren in der aktuellen
Literatur nicht.
2.4.1.3.3 Chondromesenchymales Hamartom
Das chondromesenchymale Hamartom ist eine gutartige, langsam wachsende
Raumforderung mit lokal destruktivem, tumorähnlichem Wachstum und
unterschiedlichen mesenchymalen Anteilen. Synonym werden die Begriffe
nasales chondromesenchymales Hamartom und Mesenchymom verwendet.
Der Tumor ist sehr selten und tritt meist bei Kindern auf, nur selten auch
bei älteren Kindern und Erwachsenen mit einer leichten Bevorzugung
des männlichen Geschlechts. Es existieren in der derzeitigen
Literatur ca. 60 publizierte Fälle [209].
Nasennebenhöhlen, Nasenhaupthöhle und Orbita können
betroffen sein. Ausdehnungen entlang der Schädelbasis und nach
intrakraniell sind möglich [209]
[210].
Symptome betroffener Patienten sind Nasenatmungsbehinderung und
Druckgefühl über der betroffenen Region. In der Bildgebung
kann aufgrund des destruktiven Wachstums mit Knochenarrosionen der Eindruck
eines malignen Geschehens entstehen.
Makroskopisch erinnert das feste und weißliche Gewebe an Knorpel.
Mikroskopisch zeigt sich ein lobuläres Proliferationsmuster aus
reifem und unreifem hyalinem Knorpel mit unterschiedlichem
zellulärem und fibrösem Hintergrund. Die Knorpel- und
Stroma-Anteile können mit knöchernen trabekulären
Strukturen durchsetzt sein, oder knöcherne Inseln umgeben [106]
[211].
Nach vollständiger Tumorresektion ist die Rezidivrate sehr gering und
die Prognose entsprechend gut.
2.4.1.3.4 Nasales Gliom
Nasale Gliome (Synonym: heterotopes, ZNS-Gewebe) sind Ansammlungen von
heterotopem neuroglialen Gewebe. Manifestationen können in der Nase
und an der äußeren Nase auftreten. In 60% zeigt sich
die Raumforderung am Nasenrücken, in 30% innerhalb der
Nasenhaupthöhle. Noch seltener, in ca. 10% der
Fälle, werden Raumforderungen an beiden genannten Stellen
diagnostiziert, die durch einen Defekt im Knochen miteinander in Verbindung
stehen [212].
Bei den meisten Patienten besteht die Raumforderung bereits bei der Geburt.
Ca. 90% der Fälle werden im Alter von ca. 2 Jahren
diagnostiziert bei einer gleichmäßigen Verteilung
über beide Geschlechter.
Klinisch zeigt sich eine gut abgrenzbare, glatte Raumforderung, die
submukös lokalisiert und nicht kompressibel ist.
Bei innerhalb der Nasenhaupthöhle gelegenen Befunden kann es zu
Nasenatmungsbehinderung kommen, die – neben der ästhetischen
Beeinträchtigung eines am Nasenrücken gelegenen Befundes
– Hauptsymptom des nasalen Glioms ist.
Weitaus seltenere Manifestationen finden sich in den
Nasennebenhöhlen, Pharynx, Nasopharynx, Zunge, Gaumen, Tonsillen und
innerhalb der Orbita [213].
Im Gegensatz zu paranasalen Zelen nehmen Gliome bei venöser Stauung
nicht an Größe zu bzw. pulsieren nicht. Dies kann mit dem
Fürstenberg-Test, bei dem eine Kompression der V. jugularis
durchgeführt wird, differenziert werden. Zusätzlich zeigt
sich in der Computer- oder Magnetresonanztomografie eine Weichgewebsmasse
ohne intrakraniellen Anteil oder einen knöchernen Defekt am
Übergang zur vorderen Schädelgrube.
Makroskopisch zeigt sich die Raumforderung als polypoide, weiche,
graubräunliche Masse mit einer Größe von
1–3 cm. Mikroskopisch ist der Tumor unbekapselt und aus
unterschiedlich großen Inseln von Gliagewebe zusammengesetzt.
Dazwischen finden sich Astrozyten und bandartige Stränge
vaskularisierten Bindegewebes. Das Gliagewebe geht fließend in das
Stroma der Dermis über. Mitosen zeigen sich nicht.
Differenzialdiagnostisch müssen nasale Enzephalozelen ausgeschlossen
werden, in denen sich im Vergleich zu nasalen Gliomen allerdings ZNS-Gewebe
mit leicht aufzufindenden Neuronen befindet. Trotzdem kann es bei Rezidiven
zu fibrösen Veränderungen des Tumors kommen, die eine genaue
Differenzierung von einem nasalen Gliom stark erschweren.
Die vollständige Exzision des nasalen Glioms ist Therapie der Wahl.
Bei inkompletten Resektionen kann es in bis zu 30% zu Rezidiven
kommen. Lokal aggressives Verhalten oder eine Tendenz zur Entartung bestehen
nicht [212].
2.4.1.3.5 Cholesteatom
Cholesteatome sind chronisch-eitrige Entzündungen durch versprengtes
verhornendes Plattenepithel, welches zu Knochendestruktionen führt.
Typischerweise findet sich diese Pathologie im Mittelohr, allerdings finden
sich in der aktuellen Literatur auch knapp 30 Fallberichte mit
Ausprägung innerhalb der Nasennebenhöhlen [214]
[215]. Häufigster Manifestationsort ist die
Stirnhöhle, gefolgt von Kieferhöhle und Siebbeinzellen. Ein
aktueller Bericht präsentiert eine Manifestation in der
Keilbeinhöhle [216]. In [Abb. 13] ist ein großes
Cholesteatom der Keilbeinhöhle in einer
magnetresonanztomographischen Darstellung zu erkennen. [Abb. 14] zeigt den intraoperativen,
endoskopischen Befund.
Abb. 13 T2 gewichtete MRT eines Cholesteatoms der Keilbeinhöhle (links axiale, rechts sagittale
Schichtung) (mit freundlicher Genehmigung von
Prof. Dr. S. Kösling, Radiologie, Universitätsklinikum Halle).
Abb. 14 Endoskopisches Bild des intraoperativen Befundes des
Cholesteatoms der Keilbeinhöhle (mit freundlicher Genehmigung von
A. Gey, Prof. Dr. S. Plontke, Dr. A. Glien, HNO Universitätsklinikum Halle)
Ursächlich können entweder kongenitale Zellversprengungen im
Rahmen der Embryogenese oder sekundäre Versprengungen z. B.
durch chirurgische Interventionen sein. Auch Metaplasien im Rahmen
chronischer Entzündungen werden als Ursache diskutiert [215].
Die Beschwerden sind abhängig von der Lokalisation und können
Cephalgien, Visusstörungen, Druckgefühl, Rhinorrhoe und
Hiernnervenausfällen umfassen.
Therapie der Wahl ist die operative und möglichst
vollständige Resektion, die aber je nach Lage nicht immer
möglich ist. Ziel der Operation sollte zudem eine möglichst
weite Drainagemöglichkeit der betroffenen Kavität sein, um
postoperative Kontrollen und ggf. Reinigungen bei nicht
vollständiger Resektion des Cholesteatoms zu
ermöglichen.
2.4.2 Maligne Tumore
Malignome der Nasenhaupthöhle und der Nasennebenhöhlen
repräsentieren 0,2–0,8% aller malignen Neoplasien
des menschlichen Körpers [10]. Die
Inzidenz von Malignomen in der Nasenhaupthöhle und den
Nasennebenhöhlen wird mit unter 1,5:100 000 bei
Männern und unter 1:100 000 bei Frauen angegeben. Folglich
sind alle malignen Entitäten dieser anatomischen Region zu den
seltenen Erkrankungen zu zählen.
2.4.2.1 Maligne epitheliale Tumore
2.4.2.1.1 Plattenepithelkarzinom
2.4.2.1.1.1 Verhornendes Plattenepithelkarzinom
Sinunasale Plattenepithelkarzinome sind maligne Neoplasien, die von der
Oberfläche des Epithels der Nasenhaupthöhle und der
Nasennebenhöhlen ausgehen und eine Plattenepithel-Differenzierung
aufweisen.
Der Befall des Sinunasaltrakts durch Plattenepithelkarzinome ist selten. Er
stellt die am wenigsten von dieser Entität betroffene Lokalisation
der Kopf-Hals-Region dar [217]. Das
Erkrankungsalter liegt zwischen dem 6. und 7. Lebensjahrzehnt mit deutlich
mehr männlichen Patienten (m:w=2:1) [106]
[217]
[217]
[219].
Tabakkonsum erhöht das Risiko des Auftretens eines
Plattenepithelkarzinoms im Sinunasaltrakt, allerdings deutlich weniger als
in anderen Lokalisationen der Kopf-Hals-Region [220]
[220]
[222]. High-risk HPV Infektionen sind
meistens mit dem Auftreten des nichtverhornenden Plattenepithelkarzinoms
assoziiert. In seltenen Fällen können sinunasale Papillome
nach maligner Transformation in ein verhornendes oder in ein nicht
verhornendes Plattenepithel übergehen [223].
Häufigster Manifestationsort ist der Sinus maxillaris, gefolgt von
der Nasenhaupthöhle und dem Sinus ethmoidalis. Ein Befall des Sinus
sphenoidalis oder frontalis ist äußerst selten [106].
Betroffene Patienten weisen initial unspezifische Beschwerden wie
Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und Rhinorrhoe bzw. sinunasale
Beschwerden auf. Schmerzen über der betroffenen Region, Protrusio
bulbi oder Diplopie und Paralysen sind Symptome bei ausgedehnterem Befall.
Bei älteren Patienten kann sich die Manifestation durch eine nicht
mehr passende Oberkiefer-Zahnprothese bemerkbar machen, wenn der Hartgaumen
infiltriert ist.
Makroskopisch wächst der Tumor exo- oder endophytisch mit variablen
Ulzerationen, Nekrosearealen und hämorrhagischen Anteilen.
Mikroskopisch zeigt der Tumor identische Merkmale zu Manifestationen in
anderen Kopf-Hals-Regionen. Dazu gehören irreguläre
Nestbildungen und bandartige Anordnungen eosinophiler Zellen, die eine
starke Verhornung ausprägen und eine desmoplastische Stromareaktion
induzieren. Unterschieden wird zwischen gut, moderat und gering
differenzierten verhornenden Plattenepithelkarzinomen.
Therapie der Wahl ist die Tumorresektion mit adjuvanter Radiotherapie. Bei
inoperablen Befunden ist eine primäre Radiochemotherapie
anzustreben. Die 5-Jahres Gesamt-Überlebensrate für das
sinunasale Plattenepithelkarzinom liegt zwischen 50 und 60% und ist
stark abhängig vom Tumorstadium bei Diagnosestellung. Karzinome der
Nasenhaupthöhle haben eine bessere Prognose als bei Manifestationen
innerhalb der Nasennebenhöhlen, da diese erst in
größeren Tumorstadien zu Beschwerden führen [217]
[217]
[219]
[224]
[225].
2.4.2.1.1.2 Nichtverhornendes Plattenepithelkarzinom
Das nichtverhornende Plattenepithelkarzinom des Sinunasaltrakts wird
charakterisiert durch ein ausgeprägtes bandförmiges
Wachstumsmuster mit fehlender oder eingeschränkter Reifung.
Synonym werden die Begriffe Schneidersches Karzinom, Zylinderzellkarzinom
oder Übergangs-Karzinom verwendet.
Das nichtverhornende Plattenepithelkarzinom repräsentiert ca.
10–27% der sinunasalen Plattenepithelkarzinome. Es betrifft
Patienten im 6.-7. Lebensjahrzehnt, darunter deutlich mehr männliche
Patienten [226]
[226]
[227]
[229].
Die Risikofaktoren sind ähnlich denen des verhornenden
Plattenepithelkarzinoms des Sinunasaltrakts, allerdings können in
30–50% der Fälle transkriptional aktive high-risk
HPV Viren nachgewiesen werden. Zwischen 2–10% der
sinunasalen Papillome können durch eine maligne Transformation in
ein verhornendes und noch seltener in ein nicht verhornendes Plattenepithel
übergehen [106]
[223].
Makroskopisch zeigt der Tumor ein variables exophytisches und/oder
invertiertes Wachstumsmuster mit brüchig wirkender Struktur und
Nekrose- sowie hämorrhagischen Arealen. Mikroskopisch wächst
der Tumor als sich ausdehnende Nester oder anastomosierende, bandartige
Anordnungen von Zellen in der Submukosa mit einer Auflage aus glattem
Stroma. Papilläre Eigenschaften können innerhalb oder auf
der Oberfläche des Tumors identifiziert werden [106].
Ähnlich dem verhornenden sinunasalen Plattenepithelkarzinom ist die
endonasale oder offene Tumorresektion anzustreben, gefolgt von einer
adjuvanten Radiotherapie, alternativ zu einer primären
Radiochemotherapie für inoperable Befunde. Die 5-Jahres
Gesamt-Überlebensrate liegt für nichtverhornende
Plattenepithelkarzinome bei ca. 60%. HPV-assoziierte Karzinome haben
bessere Überlebenschancen, obwohl die prognostische Signifikanz
nicht so stark untermauert ist wie bei Tumoren des Oropharynx [227]
[230]. Lymphknotenmetastasen liegen in 3,3 bis 26% der
Fälle bei Erstdiagnose vor [231]
[232].
