Stephen-Victor E.
et al.
Potential of regulatory T-cell-based therapies in the management of severe COVID-19.
Eur Respir J 2020;
56: 2002182
DOI:
10.1183/13993003.02182-2020
Regulatorische T-Zellen (Treg) haben eine wichtige Funktion für die Immuntoleranz,
verhindern Autoimmunkrankheiten und schützen bei entzündlichen Erkrankungen mit der
Ausschüttung immunregulatorischer Moleküle wie CTLA-4 vor unkontrollierten Abwehrreaktionen.
Außerdem sezernieren Treg immunsuppressive Zytokine (Interleukin-10, Transforming
Growth Factor-ß und Interleukin-35). Treg verhindern inflammationsinduzierte Gewebeschädigungen
und fördern die Heilung.
Die aktuelle Evidenz spricht dafür, dass Patienten mit einer schweren COVID-19 im
Vergleich zu Patienten mit milden Erkrankungen reduzierte periphere Treg haben. Eine
mögliche Ursache ist eine Migration der Treg in die Lunge, um dort eine Gewebedestruktion
zu verhindern. Gleichzeitig fanden sich aber reduzierte Interleukin-2-Transkripte
in der bronchoalveolären Lavage. Dies spricht für eine gesteigerte Apoptose der Treg,
was auch reduzierte Spiegel von FoxP3 unterstützen, einem Schlüsselprotein für die
suppressiven Treg-Eigenschaften. Schwer Erkrankte wiesen darüber hinaus gesteigerte
Spiegel von löslichem Interleukin-2-Rezeptor auf, der für die Reifungsregulation von
Treg im Thymus bedeutsam ist. In Analogie zum MERS-Virus ist auch direkte Schädigung
der Treg durch SARS-CoV-2 denkbar.
Aus der dysregulierten Immunantwort bei schweren COVID-19 resultieren Überlegungen
für therapeutische Ansätze. Der adoptive Transfer ex-vivo-vermehrter polyklonaler
Treg, also die Förderung des immunologischen Gedächtnisses, dürfte wegen der Herstellungsdauer
und Kosten nicht machbar sein. Alternativ wird derzeit der Nutzen allogener Treg aus
Nabelschnurblut (matched) überprüft. 2 Patienten mit einem akuten Lungenversagen erhielten
2- bis 3-mal wöchentlich allogene, ex-vivo-vermehrte Treg (1 × 108 Zellen/Dosis). Dies bewirkte einen raschen Abfall inflammatorischer Mediatoren (z. B.
Interleukin-6, Tumornekrosefaktor-α und Interferon-γ). Eine alternative Therapieoption
ist die Boosterung der patienteneigenen Treg. Bei Typ-1-Diabetes und anderen Autoimmunerkrankungen
wurde niedrig dosiertes Interleukin-2 eingesetzt. Die gesteigerten Interleukin-2-Rezeptoren
sprächen gegen einen entscheidenden Nutzen bei COVID-19. In präklinischen Modellen
führten Komplexe von Interleukin-2 und monoklonalen Antikörpern zu einer Treg-Stimulation
und -Expansion.
Neben dem adoptiven/allogenen Transfer und der Boosterung kommen als dritte therapeutische
Möglichkeit Treg-sezernierte Moleküle in Betracht. Mit dem rekombinanten Fusionsprotein
Abatacept bestehen bereits Erfahrungen bei verschiedenen systemischen Autoimmunkrankheiten.
Abatacept hemmt selektiv die T-Zell-Aktivierung und begrenzt die Immunantwort. Spanische
und italienische Arbeitsgruppen konnten eine Symptomreduktion bei COVID-19 zeigen.
47 Studien beschäftigen sich derzeit mit der möglichen Effektivität von Tocilizumab/Sarilumab,
humanisierten monoklonalen Antikörpern gegen den Interleukin-6-Rezeptor. 14 Arbeitsgruppen
untersuchen den Nutzen des Interleukin-1-Rezeptorantagonisten Anakinra.
Wenn mehr Daten über „das Schicksal der Treg“ bei COVID-19 vorliegen, könnten sie
mit bisher Bekanntem die Grundlage einer randomisierten Studie mit Abatacept für moderate
und schwere Covid-19-Fälle sein, meinen Stephen-Victor et al. Die Wahl der richtigen
Dosierung und der Behandlungszeitpunkt stellten dabei besondere Herausforderungen
dar. Gegen eine frühe Behandlung spräche die mögliche Aushebelung einer adäquaten
und protektiven Immunantwort.
Dr. med. Susanne Krome, Melle