Schlüsselwörter
Synovialitis - Radiosynoviorthese (RSO) - Radiosynovialektomie - Radionuklidtherapie
- intraartikuläre Applikation - entzündliche Gelenkerkrankungen - rheumatologische
Erkrankung der Gelenke - Synovialitis bei Hämophilie
Key words
synovitis - radiosynoviorthesis (RSO) - radiosynovialectomy - radionuclide therapy
- intraarticular injection - inflammatory joint diseases - rheumatological joint disease
- synovitis in hemophilia
I. Zielsetzung
Ziel dieser Handlungsempfehlung ist die Unterstützung des Arztes für Nuklearmedizin
sowie der behandelnden respektive zuweisenden Fachdisziplinen bei der Auswahl und
Betreuung geeigneter Patienten, bei denen eine Radiosynoviorthese (RSO) aufgrund einer
entzündlichen Gelenkerkrankung (inkl. hämophiler Arthropathie und therapierefraktären
Gelenkergüssen nach Arthroplastiken) durchgeführt werden soll. Dies beinhaltet Informationen
über die Therapieplanung und -durchführung, die Behandlung möglicher Nebenwirkungen
sowie die Nachsorge. Diese Handlungsempfehlung basiert auf der vorhergehenden DGN-Leitlinie
aus dem Jahr 1997 [1].
Zur Verbesserung der Lesbarkeit wurde auf die geschlechtsspezifische Anwendung von
Bezeichnungen verzichtet. Diese gelten sinngemäß für alle Geschlechter.
II. Definition
Synoviorthese ist hergeleitet von den griechischen Wörtern „Synovialis“ (Schleimhaut)
und „Orthese“ (Wiederherstellung). Mit Radiosynoviorthese (RSO) ist eine Wiederherstellung
der Gelenkinnenhaut bzw. ihrer Funktion durch lokale Strahlenwirkung nach intraartikulärer
Radionuklidapplikation gemeint.
III. Wirkprinzip
-
Durch die intraartikuläre Injektion eines geeigneten Beta-emittierenden Radiopharmakons
wird als Zielobjekt die entzündlich veränderte Synovialis bestrahlt. Das in kolloidaler
Form applizierte Radiopharmakon verteilt sich dabei nach der Injektion in der Gelenkflüssigkeit
und wird (z. T.) von oberflächlichen Synovialzellen und Entzündungszellen phagozytiert.
Diese Vorgänge führen zu einer lokalen Strahlenreaktion mit Koagulation und Nekrosen,
wodurch die oberflächlichen, hypertrophierten Schichten der Synovialis zerstört werden.
Die Bestrahlung bleibt dabei überwiegend auf die Synovialis beschränkt, da die Eindringtiefe
der Strahlung der verwendeten Beta-Emitter nur wenige Millimeter beträgt. Der Gelenkknorpel
bleibt bei diesen Vorgängen weitgehend ausgespart, da Phagozyten hier üblicherweise
fehlen.
-
Im weiteren Verlauf wird das Gelenk innerhalb von etwa 6 Wochen resynovialisiert.
Die Neosynovialis ist charakterisiert durch Fibrosierung und Sklerosierung der Synovialis
mit Rückgang der Proliferation und der Entzündung der Gelenkinnenhaut. Das Ziel ist
die Wiederherstellung der Gelenkfunktion in Verbindung mit einer Schmerzlinderung.
Bei der Hämophilie wird die RSO zur Reduktion der Blutungsfrequenz eingesetzt. Die
in der Synovialis erzielte Herddosis ist abhängig von der applizierten Aktivität,
Energie und Halbwertszeit der verwendeten β-Strahler und der Beschaffenheit der Synovialis
(Dicke, Gestalt). Um eine adäquate Dosis in Abhängigkeit von der Dicke der Synovialis
zu erreichen, werden unterschiedliche Radionuklide eingesetzt ([Tab. 1]). Die Höhe der Aktivität des radioaktiven Arzneimittels bei intraartikulärer Injektion
richtet sich nach der Größe des Gelenks und dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität,
die klinisch und ggf. mit ergänzenden Verfahren zu beurteilen ist.
Tab. 1
Eigenschaften der Radionuklide, die zur Radiosynoviorthese (RSO) verwendet werden
(jeweilige Therapeutikazulassungen sind zu beachten).
|
Radionuklid
|
Halbwertzeit (h)
|
Max. Energie der beta-Strahlung (MeV)
|
Penetration (mm) (mittl./max.)
|
Gelenke
|
Empfohlene Aktivität (MBq)[*]
|
Intervall zur Re-RSO (Monaten)
|
|
Yttrium-90
(Zitrat)
|
64
|
2,27
|
3,9/11
|
Knie
|
185–222
|
6
|
|
Re-RSO
|
111–222
|
|
Rhenium-186
(Sulfid)
|
89
|
1,07
|
1,2/3,7
|
Hüftgelenk
|
74–148
|
6
|
|
Schulter
|
74–148
|
|
Ellenbogen
|
74–111
|
|
Handgelenk
|
37–74
|
|
OSG/USG
|
74
|
|
Knie[**]
|
110–185
|
|
Erbium-169
(Zitrat)
|
225
|
0,34
|
0,3/1,0
|
MCP/MTP
|
20–40/30–40
|
6
|
|
Carpus/DSG/ISG
|
20–80
|
|
TMT
|
20–40
|
|
PIP/SC
|
10–20
|
|
DIP
|
10–15
|
|
ACG/TMG
|
20–40
|
OSG/USG = oberes/unteres Sprunggelenk; MCP/MTP = Metacarpo-/Metatarsophalangealgelenk;
DSG = Dauemnsattelgelenk; ISG = Iliosakralgelenk; TMT = Tarsometatarsalgelenk; PIP/DIP = proximales/distales
Interphalangealgelenk; SCG = Sternoclaviculargelenk; ACG = Acromioclaviculargelenk;
TMG = Temporomandibulargelenk (Kiefergelenk).