2.4.2.1.1.3 Spindelzell-/Sarkomatoides Plattenepithelkarzinom
Das Spindelzell-Plattenepithelkarzinom oder sarkomatoides Karzinom des
Sinunasaltrakts ist eine Sonderform des Plattenepithelkarzinoms, die durch
das Vorhandensein vorwiegend maligner Spindelzellen und/oder
pleomorpher Zellen definiert ist.
Diese Sonderform manifestiert sich vorwiegend bei älteren,
männlichen Patienten. Der Tumor tritt äußerst selten
im Sinunasaltrakt auf und repräsentiert weniger als 5% aller
Plattenepithelkarzinome dieser Region [227]
[233]
[233]
[235].
Die Entstehung des Spindelzell-Plattenepithelkarzinoms ist eng assoziiert mit
Tabakkonsum und Strahlenexposition. In den wenigen, bisher bekannten
Fällen konnte keine HPV-Infektion nachgewiesen werden [227]
[236]
[237].
Symptome betroffener Patienten sind zunächst unspezifisch und
äußern sich meist in Nasenatmungsbehinderung und Epistaxis.
In höheren Tumorstadien können Gesichtsschwellungen und
Diplopie sowie Schmerzen der betroffenen Areale hinzukommen [106].
Spindelzell-Plattenepithelkarzinome wachsen als polypöse
Raumforderungen mit ulzerierender Oberfläche und ähneln dem
makroskopischen Bild der häufiger vorkommenden laryngealen Befunde.
Sie stammen vom Plattenepithel ab und zeigen eine abweichende
Differenzierung mit epithelial-mesenchymaler Transition auf. Die Tumore
können Residuen von dysplastischem Plattenepithel enthalten und
zeigen häufig Areale mit Transitionen hin zu malignen Spindel- oder
pleomorphen Tumorzellen [106].
Hinsichtlich der Prognose und prädiktiver Faktoren bei sinunasaler
Manifestation existieren aufgrund der extrem geringen Fallzahlen keine
genaueren Daten.
2.1.2.1.2 Lymphoepitheliales Karzinom
Das lymphoepitheliale Karzinom ist ein gering differenziertes
Plattenepithelkarzinom oder ein histologisch undifferenziertes Karzinom. Ein
prominentes lymphoplasmatisches Infiltrat, welches dem Nasopharynx-Karzinom
ähnelt, ist typisch für das mikroskopische Erscheinungsbild
des Tumors.
Die Entität ist sehr selten und tritt - ähnlich dem
Nasopharynx-Karzinom – meist in südostasiatischen
Ländern auf. Der Altersgipfel liegt zwischen 50 und 70 Jahren,
bevorzugt bei Männern (m:w 3:1). Ätiologisch ist bei den
lymphoepithelialen Karzinomen eine Assoziation mit dem Epstein-Barr Virus
nachweisbar [10]
[238].
Manifestationen lassen sich meist in der Nasenhaupthöhle feststellen,
die Nasennebenhöhlen sind seltener in den Nasennebenhöhlen
verortet. Infiltratives Wachstum in den Gaumen, die Orbita oder die
Schädelbasis sind möglich.
Symptome betroffener Patienten sind Druckgefühl,
Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und bei Infiltration der Orbita eine
Protrusio bulbi. Nervenausfälle können bei intrakranieller
Infiltration auftreten [238]
[239].
Lymphknoten- und Fernmetastasierung sind möglich. Eine
gründliche Endoskopie und Biopsie des Nasopharynx sollten
vorgenommen werden, um eine lokoregionäre Ausbreitung eines
Nasopharynx-Karzinoms auszuschließen.
Aufgrund der geringen Fallzahl existiert keine Standard-Therapie. Aufgrund
der hohen Radiosensitivität wird in den meisten Fällen eine
lokoregionäre Radiotherapie durchgeführt, die selbst bei
Vorliegen von Halslymphknoten-Mestastasierung ein sehr gutes Ansprechen
zeigt. Eine Radiochemotherapie gefolgt von Salvage-Chirurgie ist bei
großen Befunden möglich [240]. Die Datenlage ist allerdings aufgrund der sehr geringen
Fallzahl schlecht beurteilbar.
2.4.2.1.3 Sinunasales undifferenziertes Karzinom (SNUC)
Das sinunasale undifferenzierte Karzinom wurde erstmals 1986 von Frierson et
al. beschrieben [241]. Es handelt sich um
ein hochaggressives Karzinom, welches lokal extensives Wachstum zeigt.
Pleomorphe Tumorzellen und zahlreiche Tumornekrose-Areale prägen das
Erscheinungsbild. Es handelt sich um eine high-grade epitheliale Neoplasie
mit unsicherer Histogenese mit oder ohne neuroendokriner Differenzierung.
Eine genaue Abgrenzung hinsichtlich des lymphoepithelialen Karzinoms und des
Olfaktoriusneuroblastoms ist entscheidend [10]
[241].
Der Altersbereich liegt zwischen 30 und 90 Jahren mit einer höheren
Inzidenz bei Männern (M:W 2–3:1) [238]
[242].
Es existiert keine Assoziation mit dem Epstein-Barr Virus. Einige
Fälle traten nach vorangegangener Radiotherapie im Rahmen eines
Nasopharynx-Karzinoms auf [238].
Das SNUC manifestiert sich meist in der Nasenhaupthöhle, dem Sinus
maxillaris und ethmoidalis mit häufiger Infiltration benachbarter
Strukturen. So zeigen bis zu 50% der Patienten zum Zeitpunkt der
Diagnosesicherung bereits Infiltrationen der Dura und 30%
Infiltrationen der Orbita [243]
[244]. In einer Studie, welche die
prozentuale Häufigkeit des T-Stadiums in Relation zu den
untersuchten Karzinomhistologien analysierte, zeigten sich für das
SNUC 69% der Patienten im Stadium T4 [245].
Ähnlich dem lymphoepithelialen Karzinom kommt es bei betroffenen
Patienten initial zu Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis, später zu
Protrusio bulbi, periorbitalen Schwellungen sowie Gesichtsschmerzen und bei
intrakranieller Infiltration zu Ausfällen von Hirnnerven.
Das SNUC zeigt eine hohe Rate von Lokalrezidiven und Fernmetastasierung mit
häufiger Gefäß- und Nerveninfiltration [246]
[247]. Die 5-Jahres Überlebensrate liegt laut einer aktuellen
Studie, die insgesamt 318 Patienten mit SNUC in den USA analysiert hat, bei
34,9% und die 10-Jahres Überlebensrate bei 31,3%
[248]. Die schlechte Prognose ist in
den meisten Fällen durch das bereits hohe Tumorstadium zum Zeitpunkt
der Diagnosestellung und die hierdurch bedingte Inoperabilität
verursacht. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass die Mehrzahl der
publizierten Fallserien weniger als 20 Patienten enthalten, weshalb kein
standardisierter Therapieansatz oder eine Leitlinie zur Therapie des SNUC
existiert [243].
In Anbetracht der aktuellen Literatur besteht ein Konsens, dass eine
multimodale, aggressive Therapie aus einer Kombination von Chirurgie, Radio-
und Chemotherapie erfolgen sollte. Dies wurde durch 2 große SEER
(Surveillance, Epidemiology and End Results Program) Datenbank Studien
untermauert [248]
[249]. Die Resektion des Tumors gefolgt von
einer adjuvanten Radiochemotherapie oder die primäre
Radiochemotherapie sind mögliche Therapieansätze in
Abhängigkeit der Resektabilität des Tumors. Ansätze
einer Targeted Therapy mit Lapatinib, welches den Human epidermal growth
factor receptor 2 (HER 2) Singalweg sowohl in vitro als auch in vivo
unterdrückte, zeigten vielversprechende erste Ergebnisse, die auf
effektivere Therapien hoffen lassen [250].
2.4.2.1.4 Adenokarzinom
2.4.2.1.4.1 Adenokarzinom vom intestinalen Typ
Sinunasale Adenokarzinome vom intestinalen Typ ähneln dem
morphologischen Aufbau des Adenokarzinoms des Darms.
Das Auftreten ist sehr selten und wird auf eine Inzidenzrate von weniger als
1:1 000 000 Personenjahren geschätzt. Allerdings
variiert die Inzidenz deutlich und steigt hinsichtlich der Prävalenz
um den Faktor 500 bei Mitarbeitern von Holz- und Leder-verarbeitenden
Betrieben. Das Karzinom ist hierbei eine anerkannte Berufskrankheit
(BK4203). Männer sind 3–4 mal häufiger als Frauen
betroffen, was vermutlich auf die Beschäftigungsverhältnisse
in den entsprechenden Berufen zurückzuführen ist. Das Alter
betroffener Patienten liegt meist zwischen dem 6. und 7. Lebensjahrzehnt
[106].
Manifestationen sind häufig nahe der lateralen Nasenwand und der
mittleren Nasenmuschel zu finden. Schätzungen zufolge entwickeln
sich 40% der Tumore im Sinus ethmoidalis, 28% in der
Nasenhaupthöhle und 23% im Sinus maxillaris [251]
[252].
Symptome sind unilaterale Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und Rhinorrhoe.
Seltener treten Schmerzen, Gesichtsschwellungen und Diplopie oder eine
Protrusio bulbi auf. Eine Destruktion des umgebenden Knochens und das
Einwachsen in benachbarte Regionen ist häufig [106]
[252].
Makroskopisch zeigt sich eine polypoide, teilweise papillär und
nodulär anmutende Raumforderung mit brüchiger Konsistenz und
ulzerierenden, hämorrhagischen sowie seltener gelatineartigen oder
mukösen Anteilen [106]
[251]
[252]. Mikroskopisch lässt sich exophytisches,
papilläres und tubuläres oder muzinöses oder
vorwiegend aus Siegelringzellen bestehendes Wachstum feststellen. Der Grad
der Differenzierung ist stark variabel. In 6–10% kann eine
KRAS Mutation festgestellt werden. Eine BRAF-Mutation ist
mit<10% deutlich seltener [253]
[253]
[254]
[256].
Die radikale Tumorresektion mit freien Resektionsrändern ist aufgrund
der eher schlechten Strahlensensibilität der Tumore Therapie der
Wahl. Durch die Weiterentwicklung der endoskopischen Technik ist die
transnasale Resektion in einigen Fällen auch bei orbitaler und
intrakranieller Infiltration möglich [257], mitunter unter Berücksichtigung komplexer
rekonstruktiver Verfahren [258]. Low-grade
Adenokarzinome vom intestinalen Typ mit niedrigem Tumorstadium
können durch eine radikale Tumorresektion alleine therapiert werden.
Bei allen anderen Stadien und Entitäten sollten eine adjuvante
Radiotherapie erfolgen [259]. Die
intensitätsmodulierte Photonenbestrahlung kann als Teil des
Therapieregimes diskutiert werden [260].
Bislang existieren keine Phase III Studien hinsichtlich einer Chemotherapie,
weshalb die aktuellen Ergebnisberichte hauptsächlich auf
Fallberichten und kleinen retrospektiven Fallserien basieren. Im Rahmen
einer prospektiven Phase II Studie konnte bei neoadjuvanter Chemotherapie
mit PFL (Cisplatin, 5-Fluoruracil und Leucovorin) bei 16% der
behandelten Patienten eine primäre Komplettremission gezeigt werden
[261]. In diesen Fällen lag
das 3-Jahres Gesamtüberleben bei 100% gegenüber
43% bei den restlichen Patienten.
Low-grade papilläre Adenokarzinome haben die besten 3-Jahres
Überlebensraten mit<80 und<60% nach 5
Jahren. Tumore der Grade 2 und 3 weisen 3-Jahres Überlebensraten von
54 bzw. 35% auf. Muzinöse Tumore mit alveolärem
Wachstum haben ähnliche Überlebensraten wie
papilläre Tumore des Grades 2. Das aggressivste Wachstum weisen
Siegelring-Adenokarzinome auf. Bei Infiltration der Orbita, der Haut, des
Sinus ethmoidalis oder sphenoidalis sowie der Schädelbasis ist die
Prognose deutlich schlechter. Lymphknotenmetastasen können bei
Diagnosestellung in 8% und Fernmetastasen in 13% der
Fälle diagnostiziert werden [106]
[252].
2.4.2.1.4.2 Adenokarzinom vom nicht intestinalen Typ
Das sinunasale Adenokarzinom vom nicht intestinalen Typ zeigt keine
Eigenschaften von Speicheldrüsenkarzinomen und besitzt keinen
intestinalen Phänotyp. Die genannte Tumorkategorie ist heterogen.
Trotzdem weist sie spezifische Entitäten auf, die einzigartig sind
(z. B. das Nierenzell-ähnliche Karzinom) [106].
