AGDV und DDG
Seit dem Jahr 2003 ist die 2002 in München gegründete Arbeitsgemeinschaft für Geschichte
der Dermatologie und Venerologie (AGDV e. V.) auf den Tagungen der DDG mit einer wissenschaftlichen
Sitzung präsent. Aus Anlass des Jubiläums „Fünfzig DDG-Kongresse“ fand das Treffen
am 30. April 2019 nicht wie bislang üblich als Parallelveranstaltung am traditionellen
Mittwoch der Arbeitsgemeinschaften am Kongressort statt. Vielmehr trafen sich die
AGDV-Mitglieder, historisch interessierte Dermatologen und Gäste bereits am Vortrag
im Seminarraum der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin.
Mitgliederversammlung mit Neuwahlen
Auf der zu Beginn abgehaltenen Mitgliederversammlung wurde zunächst über die vielfältigen
Aktivitäten des Vereins in den zurückliegenden beiden Geschäftsjahren berichtet, welche
auf der Homepage der DDG als Tätigkeitsbericht einsehbar sind. Bei den Vorstandswahlen
wurden Christoph Löser, Ludwigshafen (Präsident), Markus Braun-Falco, München (Vizepräsident),
Martin Lorenz, Kaiserslautern (Sekretär) und Volker Wendt, Oldenburg (Schatzmeister)
im Amt bestätigt; als Beisitzer wurden gewählt Michael Geiges, Zürich, Christian Lechner,
Innsbruck, und Andreas Mettenleitner, Würzburg, und als Kassenprüfer Hartmut Ständer,
Münster.
Wissenschaftliche Sitzung der AGDV
Das Hauptthema „Fünfzig DDG-Kongresse“ wurde in der eigentlichen Sitzung mit chronologisch
abgestimmten Vorträgen beleuchtet. Zunächst sprachen als Gäste die befreundeten Kollegen
aus Polen und der Tschechischen Republik. Rafal Bialynicki-Birula aus Breslau berichtete
über „Die ersten DDG-Kongresse unter Neisser“. Petr Arensberger aus Prag sprach über
„DDG-Kongresse aus Prager Sicht“ und erinnerte an das für alle Teilnehmer denkwürdige
Jubiläumstreffen, dass er im Jahr 2009 anlässlich der 120-Jahrfeier der Gründung der
DDG in Prag ausgerichtet hatte.
Joachim Barth würdigte mit seinem Beitrag „Tagungen in der DDR“ die Aktivitäten der
ostdeutschen Dermatologen während der Zeit der Trennung, dargestellt in einem lesenswerten,
bereits in der „Aktuellen Dermatologie“ publizierten Beitrag [1].
Drei weitere spannende Vorträge sind hier zusammengefasst:
Martin Lorenz, Kaiserslautern, berichtete über „DDG-Kongresse in der Zeit des Nationalsozialismus“:
Im April 1933 trat nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten der amtierende
DDG-Vorstand zurück und Karl Zieler wurde zum Vorsitzenden der DDG gewählt. Dieses
Amt behielt er bis zum Kriegsende bei. In seiner Tätigkeit zeigte er offen seine nationalkonservative
und antisemitische Grundhaltung, er beeinflusste wesentliche Personalentscheidungen
und Kongressteilnahmen mit. Zieler war damit wesentlich am Niedergang der Dermatologie
in der Zeit des Nationalsozialismus beteiligt. Die Kongresse der DDG in der NS-Zeit
fanden 1934 in Berlin und 1937 in Stuttgart statt. Im August 1939 gab es die 1. Großdeutsche
Tagung der DDG in Breslau nach Anschluss Österreichs. Die letzte Tagung der DDG in
der Zeit des Dritten Reiches fand in Würzburg statt. Gerade der letzte Kongress stand
unter den Vorzeichen des gerade stattfindenden Zweiten Weltkriegs.
Zusammenfassend kommt den DDG-Kongressen während der Zeit des Nationalsozialismus
eine besondere historische Bedeutung zu, insbesondere im Kontext der gesamtgesellschaftlichen
Entwicklung in dieser Zeit.
Harald Gollnick, Magdeburg, berichtete über „Die Tagungen der DDG in der Nachkriegszeit
und nach der Wiedervereinigung 1990“ [2]: Politische und organisatorische Gegebenheiten verhinderten nach Kriegsende gemeinsame
Tagungen der Dermatologen in den Ost- und West-Zonen. Dazu zählten auch Ab-, Um- und
Neubesetzungen der Lehrstühle und Chefstellen an großen Kliniken. Marchionini organisierte
1948 eine Unna-Tagung, die 2. Zonentagung in Berlin 1948 und die Gemeinschaftstagung
der Hamburger und Berliner Dermatologischen Gesellschaft 1950. Diese widmeten sich
vor allem der Aufarbeitung der Geschehnisse in der Zeit des Nationalsozialismus und
der Entschuldigung für Vertreibung, Verfolgung und Ermordung v. a. unserer jüdischen
Kollegen. 1949 fand die 21. Tagung der DDG unter der Leitung Schönfeld (Generalsekretär)
und Marchionini (Präsident) in Heidelberg statt. Ihr folgten in 2- oder 3-jährigen
Abständen unter Marchionini und Gans, Schreus, Kimmig und den in den Wahlperioden
folgenden Generalsekretären und Präsidenten der DDG Tagungen an wechselnden Standorten
in Westdeutschland statt. Bereits 1956 in Wien und 1963 in Zürich gab es immer wieder
wechselnd auchTagungsorte in Österreich und in der Schweiz. Die Themenschwerpunkte
wechselten, und der Umfang nahm von Tagung zu Tagung zu. 1988 feierte die DDG unter
Braun-Falco, Christophers und Borelli in München „100 Jahre Fortschritt durch Forschung“.