* Die Empfehlungen zur applizierten Aktivität sind den offiziellen Fachinformationen
und den SPC (Summary of Product Characteristics) entnommen, die ein Teil der Zulassung
darstellen. Eine Abweichung von diesen Zahlen ist bei entsprechender Begründung (z. B.
Re-RSO bei ausgeprägter Synovialishypertrophie) und bei entsprechender Aufklärung
des Patienten im Rahmen der Therapiefreiheit und bei Beachtung nationaler Vorschriften
möglich. Die in den SPC nicht explizit aufgeführten Gelenke werden behandelt wie andere,
vergleichbare Gelenke.
** Re-186 ist in der Schweiz auch für die Therapie des Kniegelenks bei Patienten unter
20 Jahren und eher gering ausgeprägter Synovialishypertrophie zugelassen. Sonst wird
Y-90 verwendet.
IV. Prätherapeutische Untersuchungen
IV. Prätherapeutische Untersuchungen
Ziel der prätherapeutischen Untersuchungen ist der Nachweis der Synovialitis und der
Ausschluss von Kontraindikationen.
A. Anamnese und klinische Befunderhebung
-
Apparative Untersuchungen
-
Skelett- bzw. Gelenkszintigrafie in Mehrphasentechnik: Die Synovialitis lässt sich
durch die Skelettszintigrafie in Mehrphasentechnik mit „Weichteilszintigrafie“ („Frühphase“
der Mehrphasenszintigrafie ca. 10 min nach i. v.-Injektion von z. B. 99mTc-markierten Biphosphonaten) der betroffenen Gelenke abbilden. Im Speziellen lassen
sich in der Frühphase sehr sensitiv Synovialitis-typische Mehranreicherungen in den
betroffenen Gelenken feststellen; ebenfalls lässt sich auch ein polyartikuläres Geschehen
dokumentieren. Die „Spät- bzw. Mineralisationsphase“ weist die knöchernen Veränderungen
nach. Die Mehrphasenskelettszintigrafie kann auch bei noch klinisch asymptomatischen
Gelenken entzündlich bedingte Mehranreicherungen anzeigen und trägt damit zur besseren
Kenntnis des Verteilungsmusters der befallenen Gelenke und zur Spezifizierung der
Diagnose bei [4]. Ein ergänzendes SPECT/CT des betroffenen Gelenks/der betroffenen Gelenke erlaubt
ggf. den Nachweis von Knochen-/Knorpelschäden (z. B. Osteochondrosis dissecans) und
auch eine genaue Zuordnung der Anreicherung zum Gelenk, wie exemplarisch beim Fuß
gezeigt wurde [5].
-
Arthro-Sonografie, ggf. Powerdoppler-Sonografie: Die Arthro-Sonografie ist geeignet,
das Gelenkinnere (Erguss, Briden, Synovialismorphologie (z. B. korallenriffähnliche
Struktur?), Rotatorenmanschettenruptur (Schultergelenk)), die periartikulären Strukturen
(Bursitis, Tendosynovialitis, Enthesiopathie) sowie die Perfusion zu untersuchen.
Vor der RSO des Kniegelenks sollte sonografisch das Vorliegen einer synovialen Poplitealzyste,
sog. Bakerzyste, abgeklärt werden. Je nach Volumen oder Vorliegen eines Ventilmechanismus
kann eine sonografisch gesteuerte Entleerung erwogen werden, um eine Rupturgefahr
durch einen möglichen transitorischen Reizerguss nach RSO zu vermeiden. Des Weiteren
ist der Nachweis einer Synovialitis mittels Sonografie inklusive Powerdoppler-Sonografie
statthaft [6].
B. Ergänzende Untersuchungsverfahren nach individueller Indikationsstellung
Hier werden Untersuchungsverfahren eingeschlossen, die zur besseren Einordnung des
Krankheitsbildes, der Beurteilung der befallenen Gelenke, der Gelenkanatomie oder
der Entzündungsaktivität nützlich sind.
-
Magnetresonanztomografie (MRT), ggf. mit Kontrastmittel: Nachweis synovialer Veränderungen,
von Zystenbildungen (u. a. Bakerzyste), umgebender Weichteilveränderungen, von Hinweisen
auf infektiöse Gelenkveränderungen bei klinischem Verdacht, z. B. proteinreicher Flüssigkeit.
Nachweis einer Zerstörung der subchondralen Grenzlamelle mit Knochenmarködem (Kniegelenk)
als Schmerzquelle. Bestätigung bei V. a. Osteochondrosis dissecans.
-
Röntgen/CT: Aktuelles (max. 4–6 Monate altes) Röntgenbild des zu behandelnden Gelenks
in 2 Ebenen oder ggf. CT (u. a. zum Ausschluss von Frakturen, Knochentumoren, Morbus
Ahlbäck, Osteochondrosis dissecans sowie damit in Verbindung stehenden freien Gelenkkörpern
oder anderen stark destruierenden Knochenumbauten). Als Standardverfahren ist ein
Röntgenbild einfach durchzuführen und deshalb in den meisten Fällen bereits vorhanden.
Besonders im Bereich der kleinen Gelenke können ergänzende Röntgenaufnahmen, wenn
die Szintigrafie und/oder Sonografie unklare/abklärungsbedürftige Befunde zeigen,
wichtige Hinweise liefern.
-
Die Arthro-Szintigrafie des Kniegelenks ermöglicht den prätherapeutischen Ausschluss
einer Bakerzystenruptur.
