Einleitung
Die Fremdkörperaspiration ist eine der häufigeren Verdachtsdiagnosen der pädiatrischen
Akutmedizin, meist im Alter bis zu 4 Jahren, kommt aber auch bei Erwachsenen vor und
führt zu einer relevanten Morbidität und Mortalität [1]. Während bei Kleinkindern Nüsse und Spielzeugteile dominieren, findet sich bei Erwachsenen
insbesondere ein Zusammenhang zu zahnmedizinischen Eingriffen. Je nach Art, Struktur
und Größe des Fremdkörpers kommt es v. a. bei Verlegung zentraler Atemwege zu einer
Verschlechterung von Respiration und Ventilation. Bereits nach einigen Stunden kann
eine erhebliche Entzündungsreaktion um den Fremdkörper entstehen, welche die Respiration
und Ventilation weiter beeinträchtigt. Die typische Anamnese bei Kleinkindern beschreibt
einen akuten Hustenanfall in Kombination mit neuen Atemgeräuschen und manchmal vorübergehendem
Erstickungsanfall oder Zyanose. Die Symptomatik lässt im Verlauf häufig nach und kann
dann milde oder sogar ganz verschwunden sein. In dieser Situation ist es beim Erstkontakt
häufig schwierig abzuschätzen, ob eine Fremdkörper-Aspiration tatsächlich stattgefunden
hat, insbesondere wenn das Ereignis nicht unmittelbar z. B. durch ein Elternteil beobachtet
wurde. Ein seitengetrennt unterschiedliches Atemgeräusch in der Auskultation ist hochverdächtig.
Radiologisch kann sich eine unilaterale Minderbelüftung oder Überblähung (durch einen
Ventilmechanismus) zeigen, Normalbefunde schließen jedoch eine Fremdkörperaspiration
keinesfalls aus.
Bei Erwachsenen ist die Anamnese häufig eindeutig. Zahnmedizinische Eingriffe werden
als Aspirationsereignis nicht selten genannt. Zufallsbefunde v. a. bei Patienten mit
Koordinationsstörung des Schluckaktes auf dem Boden neurologischer oder pneumologischer
Krankheitsbilder sind deutlich häufiger als bei Kindern [2].
Die Schwierigkeit der bronchoskopischen Extraktion des Fremdkörpers wird häufig unterschätzt,
sodass komplikationsreiche oder sogar tödliche Verläufe vorkommen. Hauptrisiken sind
der Verlust oder das Fragmentieren des Fremdkörpers bei der Bergung mit Verlegung
weiterer Atemwege und das akzidentelle Vorschieben in die Peripherie, sodass eine
vermeidbare Operation unumgänglich wird.
Da jeder Fremdkörper und jede Bergung unterschiedlich ist, müssen zur erfolgreichen
Extraktion von Fremdkörpern unterschiedliche bronchoskopische Methoden und Instrumente
sicher beherrscht werden. Zu diesen gehört neben der flexiblen Bronchoskopie insbesondere
die starre Bronchoskopie mit entsprechenden starren Instrumenten, die flexible Kryosonde,
das Bergenetz, der 3-Arm-Greifer und das Dormia-Körbchen. Vorteile der starren Bronchoskopie
als langfristig etablierte und sichere Methode sind die Sicherung der Atemwege mit
Möglichkeit der Beatmung während der Intervention, der Schutz der oberen Atemwege
und der Stimmbänder, die Nutzbarkeit großkalibriger Extraktionszangen und die Reduktion
des Risikos, den Fremdkörper bei der Bergung zu verlieren bzw. zu fragmentieren. Ein
Versuch in flexibler Technik kann unternommen werden, wenn es sich um einen kleinen,
unkompliziert zu bergenden Fremdkörper handelt und der Eingriff unter Beatmung über
Tubus oder Larynxmaske durchgeführt wird. Es sollte jederzeit die Möglichkeit des
Wechsels auf eine starre Bronchoskopie gegeben sein und eine ausreichende Erfahrung
der Fremdkörperbergung im Team bestehen [3]. Situationen, die eine starre Bronchoskopie regelhaft notwendig machen, sind ein
länger zurückliegendes Aspirationsereignis mit Entzündungsreaktion und Granulationsbildung
am Fremdkörper, eine kritische Atemwegsverlegung und scharfkantige oder spitze Fremdkörper.
Besteht keine Möglichkeit zur starren Bronchoskopie, sollte der Patient im nächstgelegenen
interventionellen Zentrum vorgestellt werden.
Eine weitere Frage ist der Zeitpunkt der FK-Extraktion. Bei einem akuten Ereignis,
einem symptomatischen Patienten oder einem Säugling ist rasches Handeln unabhängig
vom Nüchternstatus notwendig. Bei länger zurückliegendem Ereignis und asymptomatischem
Patienten kann die Nüchternzeit abgewartet werden [4].
