Schlüsselwörter
digitale Transformation - Virtual/Augmented Reality - Robotik - computerassistierte
Chirurgie - medizinische Ausbildung
Key words
digital transformation - virtual/augmented reality - robotic - computer-assisted surgery
- medical education
Einleitung
Die Digitalisierung der Gesellschaft und Wirtschaft hat die Medizin und damit die
Chirurgie erreicht. Vor allem in der operativen Medizin gewinnt der Einsatz von Virtual
und Augmented Reality (VR/AR) zunehmend an Bedeutung. Durch den Einsatz kommerziell
verfügbarer VR-Simulatoren können Operationen simuliert und praktisch operative Fertigkeiten
trainiert werden. Dadurch werden Lernkurven für videoendoskopisch und robotisch assistierte
Operationen verkürzt und Leistungsniveaus kontrolliert [1]. Ferner ist ein präoperatives Warm-up möglich [2]. Eine Weiterentwicklung der herkömmlichen VR-Simulatoren durch eine Kombination
mit einer VR-Brille erhöht die Immersion der Simulation, sodass der Anwender zunehmend
in eine virtuelle Operationsumgebung eintauchen kann [3], [4], [5]. Auch intraoperativ werden die neuen Technologien eingesetzt. So werden
präoperative Schnittbildgebungen nach 3-dimensionaler Rekonstruktion während einer
Operation zur Navigation eingesetzt [6]. Die AR-Technologien werden es ermöglichen, patientenspezifische 3-D-Rekonstruktionen
auf das jeweilige reale Organ oder Körperteil zu projizieren, um die Orientierung
während der Eingriffe weiter zu optimieren [7], [8].
Dabei ist die frühzeitige Berücksichtigung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung essenziell
[9], [10]. Aufgewachsen als erste Generation der „Digital Natives“ bewegen sich heutige Studierende
jedoch weiterhin auf der „Consumer Ebene“ [11]. Allein der dauernde Kontakt mit digitalen Medien qualifiziert den chirurgischen
Nachwuchs nicht, sich relevante digitale berufsspezifische Handlungskompetenzen anzueignen.
Die Integration digitaler Kompetenzen in die Medizinerausbildung gewinnt vor diesem
Hintergrund zunehmend an Bedeutung, jedoch adressiert weder der Nationale Kompetenzbasierte
Lernzielkatalog (NKLM) aus dem Jahr 2015 noch der Masterplan Medizinstudium 2020 die
Aspekte der digitalen Transformation [12], [13].
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nun dargestellt werden, wie es innerhalb eines
neu aufgesetzten Curriculums „Medizin im digitalen Zeitalter“ gelingen kann, die Entwicklungen
im Bereich der „Virtual Reality, Augmented Reality und Robotik“ von chirurgischer
Seite verantwortungsbewusst einzubringen. Modular werden die Lehrmethodik und der
damit verbundene Lehrerfolg erstmals strukturiert evaluiert.
Material und Methoden
Seit dem Sommersemester 2017 wird an der Universitätsmedizin Mainz, beruhend auf der
evidenzbasierten Systematik nach Kern, das modulare Blended-Learning-Curriculum „Medizin
im digitalen Zeitalter angeboten“ [14], [15] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Einbettung des Modul 4 „VR, AR & Robotik“ als Teil Blended-Learning-Curriculum „Medizin
im digitalen Zeitalter“. Foto: Peter Pulkowski
Studierende
An den ersten 3 ausgewerteten Kursen haben 35 Studierende (24 männlich; 11 weiblich)
der Medizin des 7. – 9. Fachsemesters teilgenommen.
Lehrende
Das Modul 4 wurde von 4 chirurgischen Dozierenden betreut (3 männlich, 1 weiblich).
Equipment
Der Kurs fand in den Räumlichkeiten der „Rudolf Frey Lernklinik“ der Universitätsmedizin
Mainz statt. Die digitale Simulationstechnik (Hard- und aktuelle Software) wurde von
der chirurgischen Klinik zur Verfügung gestellt ([Tab. 1]).
Tab. 1 Technische Geräte und Anwendungen im „Modul 4: Virtual Reality, Augmented Reality
und computerassistierte Chirurgie“ des Curriculums „Medizin im digitalen Zeitalter“.