V. Anwendungspraxis
Bezüglich der zugelassenen Indikationen sind nationale Regularien zu befolgen, entsprechende
Fachinformationen sind zu berücksichtigen.
Die RSO ist in erster Linie bei Nachweis einer (floriden) Synovialitis Erfolg versprechend.
Entzündlich rheumatische Erkrankungen und degenerative Veränderungen zählen zu den
häufigsten Ursachen für eine Synovialitis, die zu chronischen Schmerzen, Gelenkergüssen,
Schwellungen und zur Gelenkzerstörung führt. Ebenso kann Metall- oder Kunststoffabrieb
nach Gelenkersatz zu Synovialitiden führen. Neben der systemischen medikamentösen
Behandlung werden die chirurgische Synovialektomie und die RSO zur lokalen Behandlung
eingesetzt. Im Falle einer persistierenden Synovialitis trotz systemischer Therapie
oder Rest-/Rezidivsynovialitis nach arthroskopischer Synovialektomie sind weitere
therapeutische Optionen erforderlich. Die RSO stellt neben der lokalen Applikation
von Glukokortikoiden eine wesentliche Ergänzung zur medikamentösen und chirurgischen
Therapie in der Behandlung von entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen dar [2]. Außerdem kann die RSO bei hämophilen Patienten, die trotz adäquater Medikation
rezidivierende Gelenkblutungen aufweisen, die Synovialitis behandeln und damit die
Blutungsfrequenz nachhaltig senken [3], wirksam ist dabei die synoviale Fibrose. Zahlreiche Arbeiten belegen die Wirksamkeit
im Sinne eines Rückgangs der entzündlichen Aktivität der Gelenkinnenhaut, Ergussbildung
sowie einer Verbesserung der Schmerzen und die damit verbundene Wiederherstellung
der Gelenkfunktion mit z. T. unterschiedlichen Ansprechraten in allen Gelenkgruppen
[7]
[8]
[9]. Die Diagnose und die Indikationsstellung erfolgen in der Regel in Zusammenarbeit
mit einem Rheumatologen und/oder Orthopäden/Handchirurgen, respektive dem betreuenden
Hämatologen/Pädiater im Falle einer Synovialitis bei Hämophilie. Bei entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen ist eine RSO in der Regel bei therapierefraktären Gelenken nach einer
erfolglosen Therapie mit synthetischen und biologischen Basistherapeutika sowie lokalen
Glukokortikoiden indiziert. Die rechtfertigende Indikation wird vom Facharzt für Nuklearmedizin
gestellt.
Eine Re-Radiosynoviorthese wird dann durchgeführt, wenn nach der ersten Anwendung
kein ausreichender Therapieerfolg erzielt werden konnte. Zur Evaluierung des Behandlungserfolgs
anhand des subjektiven Schmerzempfindens bietet sich beispielsweise eine visuelle
Analogskala (VAS) an, die die Einordnung der Schmerzen vor und nach RSO ermöglicht.
Wenn die Schmerzsymptomatik nicht mindestens 50 % geringer ist, so ist der Therapieerfolg
nicht ausreichend. Das kürzeste Intervall für eine Re-RSO beträgt nach der Fach- und
Gebrauchsinformation mindestens 6 Monate – hier sind jedoch Fristen in den jeweiligen
Therapeutika-Zulassungen zu beachten; z. T. ist die maximale Anzahl der Anwendungen
begrenzt (derzeit beispielsweise in Deutschland auf 444 MBq Y-90, 444 MBq Rh-186 und
300 MBq Er-169 pro Jahr).
VI. Kontraindikationen
A. Absolut
-
Schwangerschaft, Laktation
-
Lokale Infektionen und Hauterkrankungen im Bereich oder in der Umgebung der Injektionsstelle
-
Verdacht auf bakterielle Infektion eines Gelenks (Pyarthritis) oder einer einliegenden
Endoprothese mit periprothetischer Infektion
-
Akutes Trauma
-
Frisch rupturierte Poplitealzyste (Therapie des Kniegelenks)
B. Relativ
-
Bei Kindern und Patienten unter 20 Jahren ist die RSO nach besonders sorgfältiger
Nutzen-Risiko-Abwägung zulässig. Eine RSO sollte selbstverständlich nur dann durchgeführt
werden, wenn der zu erwartende therapeutische Nutzen die möglichen Risiken überwiegt
[10]. Für Kinder mit Synovialitis bei Hämophilie ist die RSO eine etablierte hocheffektive
(> 80 % Wirksamkeit) Therapie [9].
-
Hochgradige Knochendestruktion
-
Bei Patienten mit einliegender Endoprothese mit Synovialitis mit Schmerzen und/oder
rezidivierenden Ergüssen ist vor einer RSO die Indikation sorgfältig zu prüfen. Es
bedarf einer Differenzialdiagnostik u. a. bzgl. Infektion, hypererger Reaktion, Abriebsynovialitis,
Fehlposition, Prothesenlockerung, sonstigem mechanischem Versagen, rheumatischem Synovialitisrezidiv
und ggf. primär einer ursachenbezogenen Therapie.
VII. Anforderungen an das Behandlungszentrum
VII. Anforderungen an das Behandlungszentrum
-
Die Therapie darf nur in Einrichtungen durchgeführt werden, die
-
D und A: die behördlich erteilte Umgangsgenehmigung für die Radiopharmaka besitzen.
-
CH: über die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) erteilte Umgangsgenehmigung für die
entsprechenden Radiopharmaka verfügen.
-
Die indikationsstellenden und durchführenden Ärzte müssen
-
D: die entsprechende(n) Fachkunde(n) in Nuklearmedizin vorweisen.
