Beigel JH.
et al.
Remdesivir for the Treatment of Covid-19 – Final Report.
N Engl J Med 2020;
383: 1813-1826
DOI:
10.1056/NEJMoa2007764
An der weltweit durchgeführten ACCT-1-Studie (Adaptive COVID-19 Treatment Trial, erstes
Stadium) nahmen Patienten teil, die wegen COVID-19 stationär behandelt wurden und
Zeichen einer Infektion der unteren Atemwege aufwiesen. Randomisiert erhielten sie
entweder Remdesivir (1. Tag 200 mg, 2.–10. Tag 100 mg täglich) oder 10 Tage ein entsprechendes
Placebo. Der klinische Status der Patienten wurde täglich erhoben. Dazu verwendeten
die Wissenschaftler eine 8 Kategorien umfassende Ordinalskala und den National Early
Warning Score, der 6 physiologische Parameter berücksichtigt und das klinische Risiko
auf einer Skala von 0–20 angibt (0 niedrigstes, 20 höchstes Risiko). Als primärer
Endpunkt der Studie war zunächst der Wert auf der 8 Kategorien umfassenden Ordinalskala
an Tag 15 festgelegt worden. Er wurde aufgrund der wachsenden Erkenntnisse zum Verlauf
der COVID-19-Erkrankung früh in die Zeit bis zur Erholung bis zum Tag 29 geändert.
Definiert war die Erholung als Entlassung aus dem Krankenhaus (mit oder ohne Beeinträchtigung
der Aktivitäten) oder Fortsetzung des stationären Aufenthalts nur noch zur Infektionskontrolle
(Kategorie 1, 2 oder 3 der Ordinalskala). Die aktuelle Publikation ist die Auswertung
nach Abschluss der geplanten Beobachtungsdauer. Zuvor waren bereits vorläufige Ergebnisse
veröffentlicht worden.
Ergebnisse
Die ACTT-1-Studiengruppe um John H. Beigel von der Northwestern University in Chicago
berichten über 1062 randomisierte Patienten, von denen 541 der Remdesivir- und 521
der Placebogruppe zugelost worden waren. 15,0 % der Patienten wurden als leicht bis
moderat erkrankt eingestuft, die übrigen 85 % waren bei Randomisierung schwer erkrankt,
d. h. sie
-
benötigten eine mechanische Beatmung,
-
benötigten eine Sauerstoffgabe,
-
hatten bei Atmung normaler Raumluft eine Sauerstoffsättigung ≤ 94 % oder
-
wiesen eine Tachypnoe auf (≥ 24 Atemzüge pro Minute).
Die mediane Zeit bis zur Erholung lag in der Remdesivir-Gruppe bei 10 Tagen (95 %
Konfidenzintervall [KI] 9–11) und in der Placebogruppe bei 15 Tagen (95 % KI 13–18).
Die Verhältnisrate (Rate Ratio, RR) für eine Erholung lag bei 1,29 zugunsten von Remdesivir
(95 % KI 1,12 – 1,49; p < 0,001).
Bei Modellierung nach der 8-stufigen Ordinalskala zeigte sich nach Adjustierung gemäß
der aktuellen Krankheitsschwere, dass die Patienten der Remdesivir-Gruppe eine höhere
Wahrscheinlichkeit hatten, an Tag 15 eine klinische Besserung zu zeigen, als die Patienten
der Placebogruppe (Odds Ratio 1,5; 95 % KI 1,2–1,9).
Die Remdesivir-Gruppe zeigte gegenüber der Placebogruppe auch Vorteile in anderen
sekundären Endpunkten wie Zeit bis zur Verbesserung um ein oder zwei Werte auf der
Ordinalskala, die Zeit bis zu einer anhaltenden Verbesserung des National Early Warning
Score auf eine Wert von ≤ 2, die Dauer des stationären Aufenthalts (median 12 vs.
17 Tage) und die Zeit bis zur Entlassung.
Die Kaplan-Meier-Schätzungen zur Mortalität lagen an Tag 15 bei 6,7 % mit Remdesivir
und 11,9 % mit Placebo, an Tag 29 bei 11,4 % mit Remdesivir und 15,2 % mit Placebo
(Hazard Ratio 0,73; 95 % KI 0,52 – 1,03). Schwere unerwünschte Ereignisse wurden in
der Remdesivir-Gruppe seltener als in der Placebogruppe dokumentiert (24,6 % vs. 31,6 %).
Die Autoren betonen, dass die Studie durch Lockdown und Reiserestriktionen unter erschwerten
Bedingungen durchgeführt werden musste. Die deutlichsten Vorteile von Remdesivir fanden
sich bei Patienten mit supportiver Sauerstoffgabe, was allerdings daran liegen könnte,
dass diese Gruppe besonders groß war. Nach ersten Ergebnissen der SOLIDARITY-Studie
rät die WHO inzwischen vom Einsatz von Remdesivir ab (WHO Solidarity trial consortium
2020; doi:10.1101/2020.10.15.20209817).
Friederike Klein, München