VR-Laparoskopiesimulator
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LapSim, Surgical Science (Göteborg, Sweden)
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VR-Robotiksimulator
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Mimic dV-Trainer, Mimic Technologies Inc. (Seattle, WA, United States)
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VR-Brille
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VIVE, HTC (Seattle, WA, United States)
VIVE Pro, HTC (Seattle, WA, United States)
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AR-Brille
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HoloLens, Microsoft (Redmond, WA, United States)
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Vorbereitung
In Analogie zu den Modulen 1 – 3 und 5 konnten sich die Studierenden auf das Modul
4 anhand eines E-Books vorbereiten [14], [16]. Für die Kurskommunikation in den E-Learning-Phasen kam das digitale Kommunikationstool
(SLACK) zum Einsatz.
Impulsvortrag
Ein multimedialer Impulsvortrag mit klinischem Fallbeispiel führt in die Thematik
VR, AR und Robotik ein ([Video 1]). Aktueller Stand der Forschung und Zukunftsvisionen werden vermittelt. Im Anschluss
werden Lernziele und Erwartungen formuliert. Im Dialog mit den Dozierenden werden
Fragen direkt beantwortet sowie auf das Lernen durch Erfahrung verwiesen und ggf.
bereits Themen für das Interview formuliert.
Video 1 QR-Code-Link zu einem einleitenden 360°-Video über das Modul 4 „VR/AR und Robotik“.
Dozierende als Lernbegleiter
Im Kursverlauf nehmen alle 4 Dozierenden die Rolle des Lernbegleiters ein, die insbesondere
in Zusammenhang mit dem Lehr-/Lernkonzept des problemorientierten Lernens, bekannt
ist [17]. In diesem Setting stehen die Studierenden im Mittelpunkt. Ziel ist die aktive und
konstruktive Auseinandersetzung mit den Inhalten des Moduls 4, die anhand relevanter
chirurgischer Beispiele vermittelt werden. Die Chirurgen fördern, moderieren und dosieren
den Lernprozess und fungieren über den gesamten Zeitraum als Unterstützer einer selbstverantwortlichen
Auseinandersetzung.
Lernen durch Erfahrung
Die praxisbezogene Interaktion umfasst verschieden VR-/AR-Technologien ([Tab. 1]) und bietet die Grundlage für die Kollaboration und Diskussion. Hier wird auf ein
Lernen durch Erfahren gesetzt. Die Studierenden durchlaufen in 2er-Gruppen zunächst
die neu entwickelte hochimmersive VR-Simulation einer minimalinvasiven Cholezystektomie.
Dabei wird an einem Simulator die virtuelle Operation auf einem Monitor simuliert.
Zusätzlich tauchen die Studierenden mithilfe einer VR-Brille in einen virtuellen Operationssaal
ein [5]. Im Anschluss wird mithilfe eines VR- sowie eines AR-Headsets die Operation eines
Lebertumors geplant. An einer 3. Station erproben die Teilnehmenden erste eigene Basisfertigkeiten
am VR-Simulator für robotische Chirurgie ([Abb. 2]). Fakultativ kann mit 2 VR-Brillen im Team am virtuellen Lebermodell studiert, aktiv
gearbeitet und strategisch geplant werden ([Video 2]).
Abb. 2 Übung zur Gefäßdissektion am virtuellen Simulator für robotische Chirurge (Mimic
dV-Trainer, Mimic Technologies Inc, Seattle, USA). Foto: Peter Pulkowski
Video 2 Virtuelle Umgebung zur kollaborativen präoperativen Planung vor einem leberchirurgischen
Eingriff (Entwicklung im Rahmen des „AVATAR“-Projekts).
Experteninterview
Das Experteninterview bietet den Studierenden die Möglichkeit, in 2er- oder 3er-Gruppen
jeweils 20 min einen in der Thematik erfahrenen Viszeralchirurgen zu befragen. Die
Fragen wurden im Vorfeld von den Studierenden erarbeitet und über SLACK ausgetauscht.