-
A, CH: eine abgeschlossene Facharztausbildung in Nuklearmedizin vorweisen; für in
Ausbildung befindliche Ärzte unter fachärztlicher Anleitung.
-
Auch die gezielte Überweisung von Rheumatologen oder Orthopäden/Handchirurgen zur
RSO enthebt den voll verantwortlichen Nuklearmediziner nicht der sorgfältigen Indikationsprüfung.
Daher ist es selbstverständlich, dass der Nuklearmediziner mit der Grunderkrankung
und dem Krankheitsverlauf vertraut sein muss. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit
ist notwendig und sinnvoll. Der Nuklearmediziner trägt die Verantwortung für die Durchführung
der RSO inkl. der Gelenkpunktionen (in Ausnahmefällen ggf. Gelenkpunktion durch Orthopäden/Handchirurgen
oder Rheumatologen).
-
Ist der geplanten Radiosynoviorthese eine operative Therapie (z. B. offene oder arthroskopische
Synovialektomie) vorausgegangen, z. B. bei einer ausgeprägten Synovialitis oder einer
pigmentierten villonodulären Synovialitis (PVNS), sollte ein Intervall von mindestens
6 Wochen zwischen Operation und nuklearmedizinischer Gelenktherapie eingehalten werden.
-
Der Nuklearmediziner ist außerdem für die Nachsorge, in der Regel ein halbes Jahr
nach Therapie, abgestimmt mit den direkten Zuweisern und anderen Beteiligten im Rahmen
der Therapie, verantwortlich.
-
Behandelnde Ärzte sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung über das
nationale Meldesystem
-
D: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),
Abteilung Pharmakovigilanz, 53175 Bonn
-
A: Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, AGES Medizinmarktaufsicht,
Traisengasse 5, 1200 Wien,
http://www.basg.gv.at/pharmakovigilanz/meldung-von-nebenwirkungen/
-
CH: Swissmedic, Pharmacovigilance Zentrum, Hallerstrasse 7, Postfach 3000, Bern 9,
https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/marktueberwachung/pharmacovigilance/elvis1.html
anzuzeigen bzw. dem Distributor der Radiopharmaka mitzuteilen. Zukünftig wird die
Meldung sonst direkt bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) durchzuführen
sein.
-
Die Entsorgung radioaktiver Abfälle entsprechend der Umgangsgenehmigung bzw. nationaler
Gesetzgebungen ist zu gewährleisten.
VIII. Erforderliche Angaben/Untersuchungen vor Durchführung der Therapie
VIII. Erforderliche Angaben/Untersuchungen vor Durchführung der Therapie
-
Feststellung der Therapieindikation; eine Dokumentation der beim Patienten vorliegenden
Symptomatik und ihrer Intensität (z. B. VAS) vor Beginn und nach der Behandlung wird
empfohlen.
-
Vortherapien: Erfolgte Gelenkpunktionen, lokale Instillation von Glukokortikoiden,
operative Eingriffe am Gelenk sind jeweils mit Angabe des Zeitpunkts und interessierender
Details zu dokumentieren.
-
Laufende Medikation, insbesondere Therapie mit Glukokortikoiden, Basistherapeutika
und Antikoagulanzien.
-
Gerinnungsstatus vor der Gelenkpunktion, falls Hinweise auf eine Gerinnungsstörung
vorliegen. Sind Medikamente, welche die Blutgerinnung relevant einschränken, nicht
notwendig, sollten diese mit ausreichendem Abstand vor dem Eingriff nicht eingenommen
werden [11].
-
Ob eine Antikoagulanzien-Therapie reduziert oder unterbrochen werden muss, sollte
entsprechend der Grunderkrankung und des jeweiligen Präparats entschieden werden.
Bezüglich der Einnahme der Antikoagulationen zum Zeitpunkt der RSO sollte eine Empfehlung
evtl. unter Einbeziehung des betreuenden Hausarztes/ Gerinnungsspezialisten ausgesprochen
werden. Die neuen oralen Gerinnungshemmer brauchen i. d. R. nicht oder nur am Tag
der RSO abgesetzt werden [12]. Zu Vitamin-K-Antagonisten gibt es keine klare Empfehlung und keine gesicherte Datenlage.
Da eine Gelenkpunktion aber ein nur niedriges Blutungsrisiko aufweist, ist ein Absetzen
der Therapie bzw. Umstellen auf Heparin nur in seltenen Fällen erforderlich. Bei Einstellung
eines INR zwischen 2 und 3 erscheint eine RSO auch unter laufender Medikation risikoarm.
Es wird jedoch auch eine Reduktion der Dosis bis zu einem INR von 1,5 (bis < 2) diskutiert
[13]
[14]. Für die Behandlung der Synovialitis bei Hämophilie wird zudem auf die angemeldete
AWMF-Leitlinie (Synovialitis bei Hämophilie) verwiesen [3]. Gerinnungsfaktoren sollten entsprechend den Anweisungen des die Hämophilie behandelnden
Spezialisten verabreicht werden, i. d. R. durch Selbstbehandlung des Patienten.
-
Aktuelle Bildgebung, nicht älter als 4–6 Monate (z. B. konventionelles Röntgen, Mehrphasenskelettszintigrafie,
MRT, Arthro-Sonografie und Powerduplex etc.).
-
Ausschluss einer Bakerzyste mit Ventilmechanismus.
IX. Aufklärung und Einverständniserklärung
IX. Aufklärung und Einverständniserklärung
Der Patient muss rechtzeitig vor der RSO aufgeklärt werden über:
-
das Behandlungsverfahren und mögliche Nebenwirkungen der intraartikulären Punktion
und RSO (s. Punkt 14).
-
alternative Therapiemöglichkeiten.
-
die Notwendigkeit der 48-stündigen Ruhigstellung des mit der RSO behandelten Gelenks
(z. B. Verband, Schienung) mit etwaiger Thromboseprophylaxe.
