physiopraxis 2021; 19(01): 48-51
DOI: 10.1055/a-1255-6880
Perspektiven

Schwarzes Brett

 

Eine Puppe mit Handicap – Flauschige Begleiter für Kinder mit Behinderungen

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ABB. 1 Die Initiatorin Nicoletta Sarripapazidis und eine kleine Auswahl ihrer Puppen Abb.: Sahnefoto
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ABB. 2 Hier eine Puppe mit künstlichem Darmausgang Abb.: N. Sarripapazidis
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ABB. 3 Eine kleine Besitzerin freut sich über ihren Mini-Zwilling. Abb.: O. Gabelmann

Der kuschlig weiche Niklas trägt einen Herzschrittmacher, die flauschige Sophie eine Trachealkanüle, der strubbelige Niklas hat Beinorthesen und die kunterbunte Mia trägt eine Brille und hat einen Gendeffekt. Die Rede ist von kleinen handgefertigten Kuschelpuppen, sogenannten Handicap Dolls, die die gleichen Einschränkungen wie ihre Besitzer haben – Kinder mit Behinderungen. Erfunden hat die kleinen „Ichs 2.0“ Nicoletta Sarripapazidis, die vorher Medizinische Fachangestellte war.

Seit Ende 2018 fertigt sie handgenähte Puppen mit individuell gestalteten Handicaps, Behinderungen oder sonstigen Einschränkungen. Dabei legt die 41-Jährige viel Wert auf die Authentizität der Puppe, die ihrem Besitzer so ähnlich wie möglich sein soll. Ihr größter Wunsch: dass Kinder mit Behinderung nicht mehr ausgegrenzt werden und dass sie sich mit ihrer Behinderung identifizieren und anfreunden. Dadurch erlangen die Kinder ein stärkeres Selbstbewusstsein und lernen, dass kein Mensch makellos ist.

Nicoletta Sarripapazidis steht, während sie die Puppen anfertigt, stets in engem Austausch mit den Familien. Auch alte bzw. zu klein gewordene Kleidung der Kinder arbeitet sie in die Puppen ein. So bekommen die Puppenmütter und -väter das Gefühl, dass die Puppe ein Teil von ihnen ist. Bei Bedarf kooperiert sie auch mit Orthopädiehäusern. Eine handgefertigte Puppe kostet zwischen 300 und 380 Euro. Beauftragen kann man Nicoletta Sarripapazidis über das Kontaktformular der Homepage (www.nicolettas-handicap-dolls.de).

boi


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Nachgefragt

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Puppen mit Handicap zu nähen?

Nach 20 Jahren als Medizinische Fachangestellte wollte ich eine berufliche Veränderung. 2016 fing ich an, als Tagesmama ein körperlich und geistig schwer behindertes Kind zu betreuen. Ein halbes Jahr später musste es operiert werden und bekam eine Magensonde zur künstlichen Ernährung. Ich stellte fest, dass es keine entsprechende Kleidung für Kinder mit Magensonde gab, und so kam mir die Idee, selbst etwas zu kreieren. Mit einer Leih-Nähmaschine nähte ich einen Sondenbody, ein paar weitere Accessoires und einen kleinen Rucksack, um unterwegs den Nahrungsbeutel zu verstauen. Währenddessen kam mir die Idee zu den Puppen. Mit den Accessoires habe ich meinen ersten Award gewonnen, kaufte mir mit dem Preisgeld eine eigene Nähmaschine. Es folgte der Gewinn des Innovationspreises Göttingen. Seit 1. Juni 2020 fertige ich die Puppen nicht mehr nur nebenberuflich, sondern habe mein eigenes kleines Unternehmen mit einer Mitarbeiterin.

Wie ist die Resonanz der Kinder und Eltern?

Überwältigend. Meine Dolls werden geliebt. Ich bin jedes Mal nach einer Fertigung und der Rückmeldung der Familien absolut sprachlos. Zu Beginn findet immer ein persönliches Telefonat mit den Familien statt, um einzelne Gestaltungswünsche zu besprechen. Die Familien freuen sich, dass ihnen jemand in Ruhe zuhört. Viele erzählen mir von Anfang an ihre Geschichte, teilen ihre Sorgen und schenken mir ihre absolute Offenheit. Oft bekomme ich auch Videos der Familien zugeschickt, wenn die Kinder ihrem Mini-Zwilling das erste Mal begegnen.

Fertigen Sie die Dolls nur für private Kunden?

Hauptsächlich ja. Meist sind es Familien, die mich beauftragen, doch inzwischen fertige ich auch für Kliniken und Vereine. Zwei Mini-Helden sind zum Beispiel nach Österreich zum Verein Rheumalis gezogen. Die Puppen Sandra und Oliver unterstützen den Verein jetzt bei kindgerechten Patientenschulungen, sie begleiten das Team in den kommenden Jahren bei Therapiewochen, Therapietagen und werden bei Besuchen in Kindergärten und Schulen mit einbezogen. Aktuell fertige ich zwei Helden für die Kinderklinik in Bayern.