Evaluation
Die Evaluation erfolgte qualitativ in Form semistrukturierter Interviews und quantitativ
anhand standardisierter Prä-post-Evaluationsfragebögen. Die quantitative deskriptive
Evaluation wurde getrennt für die Teilkompetenzen „Wissen“, „Fertigkeiten“ und „Haltung“
anhand einer 7-stufigen Likert-Skala durchgeführt. Die Erhebung der qualitativen Evaluation
erfolgte anhand eines teilstrukturierten Leitfadens. Hierbei wurden alle Teilnehmenden
nach Abschluss des Gesamtcurriculums zu ihren subjektiven Erfahrungen von Projektmitarbeitern
interviewt. Die Interviews umfassen ca. 45 min Sprechzeit pro Interview und bieten
detaillierte Aussagen aus der Studierendenperspektive. Die „Qualitative Inhaltsanalyse
nach Philipp Mayring“ wurde zur Analyse und Auswertung der im Rahmen der Evaluation
erhobenen und transkribierten Interviews genutzt [18], [19]. Dabei werden die Aussagen schrittweise in spezifische Kategorien eingeteilt
([Tab. 2]). Durch Beachtung der Sinnzusammenhänge, Wertungen und Relevanzen wurde der für
das Modul 4 spezifische Textanteil bestimmt ([Abb. 3]). Die quantitative Evaluation zum subjektiven Lernerfolg wurde für die Teilkompetenzen
„Wissen“ und „Fertigkeiten“ in Form einer Vorher-nachher-Selbsteinstufung mit einer
7-stufigen Likert-Skala (1 = sehr gering bis 7 = sehr hoch) vorgenommen. Zusätzlich
wurde die Einschätzung der persönlichen „Haltung“ (1 = sehr negativ, 4 = neutral,
7 = sehr positiv) abgefragt.
Tab. 2 Kategorientabelle „Virtual Reality, Augmented Reality und Robotik“ zur qualitativen
Analyse der semistrukturierten Interviews.
Lernerlebnis
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-
erstmaliger Kontakt mit AR/VR und robotischer Chirurgie
-
Beschreibung der Lernerfolge
-
in Verhältnis setzen zu „regulärer“ Lehre
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Praxisbezug
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Expertengespräch
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Digital Literacy
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-
Ausformulierung einer persönlichen Haltung
-
Selbstreflexion/Reflexion des ärztlichen Berufsbildes
-
Bezug zur gesellschaftlichen Ebene
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Abb. 3 Ergebnisse der qualitativen Evaluation anhand semistrukturierter Interviews. Anteile
der 4 Kategorien mit exemplarischen Zitaten der Studierenden
Ergebnisse
Qualitative Evaluation anhand semistrukturierter Interviews
Die Evaluation in Form der semistrukturierten Interviews zeigt die hohe Akzeptanz
des Kurskonzepts. Die Studierenden betonen dabei die empfundene Wertschätzung und
Motivation durch die intensive und kreative Zusammenarbeit untereinander und mit den
Chirurgen. Besonders die Möglichkeit der praktisch-operativen Interaktion und Verdeutlichung
von medizinischen Versorgungskonzepten wurden dabei positiv bewertet.
Im Auswertungsverfahren der Interviews wurden 79 Textaussagen der Kategorie „Virtual
Reality, Augmented Reality und Robotik“ zugeordnet ([Abb. 2]). Davon fallen 29% in die Kategorie „Lernerlebnis“. Diese Kategorie beschreibt den
erstmaligen Kontakt der Studierenden mit hochdigitalisierter Medizintechnik. Die Befragten
sprechen von einem horizonterweiternden Erlebnis. Hier schließt sich auch die Kategorie
„praktische Handlungserfahrung“ mit 27% der Aussagen an. Diese Kategorie umfasst die
tatsächlichen Lernerfolge, vor allem durch das praktische Ausprobieren der Technik
sowie die in Gespräch und Diskussion angestoßene Reflexion. Das „Expertengespräch“,
eine für sich stehende Kategorie, wurde durch die Studierenden als elementarer Teil
des Kurskonzepts gewertet. Die Möglichkeit des direkten Austauschs mit einem in der
computerassistierten Chirurgie erfahrenen Operateur trägt dazu bei, die erlebte Praxiserfahrung
zu festigen. Die Studierenden
betonen hierbei den Austausch über professionelles chirurgisches Handeln mit
einem Rollenmodell als seltene Möglichkeit im Studium und schätzen diese als sehr
positiv ein. Dies führt zu hohem Lernerfolg und zu einer nachhaltigen differenzierten
Haltung gegenüber VR/AR und Robotik. 35% der getroffenen Aussagen können dieser Kategorie
zugeordnet werden. Sowohl die beschriebene Möglichkeit zum Gespräch als auch die Möglichkeit,
an und mit neuer Simulatortechnik zu üben, wird von den Studierenden sehr positiv
aufgefasst und mit empfundener Wertschätzung sowie hoher intrinsischer Motivation
verbunden. Die Kategorie „Digital Literacy“ beschreibt mit 9% der Aussagen eine ganzheitliche
Auseinandersetzung mit den digitalen Fertigkeiten hinsichtlich eines kritischen, planvollen
und kontextspezifischen Umgangs mit zur Verfügung stehenden Daten [20]. Verbesserungsvorschläge der Studierenden betreffen vor allem den zeitlichen Rahmen.
