CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(06): 679-698
DOI: 10.1055/a-1326-1792
GebFra Science
Review/Übersicht

Entscheidungshilfen zu präventiven Handlungsalternativen für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen: eine systematische Übersicht

Article in several languages: English | deutsch
Lisa Marlene Krassuski
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
Sibylle Kautz-Freimuth
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
Vera Vennedey
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
Kerstin Rhiem
2   Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
Rita K. Schmutzler
2   Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, Universitätsklinikum Köln, Köln
,
Stephanie Stock
1   Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, Universitätsklinikum Köln, Köln
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Frauen mit einer pathogenen BRCA1/2-Mutation haben ein deutlich erhöhtes Lebenszeitrisiko, an Brust- und/oder Eierstockkrebs zu erkranken. Als derzeitige präventive Handlungsalternativen werden ein intensiviertes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm und risikoreduzierende Operationen angeboten. Vor der Entscheidung für eine Option müssen medizinische und persönliche Faktoren wie die Lebenssituation und individuelle Präferenzen sorgfältig abgewogen werden. Um BRCA1/2-Mutationsträgerinnen während ihres Entscheidungsfindungsprozesses zu unterstützen, werden international Entscheidungshilfen eingesetzt. In dieser Studie werden diese erstmals strukturiert analysiert und auf ihre Übertragbarkeit auf den deutschen Kontext geprüft.

Material und Methoden Es wurden eine systematische Literaturrecherche in 5 elektronischen Datenbanken sowie eine Handsuche durchgeführt. Die identifizierten Entscheidungshilfen wurden bezüglich formaler Kriterien, medizinischer Inhalte und ihrer Qualität bewertet. Die qualitative Bewertung erfolgte mithilfe der Kriterien der International Patient Decision Aid Standards Collaboration (IPDASi v4.0), mit denen verschiedene Dimensionen überprüft wurden (z. B. Informationen, Wahrscheinlichkeiten, Wertevorstellungen).

Ergebnisse Es wurden 20 Entscheidungshilfen eingeschlossen, die zwischen 2003 und 2019 in Australien (n = 4), Großbritannien (n = 3), Kanada (n = 2), den Niederlanden (n = 2) und den USA (n = 9) veröffentlicht wurden. Neun richten sich an BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, 11 schließen weitere Risikogruppen ein. 18 beinhalten als Entscheidungsoptionen risikoreduzierende Operationen, 14 benennen Früherkennungsverfahren für Brust- und/oder Eierstockkrebs, 13 beschreiben die Möglichkeit der medikamentösen Prävention mittels selektiver Östrogenrezeptor-Modulatoren oder Aromatase-Inhibitoren. Neun der 20 Entscheidungshilfen erfüllen grundlegende Qualitätskriterien (IPDASi v4.0-Qualifizierungskriterien).

Schlussfolgerung Formal können internationale Entscheidungshilfen als Grundlage für eine deutsche Entscheidungshilfe für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen dienen. Inhaltlich weichen sie teils deutlich von den Empfehlungen deutscher Leitlinien ab. Nur wenige erreichen eine hohe Qualität.


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Einleitung

Etwa 1 bis 3 von 1000 Frauen tragen eine pathogene Mutation in einem der beiden Risikogene BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer gene 1 und 2) [1], [2], [3], [4]. Sie haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brust- (BK) und/oder Eierstockkrebs (EK) zu erkranken. Populationsbasierten Studien zufolge liegt das kumulative Risiko von BRCA1-Mutationsträgerinnen bis zum Alter von 80 Jahren bei 72% für BK und 44% für EK [5]. Entsprechende Schätzungen für BRCA2 liegen bei 69% und 17% [5]. Zudem besteht bei Betroffenen, die einseitig an BK erkrankt sind, ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Risiko, auch kontralateral an BK zu erkranken [5]. Bei begründetem Verdacht auf eine BRCA1/2-Mutation können sich Frauen genetisch testen lassen [6], [7]. Ein positiver Genbefund stellt die Frauen oft vor schwierige Entscheidungen. Nicht an Krebs erkrankte Mutationsträgerinnen müssen unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Wertvorstellungen und Lebenssituation entscheiden, wie sie mit dem erhöhten Ersterkrankungsrisiko umgehen wollen. Ein adäquates Verständnis für Risiken bildet hierbei eine grundlegende Voraussetzung für die Entscheidungsfindung. Frauen, die bereits einseitig an BK erkrankt sind, müssen bei ihrer Entscheidung zusätzlich verschiedene konkurrierende Risiken berücksichtigen, wie das Risiko eines ipsilateralen Rezidivs oder einer Metastasierung des Primärtumors. Aktuelle Präventions- und Früherkennungsstrategien, die Mutationsträgerinnen angeboten werden können, umfassen ein intensiviertes BK-Früherkennungsprogramm für nicht an BK erkrankte Frauen (Brust-Magnetresonanztomografie, Brustsonografie, Mammografie, ärztliche Brustpalpation), ein intensiviertes BK-Frühererkennungs- und Nachsorgeprogramm für bereits an BK erkrankte Frauen sowie risikoreduzierende Operationen der Brustdrüse und der Adnexe [7], [8], [9], [10] ([Tab. 1]).

Tab. 1 Präventions-Strategien für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen in Deutschland.

BRCA1/2: BReast CAncer Gen 1/2, MRT: Magnetresonanztomografie, BK: Brustkrebs, EK: Eierstockkrebs, BMI: Body-Mass-Index

 1  [9]

 2  [10]

 3  AGO: zur Erkennung von frühen BK-Tumorstadien (Oxford-Evidenzlevel 2b).

 4  bzw. bis eine gute mammografische Beurteilbarkeit erreicht ist.

 5  AGO: zur Erkennung von frühen BK-Tumorstadien (Oxford-Evidenzlevel 2a), zur Mortalitäts-Reduzierung (Oxford-Evidenzlevel 3a).

 6  [8]

 7  [7]

 8  AGO: reduziert die EK-Inzidenz, EK-Mortalität und die Gesamtmortalität (Oxford-Evidenzlevel 2a). S3-Leitlinie EK: reduziert die EK-Inzidenz und die Mortalität (SIGN-Evidenzlevel 2+). S3-Leitlinie BK: reduziert die EK-Inzidenz und die Gesamtmortalität (Oxford-Evidenzlevel 2a).

 9  nach abgeschlossener Familienplanung und unter Berücksichtigung des frühesten Erkrankungsalters eines Familienmitglieds.

10  AGO: reduziert die EK-Inzidenz und -Mortalität sowie die Gesamtmortalität (Oxford-Evidenzlevel 2b). S3-Leitlinie BK: reduziert die BK- und Gesamtmortalität (Oxford-Evidenzlevel 2a).

11  AGO: reduziert die BK-Inzidenz (Oxford-Evidenzlevel 2a) und die BK-Mortalität bei BRCA1-positiven Frauen (Oxford-Evidenzlevel 2b). S3-Leitlinie BK: reduziert die BK-Inzidenz, Reduktion der BK-Mortalität „nicht abschließend gesichert“ (Oxford-Evidenzlevel 2a).

12  AGO: reduziert die kontralaterale BK-Inzidenz und -Mortalität (Oxford-Evidenzlevel 2b). S3-Leitlinie BK: reduziert die kontralaterale BK-Inzidenz (Oxford-Evidenzlevel 2a).

13  AGO: reduziert das Risiko für invasiven BK, duktales Carcinoma in situ sowie lobuläre Neoplasie (Oxford-Evidenzlevel 1a).

14  AGO: reduziert das Risiko für invasiven BK (Oxford-Evidenzlevel 1b).

15  AGO: Anastrozol reduziert das Risiko für EK, endometriale, kolorektale, Haut-, Schilddrüsen-, Harnwegs- und hämatologische Karzinome (Oxford-Evidenzlevel 1b).

16  S3-Leitlinie BK: bei östrogenrezeptorpositivem BK Orientierung an medikamentösen Präventionsempfehlungen für sporadischen BK.