Bei Erwachsenen ist die respiratorische Situation regelhaft weniger kritisch als bei
Kindern, allerdings ist der Anteil bereits länger zurückliegender Aspirationsereignisse
deutlich häufiger. Auch Zufallsbefunde kommen signifikant häufiger vor. Die Grundprinzipien
der Fremdkörperbergung unterscheiden sich zwischen Erwachsenen und Kindern nicht.
Insbesondere bei spät erkannter Fremdkörperaspiration kann es nach der bronchoskopischen
Bergung zu einer spastischen Atemwegsreaktion, transientem Fieber oder Hämoptysen,
selten auch zu einer Pneumonie kommen. Eine stationäre Nachbeobachtung ist daher anzuraten
[5].
1. Klinische Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Fremdkörperaspiration
Bei der Vorstellung eines Kindes sollte die Wahrscheinlichkeit einer Femdkörperaspiration
klinisch abgeschätzt werden. Die Beobachtung des Aspirationsereignisses und die Überblähung
der betroffenen Lunge im Röntgenbild ([Abb. 1]) haben den höchsten prädiktiven Wert. Es gibt keine geeignete nicht-invasive Diagnostik,
die einen Fremdkörper prä-bronchoskopisch sicher ausschließen kann.
Abb. 1 Die einseitige Überblähung der rechten Lunge gibt einen sicheren Hinweis auf die
Anwesenheit und Lage eines Fremdkörpers bei Kindern.
Wichtig: Eine Fremdkörperaspiration ist klinisch nicht auszuschließen. Die Indikation zur
Bronchoskopie sollte großzügig gestellt werden.
2. Vorbereitung der notwendigen Instrumente
Die Verfügbarkeit der notwendigen Bergungsinstrumente (starre Zange, Kryosonde, flexible
Instrumente wie Netz, Ballon und Dreiarmgreifer) sowie passende starre Tracheo- oder
Bronchoskope unterschiedlicher Größen und Längen (3–6 mm Außendurchmesser bei Kindern)
sollte geprüft und das notwendige Instrumentarium vorbereitet werden ([Abb. 2]).
Abb. 2 Starre Bronchoskope unterschiedlicher Durchmesser sind für die Fremdkörperbergung
insbesondere bei Kindern unterschiedlicher Altersstufen vonnöten.
Wichtig: Die Komplexität der Fremdkörperbergung wird nicht selten unterschätzt. Eine bronchoskopische
Bergung sollte nur begonnen werden, wenn die vorhandene Struktur und die Erfahrung
im Team auch komplizierte Fremdkörperbergungen ermöglicht.
3. Festlegung des Zugangsweges
Es empfiehlt sich meist, zunächst mit einem flexiblen Bronchoskop in Sedierung und
Lokalanästhesie die Existenz, Lage und Art des Fremdkörpers zu prüfen. Dies kann,
insbesondere bei klinisch beeinträchtigten Kindern durch einen Swivel-Konnektor bei
gleichzeitiger Beatmung über eine Larynx- oder Beatmungsmaske durchgeführt werden
([Abb. 3]). Bei ausgeprägter Symptomatik oder vermuteter Trachealverlegung kann unmittelbar
mit der starren Intubation begonnen werden.
Abb. 3 Bei symptomatischen Kindern sollte die orientierende flexible Bronchoskopie über
eine Larynxmaske (alternativ über eine Beatmungsmaske) durchgeführt werden.
4. Starre Intubation
Die Intubation erfolgt bei leicht überstrecktem Kopf durch Führung des starren Tracheo-
oder Bronchoskops mit der dominanten Hand. Der Daumen der anderen Hand schützt hierbei
die Oberkieferzähne und die Oberlippe ([Abb. 4]). Nun führt man das starre Endoskop mittig, passiert die Uvula und kippt anschließend
das Endoskop unter gleichzeitigem Vorschub proximal ab, wobei der Daumen als Hypomochlion
dient. Die nun ins Sichtfeld geratene Epiglottis wird mit dem „Schnabel“ aufgeladen
und die darunter liegende Stimmbandebene durch Drehung des Rohres um 90° atraumatisch
passiert. Nach Inspektion und Absaugung wird das Distalende des Endoskops unmittelbar
vor den Fremdkörper platziert ([Abb. 5]).
Abb. 4 Bei der starren Intubation nimmt der Daumen den Druck auf und führt das Rohr, so
dass Oberkieferzähne und -lippe geschont werden. Die Bronchoskopieassistenz unterstützt
die Intubation kontrollierend.
