Pneumologie 2020; 74(11): 717
DOI: 10.1055/a-1263-2097
Pneumo-Fokus

Gasaustausch und Hypertonie bei COVID-19

Vicenzi M. et al.
The liaison between respiratory failure and high blood pressure: evidence from COVID-19 patients.

Eur Respir J 2020;
56: 2001157
DOI: 10.1183/13993003.01157-2020.
 

    ACE2-Aktivität induziert eine Vasodilatation und reduziert das Zellwachstum sowie die inflammatorische Antwort. Das Spike-Protein von SARS-CoV-2 bindet an den ACE2-Rezeptor, den die externen Membranen der Lunge stark exprimieren. Die Abnahme der ACE2-Aktivität durch das Virus bewirkt eine Dysbalance von ACE- und ACE2-Produkten und kann eine Kaskade schädlicher Effekte einleiten. Die ACE2-Downregulation könnte ein Signalweg sein, der die arterielle und pulmonal arterielle Hypertonie unterhält. Die Autoren erläutern mit einer Beobachtungsstudie den Zusammenhang von hämodynamischen und respiratorischen Variablen bei COVID-19.


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    Endpunkt der Analyse war der kombinierte Endpunkt aus maschineller Beatmung und Tod 28 Tage nach der Krankenhausaufnahme. 29 Männer und 11 Frauen waren durchschnittlich 64 Jahre alt. Alle Patienten hatten eine normale Pumpfunktion, lediglich in 1 Fall bestand eine reduzierte Ejektionsfraktion. 23 Patienten hatten eine vorbekannte arterielle Hypertonie (preHT). Bei allen 40 Patienten kam es zu einer Abnahme der Ratio Sauerstoffpartialdruck/inspiratorische Sauerstofffraktion und der arterio-arteriellen Sauerstoffdruckdifferenz, die von einem erhöhten Blutdruck und einer Abnahme des Kaliums begleitet war. Die Zeit bis zur klinischen Verschlechterung betrug median 4,25 Tage.

    Die Patienten konnten 2 Gruppen zugeordnet werden. In Gruppe 1 (n = 8, 4 mit preHT) oszillierte der Blutdruck bis auf hohe Werte mit einer gegenläufigen Entwicklung der Beatmungssituation. Diese Patienten hatten ohne Todesfälle und mit einer klinischen Erholung bessere Ergebnisse nach 28 Tagen als Gruppe 2 (n = 32, 15 preHT), auch wenn eine maschinelle Beatmung zwischenzeitlich notwendig war. Die Patienten der Gruppe 2 waren in einem lebensbedrohlichen Zustand. Der arterielle Blutdruck nahm linear zu, und der Gasaustausch verschlechterte sich progredient. Zwischen dem steigenden Blutdruck und abnehmenden Gastausch bestand eine positive Korrelation. Diese war bei geringen Kaliumwerten besonders stark. Gruppe 2 hatte eine höhere Prävalenz für eine intensivmedizinische Betreuung und eine höhere Mortalität (50 %) in 6,1 Tagen.

    SARS-CoV-2 bewirkte offenbar einen Knockout der durch ACE2 unterstützten vasodilatatorischen Modulation. Veränderungen des Kaliums reflektierten indirekt die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems. Eine Heraufregulierung von Aldosteron könnte ein fataler Mechanismus bei schlechten Verläufen sein, meinen Vicenzi et al.

    Fazit

    Als primäre Lungenerkrankung entwickele sich COVID-19 progredient zu einer Gefäßerkrankung, die eine hämodynamische Instabilität bewirke, so die Autoren. Umso schneller die hämodynamischen Veränderungen einträten, umso schwerer sei das COVID-19-Syndrom ausgeprägt. Eventuell könnten die Patienten von endothelaktiven Substanzen wie ACE-Inhibitoren, Angiotensin-II-Typ1-Rezeptorblockern oder Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten profitieren.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    17 November 2020

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