17  AGO: reduziert die Inzidenz von kontralateralem BK (Oxford-Evidenzlevel 2b).

18  [11]

19  AGO: allgemeine Empfehlungen zur BK-Prävention für Frauen (BRCA-positiv und negativ). S3-Leitlinie EK: erhöhter BMI erhöht das EK-Risiko.

intensiviertes Früherkennungsprogramm der Brust1, 2

nicht an Krebs erkrankte Frauen3

  • ärztliche Untersuchung der Brust

≥ 25 Jahre

halbjährlich

  • Brustultraschall

≥ 25 bis 70 Jahre

halbjährlich

  • Mammografie

≥ 40 bis 70 Jahre

ein- bis zweijährlich

  • Brust-MRT

≥ 25 bis 70 Jahre4

jährlich

Frauen mit unilateralem BK5

  • ärztliche Untersuchung der Brust

≥ 25 Jahre

halbjährlich

  • Brustultraschall

≥ 25 bis 70 Jahre

halbjährlich

  • Mammografie

≥ 40 bis 70 Jahre

ein- bis zweijährlich

  • Brust-MRT

≥ 25 bis 70 Jahre4

jährlich

risikoreduzierende bilaterale Salpingo-Oophorektomie1, 6, 7

nicht an Krebs erkrankt, BRCA18

≥ 35 – 40 Jahre9

empfohlen

nicht an Krebs erkrankt, BRCA28

≥ 40 – 45 Jahre9

empfohlen

Frauen mit unilateralem BK10

risikoreduzierende bilaterale oder kontralaterale Mastektomie1, 7

nicht an Krebs erkrankte Frauen11

individuelle Entscheidung nach ausführlicher, nicht direktiver Beratung

Frauen mit unilateralem BK12

medikamentöse Prävention1, 7

Aktuell keine allgemeinen Empfehlungen für medikamentöse Prävention des Deutschen Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs.

nicht an Krebs erkrankte Frauen

Medikamentöse präventive Maßnahmen sollten nur nach ausführlicher Beratung und unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils und des Alters erwogen werden.1

  • Tamoxifen13

> 35 Jahre

  • Raloxifen14

postmenopausal

  • Aromatase-Inhibitoren15

postmenopausal

Frauen mit unilateralem BK16

  • Tamoxifen17

Lebensstil1, 18, 19

BMI 18,5 – 25 kg/m2, Prävention/gute Einstellung von Diabetes mellitus, Reduzierung des Alkoholkonsums, kein Tabakkonsum, gesunde Ernährung (z. B. mediterrane Diät), körperliche Aktivität

Ohne eine umfassende Beratung und ein adäquates Risikoverständnis kann es bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen zu Entscheidungskonflikten kommen. Entscheidungskonflikte können dazu führen, wichtige Entscheidungen zu bedauern oder Schuldzuweisungen vorzunehmen [12], [13], [14], [15]. Ersteres haben Brehaut et al. bei Kohorten mit Frauen (Hormonersatztherapie, adjuvante BK-Therapie) und Männern (Prostatakrebstherapie) gezeigt [13], letzteres wurde etwa durch Gattellari und Ward bei einer Kohorte Männer nachgewiesen (prostataspezifisches-Antigen-Test) [14]. Das Recht, beraten und informiert zu werden, wurde durch das Patientenrechtegesetz gestärkt [16], im Nationalen Krebsplan wird die Bedeutung evidenzbasierter Patienteninformationen für die Entscheidungsfindung hervorgehoben [17]. In Deutschland werden Patienten als Informationsmedium bisher überwiegend Broschüren angeboten, die über eine Informierung über die verschiedenen Handlungsoptionen nicht hinausgehen. Zunehmend gewinnen national und international jedoch auch Entscheidungshilfen (EH) an Bedeutung, die dem Nutzer zusätzlich die Möglichkeit geben, eigene Werte und Präferenzen zu klären sowie Handlungsoptionen abzuwägen. Die International Patient Decision Aid Standards (IPDAS) Collaboration definiert EH als „tools designed to help people participate in decision making about health care options. They provide information on the options and help patients clarify and communicate the personal value they associate with different features of the options.“ [18]. EH werden alleine oder auch in Verbindung mit anderen Instrumenten der Unterstützung der Entscheidungsfindung eingesetzt, etwa dem Entscheidungs-Coaching, einem nicht direktiven Gespräch zwischen einer ratsuchenden Person und geschultem Gesundheitspersonal [19].

EH unterstützen bei der Abwägung von Nutzen und Risiken unterschiedlicher Handlungsoptionen und bei der Klärung der eigenen Werte und Präferenzen [18], [20]. Sie sind besonders bei komplexen Entscheidungen hilfreich, wenn es

  1. mehr als eine adäquate Option gibt,

  2. keine Option einen eindeutigen Vorteil bezüglich des gesundheitlichen Ergebnisses hat,

  3. die Optionen präferenzsensitiv sind, also mit Vorteilen, Nachteilen und Unsicherheiten verbunden sind, die vom Nutzer unterschiedlich bewertet werden können,

  4. die Evidenzlage eingeschränkt ist [18], [20].

Durch EH kann die Qualität einer Entscheidung erhöht werden [20], [21]. Eine qualitativ hochwertige oder, wie OʼConnor es nennt, „effektive“ Entscheidung liegt dann vor, wenn sie informiert und übereinstimmend mit den eigenen Werten ist und wenn nach ihr gehandelt wird [22].

In den vergangenen Jahren wurden international mehrere EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen entwickelt. Diese wurden bisher weder systematisch erfasst noch bezüglich ihrer Inhalte oder Qualität eingeordnet. In Deutschland gibt es bislang keine EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, die als Regelangebot im klinischen Alltag eingesetzt werden. Zwei deutsche EH wurden im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit entwickelt und befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung [23], [24]. Das Ziel dieser Arbeit ist es,

  1. die aktuellste systematische Übersicht über vorhandene EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen bereitzustellen,

  2. formale Kriterien der EH zu erfassen,

  3. den medizinischen Inhalt der EH zu analysieren und

  4. ihre Qualität zu bewerten.


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Material und Methoden

Suchstrategie

Es erfolgte eine systematische Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, Embase, PsycINFO, ERIC und Cochrane Database of Systematic Reviews. Die Suchstrategie wurde individuell an jede Datenbank angepasst und umfasste 2 Kategorien an Begriffen: decision-making/decision aid und BRCA1/2 (Anhang 1). Die Suche orientierte sich an den PRISMA-Leitlinien [25]. Das Verzerrungspotenzial der Studien wurde nicht untersucht, da dies bereits in einer vorherigen Arbeit erfolgte [21] und der Fokus dieser Arbeit nicht auf den gescreenten Studien, sondern auf den darin beschriebenen EH liegt. Ergänzend erfolgte eine Handsuche über Google und auf den Webseiten verschiedener Institutionen (z. B. Ottawa Hospital Research Institute). Bei der Suche wurde die Definition von EH der IPDAS Collaboration genutzt [18].


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Einschlusskriterien

  • Dokumente, die von den Autoren als EH bezeichnet werden, ohne Einschränkung des Formats, darunter

    • EH, die in Primärstudien beschrieben werden, ohne Einschränkung des Studiendesigns, sowie

    • EH, die im Internet abrufbar sind.

  • Zielgruppe der EH: Frauen im Alter von 18 bis 75 Jahren mit positivem BRCA1/2-Gentestbefund.

  • Inhalt der EH: präventive Handlungsalternativen bei nachgewiesener pathogener BRCA1/2-Mutation.

  • Sprachen der EH: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch.


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Ausschlusskriterien

  • EH zur Frage, ob man einen Gentest auf eine BRCA1/2-Mutation durchführen soll,

  • EH zur Kommunikation eines positiven BRCA1/2-Gentestbefunds mit Angehörigen,

  • EH zu Fragen der Familienplanung bei positivem BRCA1/2-Gentestbefund,

  • andere Formen der Entscheidungsunterstützung, z. B. Entscheidungs-Coaching.


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Screening

Das Screening von Titeln, Abstracts und Volltexten wurde von 2 Reviewern unabhängig durchgeführt. Ein 3. Reviewer wurde bei Uneinigkeiten im Screening-Prozess hinzugezogen. Die in den Primärstudien beschriebenen EH wurden angefordert oder, wenn verfügbar, online abgerufen.