Abb. 5 Hilfreich ist ein Platzieren des Rohrendes unmittelbar vor den Fremdkörper, bevor
dieser geborgen wird.
Wichtig: Das starre Tracheo- oder Bronchoskop sichert den Atemweg, ermöglicht die Beatmung,
schützt die Stimmbänder und vermindert insbesondere das Risiko, den Fremdkörper bei
der Bergung zu verlieren oder zu fragmentieren.
5. Wahl des Bergeinstruments
Die Beherrschung mehrerer Methoden und Instrumente ist zur sicheren Fremdkörperextraktion
notwendig. Zu den am häufigsten genutzten Instrumenten gehören die starr-optische
Zange, die Kryosonde und das flexible Netz. Im Einzelfall sind weitere Instrumente,
wie z. B. der Fogarty-Katheter, die flexible Zange oder der Dreiarmgreifer einzusetzen.
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Starre Zange (bei Nussfragmenten, Sonnenblumenkernen, spitzen Fremdkörpern): Die zur
Größe des Rohres und der starren Optik passende starre Fremdkörper-Zange wird eingeführt.
Die geöffneten Branchen werden unter Schonung der Schleimhaut vorsichtig am Fremdkörper
vorbeigeführt und der Fremdkörper entweder durch das Endoskop oder zusammen mit dem
Endoskop extrahiert ([Abb. 6]).
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Kryosonde (bei wasserhaltigen Fremdkörpern): Die Kryosonde wird zentral ohne Schleimhautkontakt
auf den Fremdkörper aufgesetzt und aktiviert. Bei der Bergung bleibt die Sonde bis
zum Schluss aktiviert, wobei ein Kontakt der Sonde mit Schleimhaut oder Stimmbändern
vermieden werden muss. Daher ist eine Bergung durch das starre Rohr unproblematisch
([Abb. 7]).
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Netz (bei kugeligen harten Fremdkörpern wie z. B. ganzen Nüssen): Es erfolgt die Passage
des Instrumentes zwischen Fremdkörper und Bronchialwand nach distal. Anschließend
wird das Netz bei gleichzeitigem Rückzug entfaltet. Hierbei wird der Fremdkörper umhüllt
und das Netz zugezogen. Die Bergung erfolgt, sobald der Fremdkörper vollständig „gefangen“
wurde ([Abb. 8]).
Abb. 6 Insbesondere längliche und spitze Fremdkörper (hier Haselnussfragment; 2-jähriges
Kind) lassen sich mit einer starren Zange unter kontinuierlicher optischer Kontrolle
sicher bergen.
Abb. 7 Bei der Bergung wasserhaltiger Fremdkörper (hier Gemüsestück) mit der Kryosonde muss
ein Kontakt der aktivierten Sonde mit der Schleimhaut vermieden werden.
Abb. 8 Kugelige solide Fremdkörper (hier eine vollständige Haselnuss) können mit dem Bergenetz
vollständig eingehüllt und geborgen werden.
Wichtig: Da jeder Fremdkörper und jede Bergung unterschiedlich ist, sollten mehrere unterschiedliche
Methoden und Instrumente sicher beherrscht werden.
6. Vermeidung der „Peripherisierung“ des Fremdkörpers
Eine der größten Gefahren bei der Fremdkörperbergung ist die akzidentelle Verdrängung
des Fremdkörpers in die Peripherie, sodass er schließlich endoskopisch nicht mehr
geborgen werden kann. Droht dies, kann eine flexible Zange an dem Fremdkörper vorbeigeführt
und hinter ihm geöffnet werden. Mit Rückzug der Zange kann der Fremdkörper häufig
nach proximal luxiert und dann besser geborgen werden ([Abb. 9]). Auch ein Ballonkatheter nach Fogarty kann hier helfen.
Abb. 9 Droht der Fremdkörper in die Peripherie verdrängt zu werden, kann er mithilfe einer
flexiblen Zange oder eines Fogarty-Katheters nach proximal luxiert werden, um so leichter
gegriffen werden zu können.
Eine der größten Gefahren ist das ungewollte Vortreiben des Fremdkörpers in die peripheren
Atemwege mit dem Bergeinstrument. Dies sollte zwingend vermieden werden.
7. Atemwegs-Check nach der Bergung
Nach erfolgreicher Fremdkörperbergung sollten die Atemwege nochmals sorgfältig inspiziert
werden, um etwaige Schleimhautschäden oder -perforationen, aber auch kleinere Fragmente
des Fremdkörpers in der Peripherie nicht zu übersehen ([Abb. 10]).
Abb. 10 Die abschließende Inspektion des gesamten Bronchialsystems ist notwendig, um keine
fragmentierten Fremdkörperteile oder Schleimhautläsionen zu übersehen.