Sinunasale low-grade nicht intestinale Adenokarzinome kommen sehr selten vor,
weisen keine Prädilektion eines spezifischen Geschlechts auf und
können innerhalb einer Altersspanne von 9–89 Jahren
diagnostiziert werden. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung liegt
innerhalb des 6. Lebensjahrzehnts. High-grade nicht intestinale
Adenokarzinome sind selten, betreffen häufiger männliche
Patienten, weisen ebenfalls eine breite Altersspanne mit einem Altersgipfel
innerhalb des 6. Lebensjahrzehnts auf. Weder für low-grade noch
für high-grade nicht intestinale Adenokarzinome des Sinunasaltrakts
ist die Ätiologie bekannt.
Am häufigsten manifestieren sich die Tumore in der
Nasenhaupthöhle (64%), gefolgt vom Sinus ethmoidalis
(20%). Ca. die Hälfte aller high-grade nicht intestinale
Adenokarzinome weisen bei Diagnosestellung bereits ein fortgeschrittenes
Tumorstadium mit Infiltration der Nasenhaupthöhle und
Nasennebenhöhlen auf [262]
[262]
[263]
[265].
Symptome der low-grade Variante sind häufig unspezifisch und
beinhalten Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis und Schmerzempfindungen.
High-grade Tumore verursachen häufiger Deformitäten der
Gesichtshaut und Protrusio bulbi bei orbitaler Infiltration.
Bildmorphologisch präsentieren sich low-grade nicht intestinale
Adenokarzinome als solide, die Nasenhaupthöhle oder
Nebenhöhlen ausfüllende Masse, wohingegen high-grade nicht
intestinale Adenokarzinome deutlich destruktiveres Wachstum mit
ossärer Infiltration und Invasion der umgebenden anatomischen Areale
zeigen [106].
Makroskopisch imponieren die low-grade Tumore als rote, polypoide oder
himbeerartig konfigurierte, feste Struktur. Histologisch zeigen sich
papilläre und/oder tubuläre Eigenschaften mit
komplexem Wachstumsmuster. Eine einzelne Schicht uniformer
muzinöser, kuboider bis säulenförmiger
Epithel-Zellen umgibt die Tumore. High-grade Tumore zeigen deutlich mehr
histologische Diversität. Solides Wachstum mit gelegentlich
eingestreuten glandulären Strukturen sowie vereinzelten Mukozyten
sind typisch. Einige Varianten zeigen nestartige Verteilungsmuster mit
infiltrativem Verhalten. Zahlreiche Mitoseformen und Nekroseareale sind
vorhanden [106].
Therapie der Wahl ist die radikale Tumorresektion. Trotz der
spärlichen Datenlage aufgrund der wenigen beschriebenen
Fälle erscheint die alleinige chirurgische Therapie –
tumorfreie Resektionsränder vorausgesetzt –
prognosebestimmend zu sein [266]. Eine
kürzlich durchgeführte National Cancer Database Analyse
zeigte keinen Einfluss einer Radiotherapie auf das Überleben von
Patienten mit low-grade Adenokarzinomen [267]. Patienten mit high-grade Adenokarzinomen zeigen eine
deutlich bessere Überlebensrate bei multimodaler Therapie inklusive
radikaler Tumorresektion und adjuvanter Radiotherapie. Die Rolle einer
systemischen Therapie konnte aufgrund der geringen Fallzahlen bislang nicht
abschließend geklärt werden [257].
Rezidive sind bei 25% der low-grade Variante zu finden und nur etwa
6% der betroffenen Patienten sterben an der Erkrankung. Die Prognose
für Patienten mit high-grade nicht intestinalem Adenokarzinom ist
deutlich schlechter. Die meisten Patienten versterben innerhalb von 5 Jahren
nach Diagnosestellung an der Erkrankung. Lokale und Fernmetastasierung tritt
gelegentlich auf [262]
[262]
[264].
Bei den wenigen berichteten Fällen eines Nierenzell-ähnlichen
Karzinoms gab es weder Rezidive noch Metastasierungen [268].
2.4.2.1.5 Speicheldrüsenartige Karzinome
Speicheldrüsen-Neoplasien in der Nase oder den
Nasennebenhöhlen sind extrem selten. Die überwiegende
Mehrzahl der Fälle besteht aus malignen Entitäten. In einer
Analyse von Daniel K. Heffner zeigte sich bei insgesamt 311 Patienten mit
sinunasalen speicheldrüsenartigen Tumoren folgende Verteilung der
Entitäten [269]:
In der folgenden Darstellung werden die malignen sinunasalen
Entitäten dargestellt:
2.4.2.1.5.1 Adenoidzystisches Karzinom (ACC)
Das adenoidzystische Karzinom tritt v. a. in den großen und kleinen
Speicheldrüsen auf. Eine Manifestation ist aber in allen Bereichen
auftreten, in denen sekretorische Drüsen lokalisiert sind (Mamma,
Cervix, Colon, Prostata, Nasenhaupthöhle und
Nasennebenhöhlen). Es ist das häufigste
speicheldrüsenartige Malignom des Sinunasal-Trakts mit einer
Altersspanne von 11–92 Jahren. Sinunasale Manifestationen finden
sich im Sinus maxillaris (60%) und in der Nasenhaupthöhle
(25%). Adenoidzystische Karzinome repräsentieren 5%
aller sinunasalen malignen Neoplasien mit einer Inzidenz von 25%
bezogen auf alle Speicheldrüsenkarzinome [270]
[270]
[271]
[272]
[274]. Es wächst langsam, aber infiltrativ entlang beteiligter
Hirnnerven in umgebende Strukturen ein. Hämatogene Metastasierung
ist häufig und kann selbst Jahre nach der Erstdiagnose auftreten.
Aufgrund des späten Auftretens von Symptomen weisen die betroffenen
Patienten häufig hohe Tumorstadien auf, was zu entsprechender
Morbidität bei Tumorresektionen oder primärer Radiotherapie
führt. Aufgrund der geringen Strahlensensitivität sind
Dosen>80 Gy erforderlich, was zu Kollateralschäden
benachbarter Strukturen (Orbita, Nervus opticus, Cerebrum) führt
[275]
[275]
[277].
Therapie der Wahl ist die radikale Tumorresektion und postoperative
Radiotherapie für R1/R2 Resektionen, bei perinodaler
Infiltration und in fortgeschrittenen Tumorstadien (T3/T4), obwohl
einige Studien für alle Tumorstadien (T1-4) ein besseres Outcome
nachweisen konnten [275]
[278]
[278]
[279]
[281].
Aufgrund der hohen Tumorstadien bei Erstdiagnose und der häufigen
Spätrezidive ist die Prognose des adenoidzystischen Karzinoms
schlecht. Die 5-Jahres Überlebensrate wird mit
38–64% bei konventioneller Bestrahlung angegeben. Die lokale
Tumorkontrolle erreichte bei Anwendung von Protonenbestrahlung
50–70% und sogar bis zu 93% bei Neutronenbestrahlung
[272]
[275]
[276]
[282]
[282]
[283]
[284]
[286].
2.4.2.1.5.2 Azinuszellkarzinom
Das Azinuszellkarzinom ist ein seltenes Malignom der Speicheldrüsen,
welches vorwiegend in der Glandula parotis anzutreffen ist. Nach
Tumorresektion mit oder ohne postoperativer Radiotherapie werden 20-Jahres
Überlebensraten nahe 90% erreicht [287]. Eine Manifestation im Sinus
maxillaris oder ethmoidalis, an den Nasenmuscheln oder dem Nasenseptum ist
außerordentlich seltenen. Die derzeitige englischsprachige Literatur
beschreibt 19 Fälle, deren Follow Up von 1 bis 22 Jahren reicht.
5-Jahres und 10-Jahres Überlebensraten lieben über
90% [288]
[288]
[289]
[291].
2.4.2.1.5.3 Mucoepidermoidkarzinom
Sinunasale Mucoepidermoidkarzinome sind Malignome der kleinen
Speicheldrüsen, die sich in der Mundhöhle und dem Oropharynx
manifestieren und an diesen Manifestationsorten eine 5-Jahres
Überlebensrage von 87% aufweisen [292]. Lymphknotenmetastasten treten in bis
zu 15% der Fälle auf.
Sinunasale Mucoepidermoidkarzinome repräsentieren ca. 1,5%
aller sinunasalen Malignome und sind damit sehr selten. Häufigste
Manifestationsorte sind Sinus maxillaris und die Nasenhaupthöhle
[293], in denen sich in 46%
high grade Mucoepidermoidkarzinome diagnostizieren lassen. Symptome
befallener Patienten sind Nasenatmungsbehinderung, chronisch sinunasale
Beschwerden, Gesichtsschmerzen, Epistaxis und Cephalgien. Kleine
monozentrische Studien zeigten 5-Jahres Überlebensraten von
35,9% bis 44,1% bei sinunasaler Manifestation [294]
[295]. Die Tumorresektion mit adjuvanter Radiatio ist Therapie der
Wahl, allerdings fehlen aufgrund der geringen Fallzahlen Daten hinsichtlich
der Effektivität [293].
2.4.2.1.5.4 Epithelial-myoepitheliales Karzinom
Das epithelial-myoepitheliale Karzinom repräsentiert eine
außerordentlich seltene maligne Entität, welche sich
vorwiegend in den großen Speicheldrüsen manifestiert und ca.
1% aller Speicheldrüsenmalignome ausmacht. Noch seltener ist
die Manifestation in der Nasenhaupthöhle oder den
Nasennebenhöhlen, von der nur wenige Fallberichte existieren [296]. Die größte
Kohortenstudie umfasst 468 Patienten mit epithelial-myoepithelialem
Karzinom. 18 dieser Patienten zeigten eine Manifestation im sinunasalen
Bereich [297]. 80% der Patienten
waren älter als 50 Jahre alt. Weibliche Patienten waren
häufiger betroffen (W:M 1,5–6:1) [297]. Aufgrund der niedrigen Fallzahlen ist
die Beschreibung der Pathophysiologie und der Therapiestrategien nicht
systematisiert, da ein großer Teil der relevanten Literatur aus
Fallberichten besteht.
Der Begriff epithelial-myoepitheliales Karzinom ist ein histopathologischer
Terminus, der die Proliferation tubulärer Strukturen mit einer
zweischichtigen Zellauskleidung beschreibt. Die innere Schicht besteht aus
kubischen oder niedrig zylindrischen Duktalzellen, die
äußere Schicht aus hellen epitheloiden Zellen. Das
Tumorstruma kann hyalinisiert sein [298].
Je nach Lokalisation präsentieren die Patienten Symptome wie
Epistaxis, Druckgefühl und Schmerzen, Schwellungen und Rhinorrhoe.
Häufig zeigt sich bei der Endoskopie eine hämorrhagisch
anmutende Raumforderung. Computertomografisch ist eine heterogen
Kontrastmittel-aufnehmende Weichteil-Struktur in den beteiligten
Nasennebenhöhlen darstellbar. Ossäre Destruktionen
benachbarter Strukturen sind nicht typisch, können aber auftreten
[296].
Aktuelle Berichte zeigten einen nur geringen Glukose-Uptake in der PET-CT,
was dem low-grade Potenzial der Malignität zuzuordnen ist und eine
präoperative, bildgebende Hilfestellung hinsichtlich der Diagnose
erschwert [299]
[300].
Therapie der Wahl ist die großzügige chirurgische Exzision.
Die Effektivität einer adjuvanten Radiotherapie ist aufgrund des
inhomogenen biologischen Verhaltens und Ansprechens unklar [301].
Lymphknotenmetastasen sind selten und treten in weniger als 5% der
Fälle auf. Die 5- und 10-Jahres Überlebensrate liegt bei
72,7 und 59,5% [297].
2.4.2.2 Neuroendokrine Neoplasien
Der Begriff Neuroendokrine Neoplasien umfasst mehrere Entitäten.
Neben dem neuroendokrinen Karzinoid und dem klassischen neuroendokrinen
Karzinom zählen auch Aesthesioneuroblastome (siehe 2.4.2.6.2) sowie
sinunasale undifferenzierte Karzinome (SNUC, siehe 2.4.2.1.3) zu den
Neoplasien mit neuroendokriner Differenzierung [302].
Neuroendokrine Neoplasien exprimieren neuroendokrine Marker wie Synaptophysin
und Chromogranin A. Große membrangebundene (hormonenthaltende)
Vesikel sind charakteristische Merkmale. Epitheliale neuroendokrine
Karzinome (gut, mittelgradig oder schlecht differenziertes Karzinoid) bilden
sich aus Zellen des diffusen neuroendokrinen Zellsystems, die Zytokeratine
exprimieren und in der Schleimhaut lokalisiert sind.
Olfaktoriusneuroblastome und Paragangliome hingegen sind neuroektodermaler
Herkunft und bilden sich aus der Olfaktoriusmembran bzw. den Kopf-
Hals-Paraganglien [303]. Entsprechend der
WHO Klassifikation werden neuroendokrine Tumore als Neoplasie Grad I
(früher low-grade neuroendokriner Tumor oder typisches Karzinoid),
Neoplasie Grad II (früher intermediärer neuroendokriner
Tumor oder atypisches Karzinoid) und Neoplasie Grad III, kleinzelliges
Karzinom (früher high-grade Neuroendokriner Tumor oder kleinzelliges
Karzinom) sowie Neoplasie Grad III, großzelliges Karzinom
(früher high-grade neuroendokriner Tumor oder großzelliges
neuroendokrines Karzinom) eingeteilt [304].