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Analyse formaler Kriterien

Die eingeschlossenen EH wurden anhand formaler Kriterien analysiert: adressierte Zielgruppe, Publikationsjahr oder letztes Update, Erstellungsort, Sprache sowie Format.


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Analyse inhaltlicher Kriterien

Inhaltlich wurde analysiert, ob sich die angebotenen Handlungsalternativen auf die Prävention von BK, EK oder beide Erkrankungen beziehen, welche Optionen spezifisch genannt werden, welche Instrumente zur Unterstützung der Entscheidungsfindung angeboten werden, welche Informationen vorhanden sind und ob es die Möglichkeit gibt, Informationen zu individualisieren.


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Analyse qualitativer Kriterien

Die Qualität der EH wurde mithilfe des International Patient Decision Aid Standards instruments (IPDASi v4.0) untersucht. Es beinhaltet 44 Kriterien in 10 Dimensionen (Informationen, Wahrscheinlichkeiten, Wertevorstellungen, Unterstützung der Entscheidungsfindung, Entwicklungsprozess, Evidenz, Offenlegung, Lesbarkeit, Evaluation, diagnostischer Test). Die IPDASi-Dimension „Diagnostischer Test“ wurde hier nicht berücksichtigt, da sie für die vorliegende Fragestellung und EH nicht zutreffend ist. Die IPDASi-Kriterien werden in 3 Gruppen gegliedert: Qualifizierungskriterien, Zertifizierungskriterien und Qualitätskriterien ([Tab. 6]). Die Qualifizierungskriterien werden binär bewertet (ja/nein) und definieren eine EH als solche. Durch die Zertifizierungskriterien, die mithilfe einer Skala von 1 bis 4 bewertet werden, soll eine Verzerrung der Entscheidung vermieden werden. Wenn eine EH als solche zertifiziert werden soll, muss jedes Zertifizierungskriterium mindestens einen Score von 3 erreichen. Die Qualitätskriterien sind erstrebenswert, da sie die Qualität der EH erhöhen, jedoch nicht unabdingbar (Bewertungsskala von 1 bis 4). Die Bewertung der Qualität der EH erfolgte unabhängig von 2 Reviewern. Ein 3. Reviewer wurde bei unterschiedlichen Bewertungen hinzugezogen.


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Ergebnisse

Suchergebnisse

Insgesamt wurden 20 EH eingeschlossen ([Abb. 1]). Zehn EH sind in Primärstudien beschrieben und wurden in der Datenbankrecherche gefunden [27], [28], [29], [30], [31], [32], [33], [34], [35], [36]. Von diesen standen 6 als Vollversion zur Verfügung [28], [29], [32], [33], [34], [35]. Vier EH waren nicht als Vollversion erhältlich, da 2 Autoren nicht mehr auf die EH zugreifen konnten [27], [31], das Format der EH nicht länger gebräuchlich war [36] oder unsere Anfrage nicht beantwortet wurde [30]. Zehn weitere EH wurden mittels Handsuche identifiziert und standen zur weiteren Analyse zur Verfügung [37] – [46].

Zoom Image
Abb. 1 Fließschema der Suchergebnisse in Anlehnung an die PRISMA-Leitlinien [25]. Suchergebnisse der systematischen Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, Embase, PsycINFO, ERIC und Cochrane Database of Systematic Reviews, die Suchstrategie umfasste die beiden Begriffskategorien decision-making/decision aid und BRCA1/2. Ergänzend erfolgte eine Handsuche. EH: Entscheidungshilfe/n. Datum der letzten Datenbank-Suche: 29.10.2019. Datum der letzten Handsuche: 31.12.2019.

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Formale Kriterien

Für die formale Erfassung konnten alle 20 eingeschlossen EH herangezogen werden. Sie wurden zwischen 2003 und 2019 veröffentlicht ([Tab. 2]). Neun EH wurden explizit für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen erstellt [27], [28], [29], [30], [31], [33], [34], [35], [36], 11 richten sich zusätzlich an Frauen, die aus anderen Gründen ein erhöhtes EK- und/oder BK-Risiko haben [32], [37], [38], [39], [40], [41], [42], [43], [44], [45], [46]. Dazu zählen eine familiäre Häufung an EK und/oder BK [32], [37], [38], [39], [40], [41], [42], [43], [44], das Lynch-Syndrom [38], [40], [41], [43], [44], eine TP53-, STK11-, PTEN- oder E-Cadherin-Mutation [45], [46] und eine Strahlentherapie im Bereich des Thorax [42]. Von den 9 EH, die explizit für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen erstellt worden sind, richtet sich 1 ausschließlich an Frauen mit BK in der Anamnese [27], 4 sind ausschließlich an Frauen adressiert, die bisher weder an BK noch an EK erkrankt sind [28], [29], [30], [33]. Neun EH wurden in den USA entwickelt [27], [29], [31], [33], [36], [37], [40], [42], [43], 4 in Australien [32], [38], [39], [44], 3 in Großbritannien [41], [45], [46], 2 in Kanada [28], [30] und 2 in den Niederlanden [34], [35]. Alle außer letzteren beiden sind in englischer Sprache verfasst. Dreizehn EH sind webbasiert oder online abrufbar [27], [29], [32], [33], [37], [39] – [46], 7 wurden im Papier-, Video- oder CD-ROM-Format erstellt [28], [30], [31], [34], [35], [36], [38]. Nicht ausgewertet werden konnte die Information, auf welche Art und Weise die Frauen auf die EH zugreifen konnten, da es hierzu in mehreren EH bzw. in den dazugehörigen Studien keine klaren Angaben gab.

Tab. 2 Basisdaten der Entscheidungshilfen.

Titel

Entwickler

Publikationsjahr oder letztes Update

Ursprung

Format

Zielgruppe

angebotene Handlungsalternativen

BRCA1/2: BReast CAncer Gen 1/2, BK: Brustkrebs, EH: Entscheidungshilfe/n, EK: Eierstockkrebs, BK-F: Brustkrebs-Früherkennung, EK-F: Eierstockkrebs-Früherkennung, RR-M: risikoreduzierende Mastektomie, RR-BM: risikoreduzierende bilaterale Mastektomie, RR-O: risikoreduzierende Oophorektomie, RR-BO: risikoreduzierende bilaterale Oophorektomie, RR-S: risikoreduzierende Salpingektomie, RR-SO: risikoreduzierende Salpingo-Oophorektomie, RR-BSO: risikoreduzierende, bilaterale Salpingo-Oophorektomie, HET: Hormonersatztherapie

1 Fokus auf BK-Prävention basiert auf Titel der EH bzw. Angaben der Autoren zur EH. Z. T. werden auch Optionen der EK-Prävention genannt.

2 Fokus auf EK-Prävention basiert auf Titel der EH bzw. Angaben der Autoren zur EH. Z. T. werden auch Optionen der BK-Prävention genannt.