-
Eine Schwangerschaft sollte nach RSO mit Y-90 bzw. nach Hüftgelenk-RSO mit Re-186
für zumindest 4 Monate vermieden werden (entsprechend der Fachinformation).
Aufklärung (z. B. Formblatt mit evtl. zusätzlichen handschriftliche Notizen und Skizzen)
und Einverständniserklärung müssen schriftlich dokumentiert werden. Eine datierte
Patienten- und Arztunterschrift ist erforderlich. In Deutschland muss der Patient
gemäß dem Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten eine Kopie
des unterzeichneten Aufklärungsbogens erhalten.
X. Technische Voraussetzungen
X. Technische Voraussetzungen
A. Strahlenschutz gemäß nationaler Gesetzgebung
Empfehlungen zum Strahlenschutz sind im Merkblatt des Bundesamts für Strahlenschutz
enthalten [15].
-
Umgangsgenehmigung für die verwendeten Nuklide
-
Überwachung auf Kontamination
-
Lagerung der Nuklide und Abfallbeseitigung
-
Strahlenschutzüberwachung, ggf. Fingerringdosimeter bei Beta-Strahlern
-
Durchleuchtung zur Punktion unter Bildwandlerkontrolle (Ausnahme: Kniegelenk)
B. Behandlungsräume
-
Die Behandlung darf nur in für den Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen von der
Aufsichtsbehörde bewilligten Räumen erfolgen.
-
Intraartikuläre Punktionen dürfen nur unter Einhaltung der hygienischen Anforderungen
durchgeführt werden [16]. Ein entsprechender Hygieneplan muss vorliegen.
-
Räume und Einrichtungen bedürfen regelmäßiger Reinigung und Desinfektion.
-
Die Anzahl der Personen im Behandlungsraum ist auf das Notwendige zu beschränken.
XI. Vorbereitung des Patienten und Arztes
XI. Vorbereitung des Patienten und Arztes
Intraartikuläre Injektionen und Punktionen erfordern eine sorgfältige Indikationsstellung
und Durchführung. Intraartikuläre Injektionen und Punktionen werden vom Robert-Koch-Institut
(RKI) der Risikogruppe 3 zugeordnet [16]. Eine hierauf aufbauende S1-Leitlinie zu intraartikulären Punktionen und Injektionen
des Arbeitskreises „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF ist zu beachten [17].
Nachfolgende Vorgehensweisen sind ggf. daran anzupassen:
-
Patient wäscht Punktionsstelle/Umgebung.
-
Das Injektionsfeld ist so weit freizulegen, dass eine Kontamination durch Kleidungsstücke
zuverlässig vermieden und der Arzt nicht behindert wird.
-
Störende Behaarung ist vor der Injektion/Punktion mit der Schere zu kürzen und anschließend
zu entfernen (z. B. mit einem feuchten Tupfer oder einem Pflaster) oder zu Clippen.
Das Rasieren der Haare im Injektions- bzw. Punktionsbereich sollte nicht erfolgen,
weil es dabei zu Hautverletzungen kommen könnte, die eine Infektion begünstigen.
-
Hygienische Desinfektion der Punktionsstelle. Die Injektionsstelle und ihre Umgebung
sind antiseptisch zu behandeln, nötigenfalls vorher zu reinigen. Dabei sind Hautantiseptika
zu verwenden, deren Wirksamkeit erwiesen ist (z. B. durch Aufnahme in die jeweils
gültige Desinfektionsmittel-Liste des Verbundes für Angewandte Hygiene (VAH-Liste)
oder in das Expertisenverzeichnis der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie
und Präventivmedizin). Das Antiseptikum kann im Sprüh- oder Wischverfahren so aufgebracht
werden, dass es aus allen Seiten herangebracht wird; gefordert wird eine satte Benetzung
der Haut. Die Einwirkzeit muss entsprechend den Herstellerangaben eingehalten werden,
meistens mindestens 1 Minute.
Die Benutzung gefärbter Antiseptika kann das Erkennen des behandelten Bereichs erleichtern.
-
Ggf. Abdecken der Punktionsstelle mit sterilem Lochtuch. Eine wissenschaftliche Evidenz
für die generelle Anwendung von Lochtüchern oder sonstigen Abdeckungen gibt es nicht.
Ein Lochtuch kann sinnvoll sein, wenn z. B. durch möglichen Kontakt der Injektionshand
oder der Spritze oder Nadel mit dem Patienten (z. B. Schambehaarung bei Hüftpunktion)
eine Kontaminationsgefahr besteht.
-
Für den Arzt und das Assistenzpersonal gilt: Von der Kleidung, insbesondere von den
Ärmeln, darf keine Infektionsgefahr ausgehen, ggf. ist zweckmäßige Schutzkleidung
(z. B. Schürze) anzulegen. Für den Arzt gilt: hygienische Händedesinfektion, Tragen
steriler Handschuhe und eines Mundschutzes. Das Assistenzpersonal bei der Punktion
oder Injektion hat eine hygienische Händedesinfektion vorzunehmen, bevor es Verrichtungen
zur Vorbereitung der Injektion/Punktion vornimmt.
-
Verwendung steriler Einmalkanülen und steriler Einmalspritzen.
XII. Vorbereitung der Aktivität
XII. Vorbereitung der Aktivität
-
Aktivitätsmessung bzw. Berechnung der Aktivität über das Volumen
-
Verwendung einer geeigneten Spritzen- und Gefäßabschirmung in Abhängigkeit vom verwendeten
Nuklid (z. B. Plexiglas). Als Greifwerkzeuge können Zangen und Pinzetten verwendet
werden.
