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DOI: 10.1055/a-1288-4824
S1-Leitlinien für den Lichen planus
European S1 guidelines on the management of lichen planus: a cooperation of the European Dermatology Forum with the European Academy of Dermatology and Venerology.
JEADV 2020;
34: 1403-1414
DOI: 10.1111/jdv.16464
Die Behandlungslandschaft ist beim Lichen planus so vielfältig wie seine Manifestationen. Bislang fehlte es an evidenzbasierten Leitlinien. Ein europäisches Expertengremium erarbeitete nun im Konsensus Handlungsempfehlungen.
Diskussionsbasis waren eine Literaturrecherche und die Expertise der Spezialisten. Die Behandlungsoptionen bei einem Befall von Haut, Schleimhaut und Hautanhangsgebilden wurden in Rundmails erarbeitet. Die Autoren verweisen auf die multifaktorielle Genese des Lichen planus (LP) und die Assoziationen mit anderen Krankheiten. So kommt der LP bei Schilddrüsenerkrankungen, immunmediierten Erkrankungen (z. B. Alopezia areata, Colitis ulcerosa, Myasthenia gravis) und Infektionen wie der Hepatitis C gehäuft vor. Die Ergebnisse zum Diabetes mellitus seien widersprüchlich. Patienten mit Lichen planus haben ein gesteigertes Risiko für eine Dyslipidämie, weshalb ein Screening empfohlen wird. Besonders bedeutsam ist der Lichen als Vorstufe von Plattenepithelkarzinomen, weshalb bei therapieresistenten und längerfristigen Läsionen Biopsien, auch wiederholt, unerlässlich seien. Als Differenzialdiagnosen werden genannt:
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Lichen nitidus, Lichen sclerosus, Lichen spinulosus, Graft-versus-Host-Erkrankung, Lichen striatus, Naevi,
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Ekzem, Lichen simplex chronicus, Prurigo nodularis,
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Pityriasis rosea, Psoriasis guttata, Psoriasis vulgaris, ekzematoide Purpura,
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medikamentös induzierte Hautausschläge, Tinea corporis, papuläre Akrodermatitis,
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Granuloma anulare, Lichen amyloidosus, Pityriasis lichenoides und das Kaposi-Sarkom.
Therapeutisch sollte zunächst eine ausführliche Medikamentenanamnese erfolgen. Zahlreiche Substanzen könnten einen Lichen planus auslösen, darunter häufig verordnete Arzneimittel wie ACE-Hemmer, nichtsteroidale Antirheumatika, Antimykotika und Sulfon-basierte Medikamente. Für die Linderung des Juckreizes kommen u. a. Menthol, Kampfer, Doxepin und Polidocanol in Betracht. Für die medikamentöse Erstlinientherapie des kutanen LP lautet die Empfehlung:
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topische Steroide,
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Triamcinolon intraläsional,
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systemische Kortikosteroide,
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Acitretin und
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orales Cyclosporin.
In der 2. Linie kommen eine Phototherpaie, Phototherapie/Acitretin, topische Calcineurininhibitoren und Sulfasalazin in Betracht. Für sehr hartnäckige Verläufe werden z. B. Antibiotika und Immunmodulatoren aufgelistet.
Beim oralen Lichen planus steht die Applikation hochpotenter Steroide im Vordergrund, die auch intraläsional und systemisch erfolgen kann. Retinoide und Cyclosporin waren ebenfalls wirksam. Bei weiter persistierenden Läsionen durch einen Lichen planus der Schleimhaut werden Calcineurininhibitoren, Sulfasalazin, Azathioprin, Hydroxychloroquin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil und TNF-alpha-Inhibitoren diskutiert.
Die Behandlungsoptionen für den genitalen LP ähneln denen der oralen Variante. Ein Schwerpunkt ist die Vermeidung von Narben, denen mit Pflegecremes, Vaginaldilatatoren und dem regelmäßigen zurückschieben der Vorhaut vorgebeugt wird. Selten sind Operationen notwendig. Hydrokortison-Suppositorien oder mit einem Applikator eingeführte Kortisoncremes schützen vor einer vaginalen Narbenbildung. Lokalanästhetika, sedierende Antihistaminika und niedrig dosierte Antidepressiva verhindern Kratzen. Die Experten schlagen einen Behandlungsbeginn mit Clobetasol oder Calcineurininhibitoren vor sowie eine Erhaltungstherapie mit weniger potenten topischen Kortikosteroiden. Ein langfristiges Monitoring dient dem Ausschluss einer malignen Transformation. Für den LP der Hautanhangsgebilde lauten die Empfehlungen für die Erstlinientherapie: topische Kortikosteroide, intraläsionale Kortikosteroide, systemische Steroide, Cyclosporin, Hydroxychloroquinsulfat, Methotrexat und topische Calcineurininhibitoren. Beim LP der Nägel ist ein umgehender Behandlungsstart zur Vermeidung irreversibler Veränderungen essenziell. Etwa 50 % dieser Erkrankungsfälle seien therapieresistent.
Die Empfehlungen der Experten wurden dem European Dermatology Forum übermittelt und ein finaler Konsens mit der European Academy of Dermatology and Venerology gefunden. Die Originalarbeit enthält weitere Vorschläge zur Behandlung und beinhaltet Dosierungen. Die Spezialisten weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass eventuelle parallel erarbeitete, neue Erkenntnisse zu berücksichtigen seien.
Dr. Susanne Krome, Melle


Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
10. März 2021
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