3 Aktuell nicht online abrufbar.

4 Informationen zur Zielgruppe aus dazugehöriger Studie.

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK und EK

Keuzen bij een erfelijk verhoogd risico op borst- en/of eierstokkanker

van Roosmalen

2004

Niederlande

Broschüre, Video

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, mit oder ohne BK/EK (keine RR-BM + RR-BO, keine Fernmetastasen)4

BK-F (Selbstuntersuchung, ärztliche Untersuchung, Mammografie, MRT), RR-M, EK-F, RR-O, medikamnentöse Prävention (Tamoxifen), Nutzung oraler Kontrazeptiva

Individualized Survival Curves Improve Satisfaction With Cancer Risk Management Decisions in Women With BRCA1/2 Mutations

Armstrong

2005

USA

Broschüre

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, mit oder ohne BK (keine RR-BM + RR-BO, kein BK mit Metastasen, kein EK)4

BK-F, RR-M, RR-O, medikamentöse Prävention (Tamoxifen, Raloxifen), HET

Development an Evaluation of a Decision Aid for BRCA Carriers with Breast Cancer

Culver

2011

USA

webbasiert

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Alter von > 21 Jahren, mit BK4

BK-F (Mammografie, MRT), RR-M, RR-O, EK-F, medikamentöse Prävention (Tamoxifen)

Decision Tool for Women with BRCA Mutations

Kurian

2011

USA

webbasiert

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Alter von 25 – 69 Jahren, ohne Krebs (keine BK-F wie MRT oder Mammografie, keine RR-M, keine RR-O, keine RR-S, keine präventive Medikation)

BK-F (Mammografie, Mammografie + MRT), RR-M, RR-O

BRCA decision aid (for unaffected BRCA+ women)

Jabaley

2019

USA

webbasiert

gesunde BRCA1/2-Mutationsträgerinnen

intensivierte Überwachung (BK-F, darunter Selbstuntersuchung, ärztliche Untersuchung, Mammografie, MRT; RR-SO; EK-F, darunter CA-125-Testung und vginale Sonografie), RR-M, RR-BSO, medikamentöse Prävention (Tamoxifen oder Raloxifen), Nutzung oraler Kontrazeptiva

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK1

Personal Aid to Health: Making Decisions that Work

Kaufman

2003

USA

CD-ROM

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Alter von 25 – 75 Jahren, mit oder ohne BK/EK (keine RR-BM, keine Metastasen)4

BK-F (Selbstuntersuchung, ärztliche Untersuchung, Mammografie), RR-M, EK-F, RR-O, medikamentöse Prävention (Tamoxifen, Raloxifen), Nutzung oraler Kontrazeptiva

What are my Options for Breast Cancer Prevention? Facts and Decision Aid for Women with a BRCA1 or BRCA2 Mutation

Metcalfe

2007

Kanada

Broschüre

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen ohne BK/EK, die unentschieden bezüglich einer präventiven Maßnahme sind4

BK-F (Selbstuntersuchung, ärztliche Untersuchung, Mammografie, MRT), RR-M, RR-SO, medikamentöse Prävention (Tamoxifen)

Information for women considering preventive mastectomy

Centre for Genetics Education, NSW Health

2012

Australien

webbasiert, Broschüre

Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von BK)

BK-F (Untersuchungen, Mammografie, MRT), RR-M, medikamentöse Prävention (Anastrozol), Lebensstil (Vermeidung von Hormonen, fettreduzierte Diät, Alkoholkonsum reduzieren)

Taking tamoxifen to reduce the chance of developing breast cancer. Decision aid for premenopausal women at high risk

NICE

2017

Großbritannien

webbasiert, PDF

prämenopausale Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (Mutationen in BRCA1/2, TP53, STK11, PTEN, E-Cadherin), ohne BK

keine Medikation, Tamoxifen täglich über einen Zeitraum von 5 Jahren

Taking a medicine to reduce the chance of developing breast cancer. Decision aid for postmenopausal women at high risk

NICE

2017

Großbritannien

webbasiert, PDF

postmenopausale Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (Mutationen in BRCA1/2, TP53, STK11, PTEN, E-Cadherin), ohne BK

keine Medikation, Tamoxifen täglich über einen Zeitraum von 5 Jahren, Anastrozol täglich über einen Zeitraum von 5 Jahren, Raloxifen täglich über einen Zeitraum von 5 Jahren

iPrevent®

Collins

2017

Australien

webbasiert

Frauen, darunter Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (Alter 18 – 70 Jahre, kein BK, keine RR-BM, keine Radiotherapie der Brust, keine Mutationen in Krebsgenen außer BRCA1/2 bei sich selbst oder Blutsverwandten, keine Halbgeschwister mit EK/BK/Prostatakrebs/Pankreaskrebs)

personalisierte Optionen zur BK-Risiko-Reduktion

Effect of decision aid for breast cancer prevention on decisional conflict in women with a BRCA1 or BRCA2 mutation: a multisite, randomized, controlled trial

Metcalfe

2017

Kanada

Broschüre

BRCA1/2-Mutationsträgerinnen im Alter von 25 – 60 Jahren, ohne BK/EK (keine RR-M, keine RR-O, kein Tamoxifen)4

RR-M, RR-BSO, medikamentöse Prävention (Tamoxifen)

Breast Cancer: What Should I Do if Iʼm at High Risk?

Healthwise

2019

USA

webbasiert

Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von BK)

BK-F (ärztliche Untersuchungen, Mammografie, MRT), RR-M, RR-O, medikamentöse Prävention (Tamoxifen, Raloxifen, Aromatase-Inhibitoren wie Anastrozol)

Preventive (prophylactic) mastectomy: Surgery to reduce breast cancer risk

Mayo Clinic

2019

USA

webbasiert

Frauen mit erhöhtem BK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von BK, Strahlentherapie im Bereich des Thorax)

BK-F (Selbstuntersuchung, ärztliche Untersuchung, Mammografie, MRT), RR-M, P-O, medikamentöse Prävention (Tamoxifen, Raloxifen, Exemestan, Anastrozol), Lebensstil (Gewichtsnormalisierung, körperliche Aktivität, Verringerung des Alkoholkonsums, keine HET während der Menopause, mediterrane Diät)

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich EK2

Risk Management options for women at increased risk of developing ovarian cancer. Information Booklet and Decision Aid

Tiller

2008

Australien

Broschüre

Frauen mit erhöhtem EK-Risiko im Alter von ≥ 30 Jahren, mit oder ohne BK (ohne EK; ohne RR-BO; keine Frauen, bei denen eine Risikomutation für EK ausgeschlossen wurde)4

Watchful Waiting, EK-F, RR-SO, Tubenligatur, Hysterektomie, Nutzung oraler Kontrazeptiva, HET

OvDex. Oophorectomy Decision Explorer3

Cardiff University

2014

Großbritannien

webbasiert, PDF

Frauen mit erhöhtem EK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von EK und/oder BK, Lynch-Syndrom)

RR-SO, Lebensstil (gesunde Ernährung, gesundes Gewicht, körperliche Aktivität), HET

Surgery to Reduce the Risk of Ovarian Cancer. Information for Women at Increased Risk

Centre for Genetics Education, NSW Health

2017

Australien

webbasiert, Broschüre

Frauen mit erhöhtem EK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von EK, Lynch-Syndrom)

RR-BSO (Laparoskopie oder Laparotomie), Hysterektomie, Tubenligatur, Nutzung oraler Kontrazeptiva, HET

A patient decision aid for risk-reducing surgery in premenopausal BRCA1/2 mutation carriers: Development process and pilot testing

Harmsen

2018

Niederlande

Broschüre

prämenopausale BRCA1/2-Mutationsträgerinnen4

keine Operation, RR-SO, RR-S mit verzögerter RR-O, HET, keine HET

Ovarian Cancer: Should I Have My Ovaries Removed to Prevent Ovarian Cancer?

Healthwise

2019

USA

webbasiert

Frauen mit erhöhtem EK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von EK, Lynch-Syndrom)

EK-F (CA-125-Testung, vaginale Sonografie), RR-O, Nutzung oraler Kontrazeptiva

Prophylactic oophorectomy: Preventing cancer by surgically removing your ovaries

Mayo Clinic

2019

USA

webbasiert

Frauen mit erhöhtem BK/
EK-Risiko (BRCA1/2-Mutationsträgerinnen, familiäre Häufung von EK und/oder BK, Lynch-Syndrom)

P-O, EK-S (CA-125-Testung, vaginale Sonografie), P-BM, HET, Nutzung oraler Kontrazeptiva


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Inhalt

Inhaltlich können die EH in 3 Gruppen eingeteilt werden: 5 der 20 EH (25%) beschreiben sowohl präventive Maßnahmen für BK als auch für EK [27], [29], [31], [33], [35], 9 (45%) haben den Fokus auf präventiven BK-Maßnahmen [32], [37], [39], [42], [45], [46], 6 (30%) auf präventiven EK-Maßnahmen [34], [38], [40], [41], [43], [44]. Eine weitergehende Analyse der Inhalte der EH konnte nur für die 16 EH erfolgen, die in Vollversion vorlagen. Die Ergebnisse sind in [Tab. 3] bis [5] im Vergleich zu den deutschen Leitlinien dargestellt. Inhaltlich entspricht keine der bestehenden EH komplett den deutschen Empfehlungen.