XIII. Praktische Durchführung
XIII. Praktische Durchführung
Intraartikuläre Punktionen sollten sich nach den Empfehlungen der jeweiligen AWMF-Leitlinie
richten [17] und die anatomisch günstigsten Zugangswege nutzen, die u. a. exemplarisch von Mödder
et al. beschrieben sind [7].
-
Sonografische bzw. arthrografische Gelenkdarstellung mit Bilddokumentation.
-
Abpunktion eines möglichen Gelenkergusses.
-
Die Injektion des Nuklids ist erst nach Sicherstellung der intraartikulären Lage der
Nadel (Bildwandler-gestützt; in der Regel unter Durchleuchtungstechnik, ggf. nach
Injektion von Kontrastmittel oder unter sonografischer Kontrolle) durchzuführen. Eine
wichtige Ausnahme für das Kniegelenk ist zu beachten:
Bei Verwendung von Röntgenkontrastmittel sollten diese kein EDTA enthalten, um den
kolloidalen Komplex nicht aufzulösen. Bislang wurde eine solche Möglichkeit aber nur
für die Verwendung von Yttrium-90-Kolloid beschrieben, weshalb die RSO des Kniegelenks
ohne Kontrastmittel seit Jahrzehnten üblich ist.
-
Nachspülen der Injektionsnadel bei großen und mittelgroßen Gelenken mit physiologischer
Kochsalzlösung bzw. Glukokortikoiden (s. u.) zur besseren intraartikulären Nuklidverteilung
und zur Vermeidung von Aktivitätsverschleppung in den Stichkanal.
-
Nachinjektion mit Glukokortikoiden (vorzugsweise mit Triamcinolonhexacetonid oder
Triamcinolonacetonid, alternativ Betamethason). In der Hüfte ist wegen der Möglichkeit
einer Hüftkopfnekrose nach lokaler Injektion unabhängig vom verwendeten Präparat die
Kombination von Rhenium-186-Sulfid mit einem mikrokristallinen Retard-Kortikoid zu
vermeiden.
-
Nach Entfernen der Injektionsnadel Abdecken der Injektionsstelle mit sterilem Wundschnellverband.
XIV. Ruhigstellung
Um einen bewegungsbedingten Reflux der Aktivität über den noch nicht verschlossenen
Punktionskanal mit Risiko einer Hautnekrose oder ein Abströmen über die Lymphbahnen
zu verhindern, soll aus strahlenhygienischer Sicht das behandelte Gelenk z. B. mithilfe
einer Schiene bzw. eines Verbandes für ca. 48 Stunden ruhiggestellt und entlastet
werden. Bettruhe ist nicht erforderlich. In Fällen, bei denen eine Ruhigstellung nicht
sichergestellt werden kann, ist die Therapie stationär zu erwägen. Dies gilt insbesondere
für die großen und mittelgroßen Gelenke der unteren Extremitäten. Bei gelenkübergreifender
Immobilisation der großen/mittelgroßen Gelenke der unteren Extremität (Hüfte, Knie,
Sprunggelenk) ist eine medikamentöse venöse Thromboembolie-Prophylaxe empfohlen [18]
[19].
XV. Verteilungsszintigrafie
XV. Verteilungsszintigrafie
Nach Applikation der Radiopharmaka von Re-186 (Gammaanteil) und Y-90 (Bremsstrahlung)
sollte mit einer unmittelbar posttherapeutischen Szintigrafie die regelrechte intraartikuläre
Nuklidverteilung dokumentiert und eine extraartikuläre Nuklidverteilung ausgeschlossen
werden.
XVI. Nebenwirkungen
-
Gelegentlich kommt es nach intraartikulärer Injektion des radioaktiven Arzneimittels
zu einer kurzzeitigen schmerzhaften, nichtinfektiösen entzündlichen Reaktion mit akuter
Ergussbildung in den behandelten Gelenken.
-
Bei nicht streng intraartikulärer Nuklidinstillation (iatrogen) oder Zurückfließen
der eingebrachten Substanz in den Stichkanal bzw. bei inadäquater Immobilisation des
Gelenks (überwiegend nicht iatrogen) kann es zu periartikulären Nekrosen kommen, die
ggf. mittels handchirurgischer und mikrochirurgischer Techniken behandelt werden müssen
bzw. eine plastische Hautdeckung erfordern. Im begründeten Verdachtsfall einer paraartikulären
Infiltration muss die Applikation sofort gestoppt werden. Der Verdacht kann dann ggf.
über eine Verteilungsszintigrafie erhärtet werden. Im Falle des Verdachts auf eine
paraartikuläre Infiltration in der Verteilungsszintigrafie empfiehlt sich eine Kontrollaufnahme
nach 1–2 Stunden. Eine spezifische Therapie bei einer paraartikulären Infiltration
ist nicht bekannt. Hier kann eine lokale Überwärmung, Hochlagerung der Extremität
sowie leichte Streichmassage (ohne jedoch das Gelenk zu sehr zu mobilisieren) die
Lymphdrainage etwas fördern und damit die lokale Strahlendosis reduzieren.
-
In Einzelfällen ist eine fieberhafte Reaktion nach der Injektion des radioaktiven
Arzneimittels beobachtet worden.
-
Vereinzelt kann ein Lymphödem der behandelten Extremität auftreten.
-
Das Risiko punktions- und injektionsassoziierter Infektionen hängt von Ort und Art
des Eingriffs ab. Das Risiko von intraartikulären Infektionen nach Injektionen kann
auf ca. 1:20 000 bis 1:50 000 beziffert werden [s. a. 20]. Individuelle Faktoren (z. B.