Neuroendokrine Karzinoide (typisches Karzinoid, Neoplasie Grad I)
Über 90% der neuroendokrinen Karzinoide manifestieren sich am
Larynx (supraglottisch). Sinunasale Manifestationen sind wesentlich seltener
und führen zu gut abgrenzbaren, submukösen und
häufig polypoiden Tumoren [305].
Vor allem schlecht differenzierte neuroendokrine Karzinome finden sich in
der Nasenhaupthöhle, den Nasennebenhöhlen oder an der
Schädelbasis. Die 5-Jahres Überlebensrate liegt bei
5–20% [106].
Die Symptome hängen vom Manifestationsort ab. Ein Karzinoid-Syndrom
ist bei übermäßiger Hormonproduktion
möglich, vor allem bei hepatischer Metastasierung und tritt in etwa
10% aller Patienten mit Karzinoiden auf. Die typische Trias
beinhaltet anfallsartige Rötung von Gesicht und Oberkörper,
Diarrhoe und kardiale Beteiligung [306].
Neuroendokrine Karzinome
Das sinunasale neuroendokrine Karzinom ist ein high-grade Karzinom mit
morphologischen und immunhistochemischen Merkmalen einer neuroendokrinen
Differenzierung [106]. Es wird unterteilt
in kleinzellige neuroendokrine Karzinome und großzellige
neuroendokrine Karzinome und stellt ca. 3% aller sinunasalen Tumore
und tritt häufiger bei Männern mittleren bis höheren
Alters (mittleres Alter 49–65 Jahre) auf. In seltenen Fällen
wird über eine Assoziation mit High-Risk humanen Papilloma-Viren
berichtet.
Primärer sinunasaler Manifestationsort ist der Sinus ethmoidalis, die
Nasenhaupthöhle, gefolgt von den Sinus maxillaris und
sphenoidalis.
Symptome einer Manifestation sind weitestgehend unspezifisch
(Nasenatmungsbehinderung, Rhinorrhoe und chronische sinunasale Beschwerden).
Viele Patienten werden erst in höheren Tumorstadien bei ihrem
behandelnden Arzt vorstellig.
Endoskopisch zeigt sich eine meist große, hämorrhagische
Tumormasse mit nekrotischen Anteilen. Bildmorphologisch zeigen sich
ossäre Destruktionen und Infiltrationen benachbarter anatomischer
Regionen.
Histopathologisch ist das sinunasale neuroendokrine Karzinom identisch zu den
in Lunge und anderen Kopf-Hals-Lokalisationen vorkommenden neuroendokrinen
Karzinomen. Es zeigt sich ein hochgradig infiltratives Wachstum mit
häufiger perineuraler und lymphovaskulärer Infiltration.
Sinunasale neurendokrine kleinzellige und großzellige Karzinome
weisen eine Zytokeratin-Expression auf, was eine Differenzierung
z. B. gegenüber dem Olfaktoriusneuroblastom
ermöglicht [304].
Therapeutisch wird – sofern möglich – eine
Tumorresektion gefolgt von adjuvanter Radiochemotherapie angestrebt. Vor
allem für das großzellige neuroendokrine Karzinom scheint
eine neoadjuvante Radiochemotherapie gefolgt von einer Tumorresektion
bessere Ergebnisse zu erzielen [302].
Die 5-Jahres Überlebensrate beträgt 50–65%.
Eine Lokalisation im Sinus sphenoidalis ist prognostisch günstiger
(~80%) als eine maxilläre oder ethmoidale
Manifestation (~33%). Trotz eingeschränkter
Datenlage aufgrund der geringen Fallzahlen scheint die Prognose für
großzellige neuroendokrine Karzinome günstiger zu sein als
für die kleinzellige Variante [106].
2.4.2.3 Maligne Weichteiltumore (Sarkome)
2.4.2.3.1 Fibrosarkom
Das Firbosarkom ist ein maligner spindelzelliger Tumor mit
faszikulärer Architektur und variabel ausgeprägter
Collagenmatrix-Produktion, welche
fibroblastäre/myofibroblastäre Differenzierung
aufweist. Weiter zeigt das Fibrosarkom eine niedrige Mitoseraten und seltene
nukleäre Pleomorphismen oder anaplastische Eigenschaften.
Manifestationsorte sind meist in den Extremitäten lokalisiert,
lediglich 1% der Fibrosarkome ist im Kopf-Hals-Bereich zu finden. Es
ist für weniger als 3% aller nichtepithelialen Malignome des
Kopf-Hals-Bereichs verantwortlich, stellt allerdings die
zweithäufigste Entität von Kopf- Hals-Sarkomen dar [106]
[307].
Symptome ähneln denen anderer Neoplasien der Nasenhaupthöhle
und Nasennebenhöhlen. Unspezifische Beschwerden wie
Nasenatmungsbehinderung und Epistaxis, Druckgefühl, Schmerzen und
Schwellungen können auftreten.
Das Fibrosarkom hat ein hohes Lokalrezidiv-Risiko, allerdings ein geringes
Risiko für Fernmetastasierung [140]
[308]. Trotz der sehr
geringen Fallzahlen wird eine großzügige Tumorresektion
empfohlen, da ein geringer Sicherheitsabstand das Risiko des Lokalrezidivs
unverhältnismäßig erhöht [140]. Eine U.S. National Cancer Instituteʼs
Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER) Datenbankanalyse
untersuchte den Verlauf von 51 Patienten mit sinunasalen Fibrosarkomen
über einen Zeitraum von 1973 bis 2012 [307]. Das mittlere Alter lag bei 54.5 Jahren ohne
Überwiegen eines Geschlechts. Interessanterweise waren 83,7%
der Patienten hellhäutig und nur 8,2% dunkelhäutig.
Die häufigste Lokalisation war mit 54,9% der Sinus
maxillaris gefolgt von der Nasenhaupthöhle (23,5%). Der
häufigste histologische Typ war das mittelgradig differenzierte
(59,5%), gefolgt vom gut differenzierten Fibrosarkom
(16,2%). Im Follow up zeigte sich bei 28,2% der Patienten
ein Lokalrezidiv, in 64,1% kam es zu einer regionalen Metastasierung
und 7,7% wiesen Fernmetastasen auf.
Häufigste Therapiemodalität war die alleinige Tumorresektion
(61,2%), gefolgt von Tumorresektion mit adjuvanter Radiotherapie
(32,7%). Auch Lokalrezidive wurden primär durch erneute
Tumorresektion therapiert (71,4%) gefolgt von Tumorresektion mit
adjuvanter Radiotherapie (7,1%). Die 5-Jahres Überlebensrate
lag für alle nachverfolgbaren Fälle bei 71,7%.
Aktuelle Studien zeigen deutliche Vorteile bei Patienten, die eine adjuvante
Radiotherapie erhalten [308]
[309].
2.4.2.3.2 Undifferenziertes pleomorphes Sarkom/Malignes
fibröses Histiozytom
Das undifferenzierte pleomorphe Sarkom (Synonym: malignes fibröses
Histiozytom) ist ein high-Grade Weichteilsarkom ohne Differenzierungslinie.
Es tritt bei Erwachsenen auf, eine sinunasale oder
Schädelbasis-Manifestation ist sehr selten, obwohl es nach dem
Rhabdomyosarkom und dem Fibromyosarkom das dritthäufigste Sarkom in
diese Lokalisationen darstellt [106].
Vorangegangene Radiotherapien werden für das Entstehen des
undifferenzierten pleomorphen Sarkoms verantwortlich gemacht [310]
[311].
Vor allem unspezifische Symptome wie schmerzlose Schwellungen,
Nasenatmungsbehinderung, Protrusio bulbi und Diplopie sowie Epistaxis
können auftreten. Eher selten kommt es zu regionaler oder
Fernmetastasierung [106].
Endoskopische zeigt sich eine lobulierte, gräulich-weißliche,
teils fleischige Masse mit hämorrhagischen Anteilen. Die meisten
Befunde erscheinen umschrieben. Mikroskopisch präsentiert das
Malignom Spindel- und pleomorphe Zellen in einer variabel kollagenisierten,
extrazellulären Matrix. Pleomorphismen, atypische Mitosen,
Tumornekroseareale, Histozytenartige und Schaumzellen zeigen sich
häufig. Viele Tumorzellen weisen Eigenschaften von Fibroblasten,
Myofibroblasten oder Histiozyten auf.
Das undifferenzierte pleomorphe Sarkom ist eine Ausschlussdiagnose, welche
nach Ausschluss von Schleimhautmelanomen, Karzinomen, Lymphomen und anderen
Sarkomen gestellt werden kann.
Die Tumorresektion scheint trotz der geringen Datenlage und
unabhängig von der Randsituation essentiell zu sein. Eine
Radiotherapie erhöht die Chance auf lokale Tumorkontrolle [106]
[311]. Die 5-Jahres Überlebensrate liegt zwischen 60 und
70%.
Gerrand et al. zeigten für Sarkome der Extremitäten in einer
Studie ein unterschiedliches Outcome für Patienten abhängig
von histologischem Subtyp, der Anwendung einer Radiotherapie, der lokalen
Anatomie und ungeplanter Exzision vor Überweisung in ein Zentrum
[312] und postulierten, Patienten bei
dem Verdacht auf ein Weichteilsarkom in ein spezialisiertes Diagnostik- und
Therapie-Zentrum mit multidisziplinären Sarkom-Spezialisten zu
überweisen [311].
2.4.2.3.3 Leiomyosarkom
Das Leiomyosarkom ist ein maligner Tumor, der von der glatten Muskulatur
ausgeht. Typische Manifestationsorte sind Uterus oder Intestinaltrakt. Die
sinunasale Manifestation oder Lokalisation an der Schädelbasis sind
extrem selten. Betroffen sind vorwiegend Erwachsene, nur in
Ausnahmefällen Kinder. Auch für das Leiomyosarkom spielt
eine vorangegangene Radiotherapie eine große Rolle für die
Genese [106].
Aufgrund nur unspezifischer Symptome werden die Patienten meist erst in
späten Tumorstadien bei ihrem behandelnden Arzt vorstellig, was zu
schlechteren Prognosen bei sinunasalen Manifestation im Vergleich zu anderen
Lokalisationen führt [313].
Klinisch zeigt sich eine weiche, vorwiegend polypöse Tumormasse, die
Schmerzen, Nasenatmungsbehinderung und Epistaxis verursachen kann. Die
Läsionen können auch den kraniofazialen Knochen betreffen
und je nach Infiltration weiterführende Beschwerden wie Diplopie,
Protrusio bulbi, usw. verursachen.
Eine hämatogene Metastasierung in Lunge, Leber, andere
Weichteilareale, Knochen oder zerebrale Strukturen sind möglich.
Metastasen anderer Regionen sollten vor der definitiven Tumortherapie
ausgeschlossen werden.
Makroskopisch ist die Tumormasse polypoid. Sowohl klare Abgrenzungen zum
umgebenden Gewebe als auch schwer abgrenzbare Befunde sind möglich.
Mikroskopisch zeigt sich infiltratives Wachstum oder scharf demarkierte
Grenzen. Spindelzellen, die in vernetzten Faszikeln angeordnet sind,
prägen das Erscheinungsbild. Das eosinophile Zytoplasma zeigt oft
kleine perinukleäre Vakuolen [106].
Computertomografische Darstellungen sind häufig unspezifisch und
zeigen expansive zystische oder nekrotische, heterogene Läsionen
innerhalb des Weichgewebes. Im MRT zeigt sich in der T1- und T2-Wichtung nur
moderate Hyperintensität, was die Diagnosefindung erschwert [314].
Die Tumorresektion ist Methode der Wahl, allerdings ist aufgrund der
Lokalisation und vitaler benachbarter Strukturen eine Resektion mit
großem Sicherheitsabstand nur eingeschränkt möglich.
Adjuvante Chemotherapie und/oder Radiotherapie kommen bei Patienten
mit lokal fortgeschrittenem Wachstum, Rezidiven oder Metastasierungen zum
Einsatz [313]
[315]. Circa ein Drittel der Patienten mit sinunasaler
Manifestation stirbt entweder an Fernmetastasierung oder Lokalrezidiven, die
in vitale benachbarte Strukturen einwachsen [106].
2.4.2.3.4 Rhabdomyosarkom
Rhabdomyosarkome sind maligne mesenchymale Tumore mit
Skelettmuskeldifferenzierung.
Unterschieden werden
-
embryonale Rhabdomyosarkome
-
alveoläre Rhabdomyosarkome
-
pleomorphe Rhabdomyosarkome
-
spindelzellige Rhabdomyosarkome
Die Begriffe Myosarkom und malignes Rhabdomyom werden synonym mit
Rhabdomyosarkom verwendet.
Die Inzidenz von sinunasalen Rhabdomyosarkomen beträgt
0,034:100 000 mit primärer Manifestation in den
Nasennebenhöhlen gefolgt von der Nasenhaupthöhle. Es ist das
häufigste sinunasale Sarkom sowohl bei Kindern als auch bei
Erwachsenen. Der Altersgipfel liegt innerhalb des ersten Lebensjahrzehnts
[106]
[311]
[316]. Eine
strahleninduzierte Genese wird diskutiert.