Die Teilnehmenden
erachten es als sinnvoll, längere Unterrichtseinheiten zu planen, um mehr Zeit
für Diskussionen, Expertengespräche und Praxisübungen zu schaffen. Des Weiteren äußern
einige Teilnehmende den Wunsch, dass die „hands-on“-Anteile weiter erhöht werden,
bspw. um die Planungssoftware detaillierter austesten zu können.
Quantitative Prä-post-Evaluation
Die Prä-post-Evaluation zeigt eine positive Selbsteinschätzung des Lernerfolgs in
den Teilkompetenzen Wissen (vorher: 3,08 ± 1,44; nachher: 6,08 ± 0,67) und Fertigkeiten
(vorher: 2,00 ± 1,41; nachher 4,75 ± 1,54). Die Haltung der Teilnehmenden wurde vom
neutralen in den positiven Bereich (vorher: 4,08 ± 1,68; nachher 5,83 ± 1,03) verschoben
([Abb. 4]).
Abb. 4 Ergebnisse des quantitativen Prä-post-Vergleichs der Bereiche „Wissen“, „Fertigkeiten“
und „Haltung“ (1 = sehr gering, 4 = neutral, 7 = sehr hoch) und „Haltung“ (1 = sehr
negativ, 4 = neutral, 7 = sehr positiv) zu Virtual Reality, Augmented Reality und
Robotik.
Diskussion
Im Gesundheitssektor werden VR- und AR-Technologien in der Prävention, der Rehabilitation
(psychologische Therapie), im Produktmarketing und in der Unternehmenspräsentation
eingesetzt. Der Chirurg und Militärpilot R. Satava hat schon 1993 die immense Bedeutung
der Simulation für die zukünftige chirurgische Ausbildung, die Schulung und das Training
erkannt [21]. Im Jahr 2016 sieht das Hochschulforum Digitalisierung VR und AR als Schlüsseltechnologien,
welche die Weiterentwicklung der Hochschulbildung beeinflussen. Der Reifegrad für
den Durchbruch sei erreicht [22]. Mit der vorliegenden Arbeit wollen wir einen Beitrag leisten, um dieses Postulat
im Rahmen eines Unterrichtskonzepts des Medizinstudiums strukturiert zu evaluieren.
35 Studierende der Humanmedizin experimentieren im Modul 4 des standardisierten Curriculums
„Medizin im digitalen Zeitalter“ und erweitern ihr Verständnis für Anatomie, Topografie,
Simulation, Navigation und computerassistierte Chirurgie. Eindrucksvoll wird von einem
Viertel der Studierenden betont, dass kontextuelle Lernerlebnisse möglich sind. Dies
ist ein zunehmend wichtiger Aspekt, weil Studierende sehr frühzeitig vom Fach Chirurgie
überzeugt werden müssen [23]. Nach Umfrageergebnissen verfügen nur etwa 30% der deutschen Universitätskliniken
über Simulatoren zur VR-Simulation und es ist weitgehend unklar, ob sie in der studentischen
Lehre curricular eingesetzt werden [24]. Das vorliegend beschriebene curriculare Skills-Training in der virtuellen Realität
wird mit seinem unmittelbaren Praxisbezug in 29% der Interviews positiv herausgestellt.
Die aktuelle Literaturanalyse belegt den Nutzten von VR- und Box-Trainern
zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildung und stellt hier eine Überlegenheit
gegenüber reinen Videotrainern (oder auch „dry laboratory simulation“) fest [24], [25], [26].
Verglichen mit traditioneller Lehre oder Blended Learning verbessern AR- und VR-Simulationsszenarien
den Wissensstand und die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer in höherem Maße [27]. Dass die beschriebene modulare chirurgische Ausbildung das digitale Profil der
Medizinstudierenden verstärkt, kann nun mit der sehr guten qualitativen Evaluation
sowie dem subjektiven Lernerfolg anhand der quantitativen Evaluation gezeigt werden.