Tab. 3 Inhalt der Entscheidungshilfen: Handlungsalternativen zur Brustkrebs-Prävention.

Empfehlungen in Deutschland3

S3-Leitlinie BK, nicht an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie BK, an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, nicht an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie EK

Entscheidungshilfen

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK und EK

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK19

mit präventiven Maßnahmen bezüglich EK24

Entwickler

van Roosmalen

Armstrong

Culver

Kurian

Jabaley

Kaufman

Metcalfe

Centre for Genetics Education, NSW Health

NICE (premenopausal)

NICE (postmenopausal)

Metcalfe

Collins

Healthwise

Mayo Clinic

Tiller

Cardiff University

Centre for Genetics Education, NSW Health

Harmsen

Healthwise

Mayo Clinic

Publikationsjahr oder letztes Update

2004

2005

2011

2011

2019

2003

2007

2012

2017

2017

2017

2017

2019

2019

2008

2014

2017

2018

2019

2019

Ursprung

NL

USA

USA

USA

USA

USA

Kanada

Australien

GB

GB

Kanada

Australien

USA

USA

Australien

GB

Australien

NL

USA

USA

BRCA1/2: BReast CAncer Gen 1/2, BK: Brustkrebs, EH: Entscheidungshilfe, EK: Eierstockkrebs, MRT: Magnetresonanztomografie, HET: Hormonersatztherapie, NSW: New South Wales, NICE: National Institute for Health and Care Excellence, Graues Feld: Vollversion der EH nicht erhältlich. 1 – 26 Siehe [Tab. 5].

Zielgruppe

Risiko

  • explizit Frauen mit BRCA1/2-Mutation

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes BK/EK-Risiko

X

  • erhöhtes BK-Risiko

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes EK-Risiko

X

X

X

X

Krankheitsanamnese

  • mit/ohne BK/EK1

X

X

X

  • ohne BK

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • mit BK

X

X

X

X

  • ohne EK

X

X

X

X

X

Individualisierung der Information

X

X

X22

X25

X26

Handlungsalternativen BK-Prävention

intensivierte Früherkennung

  • Selbstuntersuchung

0

0

0

0

0

X

(X)18

X

X

X

(X)20

X

  • ärztliche Untersuchung

0

0

+

+

0

X

(X)18

X

X

X

(X)20

X

X

X

  • Brustsonografie

0

0

+

+

0

X

(X)18

X

X

  • Mammografie

0

0

+

+

0

X

(X)18

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • Brust-MRT

0

0

+

+

0

X

(X)18

X

X

X

X

X

X

X

X

risikoreduzierende Operationen

  • Mastektomie

(+)4, 5

(+)8

(+)4

(+)4

0

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • Salpingo-Oophorektomie

±6

+9

0

0

0

X

X

X

X

X

  • Salpingektomie

0

0

0

0

0

  • Oophorektomie

0

0

0

0

0

X

X

X

medikamentöse Prävention

  • Raloxifen

0

0

(+)4, 11

0

0

X

X

X

X

X23

X

  • Tamoxifen

±7

(+)10

(+)4, 13

(+)11

0

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X11

X

  • Aromatase-Inhibitoren

0

(+)10, 11

(+)4, 11

(+)11

0

X21

X

X11

X

Sonstiges

  • Gewichtsnormalisierung

0

+12

+12

+12

0

X

X

  • gesunde Ernährung

0

+12

(+)12

(+)12

0

X

X

  • körperliche Aktivität

0

+12

+12

+12

0

X

X

  • kein Tabakkonsum

0

+12

+12

+12

0

X

  • geringer Alkoholkonsum

0

+12

(+)12

(+)12

0

X

X

X

  • keine oralen Kontrazeptiva

0

±12

0

0

0

X

  • keine HET (peri-/postmenopausal)

0

+12

(+)12

(+)12

0

X

X

X

Tab. 4 Inhalt der Entscheidungshilfen: Handlungsalternativen zur Eierstockkrebs-Prävention.

Empfehlungen in Deutschland3

S3-Leitlinie BK, nicht an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie BK, an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, nicht an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie EK

Entscheidungshilfen

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK und EK

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK19

mit präventiven Maßnahmen bezüglich EK24

Entwickler

van Roosmalen

Armstrong

Culver

Kurian

Jabaley

Kaufman

Metcalfe

Centre for Genetics Education, NSW Health

NICE (premenopausal)

NICE (postmenopausal)

Metcalfe

Collins

Healthwise

Mayo Clinic

Tiller

Cardiff University

Centre for Genetics Education, NSW Health

Harmsen

Healthwise

Mayo Clinic

Publikationsjahr oder letztes Update

2004

2005

2011

2011

2019

2003

2007

2012

2017

2017

2017

2017

2019

2019

2008

2014

2017

2018

2019

2019

Ursprung

NL

USA

USA

USA

USA

USA

Kanada

Australien

GB

GB

Kanada

Australien

USA

USA

Australien

GB

Australien

NL

USA

USA

BRCA1/2: BReast CAncer Gen 1/2, BK: Brustkrebs, EH: Entscheidungshilfe, EK: Eierstockkrebs, MRT: Magnetresonanztomografie, HET: Hormonersatztherapie, NSW: New South Wales, NICE: National Institute for Health and Care Excellence, Graues Feld: Vollversion der EH nicht erhältlich

+: uneingeschränkte Empfehlung. (+): Empfehlung mit Einschränkung. ±: keine eindeutige Empfehlung möglich, z. B. aufgrund eingeschränkter Datenlage. 0: keine Angabe. -: keine Empfehlung

1 – 26 Siehe [Tab. 5].

Zielgruppe

Risiko

  • explizit Frauen mit BRCA1/2-Mutation

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes BK/EK-Risiko

X

  • erhöhtes BK-Risiko

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes EK-Risiko

X

X

X

X

Krankheitsanamnese

  • mit/ohne BK/EK1

X

X

X

  • ohne BK

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • mit BK

X

X

X

X

  • ohne EK

X

X

X

X

X

Individualisierung der Information

X

X

X22

X25

X26

Handlungsalternativen EK-Prävention

Früherkennung

  • ärztliche Untersuchung

0

0

0

0

X

  • CA-125-Testung

0

0

0

0

X

X

X

X

X

X

X

  • vaginale Sonografie

0

0

0

0

X

X

X

X

X

X

X

risikoreduzierende Operationen

  • Salpingo-Oophorektomie

+6

+6

+

(+)

+

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • Salpingektomie

0

0

0

0

(+)14

  • Oophorektomie

0

0

0

0

0

X

X

X

X

X

X

X

X

  • erst Salpingo-, dann Oophorektomie

0

0

0

0

0

X

  • Tubenligatur

0

0

0

0

±15

X

X

  • Hysterektomie

0

0

0

0

0

X

X

X

Sonstiges

  • Watchful Waiting

0

0

0

0

0

X

  • Gewichtsnormalisierung

0

0

0

0

+16

X

  • gesunde Ernährung

0

0

0

0

0

X

  • körperliche Aktivität

0

0

0

0

0

X

  • kein Tabakkonsum

0

0

0

0

0

  • geringer Alkoholkonsum

0

0

0

0

0

  • orale Kontrazeptiva

0

0

0

0

+

X

X

X

X

X

X

X

  • HET

0

0

0

0

(+)17

X

X

X

X

X

X

X

Tab. 5 Inhalt der Entscheidungshilfen: Informationen, Instrumente zur Unterstützung der Entscheidungsfindung.