Diabetes mellitus, immunsuppressive und Kortikosteroid-Therapie, Erkrankungen mit
Schwächung des Immunsystems) können das Risiko erhöhen. Bei nach dem Eingriff vermehrten
Beschwerden im behandelten Gelenk soll unverzüglich der Behandler oder – bei dessen
Unerreichbarkeit – ein anderer Arzt aufgesucht werden. Dem Patienten sind entsprechende
Informationen zur Verfügung zu stellen, insbesondere auch vor Wochenenden und geplanten
Abwesenheiten oder Verhinderungen des Arztes, da die frühestmögliche Erfassung einer
Komplikation nach intraartikulärer Injektion oder Punktion für Behandlung und Behandlungsergebnis
der Komplikation entscheidend ist. Bezüglich der Vorgehensweise bei Verdacht auf eine
intraartikuläre Infektion oder bei Feststellung einer Infektion nach Gelenkinjektion
oder -punktion bei der ambulanten Behandlung wird auf die Leitlinie der Deutschen
Gesellschaft für Unfallchirurgie verwiesen [21].
-
Eine schwärzliche dermal-epidermale Pigmentation an der Injektionsstelle kann selten
beobachtet werden.
XVII. Dosimetrie
Eine prätherapeutische, individualisierte Dosimetrie ist derzeit nicht regelhaft möglich,
da die absorbierte Dosis nicht nur vom verwendeten Radionuklid (Halbwertszeit, Energie
der β-Strahlung) und der applizierten Aktivität abhängig ist, sondern auch von Faktoren
wie der intraartikulären Nuklidverteilung sowie der Dicke und der oft ausgeprägt zottenförmigen
Beschaffenheit der Synovialis. Die adäquate Aktivität für die RSO verschiedener Gelenke
wurde daher empirisch ermittelt. Für die grundsätzliche Abschätzung der lokalen, therapeutisch
wirksamen Dosis verschiedener RSO-Nuklide existieren Dosisfaktoren, Dosisprofile und
beispielhafte Berechnungen [22]
[23].
XVIII. Strahlenexposition und Strahlenschutz
XVIII. Strahlenexposition und Strahlenschutz
Die effektive Ganzkörper-Strahlenexposition ist vergleichbar mit den häufig angewendeten
Röntgen- und nuklearmedizinischen Untersuchungen [22]
[23]. Als kritischstes Organ können die Gonaden angesehen werden. Von verschiedenen Autoren
wurde die zu erwartende Gonadendosis durch 90Y-Bremstrahlung aus dem Knie bestimmt. Modellberechnungen gemäß dem MIRD-Konzept bzw.
anhand von Monte-Carlo-Simulationen ergeben variierende Werte zwischen 0,0009 Gy/MBq
und 0,0022 mGy/MBq (ca. 0,2–0,49 Gy Gonadendosis bei 222 MBq applizierter Aktivität)
[24].
In Österreich sind den Patienten aufgrund der medizinischen StSchVO ein Merkblatt
mit Verhaltensgrundsätzen bzw. eine Hinweiskarte mitzugeben. Ein Entwurf dazu findet
sich in der ÖNORM S5275-1.
Bei Frauen bis 50 Jahren und bei Männern bis 60 Jahren empfiehlt sich während einer
Durchleuchtung das Anlegen eines Gonadenschutzes.
A. Strahlenschutz des Personals
Während der Applikation sind hinsichtlich des Strahlenschutzes die besonderen Eigenschaften
von Betastrahlern zu berücksichtigen, die aufgrund ihrer kurzen Reichweite eine hohe
Oberflächendosis verursachen können. Für den Strahlenschutz ist insbesondere die Oberflächen-Personendosis
Hp(0,07) relevant, welche die Äquivalentdosis in 0,07 mm Tiefe im Körper an der Tragestelle
des Teilkörperdosimeters repräsentiert. Bekanntermaßen lässt sich Betastrahlung durch
Materialien niedriger Nukleonenzahl gut abschirmen, bspw. durch Spritzenabschirmungen
aus Acrylglas (Plexiglas®, PMMA). In guter Näherung lässt sich die Dicke D der notwendigen Abschirmung aus
der maximalen Betaenergie des Nuklids nach folgender Faustformel berechnen: D [cm] = Emax [MeV]/2. So wird die Betastrahlung von Yttrium-90 mit einer Abschirmung aus ca. 1 cm
Acrylglas nahezu vollständig abgeschirmt.
Neben der konsequenten Nutzung solcher Abschirmungen sollten unbedingt auch abstandvergrößernde
Maßnahmen bei der Vorbereitung der Spritzen und der Applikation des Radiopharmakons
genutzt werden. Bspw. können bei Rechtshändern aufgrund der Fixierung der Kanüle insbesondere
Zeigefinger und Daumen der linken Hand stark strahlenexponiert werden, wenn lediglich
eine Spritzenabschirmung verwendet wird. Es wird daher empfohlen, zur Fixierung der
Kanüle eine zusätzlich Haltezange oder Pinzette zu verwenden [25] oder alternativ einen Einweg-Makrolonring bei Applikation zu nutzen [26]. Bei der Verwendung solcher Hilfsmittel beträgt die mittlere spezifische Hautdosis
an den Fingerspitzen ca. 2–3 µSv/MBq und beim Vorbereiten der Spritze ca. 1 µSv/MBq.
Die maximale Oberflächen-Personendosis an den Fingerspitzen der MTA und Ärzte kann
so deutlich reduziert werden [26].
Ebenso gilt es, den Strahlenschutz bei der Durchleuchtung zu beachten. Das Tragen
von Röntgenschutzwesten ist obligat. Ebenso die Positionierung der Röntgenröhre unter
dem Tisch, um Streustrahlung zu minimieren. Während der Durchleuchtung sollten sich
die Hände des behandelnden Arztes nicht im Nutzstrahlenfeld befinden.
