CC BY 4.0 · Osteologie 2020; 29(04): 259-265
DOI: 10.1055/a-1245-7248
Originalarbeit

Von der Initiative (der Deutschen Gesellschaft für Osteologie [DGO]) zum Netzwerk: Vorstellung des deutschsprachigen Netzwerks für Seltene Osteopathien (NetsOs)

Founding of the German speaking Network for Rare Bone Diseases NetsOs – through an Initiative of the German Society of Osteology (DGO)
Heide Siggelkow
1 MVZ Endokrinologikum Göttingen, Zentrum für Hormon-, Knochen- und Gelenkerkrankungen, Endokrinologie, Osteologie, Rheumatologie, Nuklearmedizin und Humangenetik, Göttingen, Deutschland
2 Universitätsmedizin Göttingen, Klinik für Gastroenterologie, gastrointestinale Onkologie und Endokrinologie
,
Uwe Kornak
3 Institut für Humangenetik, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
,
Ralf Oheim
4 Institut für Osteologie und Biomechanik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Florian Barvencik
4 Institut für Osteologie und Biomechanik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Oliver Semler
5 Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Köln, Deutschland
,
Barbara Obermayer-Pietsch
6 Medizinische Universität Graz, Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabeteologie, Graz, Österreich
,
Franz Jakob
7 Bernhard-Heine-Centrum für Bewegungsforschung und Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und der Zahnheilkunde, Würzburg, Deutschland
,
Lothar Seefried
8 Orthopädische Klinik – KLH, Klinische Studieneinheit und Osteologie, Universität Würzburg, Deutschland
,
Christine Hofmann
9 Kinderklinik und Poliklinik der Universität Würzburg, Pädiatrische Rheumatologie und Osteologie, Würzburg, Deutschland
,
Gabriele Lehmann
1 MVZ Endokrinologikum Göttingen, Zentrum für Hormon-, Knochen- und Gelenkerkrankungen, Endokrinologie, Osteologie, Rheumatologie, Nuklearmedizin und Humangenetik, Göttingen, Deutschland
,
Gernot Jundt
10   Institut für Medizinische Genetik und Pathologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Rolf Brenner
11   Klinik für Orthopädie, Sektion Biochemie der Gelenks- und Bindegewebserkrankungen, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
,
Christian Meier
12   Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, Universitätsspital Basel, Schweiz
,
Claus C. Glüer
13   Sektion Molekulare Bildgebung, Abteilung für Radiologie und Neuroradiologie, MOINCC, Kiel, Deutschland
,
Corinna Grasemann
14   Abteilung für Seltene Erkrankungen, Universitätskinderklinik Bochum und CeSER, Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Seltene Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems stellen einen wesentlichen Anteil der Seltenen Erkrankungen dar. Die Bildung der europäischen Referenznetzwerke (ERNs) hat die Deutsche Gesellschaft für Osteologie (DGO) 2017 zum Anlass genommen, bestehende Aktivitäten im Bereich der Seltenen Knochenerkrankungen im deutschsprachigen Raum zu bündeln und weiterzuentwickeln. Aus dieser DGO-Initiative heraus gründete sich im November 2018 das Netzwerk Seltene Osteopathien (NetsOs). NetsOs verbindet als deutschsprachiges Netzwerk für seltene osteologische Erkrankungen ExpertInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie als krankheitsspezifisches Netzwerk die Zentren mit besonderer Expertise sog. B-Zentren für seltene osteologische Erkrankungen. Im Fokus des Netzwerkes steht die Verbesserung der Diagnostik, Therapie und Versorgung von PatientInnen, die von einer seltenen Erkrankung des Knochens betroffen sind. Darüber hinaus soll eine Verbesserung der Ausbildung und Weiterbildung im Themengebiet seltene osteologische Erkrankungen erreicht werden. Die überregionale und internationale klinische und wissenschaftliche Vernetzung zu den Patientenverbänden, Zentren für Seltene Erkrankungen, Fachgesellschaften, ERNs und europäischen Registern wird durch die Einbindung der Mitglieder von NetsOs in diese Strukturen gewährleistet.


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Abstract

A significant proportion of rare diseases affect the musculoskeletal system. Due to growing disease awareness, increasingly individualized medicine and the availability of new innovative drugs an expanding need for expert knowledge and networking in the field of rare osteological diseases has arisen.

In Europe, the European Reference Networks (ERN) were established in 2017 to address these tasks in a patient centered way. In the same year the German Society for Osteology (DGO) started an initiative to synergize and develop existing activities in the field of Rare Bone Diseases in German-speaking countries. As a result, the Network on Rare Osteopathologies (NetsOs) was founded in November 2018 with specialists from a wide range of disciplines from Germany, Austria and Switzerland.

NetsOs encompasses both, an expert-network with clinical and scientific experts from Austria, Germany and Switzerland as well as an expert-center based network in Germany. The latter connects clinical centers with special expertise, so-called B-centers, for rare osteological diseases. NetsOs aims to improve and support diagnostic procedures, lifelong care and monitoring for patients who are affected by a rare bone and mineral condition together with the patient associations. Additional focus lies on training and education in the field of rare osteological diseases. In order to achieve these goals, members of the network are involved in clinical care, clinical and basic research and teaching for rare bone and skeletal diseases and are available for consutls for colleagues. Involvement in national, European and international clinical and scientific networking, interaction with centers for rare diseases, scientific societies, ERNs and European registers is established through the involvement of the members of NetsOs in these structures.