Empfehlungen in Deutschland3

S3-Leitlinie BK, nicht an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie BK, an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, nicht an BK erkrankte Frauen

AGO Guidelines Breast, an BK erkrankte Frauen

S3-Leitlinie EK

Entscheidungshilfen

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK und EK

mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK19

mit präventiven Maßnahmen bezüglich EK24

Entwickler

van Roosmalen

Armstrong

Culver

Kurian

Jabaley

Kaufman

Metcalfe

Centre for Genetics Education, NSW Health

NICE (premenopausal)

NICE (postmenopausal)

Metcalfe

Collins

Healthwise

Mayo Clinic

Tiller

Cardiff University

Centre for Genetics Education, NSW Health

Harmsen

Healthwise

Mayo Clinic

Publikationsjahr oder letztes Update

2004

2005

2011

2011

2019

2003

2007

2012

2017

2017

2017

2017

2019

2019

2008

2014

2017

2018

2019

2019

Ursprung

NL

USA

USA

USA

USA

USA

Kanada

Australien

GB

GB

Kanada

Australien

USA

USA

Australien

GB

Australien

NL

USA

USA

BRCA1/2: BReast CAncer Gen 1/2, BK: Brustkrebs, EH: Entscheidungshilfe, EK: Eierstockkrebs, MRT: Magnetresonanztomografie, HET: Hormonersatztherapie, NSW: New South Wales, NICE: National Institute for Health and Care Excellence, Graues Feld: Vollversion der EH nicht erhältlich

+: uneingeschränkte Empfehlung. (+): Empfehlung mit Einschränkung. ±: keine eindeutige Empfehlung möglich, z. B. aufgrund eingeschränkter Datenlage. 0: keine Angabe. –: keine Empfehlung

1 In der EH keine genaue Angabe zur Krankheitsanamnese oder keine Einschränkung der Zielgruppe. 2 In EH oder dazugehöriger Primärstudie. 3 [7], [8], [9], [11] 4 Individuelle Entscheidung nach ausführlicher, nicht direktiver Beratung. 5 S3-Leitlinie BK, S. 62: Die beidseitige prophylaktische Mastektomie führt zu einer Reduktion der Brustkrebsinzidenz. „Eine Reduktion der Brustkrebs-spezifischen Mortalität bzw. der Gesamtmortalität durch die beidseitige prophylaktische Mastektomie ist nicht ausreichend gesichert.“ 6 S3-Leitlinie BK, S. 62: „Die prophylaktische beidseitige Salpingo-Oophorektomie reduziert das Ovarialkarzinomrisiko um 97%. Ob durch diesen prophylaktischen Eingriff auch das Brustkrebsrisiko reduziert wird, ist derzeit nicht eindeutig geklärt.“ 7 S3-Leitlinie BK, S. 63: „Eine mögliche Risikoreduktion durch die prophylaktische Gabe von Tamoxifen ist nicht eindeutig nachgewiesen.“ 8 S3-Leitlinie BK, S. 64: Die kontralaterale, sekundär prophylaktische Mastektomie führt zu einer Reduktion des kontralateralen Karzinomrisikos. „Bei der Indikationsstellung zur kontralateralen sekundär prophylaktischen Mastektomie soll die Prognose des Erstkarzinoms berücksichtigt werden.“ 9 S3-Leitlinie BK, S. 64: Die prophylaktische Adnexektomie führt zu einer Reduktion der Brustkrebs-spezifischen Mortalität und zu einer Erhöhung des Gesamtüberlebens. 10 Empfehlung bei hormonrezeptorpositivem sporadischem Mammakarzinom. 11 Postmenopausale Frauen. 12 Empfehlung für alle Frauen (mit/ohne BRCA1/2-Mutation). 13 Frauen > 35 Jahre. 14 S3-Leitlinie EK, S. 45: „Die alleinige bilaterale Salpingektomie hat ebenfalls einen risiko-minimierenden, aber niedrigeren protektiven Effekt.“ 15 S3-Leitlinie EK, S. 45 – 46: „Der Eingriff führte zu einer Senkung des Ovarialkarzinomrisikos um 34%. […] Derzeit ist nicht eindeutig geklärt, ob sich die Risikoreduktion auch bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen nachweisen lässt.“ 16 S3-Leitlinie EK, S. 46: „Eine umfangreiche Metaanalyse, in die 28 Studien einbezogen wurden, konnte zeigen, dass Adipositas im Erwachsenenalter mit einem erhöhten Risiko für ein Ovarialkarzinom assoziiert war.“ (Angabe nicht spezifisch für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen) 17 S3-Leitlinie EK, S. 44: „Es ist […] zu berücksichtigen, dass eine Ovarektomie prämenopausaler Frauen u. a. zu einer Erhöhung des Risikos für Herzinfarkte und osteoporosebedingter Frakturen führt, sodass die kurzfristige Hormontherapie […] auch mit präventivem Ziel erwogen werden sollte.“ 18 Keine klare Angabe zur BK-Früherkennung. 19 Fokus auf BK-Prävention basiert auf Titel der EH bzw. Angaben der Autoren zur EH. Z. T. werden auch Optionen der EK-Prävention genannt. 20 Keine klare Differenzierung zwischen Selbst-/ärztlicher Untersuchung. 21 Anastrozol für postmenopausale Frauen im Rahmen der IBIS II Studie. 22 Angaben hier beispielhaft für 44-jährige prämenopausale BRCA1-Mutationsträgerin. 23 Empfehlung insbesondere für Frauen unter 50 Jahren. 24 Fokus auf EK-Prävention basiert auf Titel der EH bzw. Angaben der Autoren zur EH. Z. T. werden auch Optionen der BK-Prävention genannt. 25 Angaben hier beispielhaft für unter 35-jährige BRCA1-Mutationsträgerin ohne BK in der Anamnese. 26 Unterschiedliche EH für BRCA1 und BRCA2.

Zielgruppe

Risiko

  • explizit Frauen mit BRCA1/2-Mutation

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes BK/EK-Risiko

X

  • erhöhtes BK-Risiko

X

X

X

X

X

X

  • erhöhtes EK-Risiko

X

X

X

X

Krankheitsanamnese

  • mit/ohne BK/EK1

X

X

X

  • ohne BK

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

  • mit BK

X

X

X

X

  • ohne EK

X

X

X

X

X

Individualisierung der Information

X

X

X22

X25

X26

Informationen

Erkrankungsrisiken BK/EK (Text)

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Erkrankungsrisiken BK/EK (Grafik)

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Vor-/Nachteile der präventiven Optionen

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Erfahrungsberichte

X

X

X

X

X

X

Instrumente zur Unterstützung der Entscheidungsfindung

Schritt-für-Schritt-Entscheidungsanleitung

X

X

X

X

X

X

persönliche Gewichtung Vor-/Nachteile

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Notizfeld (für eigene Werte, Ängste etc.)

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Frageliste an Ärzte/beratendes Personal

X

X

X

Wissenstest

X

Sonstiges

Adressen und/oder Internetlinks

X

X

X

X

X

X

Referenzen2

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Vier EH bieten Ratsuchenden die Möglichkeit, Informationen zu individualisieren. Die Spannbreite reicht von einer Unterscheidung des Mutationsstatus (BRCA 1 oder 2) [34] bis hin zur Möglichkeit, die Informationen mittels detaillierter Filtervariablen wie dem Mutationsstatus, Alter, Menopausenstatus und der Familienanamnese zu individualisieren [32]. Dreizehn der 16 EH beinhalten Instrumente zur Entscheidungsfindung, darunter die Möglichkeit, Vor- und Nachteile für sich selbst zu gewichten, Schritt-für-Schritt-Entscheidungsanleitungen und Notizfelder, um Gedanken, Ängste etc. niederzuschreiben.


#

Qualität

Sechzehn der 20 EH konnten mithilfe des IPDASi-v4.0-Instruments bewertet werden ([Tab. 6]). Zehn EH (63%) erreichten alle Qualifizierungskriterien und können laut IPDASi-v4.0-Definition als EH deklariert werden [28], [32], [34], [35], [37], [38], [39], [40], [41], [44]. Die übrigen EH konnten 1 – 2 der Qualifizierungskriterien nicht erfüllen und gelten somit per definitionem nicht als EH. Beispielsweise berichten 6 der EH nur unzureichend darüber, wie sich eine Entscheidung auf das weitere Leben auswirkt, 2 EH stellen die Nachteile einer Entscheidungsoption nicht ausreichend dar.

