Klinische Neurophysiologie 2020; 51(04): 232
DOI: 10.1055/a-1255-0943
Leserbrief

Stellungnahme

Frank Schulze
,
Manuel Dafotakis

Uns erreichte zum obigen Fallquiz ein Leserbrief des Kollegen Dr. D. Stein, Chefarzt der Kinderklinik der Ilm-Kreis-Kliniken in Arnstadt, der den geschilderten Fall und das zugehörige EKG anders interpretierte als wir das in unserem Quiz vorgenommen hatten.

In dem Fall hatten wir über einen 18-jährigen Patienten berichtet, der unter dem V.a. generalisiert tonisch-klonischen Anfall in unsere Klinik eingeliefert worden war. Anhand der Anamnese mit kurzer Anfallsdauer und rascher Reorientierung handelte es sich allerdings wahrscheinlich um rezidivierende konvulsive Synkopen. Das EKG ([Abb. 1]) zeigte in den rechtspräkordialen Ableitungen (insbesondere V1) eine für uns verdächtige delta-Welle. Da uns dieser Befund hinweisend auf eine WPW-Konstellation mit einer linksakzessorischen Leitungsbahn erschien und wir hier eine kardiogene Ursache der konvulsiven Synkopen vermuteten, stellten wir den Fall und das EKG unseren Kollegen der Kardiologie/Elektrophysiologie vor. Diese konnten unseren Verdacht nachvollziehen, fanden in einer elektrophysiologischen Untersuchung allerdings zunächst kein akzessorisches Leitungsbündel und implantierten einen Event-Recorder. Um die Wichtigkeit möglicher Differenzialdiagnosen bei V.a. Krampfereignis zu verdeutlichen, stellten wir den Fall vor.

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Abb. 1 präkordiale Ableitungen (V1 und V2) des 12-Kanal-EKG

Herr Dr. Stein wies uns in seinem Leserbrief darauf hin, dass das gezeigte EKG des Patienten zwar eine delta-Welle zeige, allerdings keine verlängerte QRS-Dauer bestehe, und die PQ-Zeit mit 120 ms allenfalls grenzwertig, jedoch nicht sicher verkürzt sei. Diese beiden Kriterien sind allerdings auch Bestandteil der WPW-Konstellation, die somit nicht komplett erfüllt waren. In der Zusammenschau mit der negativen Elektrophysiologie ist das Vorliegen eines WPW-Syndroms bei dem Patienten also weniger wahrscheinlich. Darüber hinaus wurde von dem Kollegen eine U-Welle im EKG detektiert und man käme so auf eine QT(U) von 560 ms und auf eine QTc von 592 ms, was einem LONG QT-Syndrom entspräche und somit ebenfalls für die Synkopen in Frage kommt.

Wir bedanken uns sehr bei dem Kollegen Stein für die Zuschrift, die uns positiv bestätigt, dass das Quiz gelesen und v. a. mitgedacht wird. Bitte zögern Sie also weiterhin nicht, uns Rückmeldung zu unseren Fallberichten zu geben, wenn Sie anderer Meinung sind oder einen anderen Lösungsvorschlag haben.



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Article published online:
04 December 2020

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