Das vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) publizierte Merkblatt zur RSO fasst zu
beachtende Strahlenschutzmaßnahmen ausführlich zusammen [26].
XIX. Akute Beschwerden und Nachsorge
XIX. Akute Beschwerden und Nachsorge
Auftreten von Beschwerden nach der RSO:
-
Der Patient soll dazu angehalten werden, bei vermehrten Beschwerden im mit der RSO
behandelten Gelenk unverzüglich den behandelnden Nuklearmediziner oder evtl. seinen
überweisenden Orthopäden/Handchirurgen oder Rheumatologen zu benachrichtigen oder
aufzusuchen.
-
Im – unmittelbar nach RSO sehr seltenen – Notfall (z. B. V. a. akute septische Arthritis)
sollte die behandelnde Einrichtung für den Patienten erreichbar sein. Notfälle nach
einer RSO sind in den allerwenigsten Fällen kausal mit der RSO assoziiert. Eine Gefahr
vonseiten der Strahlenbelastung besteht für das medizinische Personal im Falle eines
akuten Einsatzes bei RSO-Patienten zu keinem Zeitpunkt.
Jeder behandelnde Arzt sollte sich über die Ergebnisse der von ihm durchgeführten
Therapie, somit auch nach RSO, informieren. Zusätzlich sollte gemäß der Empfehlung
der Strahlenschutzkommission (SSK) zur Nachsorge für Patienten nach Strahlenbehandlung
eine Nachsorge durch den Facharzt für Nuklearmedizin erfolgen [27]:
-
Eine erste Nachsorge ist nach 6–8 Wochen in Zusammenarbeit mit dem überweisenden Arzt
zu erwägen.
-
Die ambulante Kontrolluntersuchung zur Beurteilung des endgültigen Therapieerfolgs
mit klinischer Beurteilung, Arthro-Sonografie, ggf. mit Skelettszintigrafie in Mehrphasentechnik,
sollte ca. 6 Monate nach RSO erfolgen.
XX. Ergebnisse
Die RSO ist eine effektive, seit Jahrzehnten bewährte Therapiemethode zur lokalen
Behandlung der Synovialitis, also von chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen und
der hämophilen Arthropathie. Sie führt in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu
einer subjektiven und objektiven Verbesserung mit Rückgang der Entzündung, der Schmerzen
und der Schwellung [28]
[29] sowie deutlicher Reduktion der Blutungsneigung bei Hämarthropathie [30]. Wegen protrahierter Wirkung ist der Therapieerfolg manchmal erst nach Monaten zu
beurteilen. Die Erfolgsrate ist abhängig von der Grunderkrankung und vom im Frühstadium
behandelten Gelenkzustand. Entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankungen sowie Arthropathie
bei Hämophilie zeigen eine Besserungsrate von > 60–80 % [26]
[28]. Die Frage des therapeutischen Erfolgs kann für den individuellen Patienten prätherapeutisch
nur durch das Abwägen von entzündlichen vs. degenerativen Gelenkveränderungen abgeschätzt
werden. Bei fremdkörperbedingten Synovitiden nach Gelenkersatz sind in besonders begründeten
Fällen mehrere Sitzungen (max. 3 in halbjährigem Abstand) nötig, um ein zufriedenstellendes
Resultat zu erreichen.
Sowohl große als auch mittlere und kleine Gelenke sind für die Therapie geeignet [7]
[24]
[32]
[33]
[34]
[35]
[36].
Eine kombinierte Anwendung der RSO mit einer intraartikulären Glukokortikoid-Injektion
zeigt in vielen Fällen günstigere Ergebnisse und wird in der Routine zumeist auch
bevorzugt (Ausnahme ist die RSO der Hüfte; Verweis auf 12.5.). Zudem kann Kortison
den mitunter verzögerten Wirkungseintritt der RSO überbrücken.
Die arthroskopische Synovialektomie bei Kniegelenken mit nachfolgender RSO ergibt
deutlich bessere Ergebnisse im Vergleich zur alleinigen chirurgischen Synovialektomie
[37]
[38]
[39]. Das Zeitintervall zwischen operativem Gelenkeingriff und einer RSO sollte mindestens
6 Wochen betragen.
Generell ist eine enge Zusammenarbeit mit rheumatologisch und orthopädisch versierten
Ärzten empfohlen, um für jeden Patienten eine optimale Therapiestrategie zu ermöglichen.
XXI. Vorbehaltserklärung
Die Fachgesellschaften für Nuklearmedizin Deutschlands, Österreichs und der Schweiz
geben Leitlinien heraus, um Qualitätsstandards in der Anwendung von Untersuchungs-
und Behandlungsverfahren in der Nuklearmedizin zu formulieren. Diese Art von Empfehlungen
gelten nicht für alle Gegebenheiten in der Praxis. Diese Leitlinie erhebt nicht den
Anspruch, dass sie alle infrage kommenden Verfahren enthält oder dass sie Methoden,
die zum gleichen Ergebnis führen, ausschließen würde. Ob ein Verfahren angemessen
ist, hängt zum Teil von der Prävalenz der Erkrankung in der Patientenpopulation ab.
Außerdem können sich die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in verschiedenen medizinischen
Einrichtungen unterscheiden. Aus diesen Gründen darf diese Leitlinie nicht starr angewendet
werden.
Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben,
insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand
zur Zeit der Drucklegung der Leitlinie entsprechen können. Deshalb muss bei der Benutzung
der Leitlinie auf ihr Entstehungsdatum geachtet werden. Hinsichtlich der angegebenen
Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die
größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die
Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und
im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollen
bitte im allgemeinen Interesse der DGN mitgeteilt werden.
Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische
Applikation, Medikation und Dosierung.