Tab. 6 Qualität der Entscheidungshilfen nach den IPDASi-v4.0-Kriterien [26].

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK und EK

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich BK

EH mit präventiven Maßnahmen bezüglich EK

Publikation

van Roosmalen (2004)

Kurian (2011)

Jabaley (2019)

Metcalfe (2007)

NSW Health (2012)

NICE, premenopausal (2017)

NICE, postmenopausal (2017)

Collins (2017)

Healthwise (2019)

Mayo Clinic (2019)

Tiller (2008)

Cardiff University (2014)

NSW Health (2017)

Harmsen (2018)

Healthwise (2019)

Mayo Clinic (2019)

Kriterien

IPDASi: International Patient Decision Aid Standards instrument, BK: Brustkrebs, EH: Entscheidungshilfe, EK: Eierstockkrebs

Informationen

Qualifizierungskriterien (5)

  • Beschreibung des Gesundheitszustands/des Problems

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

  • Indexentscheidung wird adressiert

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

  • verfügbare Optionen

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

  • Vorteile

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

  • Nachteile

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

Zertifizierungskriterien (1)

  • ausgeglichene Darstellung

4

2

4

4

3

4

4

4

4

2

4

4

3

4

4

2

Qualitätskriterien (2)

  • Beschreibung des natürlichen Verlaufs

1

4

4

4

1

4

4

4

4

1

4

4

3

4

4

2

  • Möglichkeit, Merkmale zu vergleichen

1

3

3

4

2

4

4

3

3

1

3

4

1

3

3

2

Wahrscheinlichkeiten

Qualitätskriterien (6)

  • Ereigniswahrscheinlichkeit

3

4

2

4

3

4

4

4

1

2

3

4

1

4

1

3

  • Referenzklasse

4

4

3

3

3

2

2

4

3

2

4

4

2

4

3

3

  • Ereignisrate

1

4

1

4

3

4

4

4

1

1

1

4

1

4

1

3

  • Möglichkeit, Wahrscheinlichkeiten zu vergleichen

1

4

1

4

1

4

4

4

1

1

1

3

1

4

1

3

  • Vergleich mit gleichem Nenner

4

4

1

4

1

4

4

4

1

1

1

3

1

4

1

4

  • vielseitige Darstellung der Wahrscheinlichkeiten

1

4

1

4

1

4

4

4

1

1

1

4

1

4

1

1

Wertevorstellungen

Qualifizierungskriterien (1)

  • Erleben der Konsequenzen

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

+

Qualitätskriterien (1)

  • persönliche Wichtigkeit

1

1

3

4

3

4

4

1

4

1

4

4

2

4

4

2

Unterstützung der Entscheidungsfindung

Qualitätskriterien (2)

  • Schritt-für-Schritt-Anleitung

1

4

1

4

1

2

1

1

4

1

4

4

1

4

4

1

  • Arbeitsblätter oder Fragelisten

1

1

3

4

4

3

3

1

4

1

4

4

2

4

4

4

Entwicklungsprozess

Qualitätskriterien (6)

  • Bedürfnisse der Patienten

1

1

2

4

2

?

?

1

?

?

4

4

?

4

?

?

  • Bedürfnisse des Gesundheitspersonals

4

1

2

?

?

?

?

4

?

?

?

4

?

4

?

?

  • unabhängige Review (Patienten)

1

1

1

1

?

1

1

1

?

?

1

1

?

3

?

?

  • unabhängige Review (Personal)

1

1

1

4

?

1

1

1

?

?

4

3

?

4

?

?

  • mit Patienten getestet

4

4

4

4

?

1

1

4

?

?

4

3

?

1

?

?

  • mit Gesundheitspersonal getestet

4

4

4

1

?

1

1

4

?

?

1

1

?

1

?

?

Evidenz

Zertifizierungskriterien (4)

  • Referenzen

1

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

2

4

4

  • Produktionsdatum

1

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

4

  • Art und Weise der Aktualisierung

1

2

2

3

2

1

1

1

1

1

2

3

1

2

2

1

  • Grad der Unsicherheit

1

1

1

4

1

1

1

1

1

1

1

1

1

4

1

1

Qualitätskriterien (2)

  • Synthese der Forschungsevidenz

1

3

2

4

1

2

2

1

1

1

4

1

1

3

1

1

  • Qualität der Forschungsevidenz

1

1

2

4

1

2

2

1

1

1

1

1

1

3

1

1

Offenlegung

Zertifizierungskriterien (1)

  • Informationen zur Finanzierung

4

4

4

4

4

1

1

4

1

1

4

4

1

4

1

1

Qualitätskriterien (1)

  • Angaben zu den Autoren

1

2

2

4

4

1

1

1

4

1

4

2

2

4

4

1

Lesbarkeit

Qualitätskriterien (1)

  • Lesbarkeitsniveau

1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

4

1

1

1

1

1

Evaluation

Qualitätskriterien (2)

  • Wissen

4

1

1

4

1

1

1

3

1

1

3

1

1

1

1

1

  • verbesserte Entscheidungsqualität

1

1

1

4

1

1

1

1

1

1

3

1

1

1

1

1

Qualifizierungskriterien (6)

6

4

5

6

6

5

5

6

6

5

6

6

6

6

6

5

Zertifizierungskriterien (6)

2

3

4

6

4

3

3

4

3

2

4

5

3

4

3

2

Qualitätskriterien (23)

7

10

7

19

6

9

9

12

7

0

12

15

1

18

7

6

Die Zertifizierungskriterien werden von einer EH (6%) vollständig erfüllt [28]. Die anderen EH erreichen zwischen 2 und 5 der 6 Kriterien. Von den Zertifizierungskriterien wird am häufigsten unzureichend über die Aktualisierung der EH, den Grad der Unsicherheit von Informationen und die Finanzierung der EH berichtet.

Bezüglich der Qualitätskriterien erfüllt 1 EH 19 der 23 Kriterien (82%) [28], 1 EH hingegen keines der Kriterien [42].


#
#

Diskussion

Die vorliegende Arbeit ist die aktuellste systematische Übersicht über EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen. Trotz international konsentierter Qualitätskriterien und evidenzbasierter Leitlinien ergibt sich inhaltlich, formal und in Bezug auf die Qualität der analysierten EH ein heterogenes Bild. Eine Empfehlung bzw. Übersetzung internationaler EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen ohne vorherige Prüfung kann aufgrund dieser Ergebnisse nicht empfohlen werden.

Zu den bewerteten formalen Kriterien gehörten die Zielgruppe und das Format. Eine genaue Definition der Zielgruppe ist erforderlich, da sich Präventions- und Therapieempfehlungen in Abhängigkeit von genetischer Mutation und Krankheitsstadium unterscheiden. So variieren z. B. die Empfehlungen in den deutschen S3- und S2-Leitlinien zur BK-Prävention, je nachdem, ob eine BRCA1/2-Mutationsträgerin nicht oder unilateral an BK erkrankt ist [7], [9]. Drei der EH mit Angaben zur BK-Prävention unterscheiden bei der Definition der Zielgruppe jedoch nicht bezüglich der BK-Krankheitsanamnese [37], [39], [42]. Fünf EH sprechen „Frauen mit einem erhöhten EK-Risiko“ an und schließen als Zielgruppe neben BRCA1/2-Mutationsträgerinnen auch Frauen mit einem Lynch-Syndrom mit ein [38], [40], [41], [43], [44]. Beide Gruppen sollten laut deutschen Leitlinien aufgrund des erhöhten EK-Risikos bezüglich einer risikoreduzierenden (Salpingo-)Oophorektomie beraten werden, was in den eben genannten EH auch erfolgt, Frauen mit einem Lynch-Syndrom werden jedoch weitere spezifische präventive Maßnahmen empfohlen, darunter Untersuchungen wie Koloskopie, Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, transvaginaler Ultraschall und Endometriumbiopsie [8], [47]. Dreizehn von 15 EH haben ein online abrufbares Format. Dadurch können sie leichter individualisiert und aktualisiert werden. Inhaltlich weisen die 16 analysierten EH große Unterschiede auf, sowohl im Umfang der Informationstexte als auch in den angebotenen Handlungsalternativen. Risikoreduzierende Operationen finden in 14 der 16 EH Erwähnung. Die Empfehlungen stimmen hier – von Unschärfen bezüglich der Differenzierung zwischen Salpingo-Oophorektomie und Oophorektomie oder kontralateraler und bilateraler Mastektomie abgesehen – größtenteils mit den deutschen Leitlinien überein [7], [8], [9]. Ähnliche Übereinstimmungen zwischen den EH und den Empfehlungen in den deutschen Leitlinien [9] gibt es bei der BK-Früherkennung. Lediglich die in den Leitlinien empfohlene Brust-Sonografie findet nur in 3 der 10 betreffenden EH Erwähnung. Bezüglich der medikamentösen Prävention als Option gibt es in den deutschen Leitlinien keine eindeutigen Empfehlungen ([Tab. 3] bis [5]), die Unklarheit bei dieser Option spiegelt sich auch in den EH wider: In einer der betreffenden EH wird die medikamentöse Prävention gar nicht genannt [33], in 3 EH werden alle derzeit diskutierten Optionen (Raloxifen, Tamoxifen, Aromatase-Inhibitoren) erwähnt [37], [42], [45]. Kritisch zu sehen ist, dass eine Früherkennung von EK mittels CA-125-Testung und/oder transvaginalem Ultraschall in 7 EH als mögliche Präventionsoption genannt wird, darunter in 3 EH aus dem Jahr 2019 [29], [40], [43]. In der deutschen S3-Leitlinie EK [8] und in internationalen Guidelines [48], [49] wird eindeutig von einem solchen Screening abgeraten.