Haben Sie weitere Pläne für die Zukunft?

Ich möchte so vielen Menschen wie möglich einen treuen Wegbegleiter zaubern und wünsche mir, dass kein Mensch mehr Ausgrenzung erfahren muss. Dabei denke ich auch an Spielzeugregale, die Diversität widerspiegeln. Es sollte keine Seltenheit mehr sein, einzelne Hilfsmittel wie einen Rollstuhl in Puppenformat zu bekommen. Diversität muss auch hier „nachgespielt“ werden können. Einzelne Ideen dazu habe ich bereits.

Die Fragen stellte Isabelle Bonno.


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Verbände organisieren Online-Veranstaltung „Connect Students“ – Interprofessionelle Zusammenarbeit im Fokus

Was wissen wir eigentlich über die verschiedenen Therapieberufe? Was macht man in der Ergotherapie, Logopädie oder der Physiotherapie? Wie sieht interprofessionelle Zusammenarbeit in der Praxis aus? Antworten bot die erste interprofessionelle Online-Veranstaltung von „Connect Students“ am 18. November 2020, organisiert von Schüler/-innen und Studierenden von PHYSIO-DEUTSCHLAND, dem Deutschen Verband für Ergotherapie (DVE) und der Bundesstudierendenvertretung des Deutschen Bundesverbands für Logopädie (dbl).

„Es gibt immer mehr Krankheitsbilder, an deren Therapie mehrere Professionen beteiligt sind. Daher ist es längst überfällig, dass das Thema der Interprofessionalität auch in der Ausbildung einen Platz findet – so wie es im Studium schon eher üblich ist. Dies haben wir als Anlass genommen, uns selbstständig zusammenzutun und auszutauschen“, erklärt Monja Austrup, Sprecherin des Landesschüler- und -studierendenrats (LSSR) von PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg. Bei der Veranstaltung berichteten Schüler/-innen und Studierende jeder Profession über ihre Ausbildungs- und Studieninhalte, mögliche Berufsbereiche und aktuelle berufspolitische Themen der Berufsverbände. Die Referentin Katharina Christe (Ergotherapie MSc) rundete das Format mit einem Vortrag über Praxiserfahrungen in der Neurologie zum Thema interprofessionelle Zusammenarbeit ab. „Interprofessionelle Zusammenarbeit hat mich in meiner Berufserfahrung sehr bereichert. Das sollte auf jeden Fall zukünftig ausgebaut werden“, so eine Teilnehmerin.

Insgesamt 100 (angehende) Physiotherapeuten und -therapeutinnen, Ergotherapeuten und -therapeutinnen und Logopäden und Logopädinnen nahmen an dem Event teil. Eine Fortsetzung ist bereits geplant. Mit einer Umfrage wurde über das Thema für das nächste Mal abgestimmt. Gewonnen hat die Akademisierung. Weitere Vorschläge waren Schulgeldfreiheit, Digitalisierung und Auslandsaufenthalte.

Mila Plaisant, Mitglied des LandesSchüler- und Studierendenrats bei PHYSIO-DEUTSCHLAND, BaWü


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Ratschläge aus erster Hand – Peers im Krankenhaus

Nach einer Amputation ändert sich für Patienten im Alltag einiges. Es ergeben sich viele Fragen, bei denen sogenannte Peers helfen können. Dabei handelt es sich um Personen, denen selbst ein Körperteil amputiert wurde. Sie stehen im Projekt „Peers im Krankenhaus“ im Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) Patienten mit ihren Erfahrungswerten zur Seite, geben Ratschläge und machen Mut. Die Idee dazu hatte Dr. Eckhart von Hirschhausen, der von Anfang an die Schirmherrschaft für das Projekt übernahm. Im ukb sind mittlerweile zwölf Personen inder Peer-Beratung für Menschen mit Amputationen beschäftigt.

Weitere Informationen zum Thema und eine Karte mit Standorten, an denen Peers zum Einsatz kommen, findet man auf der Internetseite des Bundesverbandes für Menschen mit Arm- oder Beinamputation: www.bmab.de > „Infothek“ > „Aktionen“ > „PiK – Peers im Krankenhaus“.

mru


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Immer noch unterrepräsentiert – Frauen in Gesundheitsberufen

Das Netzwerk „Women in Global Health Germany“ veröffentlichte Anfang Oktober 2020 ein Positionspapier mit dem Titel „Frauen in Gesundheitsberufen“. In dem deutschen Ableger der international agierenden Bewegung ist die Expertise von mehr als 170 Frauen aus dem Bereich Global Health gebündelt.