Makroskopisch zeigt sich eine polypoide, schlecht abgrenzbare Tumorformation
mit Ausdehnung in benachbarte Strukturen und fleischiger, gelatineartiger,
bräunlich bis grauer Oberfläche.
Das embryonale Rhabdomyosarkom ist die am häufigsten im
Sinunasaltrakt vorkommende Entität. Sie weist primitive bis
spindelförmige Zellen mit spärlichem Zytoplasma und
hyperchomatischen Nuklei sowie verstreute Rhabdomyoblasten mit deutlich
eosinophilem Zytoplasma auf. Die Anzahl der Rhabdomyoblasten steigt
typischerweise nach Radiotherapie deutlich an.
Bei Erwachsenen findet sich häufiger das sinunasale alveoläre
Rhabdomyosarkom [311], welches
fibrovaskuläre Septen aufweist, die Herde von runden, neoplastischen
Zellansammlungen voneinander trennen. Riesenzellen mit mehreren, peripher
lokalisierten Zellkernen können präsent sein [106].
Das Outcome der Patienten scheint für Patienten, bei denen eine
Vorabexzision oder Probeexzision zur Histologie-Sicherung
durchgeführt wurde, schlechter zu sein als für Patienten,
bei denen unmittelbar eine vollständige Tumorresektion
durchgeführt wurde [311]
[312]. Die Überweisung bei Verdacht
auf ein Sarkom in ein auf Sarkome spezialisiertes Zentrum mit
interdisziplinärer Zusammenarbeit erscheint deshalb besonders
wichtig.
Therapeutisch ist die Tumorresektion mit weitem Sicherheitsabstand
anzustreben. Auch für die unvollständige Tumorresektion
scheint die chirurgische Resektion ein prädiktiver Faktor zu sein
[311]. Die Kombination von Operation,
Chemotherapie und Bestrahlung werden 5-Jahres Überlebensraten von
40–45% berichtet, die für Patienten unter 18 Jahren
und bei weiblichem Geschlecht etwas höher liegen. Bei Infiltration
der Schädelbasis ist die Prognose deutlich schlechter [106]
[311]
[317].
2.4.2.3.5 Angiosarkom
Das Angiosarkom ist eine vaskuläre, maligne Neoplasie. Synonyme
Begriffe sind epitheloides Hämangioendoetheliom, malignes
Hämangioendotheliom, malignes Angioendotheliom oder
Hämangiosarkom.
Der Tumor entwickelt sich in über der Hälfte der
Fälle innerhalb der Haut und oberflächlichen Gewebsschichten
des Kopf-Hals-Bereichs. Epidemiologisch ist das sinunasale Angiosarkom
für weniger als 0,1% aller Kopf-Hals-Malignome und weniger
als 1% aller sinunasalen Malignome verantwortlich [106].
Als mögliche, allerdings selten berichtete Risikofaktoren für
die Entstehung werden Strahlenexposition, Vinylchlorid- und
Kohlestaubexposition diskutiert [318]
[318]
[320].
Das Angiosarkom ist eher in der Nasenhaupthöhle und dem Sinus
maxillaris lokalisiert. Dort führt es zu initial unspezifischen
Beschwerden, allen voran Epistaxis und Nasenatmungsbehinderung. Einige
Patienten berichten zudem über sinunasale Beschwerden, Epiphora,
Schmerzen und Druckgefühl.
Häufig ist bei Angiosarkomen eine Knocheninfiltration zu beobachten,
die sich in der Computertomografie darstellen lässt. In der
MRT-Darstellung ist in der T2-Wichtung eine kräftige
Signalintensität darstellbar. Die präoperative Angiografie
kann hilfreich sein, um zuführende Gefäße
darzustellen und eine präoperativ Embolisation zu
ermöglichen [106]
[321]. Lymphknoten- und Fernmetastasierung
sind bei Erstmanifestation ungewöhnlich.
Makroskopisch präsentiert sich das Angiosarkom mit einer
nodulär bis polypoiden, weichen und lividen bis rötlichen
Oberfläche mit Ulzerationen, die zu Blutungen neigen. Mikroskopisch
entwickelt sich das Malignom unter einer intakten Epithelschicht mit
neoplastischen Gefäßbildungen, die sich in das Weichgewebe
und den angrenzenden Knochen erstrecken. Hämorrhagische und
nekrotische Areale begleiten das Erscheinungsbild. Innerhalb der
Neubildungen zeigen sich kapilläre, kavernöse und
rudimentär angelegte Gefäße, die mit Erythrozyten
angefüllt und mit vergrößerten, atypischen
spindelförmigen oder epitheloiden Endothelzellen ausgekleidet sind.
Ein Grading wird für das Angiosarkom nicht vorgenommen [106]
[321].
Aufgrund der sehr niedrigen Inzidenz existiert keine Standardtherapie
für das sinunasale Angiosarkom. In den meisten Fällen ist
die Tumorresektion gefolgt von einer Radiotherapie beschrieben. Weitere
Therapieansätze, die in einzelnen Fällen beschrieben wurden,
sind Chemotherapie, Gamma-Knife-Therapie und die Anwendung von Interleukinen
[321]
[321]
[322]
[324]. Rezidive sind mit ca. 40%
häufig. Metastasierungen treten innerhalb der ersten 24 Monate auf
[323] und finden sich in Lunge, Leber,
Niere und Knochen [321]. Die Prognose ist
insgesamt schlecht und zeigt eine Gesamtüberlebensrate von ca.
60% [106].
2.4.2.3.6 Biphänotypisches Sinunasalsarkom (BSS)
Das biphänotypische Sinunasalsarkom wurde in die WHO-Klassifikation
der Tumore des Sinunasalsystems von 2017 als neue Entität
aufgenommen. Begründet ist dies durch die definierende
PAX3/MAML3-Translokation, welche es zu einer eigenen Entität
macht. Bisher wurde das Malignom als Leiomyosarkom
„fehlklassifiziert“ [325].
Das BSS wurde bisher nur im Sinunasaltrakt beschrieben.
Das BSS ist ein low-grade Spindelzellsarkom. Es tritt bevorzugt bei Frauen
auf (w:m=3:1) und erstreckt sich über eine Altersspanne von
24–85 Jahren mit einem Altersdurchschnitt von 52 Jahren [106].
Dominierende Manifestationsorte sind Siebbeinzellen (57%) und
Nasenhaupthöhle (54%), häufig mit
grenzüberschreitendem Wachstum [326] und auch Infiltration der Orbita oder Fossa olfactoria.
Die Symptome sind unspezifisch. Patienten berichten von
Nasenatmungsbehinderung, Druckgefühl und Gesichtsschmerzen.
Makroskopisch zeigt sich eine polypoide, teils festere, rötlich und
graue Tumormasse. Mikroskopisch ist die Zellularität mittelgradig
mit fokalen zelldichteren Abschnitten im Tumor mit oberflächlich
hamartomartiger Proliferation eingeschlossener ortsständiger
Schleimhautdrüsen. Fokal zeigen sich vermehrte ektatische
Gefäße mit Einblutungen und hämangioperizytomartigem
Aspekt [326].
Das Malignom ist aufgrund der erst 2012 beschriebenen [327] und 2017 in die WHO-Klassifikation
aufgenommen eigenständigen Entität weitestgehend unbekannt,
dürfte aber häufiger als bisher angenommen sein, da viele
Fälle bislang malignen peripheren Nervenscheiden- oder
muskulären Tumoren zugeordnet wurden.
Langsames Wachstum und lokale Infiltration benachbarter Strukturen sind
Charakteristika des BSS. Circa 50% der Patienten der
ursprünglich beschriebenen Kohorte zeigten Lokalrezidive innerhalb
eines Zeitraums von 9 Jahren. Von Fernmetastasierung wurde bisher nicht
berichtet [327]. Auch existiert bislang
nur ein dokumentierter Todesfall durch die Erkrankung [328].
Therapie der Wahl ist wie bei anderen Sarkomen die Tumorresektion mit
ausreichendem Sicherheitsabstand. Adjuvante Radio- und Chemotherapie ist in
Fällen mit fortgeschrittenem Tumorstadium einsetzbar. Die Effizienz
der adjuvanten Radio- und Chemotherapie ist aufgrund der sehr geringen
Fallzahlen unbekannt [329]
[330].
2.4.2.3.7 Maligner peripherer
Nervenscheidentumor/Neurofibrosarkom
Der maligne periphere Nervenscheidentumor (MPNST) entsteht an peripheren
Nerven oder aus Transformationen gutartiger Tumore peripherer Nerven. In der
Regel weist er eine Differenzierung zu einer der Komponenten der
Nervenscheiden auf (z. B. Schwann-Zellen (malignes Schwannom),
Fibroblasten oder perineurale Zellen).
Die Malignome treten vorwiegend bei erwachsenen Patienten mit einer
großen Altersspanne und einem Altersgipfel innerhalb des 5.
Lebensjahrzehnts auf. In ca. 20–25% der Fälle ist
der maligne periphere Nervenscheidentumor mit einer Neurofibromatose Typ I
assoziiert. In diesen Fällen sind die Patienten häufig
jünger (zwischen 3. Und 4. Lebensjahrzehnt) [106]
[331]. Eine Assoziation mit vorangegangener Radiotherapie wird
diskutiert [332].
Die Inzidenz beträgt bei Patienten mit einer Neurofibromatose Typ I
1:3 500. Auf die gesamte Bevölkerung berechnet ist die
Inzidenz 1:100 000 [333]
[334]. Circa 20% aller malignen
peripheren Nervenscheidentumore sind im Kopf-Hals-Bereich lokalisiert. Eine
sinunasale Manifestation ist wesentlich seltener.
Manifestationsorte sind entlang von Hirnnerven, vorwiegend dem N.
vestibularis und N. vagus lokalisiert [106]
[331].
Klinische Symptome betroffener Patienten sind rasch progrediente,
schmerzhafte Schwellungen und neurologische Ausfälle betroffener
Nerven.
Maligne periphere Nervenscheidentumore sind unbekapselt und weisen ein
höchst infiltratives Wachstum auf. Unterschiedlichste
Zellmorphologien sind vorhanden, darunter spindelförmige,
epitheloide und pleomorphe Zellen). Histologisch wird zwischen
spindelzelligen und glandulären malignen peripheren
Nervenscheidentumoren differenziert, die sich in der faszikelartigen
Anordnung oder dem Vorhandensein von Becherzellen unterscheiden [106]. Die Malignome werden in Low- oder
High-grade Entitäten entsprechend der Mitoserate, dem Vorhandensein
atypischer Mitosen, Pleomorphismen und Nekrosen eingeteilt [332].
In der Regel sind diese Tumoren sehr aggressiv und haben eine schlechte
Prognose. Die Tumorexzision mit ausreichendem Sicherheitsabstand ist
Therapie der Wahl. Die Mehrzahl der malignen peripheren Nervenscheidentumore
sind High-grade Sarkome, die zu Lokalrezidiven und Fernmetastasen neigen.
40–65% der betroffenen Patienten weisen Lokalrezidive auf,
Fernmetastasierungen treten in 30–60% der Fälle auf,
v. a. in Lunge, Leber, Gehirn, Knochen und Nebennieren. Regionale
Lymphknotenmetastasierung ist selten, weshalb eine Neck dissection nicht
standardmäßig durchgeführt werden sollte [333]. Eine adjuvante Radiotherapie, ggf. in
Kombination mit einer Chemotherapie wirkt sich positiv auf das 5-Jahres
Gesamtüberleben aus (65 vs. 38%) [335].
2.4.2.3.8 Sinunasales Synovialsarkom
Das Synovialsarkom ist ein mesenchymaler Tumor mit variabler epithelialer
Differenzierung und enthaltenen Drüsenformationen. Typisch ist eine
spezifische chromosomale Translokation (t(X;18)(p11;q11)), die zu einer
Bildung eines SS18-SSX Fusionsgens führt [106]
[336].
Das Synovialsarkom ist das häufigste
Nicht-Rhabdomyosarkom-Weichteilsarkom bei Kindern, Heranwachsenden und
jungen Erwachsenen mit einer Altersspanne zwischen dem 3. und 4.
Lebensjahrzehnt.
Die Ätiologie ist stark assoziiert mit vorangegangener Radiotherapie
[337]
[337]
[339]. Eine Manifestation
im Sinunasaltrakt oder der Schädelbasis tritt
äußerst selten auf.
Klinisch präsentiert sich eine palpable, meist tiefergelegene
Raumforderung mit oder ohne Druckdolenz. Makroskopisch ist der Tumor gelb
bis grau oder weißlich gestaltet. Langsam wachsende Synovialsarkome
sind in der Regel gut abgegrenzt. Mikroskopisch könne monophasische
(spindelzellförmig, kalzifizierend/ossifizierend, myxoid und
schlecht differenziert) sowie biphasische Subtypen mit glandulären
oder soliden Epithelzellen unterschieden werden. Schlecht differenzierte
Tumore können Areale mit häufigen Mitosen und Nekrosen
enthalten [106].
Die Therapie hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte nur wenig
verändert und beinhaltet die Tumorresektion für umschriebene
Befunde, häufig kombiniert mit einer Radio- oder Chemotherapie.