Kritisch ist auch, dass in einigen EH entscheidende Inhalte nur kurz oder gar nicht angeführt werden. So wird z. B. in der EH der Mayo Clinic zur EK-Prävention nicht erwähnt, dass mit einer Oophorektomie auch ein sofortiger Fertilitätsverlust verbunden ist. Wie Kim et al. zeigen, kann dieses Wissen jedoch nicht vorausgesetzt werden: In ihrer 2014 veröffentlichten Studie zum Wissen von Frauen zu den Themen Oophorektomie und Fertilität gaben 38% der BRCA1/2-Mutationsträgerinnen an, dass sie nicht wissen, dass eine Frau keinen biologischen Nachwuchs mehr haben kann, wenn ihre Eierstöcke entfernt wurden [50].

Qualitativ unterscheiden sich die 16 analysierten EH sehr stark. So erreichten nur 10 alle IPDASi-v4.0-Qualifizierungskriterien, welche laut Joseph-Williams et al. ein Instrument überhaupt als EH definieren: „Tools would not be considered a patient decision aid unless all of these criteria are met“ [26]. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 6 der hier bewerteten Instrumente gemäß der IPDAS-Collaboration keine EH sind. Problematisch ist, dass sich fast alle dieser Instrumente eindeutig als EH betiteln ([Tab. 2]). Die IPDASi-v4.0-Zertifizierungskriterien werden nur in der EH von Metcalfe et al. [28] vollständig erfüllt, die sich bei der Entwicklung an den Qualitätskriterien der IPDAS-Collaboration orientierte. Bei allen anderen Instrumenten kann eine Verzerrung der Entscheidung durch die EH nicht ausgeschlossen werden. Besonders schwierig ist, wenn das Zertifizierungskriterium der ausgeglichenen Darstellung nicht erfüllt ist. So wird im Instrument der Mayo Clinic zur BK-Prävention die Möglichkeit einer risikoreduzierenden Mastektomie inklusive der Vor-, Nachteile und Risiken ausführlich beleuchtet, die BK-Früherkennung findet hingegen nur in einem Satz Erwähnung. Eine Schwäche dieser Studie ist, dass eine EH in chinesischer Sprache in der Suche ausgeschlossen werden musste, aufgrund fehlender Kapazitäten, diese zu übersetzen. Zudem konnte eine aktuelle EH zwar eingeschlossen werden, eine qualitative Analyse war jedoch nicht möglich, da eine Vollversion von den Autoren nicht erhältlich war.

Stärken dieser Studie sind das klare Suchprotokoll, der Einschluss 5 verschiedener Datenbanken, keinerlei Einschränkungen des Designs der Primärstudien oder des Formats der EH sowie die Beurteilung der EH durch 3 unabhängige Reviewer. Die Qualitätsprüfung der EH erfolgte mithilfe des Instruments der IPDAS-Collaboration, welches eine detaillierte Auseinandersetzung mit EH erlaubt und international dem aktuellen Standard in der Qualitätsbewertung von EH entspricht.

Diese Studie hat folgende Implikationen für die Praxis: BRCA1/2-Mutationsträgerinnen sollten in Beratungsstellen mit evidenzbasierten und qualitativ hochwertigen EH versorgt werden, da

  1. EH im Gegensatz zu reinen Patienteninformationen auch eine Klärung der eigenen Wertvorstellungen sowie der Präferenzen einschließen,

  2. die Ratsuchenden so vor Fehlinformationen durch qualitativ schlechte Entscheidungsinstrumente geschützt werden.

Bei der Entwicklung von EH sollte auf eine Orientierung an den Qualitätskriterien der IPDAS-Collaboration, eine genaue Zielgruppendefinition sowie die Bereitstellung von unterschiedlichen Formaten (Druckversion, App) geachtet werden.


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Schlussfolgerung

Bisher gibt es noch keine EH für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen für den deutschsprachigen Raum, die als Regelangebot im klinischen Alltag eingesetzt wird. Aktuell befinden sich jedoch verschiedene Unterstützungsinstrumente für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen in der Entwicklung bzw. klinischen Prüfung, darunter auch 2 EH [23], [51], [52], [53]. Bei der Entwicklung einer deutschen EH können bereits vorhandene internationale EH formal als Grundlage dienen, inhaltlich muss eine Anpassung der angebotenen Handlungsempfehlungen an die deutschen Leitlinien erfolgen. Um eine hohe Qualität der EH zu gewährleisten, ist bei der Entwicklung eine Orientierung an den Qualitätskriterien der IPDAS-Collaboration maßgeblich.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

This study was financed with the aid of the North Rhine-Westphalia regional health centre (LZG-NRW), Bochum, Germany./Diese Arbeit wurde mithilfe des Landeszentrum Gesundheit NRW (LZG-NRW), Bochum, Deutschland, finanziert.

Danksagung

Wir danken Gerwin Letink für die Übersetzung einer Entscheidungshilfe aus dem Niederländischen [35]. Wir danken allen Autoren/Entwicklern der Entscheidungshilfen für die Bereitstellung der Entscheidungshilfen bzw. für die Beantwortung unserer Fragen zu den Entscheidungshilfen.

Supporting Information

Supporting Information


Correspondence/Korrespondenzadresse

Lisa Marlene Krassuski
Universitätsklinikum Köln
Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie
Gleueler Straße 176 – 178
50935 Köln
Germany   

Publication History

Received: 07 August 2020

Accepted after revision: 29 November 2020

Article published online:
21 June 2021

© 2021. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commecial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Flowchart of the search results based on the PRISMA guidelines [25]. Search results of the systematic literature search in MEDLINE, Embase, PsycINFO, ERIC and the Cochrane Database of Systematic Reviews; the search strategy included the two categories decision-making/decision aid and BRCA1/2. A manual search was performed in addition. DA: decision aid(s). Date of the last database search: 29.10.2019. Date of the last manual search: 31.12.2019.
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Abb. 1 Fließschema der Suchergebnisse in Anlehnung an die PRISMA-Leitlinien [25]. Suchergebnisse der systematischen Literatursuche in den Datenbanken MEDLINE, Embase, PsycINFO, ERIC und Cochrane Database of Systematic Reviews, die Suchstrategie umfasste die beiden Begriffskategorien decision-making/decision aid und BRCA1/2. Ergänzend erfolgte eine Handsuche. EH: Entscheidungshilfe/n. Datum der letzten Datenbank-Suche: 29.10.2019. Datum der letzten Handsuche: 31.12.2019.