Die Autorinnen nahmen das internationale Jahr der Pflegenden und Hebammen zum Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, dass weibliche Gesundheitsfachkräfte immer noch mehr und anderen Herausforderungen gegenüberstehen als ihre männlichen Kollegen. Dabei wird ein Großteil der Gesundheitsarbeit von Frauen geleistet: Ihr Anteil beträgt rund 70 Prozent. Weiterhin werden unbezahlte Betreuungs- und Pflegetätigkeiten in den Familien meist von Frauen übernommen. Diese Doppelbelastung wird in der jetzigen Corona-Pandemie besonders deutlich. In ihrem Papier fordern die Autorinnen daher strukturelle Verbesserungen in fünf Kernbereichen:

  • mehr Frauen in Führungspositionen im Gesundheitswesen

  • Migration von weiblichen Gesundheitsfachkräften untersuchen und strukturelle Unterstützungsangebote aufbauen

  • eine geschlechtersensible Digitalisierung im Gesundheitswesen

  • neue Erkenntnisse der Geschlechterforschung in der Medizin berücksichtigen

  • eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familienaufgaben erreichen

Die Forderungen gehen über eine reine Betrachtung der Berufe hinaus, nämlich hin zu einer generellen gesundheitsbezogenen Chancengleichheit. Dies ist auch ein Hauptziel des international agierenden Netzwerkes „Women in Global Health“, das 2015 gegründet wurde. Wer das Positionspapier in voller Länge nachlesen möchte, findet es unter: www.globalhealth.charite.de > „Netzwerk“ > „Women in Global Health Germany“ > „Frauen in Gesundheitsberufen“.

Claudia Czernik


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Patienteninformationen in physiopraxis – Kostenloser Download

Regelmäßig erscheinen in physiopraxis Artikel mit einer Patienteninformation am Ende. Diese können unsere Leser aus dem Heft kopieren oder kostenlos unter www.thieme-connect.de/products/physiopraxis herunterladen. Einfach und schnell gelangen so wertvolle Tipps und Informationen an Patienten. Zusätzlich spart es Arbeit, während dem Praxisalltag mühsam Übungen herauszusuchen und ansprechend zu gestalten. Sämtliche Patienteninformationen aus bereits erschienen Artikeln sind im Online-Archiv von physiopraxis direkt am entsprechenden Artikel zu finden. Für die genaue Suche nach einer Patienteninformation zu einem bestimmten Thema eignet sich die Suchleiste. Viele Themen hat physiopraxis bereits abgedeckt: Darunter Patienteninformationen zu Fußheberorthesen, zu Do's and Dont's bei Narben, ein Pilates-Mattenprogramm, Übungen gegen den Handynacken, Verhalten bei Armlymphödem und Frozen Shoulder und viele weitere. Ein Blick ins Archiv lohnt sich also.

Sie wünschen sich eine Patienteninformation zu einem ganz bestimmten Thema? Das Redaktionsteam freut sich über Ihre Nachricht an physiopraxis@thieme.de.

boi


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Unterstützung beim Promovieren – HVG veröffentlicht Liste

Der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HGV) hat eine Liste mit Wissenschaftlern veröffentlicht, die bereit sind, bei Promotionen zu beraten und zu betreuen. Das Angebot richtet sich an Promotionsinteressierte in den Therapieberufen, darunter Logopädie, Ergo- und Physiotherapie. Die Liste enthält Kontaktmöglichkeiten und Forschungsschwerpunkte der jeweiligen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Die Übersicht ist mittels freiwilliger und im Umlaufverfahren gesammelter Angaben entstanden und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wird aber regelmäßig ergänzt und korrigiert. Zu finden ist die Liste unter bit.ly/Promotionsunterstützung_HGV

boi


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Nächtliche Aha-Erlebnisse – Probleme lösen im Traum

Wer kennt das nicht? Man wacht morgens auf und hat im Kopf plötzlich die Erleuchtung für ein Problem, das einen die letzten Tage beschäftigt hat. Nicht nur Anekdoten, sondern auch kontrollierte Experimente haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Menschen im Schlaf häufig Alltagsprobleme mental bearbeiten und mitunter sogar lösen. Der Grund: Im traumreichen REM-Schlaf sind jene Hirnregionen vermindert aktiv, die Impulse kontrollieren. Andere, etwa visuelle Areale werden dann weniger gedämpft. Wer also nächtliche Eingebungen fördern möchte, sollte vor dem Schlafengehen über ein offenes Problem nachdenken und sich vorstellen, man würde es im Schlaf lösen. Aber bitte das Schlafen bei all den Problemlösungen nicht vergessen.

boi


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
08. Januar 2021

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