Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(01): 76-79
DOI: 10.1055/a-1327-1424
Kasuistik

Differenzialdiagnose Rückenschmerzen mit Entzündungsparametern: Fallvorstellung: Manifestation einer CPPD als Crowned Dens Syndrom mit Befall peripherer Gelenke

Differential Diagnosis of Back Pain with Inflammatory Markers: Case Presentation: Manifestation of CPPD as Crowned Dens Syndrome with Involvement of Peripheral Joints
Arnd Kleyer
1   Rheumatologie, Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 3, Rheumatologie und Immunologie, Erlangen, Deutschland
,
Frank Roemer
2   Radiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Radiologisches Institut, Erlangen, Deutschland
,
Georg Schett
1   Rheumatologie, Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 3, Rheumatologie und Immunologie, Erlangen, Deutschland
,
Bernhard Manger
1   Rheumatologie, Universitätsklinikum Erlangen, Medizinische Klinik 3, Rheumatologie und Immunologie, Erlangen, Deutschland
› Author Affiliations

Funding: This study was supported by a project grant from Rheumastiftung (Neue Konzepte zur Diagnostik und Therapie der Chondrokalzinose), Siemens Healhineers provided cinematic rendering terchnique.
 

Zusammenfassung

Der aktuelle Fall beschreibt den Fall eines 84 jährigen Patienten mit zunächst unklaren Rückenschmerzen und hohen Entzündungsparameter. Nach Ausschluss infektiöser Ursache konnte im Verlauf eine CPPD (Calcium pyrophosphat deposition disease) Erkrankung mit Wirbelsäulenbefall diagnostiziert werden. Neue radiologische Segmentierungsverfahren erlaubten zudem die Detektion von CPPD Kristallen in peripheren Gelenken. Nach Gabe von Prednisolon und Kineret konnte die Beschwerdesymptomatik erfolgreich behandelt werden.


Abstract

This case report describes the case of a patient with back pain of unknown origin and high inflammatory markers. After an infectious cause was ruled out, he was diagnosed with CPPD disease with spinal infestation. New radiological segmentation methods also allowed the detection of CPPD crystals in peripheral joints. Treatment with prednisolone and short-term Kineret was initiated and the symptoms were treated successfully.


Fall

Anamnese

Die stationäre Aufnahme des 84 jährigen Patienten erfolgte zum Ausschluss einer Spondylodiszitis bei starken, teilweise immobilisierenden Schmerzen in der Halswirbelsäule sowie erhöhten Entzündungsparametern. An relevanten Vorerkrankungen bestanden eine arterielle Hypertonie, benigne Prostatahyperplasie sowie eine Angststörung. Begleitmedikation mit Tamsulosin, Amytryptilin, Sertralin, Pregabalin.

2 Wochen vor stationärer Einweisung hatte unser Patient unter akut aufgetretenen Schulterschmerzen gelitten, welche mittels symptomatischer Maßnahmen und nicht steroidalen Antiphlogistika unter ambulanten Bedingungen zunächst kontrollierbar waren. Nachdem jedoch stärkste Schmerzen in der Halswirbelsäule hinzugekommen waren, erfolgte die stationäre Aufnahme zur weiteren Differenzialdiagnostik und zum Ausschluss einer Spondylodiszitis.



Diagnostik

Klinischer Befund

Reduzierter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand; Größe 182cm, Gewicht 90 kg, Cor/Pulmo/Abdomen: unauffälliger Untersuchungsbefund, diskrete Beinödeme beidseits. Rechte Schulter/rechtes Schulterblatt: muskulärer Hartspann, Schmerzen im Ruhe und bei Bewegung; dumpfer Schmerzcharakter, keine Einschränkung der Kraft und Beweglichkeit. Halswirbelsäule: Steifigkeit insbesondere Morgens (30 min), nächtliche Schmerzen und Myalgien im HWS/Nakenbereich.


Initiale radiologische Diagnostik

Die Spondylodiszitis konnte durch eine initial durchgeführte Magnetresonanztomografie der Wirbelsäule ausgeschlossen werden. Es zeigte sich jedoch ein Ödem mit Begleitreaktion um HWK 7 und BWK 1 mit umgebender entzündlicher Begleitreaktion der Weichteilstrukturen bei bereits vorbekannten foraminalen Engen von HWK 3 bis BWK 1.