Kombinierte Therapien werden je nach Stadium der Erkrankung angewandt. In
einer großen Studie einer großen Studie kam bei Stadium I
und II die Tumorresektion mit postoperativer Radiotherapie, bei Stadium III
die Tumorresektion in Kombination mit einer Radiochemotherapie zum Einsatz
[340]. Eine neoadjuvante Chemotherapie
kann bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Tumorwachstum zum Einsatz
kommen, bei denen eine mutilierende Operation erforderlich wäre.
Erste Ergebnisse der Immuntherapie, die eine Aktivität bei NY-ESO-1,
Trabectedin und einer Vielzahl von Angiogenese-Inhibitoren zeigen, sind
vielversprechend [341].
2.4.2.4 Borderline- und niedrig maligne Entitäten des
Weichgewebes
2.4.2.4.1 Aggressive Fibromatose vom Desmoid-Typ
Die aggressive Fibromatose ist eine klonale, spindelzellige Neoplasie mit
infiltrativem Wachstum. Fernmetastasen treten nicht auf. Die Begriffe
Desmoid-Fibromatose und aggressive Fibromatose werden synonym mit der
aggressiven Fibromatose vom Desmoid-Typ verwendet.
Die Inzidenz wird auf 1:250 000 bis 1:500 000
geschätzt. Das Erkrankungsalter reicht von 15–60 Jahren, ca.
30% der Fälle treten im Kindesalter auf. Die Manifestation
im Kopf-Hals-Bereich betrifft ca. 15% aller aggressiven
Fibromatosen. Die sinunasale Manifestation ist noch wesentlich seltener
[106]
[342]
[343].
Die Ätiologie ist ungeklärt. Eine Assoziation mit dem
Gardner-Syndrom (siehe 2.4.1.2.1) und der familiären kolorektalen
Polyposis besteht [344]
[345].
Aggressive Fibromatosen vom Desmoidtyp zeigen schlecht abgrenzbare
Läsionen mit fokal infiltrativem Wachstum, die sich makroskopisch
als feste, weißliche Läsionen mit trabekulärem
Schnittmuster präsentieren. Immunhistochemisch zeigen Desmoide eine
nukleäre Anfärbung mit β-Catenin und häufig
zusätzlichem zytoplasmatischem Hintergrund [326]. Faszikuläres Wachstum mit
spindelförmigen Zellen und milden Kernpleomorphismen können
visualisiert werden. Atypische Mitosen und Nekrosen sind nicht vorhanden.
Das Stroma kann variabel kollagenisiert und myxoid oder mukös
anmutend konfiguriert sein.
Eine adäquate Schmerztherapie ist für Patienten mit
aggressiver Fibromatose erforderlich. Emori et al. konnten in einer Sammlung
von 16 Fällen zeigen, dass der Desmoid-Tumor-assoziierte Schmerz mit
einer Überexpression an Cyclooxygenase 2 assoziiert ist [346].
Grundsätzlich ist die vollständige chirurgische Resektion
Therapie der Wahl. Aufgrund der anatomischen Nähe zu kritischen
Strukturen kann bei Lokalisation im Sinunasaltrakt eine systemische
medikamentöse Therapie (Anti-Östrogen-Therapie,
nichtsteroidale Antiphlogistika), Chemotherapie
(Vinblastin/Vinorelbine, pegyliertes liposomales Doxorubicin),
Tyrosin-Kinase.Inhibitoren (z. B. Imatinib, Sorafenib) oder eine
Radiotherapie zurückgegriffen werden [326]
[343]
[347]. Innerhalb der letzten Jahre wurde
allerdings zunehmend eine „wait and scan“ Strategie
propagiert, da verfügbare Daten zeigten, dass nur ein geringer
Anteil von aggressiven Fibromatosen eine Progression aufweist [348] und diese meist innerhalb der ersten
36 Monate nach Diagnosestellung [349].
Die Prognose ist gut bei R0-Resektionen. Bei R1-Resektionen kommt es in der
Regel innerhalb von<2 Jahren zu einem Rezidiv [350].
2.4.2.4.2 Sinunasales Glomangioperizytom
Das Sinunasale Glomangioperizytom ist eine Spindelzellneoplasie, die in der
WHO-Klassifikation der Kopf-Hals-Tumore als neue Entität aufgenommen
wurde. Zuvor wurde die Entität als sinunasales
Hämangioperizytom bezeichnet. Innerhalb der letzten 60 Jahre war der
Begriff Hämangioperizytom gebräuchlich, um eine Vielzahl von
Neoplasien zu beschreiben, die ähnliche morphologische Eigenschaften
aufwiesen. Diese Eigenschaften betrafen ca. 15% aller
Weichgewebs-Neoplasien [351], was zu
Konfusion bei der Etablierung eines spezifischen Therapieregimes
führte [352]. Heute bezeichnet der
Terminus Hämangioperizytom keine eigene Neoplasie sondern eher ein
Wachstumsmuster, das von mehreren Neoplasien geteilt wird, die allerdings
sehr unterschiedlich sind [353].
Glomangioperizytome repräsentieren ca. 0,5% aller sinunasalen
Neoplasien. Bisher sind etwas mehr als 100 Fälle beschrieben [352]. Der Altersgipfel liegt im 7.
Lebensjahrzehnt mit einer leichten Prädilektion bei weiblichen
Patienten [106].
Häufigster Manifestationsort ist die Nasenhaupthöhle mit
Ausdehnung in die angrenzenden Nasennebenhöhlen. Isolierte
Fälle in den Nasennebenhöhlen sind selten. Das
Glomangioperizytom tritt meist unilateral auf.
Betroffen Patienten berichten von Nasenatmungsbehinderung mit
Druckgefühl und Epistaxis. Die Beschwerdedauer bis zur Diagnose
beträgt häufig mehr als ein Jahr [354].
Makroskopisch zeigt der Tumor ein polypoides, kräftig rotes bis
pinkes Bild. Die Oberfläche ist weich und fleischig.
Durchschnittlich beträgt die Tumorgröße bei
Diagnosestellung 3 cm. Mikroskopisch zeigt sich ein unbekapseltes
Wachstum unter einer intakten Epithelschicht mit nur selten Erosionen v. a.
bei größeren Tumoren. Charakteristisch ist ein musterloser,
diffuser Aufbau mit partiell faszikulärer Zellanordnung, getrennt
von Gefäßplexus aus Kapillaren bis hin zu großen
Kavernen und eine prominente, azelluläre Hyalinisierung [106]. Zellatypien fehlen. Β-Catenin
ist im Gegensatz zu den Desmoiden (siehe 2.4.2.4.1) in fast allen
Tumorzellen kräftig nachweisbar [326].
Glomangioperizytome wachsen langsam und weisen eine sehr gute
Überlebensrate auf. Rezidive treten in bis zu 40% der
Fälle auf und sind meist Folge einer unzureichenden Resektion.
Invasives Wachstumsverhalten tritt in der Regel ab einer
Tumorgröße über 5 cm auf [354]
[355].
Die Tumorresektion gilt trotz der geringen Fallzahlen als Therapiestandard.
Radio- und Chemotherapie kann bei unresektablen Tumoren oder
Fernmetastasierung zum Einsatz kommen. Adjuvante Radiotherapie ist
möglich, um die lokale Tumorkontrolle zu verbessern. Je nach
Ausprägung der Vaskularisation ist eine präoperative
Embolisation empfehlenswert, um den intraoperativen Blutverlust zu
reduzieren [356]
[356]
[358].
2.4.2.4.3 Sinunasaler solitärer fibröser Tumor
Der solitäre fibröse Tumor basiert auf einer Fusion der Gene
NAB2 und STAT6 und weist einen fibroblastischen Phänotyp mit sich
stark verzweigenden Gefäßstrukturen auf.
Synonym wird der Begriff Hämangioperizytom oder
Riesenzell-Angiofibrom verwendet.
Der solitäre fibröse Tumor ist eine Rarität und ist
für weniger als 0,1% aller sinunasalen Neoplasien
verantwortlich. Vor allem Erwachsene sind betroffen ohne eindeutige
Präferenz für ein Geschlecht [106].
Der Tumor tritt hauptsächlich in der Nasenhaupthöhle auf und
führt bei betroffenen Patienten zu Nasenatmungsbehinderung und
Epistaxis sowie unspezifischen Beschwerden wie Druckgefühl.
Makroskopisch zeigt sich ein polypoider, fest strukturierter,
weißlicher Tumor, der aufgrund des vorgegebenen engen Raums im
Sinunasaltrakt üblicherweise klein ist [359]
[360]. Histologisch zeigen
sich submukös liegende, pseudobekapselte Tumore mit variablen
Zellformationen, darunter spindelförmige Zellformationen, die
wahllos angeordnet erscheinen. Die Gefäße sind
sternförmig bis hirschgeweihartig angeordnet [106]
[325].
Therapie der Wahl ist die vollständige Tumorresektion, welche
üblicherweise zu einer kurativen Situation führt.
Patientenalter über 55 Jahre, Tumorgröße
über 15 cm, nekrotische Tumorareale und mehr als 4 Mitosen
pro 10 hochauflösenden Gesichtsfeldern legen aggressiveres Wachstum
nahe [361]
[362]. Eine adjuvante Radiotherapie scheint in diesen
Fällen v. a. bei unvollständiger Resektion und
Lokalrezidiven als zusätzliche Behandlung möglich zu sein
[363]. Die Effizienz dieser Therapie
ist allerdings aufgrund der extrem niedrigen Fallzahlen nicht
abschließend zu bewerten.
2.4.2.4.4 Epitheloides Hämangioendotheliom
Das epitheloide Hämangioendotheliom ist eine low- bis
intermediate-grade Neoplasie aus Zellen, die einen endothelialen
Phänotyp, epitheloide Morphologie und ein hyalinisiertes,
chondroides oder basophiles Stroma aufweisen [106].
Betroffen sind v. a. Erwachsene. Aufgrund des extrem seltenen Auftretens und
der schwierigen Differenzialdiagnostik ist eine Inzidenz-Abschätzung
nur schwer möglich.
Das Vorkommen im Kopf-Hals-Bereich ist sehr selten. Der Entstehungsort liegt
meist im Weichgewebe, der Haut oder dem Knochen. Extrem selten
können Lymphknoten als primäre Manifestationsorte vorkommen
[364]
[364]
[365]
[367].
Epitheloide Hämangioendotheliome wachsen sehr langsam, infiltrieren
umgebende Strukturen und metastasieren selten [368]. Die Symptome sind meist unspezifisch. Epistaxis kann je
nach Lokalisation auftreten.
Makroskopisch zeigt sich eine noduläre Tumormasse mit blasser, teils
rötlicher und teils hämorrhagischer Schnittfläche.
Histologisch zeigen sich endotheliale und histiozytäre Zellen, die
in kurzen, fadenartigen Formationen in einem myxohyalinene Stroma angeordnet
sind. Die mitotische Aktivität ist niedrig. Multizelluläre
vaskuläre Kanäle können vorhanden sein. Endotheliale
Marker sind nachweisbar (CD31, ERG, FLI1). In den meisten Fällen ist
eine WWTR1-CAMTA1 Genfusion vorhanden [106].
Die meisten Fälle verlaufen indolent. Fallberichte mit tumorbedingter
Mortalität existieren [369]
[369]
[371].
Die Therapie der Wahl ist die radikale Tumorresektion [372], die in bis zu 85% zu
Rezidivfreiheit führt [373]. Eine
medikamentöse Therapie kann kurativ oder adjuvant
durchgeführt werden. Sie beinhaltet eine Kombination aus
Corticosteroiden, zytotoxische Wirkstoffe, Thrombozytenaggregationshemmer
und Antifibrinolytika und Interferon-alpha. Für Fälle, in
denen eine R0-Resektion aufgrund hoher Morbidität nicht erreichbar
ist, kann zudem eine Radiotherapie diskutiert werden [373]
[374].
2.4.2.5 Hämatolymphoide Tumore
2.4.2.5.1 Extranodales NK/T-Zell Lymphom
Das extranodale NK/T-Zell Lymphom ist ein extranodales Lymphom mit
zytotoxischem Phänotyp und einer zwingenden Assoziation mit dem
Epstein-Barr-Virus. Synonym werden die Begriffe angiozentrisches Lymphom und
letales Mittellinien-Granulom verwendet.
Das Malignom hat eine höhere Prävalenz in Südostasien
und der indigenen Bevölkerung von Mexiko und Zentral- sowie
Südamerika. Hier repräsentiert es bis zu 10% der
Non-Hodgkin Lymphome. Im Gegensatz hierzu ist dieser Anteil in Nordamerika
und Europa unter 1%. Die Prävalenz der Erkrankung wird in
Europa auf unter 9:1 000 000 Einwohner geschätzt
[375].
Das extranodale NK/T-Zell Lymphom wächst destruierend im
oberen Aerodigestivtrakt und manifestiert sich in der
Nasenhaupthöhle, den Nasennebenhöhlen und entlang des
Waldeyerschen Rachenrings [106].