Die letzte Tagung der Dermatologen in der DDR fand eine Woche vor dem Mauerfall 1989
in Dresden statt. Marghescu und Christophers leiteten 1990 in Hannover die erste Tagung
nach der Wiedervereinigung.
Ab der Berliner Tagung 2003 und den Dresdner Tagungen 2005 und 2007 sowie in den folgenden
Jahren wiederum in Berlin gab es keine Leitthemen mehr, sondern Themengruppen aus
der gesamten Dermato-Venerologie. Mittwochs tagten die Arbeitsgemeinschaften und Schwestergesellschaften
während Donnerstag bis Samstag das Hauptprogramm lief. Ergänzend zum bisherigen 2-jährigen
Rhythmus der Haupttagung wurde ab 2012 jeweils im Zwischenjahr eine kleine DDG Tagung
„Derma Compact“ unter einem Leitthema eingeführt. Diese zählt inzwischen über 1000
Teilnehmer, während die Haupttagung mit über 3000 Teilnehmern weiterhin die Kernveranstaltung
ist.
Björn Berghausen, Berlin, gab „Einblicke in das DDG-Archiv Berlin“ [3]: Erklärt wurden die Besonderheiten des historischen Archivs mit Schwerpunkt auf
personenbezogenen Quellen aufgrund der Gründungsgeschichte des Archivs, das sich insbesondere
auf das Lebenswerk von Albrecht Scholz stützt. Sammlungskerne sind neben Dokumenten
zu bedeutenden Dermatologen auch Quellen zur Organisationsgeschichte, regionalen Organisationen
und Fotodokumenten. Der lebendige Charakter eines historischen Archivs besteht darin,
dass Nachlieferungen zu den Sammlungskernen systematisch aufgenommen und ergänzt werden
können.
Dieser letzte Vortrag von Björn Berghausen, dem Archivar des DDG-Archivs in Berlin,
berührte in besonderer Weise das Anliegen der AGDV, Quellen zur dermatologischen Fachgeschichte
zu erschließen und zu sichern. Ein sogenannter Depositalvertrag regelt die Nutzung
des Archivs, in dem vielfältige Materialien zur Geschichte der DDG und damit auch
der Dermatologie an sich gesammelt und archiviert werden. Obgleich, wie Berghausen
feststellte, „unter den Bibliophilen dieser Welt viele Dermatologen sind“, schließt
die Sammlung keine Bücher mit dermatologischem Bezug ein, aber durchaus Autographen.
Somit finden sich im Archiv der DDG wichtige Überlieferungen unseres Berufsstandes.
Entsprechende Dokumente zur Fachgeschichte werden dort gerne entgegengenommen.
GeDENKOrt Charité
Ehe die Veranstaltung in der Charité fortgesetzt wurde, bot sich die Gelegenheit einer
Führung mit dem Medizinhistoriker Thomas Beddies vom Institut für Geschichte der Medizin
und Ethik in der Medizin der Charité durch den neu geschaffenen GeDENKOrt Charité.
Dabei handelt es sich um einen interaktiven Erinnerungsweg, der mithilfe einer App
Aspekte der Geschichte der Berliner Charité während der NS-Zeit mit Gedenkskulpturen,
einer historischen Ausstellung und interaktiver Videokunst zeigt.
Gedenktafelenthüllung in der Charité
Auf tatkräftige Initiative von Volker Wendt haben die Arbeitsgemeinschaft Geschichte
der Dermatologie und Venerologie (AGDV) und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft
(DDG) zu Ehren der in der Zeit des Nationalsozialismus ermordeten oder durch Suizid
aus dem Leben geschiedenen jüdischen Dermatologinnen und Dermatologen eine Gedenktafel
anfertigen lassen. Von den darauf genannten 68 Kollegen kamen fast die Hälfte aus
Berlin. Daher fand die Gedenktafel im Eingangsfoyer der Klinik für Dermatologie, Venerologie
und Allergologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin einen würdigen Platz. Auch
wegen neuer antisemitischer Tendenzen in Deutschland sollte hier ein deutliches Zeichen
gesetzt werden. Die öffentliche Enthüllung samt der Ansprachen wurde mit ausführlichen
Veröffentlichungen im Journal der DDG gewürdigt [4]
[5].
Damit endete der offizielle Teil der Veranstaltung. Zukünftige Veranstaltungen der
AGDV, wie die wissenschaftliche Sitzung in der Hautklinik der Charité am 13. April
2021 im Rahmen der 51. Tagung der DDG in Berlin 2021, sind bereits in Vorbereitung.