Labordiagnostik: Serologisch fanden sich keine Hinweise auf eine rheumatologische Ursache der Gelenkbeschwerden. (RF/Anti-CCP/ANAs/ANCAs) zeigten sich unauffällig. Harnsäure (3,8 mg/dl) Nierenretentionsparameter (Kreatinin 0,81 mg/dl), Elektrolyte (Kalium/Calcium/Natrium/Magnesium) waren ebenfalls im Normbereich.

Weiterführende radiologische Diagnostik: Aufgrund der vorbeschriebenen ausgeprägten degenerativen Veränderungen der HWS führten wir eine CT Untersuchung durch, bei der sich eine Verkalkung der Ligamenta alaria um den Dens axis ([Abb. 1]) sowie der Supraspinatussehe beidseits zeigte ([Abb. 2]), sodass wir den Verdacht auf eine Kalziumpyrophosphaterkrankung mit einem akuten Schub stellten.

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Abb. 1 Konventionelle CT Aufnahme der Halswirbelsäule. Sagittale (links) und coronare (rechts) Reformationen. Weiße Pfeile deuten auf Bandförmige Verkalkungen um die Densspitze entlang des periodontalen Ligaments mit sog. „crown-sign. Die Pfeilspitze zeigt zusätzliche Verkalkungen der anterioren Bandstrukturen.
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Abb. 2 Konventionelle Röntgenaufnahmen. Im Bereich des lateralen Gelenkspaltes des linken Kniegelenks sowie im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter (weiße Pfeile) deutliche Zeichen einer Verkalkung

Zum Abklärung weitere Gelenkmanifestationen wurden Röntgenbilder der Kniegelenke sowie der Schultern durchgeführt. Am linken Kniegelenk zeigte sich eine Meniskocalzinose in lateralen Kompartiment. In der Schulter zeigten sich Verkalkungen im Bereich der Supraspinatussehne.

Neben den großen Gelenken kann es häufig zu einem Befall der mittleren und kleineren Gelenke kommen. Insbesondere der radio-carpale und radio-ulnare Bereich mit dem TFCC ist häufig befallen [1] [2] [3] [4] [5]. Um dies bei unserem Patienten auszuschließen wurde eine konventionelle Röntgenaufnahme der Hand durchgeführt ([Abb. 3]). Hier zeigte sich kein eindeutiger Hinweis auf Kalkablagerungen. Bei persistierenden Schmerzen führten wir eine hochauflösende CT Aufnahme durch. Erst hiermit konnte insbesondere unter Zuhilfenahme neuer fotorealistischen Segmentierungstechniken (Cinematic Rendering, Siemens Healthineers) der Befall der Handgelenke mit CPPD Kristallen sichtbar gemacht werden ([Abb. 3]) [6].

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Abb. 3 Konventionelle Röntgenaufnahme: Im Bereich der proximalen Handgelenkesreihe ist im konventionellen Röntgen kein Hinweis auf Kalkablagerungen zu sehen. Auf der rechten Seite sind segmentierte Aufnahmen aus einen HR-pQCT Scanner zu sehen.In der oberen Reihe eine konventionelle Segmentierung, in der unteren Reihe eine neue, fotorealistische Segmentierung des Handgelenks. Hier finden sich innerhalb der weißen Kreise deutliche Nachweise von Kalkablagerungen.


Diskussion

Herausforderung in der Diagnostik

Die CPPD kann neben den peripheren Gelenken auch das Achsenskelett befallen. Das „crowned dens syndrom“ stellt wohl die bekannteste Sonderform der axialen CPPD nämlich die Beteiligung des Atlantodentalgelenks „crowned dens sign“ dar [7] [8] [9]. Die diagnostische Herausforderung besteht in der richtigen Einschätzung der häufig geäußerten Symptome mit Nackenschmerzen (in 100% der Fälle) und -steifigkeit (in 98%) in Verbindung mit Fieber (in 80%) und hohen Entzündungsparametern (in 88%) [7]. Differenzialdiagnostisch wird zunächst an Erkrankungen wie Meningitis, Polymyalgia rheumatica, Riesenzellarteriitis oder Spondylodiszitis gedacht [9]. Für die Diagnostik der CPPD an der Wirbelsäule ist die Computertomografie das bildgebende Verfahrung der Wahl, da nur mit dieser Bildgebung die linearen Kalzifizierungen um den Dens axis – meist im Ligamentum transversum gelegen –nachgewiesen werden können [10].