Erste Symptome sind Nasenatmungsbehinderung und Epistaxis. Das infiltrative
Wachstum führt häufig zu Perforationen des Nasenseptums oder
des harten Gaumens und zu Einwachsen in die Haut, an der bei Durchbruch
ulzerierende Läsionen entstehen. Bei Lokalisation innerhalb der
Nasennebenhöhlen können Symptome einer chronischen
Rhinosinusitis die eigentliche Erkrankung kaschieren [106]. Funktionseinschränkungen
stellen sich bei okulärer oder zerebraler Infiltration ein.
Histopathologisch zeigt sich ein diffus in das Gewebe infiltrierender Tumor
mit angiozentrischem bzw. angioinvasivem Wachstumsmuster und großen
Tumornekrose-Arealen. Die neoplastischen Zellen variieren in
Größe und Anzahl der irregulär geformten Zellkerne.
Immunhistochemisch exprimiert der Tumor CD3, zytotoxische Marker und CD56
[376]
[377].
Aufgrund der strikten EBV-Assoziation und der klaren ethnischen
Prädisposition wird ein Gendefekt der Immunantwort betroffener
Patienten gegenüber einer EBV-Infektion vermutet [378]
[379].
Die Prognose ist im Vergleich zu anderen T-Zell Lymphomen schlecht mit einer
medianen Überlebensrate von 7,8 Monaten und einer 5-Jahres
Überlebensrate von 40% [15]. Die plasmatische EBV-DNA Last ist von diagnostischer und
prognostischer Signifikanz. Sie wurde zusammen mit den PET CT Ergebnissen in
die prognostischen Algorithmen integriert [106]
[380]. Aktuelle
Chemotherapieregimes erreichen langfristige Remissionen in
70–80% der Fälle in Stadium I/II und ca.
50% in Stadium III/IV [381]
[382].
2.4.2.5.2 Extraossäres Plasmozytom
Das extraossäre Plasmozytom stellt eine raumfordernde Proliferation
monoklonaler Plasmazellen mit extraossärer Manifestation ohne das
zugrundeliegende multiple Myelom dar. Wichtig ist die Unterscheidung von
B-Zell Lymphomen mit plasmozytischer/plasmablastischer
Differenzierung, speziell vom MALT Lymphom und dem plasmoblastischen Lymphom
[106].
Das mediane Patientenalter bei Diagnosestellung beträgt ca. 60 Jahre
und es besteht eine erhöhte Prävalenz bei Patienten
männlichen Geschlechts (m:w=3–4:1) [106]
[383]
[384].
Ca. 80% der extraossären Plasmozytome manifestieren sich
innerhalb der oberen Atemwege, vorwiegend der Nasenhaupthöhle und
den Nasennebenhöhlen. Die weltweite Inzidenz wird auf 0,021 bis
4:100 000 Einwohner geschätzt [385].
Klinisch zeigen sie solitäre Raumforderungen, die zu
Atemwegseinengungen, Epistaxis, Gesichtsschmerzen, chronisch sinunasalen
Beschwerden mit Rhinorrhoe und je nach Infiltration zu
Hirnnervenausfällen und einer Protrusio bulbi führen
können.
Unter 25% der Patienten weisen ein monoklonales Serum-Paraprotein
auf, typischerweise vom IgA-Typ. Diagnostische Merkmale des multiplen
Myeloms fehlen [386]
[387].
Histologisch kann eine diffuse Infiltration gut, mittelgradig oder nur gering
differenzierter Plasmazellen und gelegentlich Amyloidablagerungen
festgestellt werden. Mittelgradig und gut differenzierte extraossäre
Plasmozytome müssen von B-Zell Lymphomen, insbesondere vom MALT
Lymphom mit extensiver plasmozytischer Differenzierung abgegrenzt werden.
Gering differenzierte extraossäre Plasmozytome sind von
plasmoblastischen Lymphomen zu differenzieren [388]
[389]. Die Zellen
exprimieren häufig Merkmaler einer plasmozytischen Differenzierung
(C138, C38, VS38, MUM1/IRF4) [390]. Monotypische Immunglobulin Leichtketten können
typischerweise festgestellt werden.
Therapie der Wahl ist die lokale Radiotherapie, welche eine wesentlich
bessere Prognose als bei multiplem Myelom erbringt. Die
krankheitsspezifische 5- und 10-Jahres Überlebensrate wird in der
aktuellen Literatur mit bis zu 82 bzw. 76% angegeben [391]
[391]
[393]. Lokalrezidive oder
Versprengung in andere extraossäre Lokalisationen sind
möglich. Circa 15% der Patienten entwickeln im Verlauf ein
multiples Myelom [383].
2.4.2.5.3 Langerhans-Zell-Histiozytose
Im Rahmen der Langerhans-Zell-Histiozytose (LZH) kommt es zu einer
Proliferation und Akkumulation von Langerhans-Zellen in unterschiedlichen
Gewebearten. Die Prävalenz in der europäischen
Bevölkerung wird auf 1–2:100 000 geschätzt.
Eine primäre Manifestation der LZH in der Nase, den
Nasennebenhöhlen oder an der Schädelbasis ist noch deutlich
seltener anzutreffen. Genaue Zahlen hierzu existieren nicht. Besonders
häufig ist die Erkrankung bei Kindern zu finden. Der Altersgipfel
betroffener Patienten liegt zwischen 1 und 4 Jahren [394]
[395]. Typische Manifestationen der LZH finden sich innerhalb des
Knochens (80%), in der Haut (35%) sowie an der Hypophyse
(25%). Seltener betroffene Organsysteme sind Lunge, Leber und das
hämatopoetische System (15–20%) [396]. Schwere Verläufe
können zu einer sklerosierenden Cholangitis oder neurodegenerativen
Veränderungen in bis zu 2% der Fälle
führen.
Bei Befall der Nase oder der Nasennebenhöhlen stellen sich zumeist
Druckgefühl und Schmerzen über der befallenen Region ein.
Bei Befall des Sinus frontalis oder maxillaris kann es zu Schwellungen im
Gesichtsbereich kommen [397]. Aufgrund der
raumfordernden Wirkung der Manifestation der LZH sind Affektionen
benachbarter Strukturen wie z. B. dem Nervus opticus möglich
[398].
Bildmorphologisch präsentiert sich die Erkrankung mit gut
abgrenzbaren, fast „ausgestanzt“ wirkenden
knöchernen Läsionen und Beteiligung des angrenzenden
Weichgewebes. Läsionen ohne knöcherne Erosionen wurden
ebenfalls demonstriert [399]
[400]. In einer Untersuchung von 163
Patienten mit LZH konnte in 55% der Fälle eine
magnetresonanztomografische Beteiligung der Nasennebenhöhlen oder
der Mastoide diagnostiziert werden [401].
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass bei Patienten mit disseminierter
Erkrankung eine BRAF V600E Mutation nachgewiesen werden kann, die ebenfalls
in malignen Melanomen auftritt [402]
[402]
[404]. Die Möglichkeit einer Anwendung einer „Targeted
Therapy“ mit Inhibitoren, die bereits im Rahmen eines Malignen
Melanoms verwendet werden, wird derzeit untersucht. Nicht zuletzt aufgrund
dieser Mutation bleibt die Debatte, ob es sich bei der LZH um eine maligne
Erkrankung mit variierender klinischer Manifestation handelt, bestehen.
Aufgrund der nicht gänzlich geklärten Pathogenese der LZH ist
die Therapie empirisch und hängt von der jeweiligen Manifestation
und dem Grad des systemischen Befalls ab. Die Diagnose wird über
eine Gewebeprobe gesichert. Die Exzision oder Kürettage befallener
Areale kann eine effektive Therapie für unifokale Manifestationen
sein [405]. Die Prognose ist bei
unifokaler Manifestation gut. Die Gabe von 125 mg Methylprednisolon
wird aufgrund der inhibitorischen Wirkung auf die Osteolyse empfohlen.
Radiotherapie wird vorwiegend bei Rezidiven eingesetzt. Bei systemischem
Befall mit multifokaler Ausbreitung ist die Prognose deutlich schlechter.
Therapeutisch werden medikamentöse Therapien mit Vinblastin,
Prednison, Etoposid und Methotrexat in verschiedenen Kombinationen verwendet
[406].
2.4.2.6 Neuroektodermale und melanozytäre Tumore
2.4.2.6.1 Ewing-Sarkom, primitiver neuroektodermaler Tumor
Das Ewing Sarkom und der primitive neuroektodermale Tumor sind primitive,
rund-/kleinzellige high-grade Sarkome mit variabler
neuroektodermaler Differenzierung. Charakteristisch ist eine Translokation
zwischen dem EWSR1 Gen und Chromosom 22 sowie einem Mitglied der
ETS-Transkriptionsfamilie [106].
Synonym werden die Begriffe peripherer neuroektodermaler Tumor, peripheres
Neuroepitheliom, peripheres Neuroblastom oder adultes Neuroblastom
verwendet.
Ewing Sarkome und primitive neuroektodermale Tumore manifestieren sich nur in
2–10% der Fälle im Kopf-Hals-Bereich und weisen eine
höhere Inzidenz beim männlichen Geschlecht auf. Vorwiegend
sind Kinder und junge Erwachsene betroffen [106].
Manifestationen im Kopf-Hals-Bereich sind Schädel- und Kieferknochen,
deutlich weniger sind die Nasennebenhöhlen oder die
Nasenhaupthöhle betroffen. Häufigster Manifestationsort des
Sinunasaltrakts ist der Sinus maxillaris und die Nasenhaupthöhle.
Infiltrationen in die Orbita oder nach intrakraniell sind möglich
[407]
[408]. [Abb. 15] zeigt die
magnetresonanztomografische Darstellung des Schädels eines
9-jährigen Patienten, der durch eine Abduzensparese linksseitig
aufgefallen war.
Abb. 15Ewing Sarkom der Schädelbasis links, ausgehend vom Sinus
sphenoidalis mit intrakranieller Infiltration.
Schmerzen, progrediente Schwellungen, Nasenatmungsbehinderung mit raschem
Progress sind typische Symptome betroffener Patienten.
Makroskopisch zeigen sich polypoide oder multilobuläre,
grau/weißliche, teils hämorrhagische Tumore mit
Ulcerationen. Histologisch ist ein ausgesprochen zellulärer Tumor
mit diffusem bis lobulärem Wachstum und trabekulärem oder
strangartigem Aufbau festzustellen. Einheitliche kleine Zellen mit runden
bis ovalen Zellkernen, diskretes nukleäres Chromatin, blasses
Zytoplasma und undeutliche Zellgrenzen sind weitere Merkmale. Die mitotische
Aktivität ist mit 5–10 Mitosen pro hochauflösenden
10 Gesichtsfeldern variabel ausgeprägt [106]. In 90–95% der Fälle existiert eine
konsistente, reziproke Translokation zwischen den EWSR1 Gen auf Chromosom 22
und dem FLI1 Gen auf Chromosom 11 [409].
Neben der MRT und CT ist die PET-CT zum Staging empfohlen, um
Fernmetastasierung auszuschließen bzw. korrekt zu lokalisieren und
das eventuell erforderliche chirurgische Vorgehen besser planen zu
können [410]. Sofern
möglich, ist eine Exzision des Befundes mit ausreichendem
Sicherheitsabstand anzustreben. Obwohl Ewing Sarkome als strahlensensitiv
eingestuft werden, ist die Anzahl von Patienten, die innerhalb der letzten
30 Jahre primär radiotherapiert wurden, stetig gesunken. Ein Grund
hierfür ist die Spättoxizität und das Risiko von
sekundären Malignomen nach Radiotherapie, da besonders Kinder von
der Erkrankung betroffen sind. Die Modifikation von Chemotherapien hat
innerhalb der letzten Jahrzehnte die Überlebensraten von
ursprünglich ca. 10% deutlich erhöht. Die derzeitige
5-Jahres Überlebensrate für sinunasale
Ewing-Sarkome/primitive neuroektodermale Tumore ohne Metastasierung
liegt bei 50–75% und ist damit besser als für andere
Lokalisationen [408]
[411]. Chemotherapie-Schemata sind VACA
(Vincristin, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Actinomycin), VAIA (Ifosfamid
anstelle von Cyclophosphamid) oder EVAIA (zusätzlich Etoposid) und
VIDE (ohne Actinomycin). Trotz der guten Prognoseentwicklung ist das Outcome
von Patienten mit Metastasen deutlich schlechter [412].
2.4.2.6.2 Olfaktoriusneuroblastom
Olfaktoriusneuroblastome sind maligne neuroektodermale Neoplasien.
Entsprechend ihrer Genese sind sie häufig in den kranialen Anteilen
der Nasenhaupthöhle entlang der Regio olfactoria lokalisiert.
Synonym wird der Begriff Aesthesioneuroblastom verwendet.
Die Inzidenz wird mit ca. 4:10 000 000 angegeben. Insgesamt
repräsentiert die Entität ca. 3% aller
Nasennebenhöhlenmalignome [106]
[413]. Das Alter
betroffener Patienten reicht in den in der Literatur beschriebenen
Fällen von 2 bis 90 Jahren mit einem Altersgipfel zwischen dem 5.
und 6. Lebensjahrzehnt. Männer sind häufiger betroffen
(1,2:1). Eine ethnische oder familiäre Prädilektion
existiert nicht.