Eine klare Limitation besteht zum jetzigen Zeitpunkt hinsichtlich des hohen Aufwands
aufgrund der technischen Ausstattung und personalintensiven Umsetzung aufgrund der
praktischen Anteile.
Die Digitalisierung der Chirurgie und der gesamten Medizin ist ein fundamentaler Wandlungsprozess,
dessen Einfluss auf das zukünftige Berufsbild des Arztes noch nicht abgeschätzt werden
kann. Jedoch steht fest, dass eine begleitende Ausbildung erforderlich ist [14]. Unbedingt müssen in Zukunft Szenarien, die mehr oder weniger differenziert vom
Ersatz des chirurgischen Berufs durch künstliche Intelligenz und Robotik ausgehen,
von den Studierenden hinterfragt, aber vor allem aus der Praxiserfahrung heraus mit
Experten analog diskutiert werden. Durch diesen Dialog und in Kombination mit den
Handlungserfahrungen aus der VR/AR wird ein weiterer Schwerpunkt des Curriculums „Medizin
im digitalen Zeitalter“ gestärkt – die Vermittlung einer Haltung.
Die Reflexion der Haltung gegenüber neuen digitalen Technologien und Medien (VR/AR)
und dem weiten Themenkomplex des digitalen Wandels (Künstliche Intelligenz, Datenschutz,
Ethik) spielt eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wird nach den vorliegenden Ergebnissen
zu einem zentralen Lernmoment. Die Studierenden können sich mit der Aktualität und
Realität der technischen Entwicklungen inklusive progressiver Expertisen auseinandersetzen
[28], [29]. Sie bekommen so einen neuen Zugang zur Materie. Der chirurgische Lehrer nimmt dabei
die Rolle des Lernbegleiters ein. Durch den Erfahrungsaustausch in der Peergroup sowie
mit Experten wird eine reflexive Auseinandersetzung mit der digitalen Thematik gefördert.
Das praktische Eingreifen der Studierenden in das Geschehen bietet die Möglichkeit,
Lernende aktiv in die Ausbildung einzubinden und Wissensinhalte virtuell im entsprechenden
situativen und sozialen Kontext zu erleben. In
weiterentwickelten Konzepten zur kollaborativen Zusammenarbeit über Distanzen
können mithilfe der gewonnen Erfahrung aus der direkten Interaktion mit den Studierenden
neue Lehransätze exploriert werden (Video 2). Dabei ist die Kombination von quantitativer
und qualitativer Evaluation nach iterativem Prinzip Voraussetzung, um agil und genau
die Bedürfnisse sowohl der Studierenden als auch der Dozierenden an die Rahmenbedingungen
anzupassen.
Hinsichtlich der qualitativen Evaluationsmethode lässt sich festhalten, dass sich
diese insbesondere für Kurskonzepte eignet, die problemzentriertes Lernen in den Vordergrund
stellen, da die Interviews auch den (kritischen) Austausch, die Positionierung und
das Einordnen der Lehreinheiten in den individuellen Erfahrungskontext ermöglichen.
Ihre Grenzen findet die Methode in der intersubjektiven Vergleichbarkeit bzw. der
objektiven Messung von Lernfortschritten. Des Weiteren ist zu beachten, dass die Studierenden
sich im Rahmen der Wahlpflichtwoche bewusst für die Teilnahme am Kurskonzept entscheiden
und so davon ausgegangen werden kann, dass zumindest ein gewisses Interesse an der
Thematik schon vorab bestanden hat.
Zusammenfassend wird ein sehr zeitgemäßes, VR- und AR-basiertes, modulares Lehr-Lern-Setting
vorgestellt. Die positiven Veränderungen in der Kompetenzbeurteilung – Wissen, Fertigkeiten
und Haltung – spiegeln dabei die bisherigen und neu erworbenen Erfahrungen der studentischen
Kursteilnehmer wider. Bei der Entwicklung derartiger Curricula muss die enorme Geschwindigkeit
des digitalen Veränderungsprozesses berücksichtigt und eine agile iterative Anpassung
vorgenommen werden [30], [31], [32]. Die Integration dieser „chirurgisch“ vermittelten digitalen Kompetenzen in das
Curriculum des Medizinstudiums ist somit nicht nur eine aktuelle, sondern auch eine
fortwährende Herausforderung.