Therapeutische Maßnahmen

Leider stellt das Fehlen aussagekräftiger, kontrollierter Studien den behandelnden Arzt vor eine große Herausforderung. In Anlehnung an die Behandlung eines Schubes einer Arthritis Urica werden viele Therapieansätze in Analogie verwendet zur Behandlung einer symptomatischen CPPD. Die europäischen Fachgesellschaft EULAR der Rheumatologen veröffentlichte 2011 Empfehlungen zum Management dieser Erkrankung, basierend auf der (geringen) verfügbaren Evidenz [11].

So umfasst die Behandlung medikamentöse und nichtmedikamentöse Maßnahmen und sollte auch Komorbiditäten und metabolische Grunderkrankungen miteinschließen. Im Falle eines Schubes einer CPPD Arthritis können Ruhe, Kühlung und Gelenkinjektion mit Glukokortikoiden ausreichend sein. Sowohl NSAR als auch Colchicin (3–4 msl 0,5 mg/dl) sind wirksam in der Therapie der akuten CPPD Arthritis. Darüber hinaus ist eine kurze Therapie mit oralen Kortikosteroiden in absteigender Dosierung möglich. Als Anfallsprophylaxe bei häufig rezidivierenden akuten CPP-Arthritiden kommt Colchicin (0,5–1 mg/d) oder niedrig dosierten NSAR möglich. In Fallberichten ist zudem der kurzfristige Einsatz von IL1 Blockern wir Kineret bei therapierefraktärer Erkrankung möglich [11] [12] [13].


Therapie und Verlauf im aktuellen Fall

Nach Ausschluss der Spondylodiszitis erfolgte die Gabe von Methylprednisolon 100 mg i.v (SDH) mit anschließender Reduktion auf 20 mg Prednisolon p.o. und NSAR (Etoricoxib 60 mg/ag). Darüber hinaus erfolgte die Gabe von Kineret (Anakinra) über 3 Tage mit einer Gabe s.c./Tag . Hierunter sistierten die Beschwerden prompt. Bis zur Entlassung konnte die Prednisolondosis auf 7,5 mg/Tag reduziert werden mit der Empfehlung das Prednisolon innerhalb von 4 Wochen schrittweise abzusetzen. Bei Entlassung war der Patient beschwerdefrei.




Interessenkonflikt

Die Autoren (AK) erklären, dass sie innerhalb der vergangenen 3 Jahre Forschungsunterstützung von Lilly Pharma, Novartis und Gilead sowie Vortragshonorare von Novartis, Lilly, Gilead, Janssen erhalten haben.

Danksagung

Klaus Engel (Healthineers) Unterstützung Cinematic Rendering.


Korrespondenzadresse

Dr. Arnd Kleyer
Universitätsklinikum Erlangen
Medizinische Klinik 3
Rheumatologie und Immunologie
Ulmenweg 18
91052 Erlangen
Deutschland   
Phone: + 49-(0)9131-85 32093   
Fax: + 49-(0)9131-85 32092

Publication History

Article published online:
16 February 2021

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Abb. 1 Konventionelle CT Aufnahme der Halswirbelsäule. Sagittale (links) und coronare (rechts) Reformationen. Weiße Pfeile deuten auf Bandförmige Verkalkungen um die Densspitze entlang des periodontalen Ligaments mit sog. „crown-sign. Die Pfeilspitze zeigt zusätzliche Verkalkungen der anterioren Bandstrukturen.
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Abb. 2 Konventionelle Röntgenaufnahmen. Im Bereich des lateralen Gelenkspaltes des linken Kniegelenks sowie im Bereich der Rotatorenmanschette der rechten Schulter (weiße Pfeile) deutliche Zeichen einer Verkalkung
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Abb. 3 Konventionelle Röntgenaufnahme: Im Bereich der proximalen Handgelenkesreihe ist im konventionellen Röntgen kein Hinweis auf Kalkablagerungen zu sehen. Auf der rechten Seite sind segmentierte Aufnahmen aus einen HR-pQCT Scanner zu sehen.In der oberen Reihe eine konventionelle Segmentierung, in der unteren Reihe eine neue, fotorealistische Segmentierung des Handgelenks. Hier finden sich innerhalb der weißen Kreise deutliche Nachweise von Kalkablagerungen.