Der Tumor kann sich entlang der Lamina cribrosa, dem medialen Anteil der
mittleren Nasenmuschel oder dem kranialen Anteil des Nasenseptums
manifestieren. Ursprungsorte sind das vomeronasale Organ, das Ganglion
sphenopalatinum, entsprechend der Embryologie die olfaktorische Plakode oder
der Nervus terminalis, der die Ethmoidspalte des anterioren Anteils der
Lamina cribrosa ausfüllt [414].
Ektope Manifestationen im Siebbein sind möglich, allerdings extrem
selten für alle anderen Sinus [415]
[416]. Aufgrund des
Entstehungsortes ist die Schädelbasis grundsätzlich in das
Tumorgeschehen involviert.
Initial weisen Olfaktoriusneuroblastome häufig Beschwerden auf, die
denen gutartiger Läsionen ähneln, weshalb es häufig
zu einer späten Diagnosestellung kommt. Nasenatmungsbehinderung und
gelegentlich Epistaxis werden von den Patienten berichtet. Cephalgien,
Rhinorrhoe, Epiphora und Visusstörungen sind Symptome eines bereits
ausgedehnteren Tumorwachstums. Die Anosmie ist trotz der Lokalisation an der
Lamina cribrosa mit<5% selten. Paraneoplastische Syndrome
treten in ca. 2% der Fälle auf.
Klinisch präsentiert sich eine Tumormasse, die von der Lamina
cribrosa ausgeht und sich über weite Teile dieser erstreckt. Meist
ist das Tumorwachstum unilateral und imponiert polypoid, weich mit
rot-grauer Oberfläche bei intakter Mucosa. Computer- und vor allem
Magnetresonanztomografie ermöglichen die Ausdehnungsbestimmung
([Abb. 16]) und Darstellung einer
Infiltration der Orbita, was beispielhaft an [Abb. 17] zu erkennen ist.
Abb. 16 Links: Koronare T1-gewichtete MRT-Darstellung eines
Olfaktoriusneuroblastoms. Zu erkennen ist die intrakranielle
Infiltration der linken Frontobasis. Rechts: Koronare T2-gewichtete,
intraoperative MRT nach Resektion des Olfaktoriusneuroblastoms. Die
Rekonstruktion der Rhinobasis ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht
erfolgt.
Abb. 17 Koronare T1-gewichtete MRT-Darstellung eines
Olfaktoriusneuroblastoms mit Verdrängung und beginnender
Infiltration des orbitalen Inhalts (roter Pfeil).
Es existieren verschiedene Staging-Systeme (Kadish [417], Morita [418] und nach TNM [419]), wobei
die Einteilung nach Kadish die weiteste Verbreitung zeigt.
Olfaktoriusneuroblastome werden in low grade- und high
grade-Entitäten unterteilt. Low grade Olfaktoriusneuroblastome
zeigen scharf demarkierte, submukös wachsende Zellnester, die oft
durch vaskuläres oder hyalinisiertes Bindegewebe voneinander
getrennt sind. Sogenannte Homer Wright Rosetten/Pseudorosetten, in
denen sich neoplastische Zellen palisadenartig um die zentral liegende
neurale Matrix verteilen, sind charakteristisch. High grade
Olfaktoriusneuroblastome zeigen Tumornekroseareale, Pleomorphismen, eine
gesteigerte Mitoserate sowie ein weniger offensichtliches lobuläres
Wachstum [106].
Das bekannteste Grading-System stammt von Hyams et al. [420]. In diesem wird je nach
Differenzierungsgrad zwischen Grad I (hochdifferenziert) und Grad IV
(niedrig differenziert) unterschieden. Kriterien sind Tumorarchitektur,
mitotische Aktivität, nukleäre Polymorphismen,
fibrilläre Matrizen und Rosetten, Nekroseareale, glanduläre
Proliferation und Kalzifikationen.
In einer 2009 publizierten Arbeit von Mao et al. konnte gezeigt werden, dass
der PTCH1, GLI1 und GLI2 Signalweg in die Pathogenese der
Olfaktoriusneuroblastome involviert sind, was eine zentrale Rolle des Sonic
Hedgehog Signalwegs nahelegt [421].
Primäre Therapieoption ist die Tumorresektion, gefolgt von einer
lokalen Radiotherapie. Entgegen der traditionellen, 1963 erstmals
beschriebenen kraniofazialen Resektion [422] wird heute die endoskopische Resektion des Tumors
favorisiert. Entgegen der ursprünglichen Annahme, dass nur die
en-bloc-Resektion des Tumors langfristige Rezidiv-Freiheit gewähren
könnte, zeigen endoskopische Verfahren ein ähnlich gutes
onkologisches Outcome bei allerdings deutlich weniger invasiven Eingriffen
[423]. Fortgeschrittenes Tumorwachstum
kann zusätzlich eine Chemotherapie erforderlich machen. High grade
Tumore nach Hyams sprechen hierauf besser an, weshalb in
Einzelfällen auch eine Induktions-Chemotherapie diskutiert werden
kann [424].
Eine Meta-Analyse von Dulguerov et al analysierte die
Krankheitsverläufe in Abhängigkeit der Therapieschemata und
zeigte das beste Outcome für Patienten, die eine Tumorresektion
gefolgt von einer lokalen Radiotherapie erhalten hatten. Patienten dieser
Gruppe zeigten eine 2-Jahres Überlebensrate von 65%,
verglichen mit 48 und 37% bei alleiniger Tumorresektion bzw.
alleiniger Radiotherapie [425]. Aktuelle
Studienergebnisse zeigen zudem ein signifikant verbessertes
krankheitsspezifisches Überleben für Patienten im Stadium
T3/T4, bei denen eine Tumorresektion und Strahlentherapie
durchgeführt wurde, im Vergleich zu einer alleinigen chirurgischen
Therapie [426].
2.4.2.6.3 Maligne Schleimhautmelanome
Schleimhautmelanome sind maligne Neoplasien, die aus Melanozyten der
Schleimhaut entstehen und die sich biologisch von kutanen Melanomen
unterscheiden. Die Ätiologie ist unbekannt.
Schleimhautmelanome sind für weniger als 1% aller malignen
Melanome verantwortlich [427] und
repräsentieren ca. 4% aller sinunasalen Tumore. Die
Altersspanne ist weit gefächert und weist einen Altersgipfel
innerhalb des 7. Lebensjahrzehnts auf [106].
Häufigster Manifestationsort ist die Nasenhaupthöhle mit dem
Nasenseptum und deutlich seltener der Nasopharynx oder Sinus maxillaris
[428]
[429]. Aufgrund der Abschirmung von Sonneneinstrahlung scheint das
sinunasale Schleimhautmelanom eine unterschiedliche Biologie
gegenüber dem kutanen malignen Melanom zu besitzen. Etwa 20%
der betroffenen Patienten weisen bei Diagnosestellung multifokale Herde auf,
etwa 40% der diagnostizierten Melanome sind amelanotisch [430].
Maligne Schleimhautmelanome können sich als plane, pigmentierte
Schleimhautveränderungen ([Abb.
18]) oder als polypöse, raumfordernde Tumorformationen
präsentieren ([Abb. 19] und [ 20]). Symptome bei der Erstvorstellung
sind häufig Epistaxis und Obstruktion der Nase bzw.
Nasenatmungsbehinderung. Derart unspezifische Beschwerden führen
häufig zu einer Diagnosestellung in höheren
Tumorstadien.
Abb. 18 Malignes Schleimhautmelanom vor dem Ansatz der
mittleren Muschel unmittelbar unterhalb und vor dem Agger nasi
rechts. Es zeigt sich eine pigmentierte, nicht erhabene
Schleimhautveränderung.
Abb. 19 Malignes Schleimhautmelanom der unteren Nasenmuschel
sowie der lateralen Nasenwand links. Am Muschelkopf zeigt sich ein
polypös anmutendes Tumorwachstum.
Abb. 20 Malignes Schleimhautmelanom der
Nasenhaupthöhlen-Schleimhaut links mit polypös
anmutendem Wachstum.
Makroskopisch weist das Schleimhautmelanom eine polypoide Formation auf. Es
kann pigmentiert und brüchig bis hellbraun oder grau und fest
konfiguriert sein [106]. Mikroskopisch
zeigen sich häufig Ulzerationen der Schleimhautbedeckung mit
variabler Zellmorphologie, die von epitheloiden/undifferenzierten
Zellen zu spindelformigen, plasmazytoiden und rhabdoiden Zellen mit
teilweisen prominenten Kernen reicht. Atypische Mitosen sind häufig
zu beobachten. Knapp die Hälfte der Malignome können eine
amelanotische Ausprägung zeigen, was die Anzahl der
möglichen Differenzialdiagnosen deutlich erhöht
(u. a. Olfaktoriusneuroblastom, Rhabdomyosarkom, Sinunasales
undifferenziertes Karzinom, schlecht differenziertes
Plattenepithel-Karzinom) [106].
Im Gegensatz zu kutanen Melanomen sowie Aderhautmelanomen zeigen sich
höhere Raten von KIT- und NRAS-Mutationen. BRAF Mutationen hingegen
sind selten [431]
[432].
Entscheidend für Staging und Prognose ist die korrekte
Differenzierung eines mukosalen Melanoms von einer sinunasalen
Metastasierung eines kutanen malignen Melanoms. Fernmetastasierung und
fortgeschrittenes Patientenalter sind die entscheidendsten Prognosefaktoren.
Entsprechend der 7. Ausgabe des „Cancer Stanging Manuals des
American Joint Committee on Cancer“ besteht im Stadium T3 und T4
eine 5-Jahres Überlebensrate von unter 30% [433]
[433]
[435].
Gegenwärtige Behandlungsempfehlungen befürworten die
weiträumige lokale Exzision, sofern möglich [436]. Die Rolle der postoperativen
Radiotherapie ist umstritten. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2012 konnte
keine höhere Überlebensrate feststellen [437]. Andere Studienergebnisse belegen eine
gesteigerte 3-Jahres Überlebensrate von 18 auf 30% sowie
eine reduzierte lokale Rezidivrate nach postoperativer Radiotherapie [438]
[439]. Anti-PD-1 Antikörper sowie Anti-CTLA-4
Antikörper Therapien zeigen vielversprechende Ergebnisse bei
fortgeschrittenen oder metastasierten Schleimhautmelanomen, allerdings ist
die Evidenz zu gering, um die klinische Anwendung zu rechtfertigen [436]
[440].
2.4.2.7 Keimzelltumore
2.4.2.7.1 Sinunasales Teratokarzinosarkom
Teratokarzinosarkome sind maligne Neoplasien mit histologischen Eigenschaften
sowohl von Teratomen als auch Karzinosarkomen ohne bösartige
Keimzellbestandteile. Die Begriffe Malignes Teratom, Blastom, Teratokarzinom
und teratoides Karzinosarkom werden synonym verwendet.
Teratokarzinosarkome sind sehr seltene Tumore, die hauptsächlich bei
männlichen Erwachsenen auftreten (mittleres Patientenalter 60
Jahre).
Am häufigsten tritt der Tumor in der Nasenhaupthöhle, gefolgt
von Sinus ethmoidalis und maxillaris auf. In etwa 20% der
Fälle kann eine intrakranielle Beteiligung festgestellt werden [441].
Die Diagnose stellt sich anhand des Nachweises von malignen epithelialen
Elementen und 2 oder mehr malignen mesenchymalen Komponenten wie
z. B. Fibroblasten, Knorpel, Knochen oder glatter Muskulatur. Diese
Kombinationen können primitiven bronchialen oder intestinalen
Strukturen ähneln, die im Sinonasaltrakt fremd wirken [442]. Die teratoiden Elemente sind
wesentliche diagnostische Faktoren des sinunasalen Teratokarzinosarkoms.
Fetal anmutendes, klarzelliges Plattenepithel und tubuläre oder
glanduläre Formationen sind weitere Kriterien für die
Diagnosestellung. Stammzell-Anteile sind beim Teratokarzinosarkom nicht
vorhanden [443]
[443]
[444]
[445]
[447].
Die Behandlung des sinunasalen Teratokarzinosarkoms ist aufgrund der hohen
Malignitätsrate und der schlechten Prognose schwierig. Um
realistische Chancen auf ein längerfristiges tumorfreies
Überleben zu haben, wird eine radikale Tumorresektion gefolgt von
einer Radiotherapie empfohlen [448]. In
Fällen einer intrakraniellen Ausdehnung wurden kombinierte intra-
und extrakranielle Herangehensweisen beschrieben, um en-bloc Resektionen zu
realisieren [449]. Eine
Übersichtsarbeit von Misra et al. identifizierte 5 Berichte, in
denen die Tumorresektion endoskopisch unterstützt wurde [441]. Die Rolle einer adjuvanten
Chemotherapie ist aufgrund nur weniger Fallberichte nicht gesichert.
Aufgrund der extremen Seltenheit sind die Charakteristika und optimale
Therapieschemata nicht definiert.
Lymphknoten- und Fernmetastasierungen sind häufig. Die berichteten
Überlebensraten variieren von 50–70% in
unterschiedlichen Analysen [106]
[441].