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Einleitung

Seltene Erkrankungen, die primär das muskuloskelettale System betreffen, stellen einen erheblichen Anteil der bekannten Seltenen Erkrankungen dar. Laut Mainzer Fehlbildungsregister haben > 200/10000 geborener Kinder muskuloskelettale Auffälligkeiten [1]. Rund 7%, nämlich ca. 460 der 5000–8000 seltenen Erkrankungen betreffen das muskuloskeletale System. In den letzten Jahren konnten, parallel zu einer immer präziseren Beschreibung klinischer und radiologischer Kennzeichen für seltene Knochenerkrankungen, essenzielle molekulare Signalwege identifiziert werden, die in die Regulation des Knochen- und Mineralstoffwechsels involviert sind.

Eine Erkrankung gilt in Europa als selten, wenn weniger als 5 Erkrankte auf 10000 Menschen kommen. Man geht von 5000–8000 unterschiedlichen Seltenen Erkrankungen aus, wobei aufgrund unterschiedlicher Definitionen in verschiedenen geographischen Regionen keine globalen Zahlen zur Verfügung stehen [2]. Obwohl die einzelne Erkrankung selten oder sogar ultraselten vorkommt, sind in Deutschland insgesamt etwa 4 Millionen Menschen von einer der Seltenen Erkrankungen und europaweit sogar bis zu 30 Millionen Menschen betroffen. Seltene Erkrankungen sind in der Summe deshalb nicht selten, sondern reichen in Deutschland zahlenmäßig fast an die Gruppe der Osteoporose-PatientInnen heran.

Dabei sind naturgemäß die verschiedenen seltenen osteologischen Erkrankungen bei weitem nicht so bekannt wie die Osteoporose, sondern zählen, insbesondere Diagnostik und Therapie betreffend, zu den sog. Waisen der Medizin. Dies führt, neben einer Vielzahl weiterer Herausforderungen, zu einer „Problem-Trias“, von der nahezu alle PatientInnen mit einer Seltenen Erkrankung betroffen sind: 1. späte Diagnosestellung, 2. fehlende Erfahrung in der Behandlung und Therapiesteuerung und 3. fehlende Verfügbarkeit von Medikamenten für die jeweilige Erkrankung.


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Europäische Entwicklung

Um die Versorgung dieser PatientInnen zu verbessern, wurden im Juni 2009 die Mitgliedstaaten der Europäischen Union per Beschluss aufgefordert, nationale Pläne für die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen (SE) bis zum Ende 2013 aufzustellen. Auf EU-Ebene wurde, neben anderen Aktivitäten, in einem weiteren Schritt die Bildung von zunächst 24 krankheitsspezifischen europäischen Referenznetzwerken (ERNs) im Jahr 2017 umgesetzt und mit einem spezifischen Förderprogramm ausgestattet. In diesen europäischen Netzwerken sind medizinische Versorgungszentren mit besonderer Expertise für bestimmte Seltene Erkrankungen (sog. Health Care Provider, HCP) vertreten, die Mitgliedschaft einzelner ExpertInnen ist nicht vorgesehen. Die Netzwerke und beteiligten Zentren sowie weitere Informationen sind unter https://ec.europa.eu/health/ern_de (letzter Aufruf 8.8.2020) einsehbar. In einem 2. Aufruf konnten sich bis November 2019 weitere Expertenzentren um die Aufnahme in die existierenden ERNs bewerben [3].

Seltene osteologische Erkrankungen sind primär in den Referenznetzwerken ERN BOND (seltene Knochenerkrankungen: https://ernbond.eu; letzter Zugriff 8.8.2020) und dem ENDO ERN (seltene endokrinologische Erkrankungen: https://endo-ern.eu letzter Zugriff 8.8.2020) mit der Untergruppe seltene Erkrankungen des Calcium-Phosphat-Stoffwechsels (MTG 2) abgebildet. Es finden sich aber Überschneidungen zu vielen weiteren ERNs. Mittlerweile stehen für PatientInnen mit seltener osteologischer Erkrankung das europäische Basisdatenregister EuRRECa (https://eurreca.net; letzter Zugriff 8.8.2020) und EuRR-Bone (im Aufbau: https://eurr-bone.com; letzter Zugriff 8.8.2020) auch für Expertenzentren und PatientInnen ohne direkten Anschluss an das ERN zur Verfügung.


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Deutsche Entwicklung

In Deutschland führte der EU-Beschluss aus dem Jahr 2009 im März 2010 zur Gründung des „Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen, NAMSE“ (https://www.namse.de; letzter Aufruf 8.8.2020). Koordiniert durch die beiden Ministerien BMG und BMBF erarbeiteten in den folgenden 3 Jahren die 25 Bündnispartner des deutschen Gesundheitssystems inklusive der Patientenvertretung ACHSE (https://www.achse-online.de/de/;letzter Aufruf 8.8.2020) eine Übersicht des Ist-Zustandes und formulierten den „Nationalen Aktionsplan“, der in 52 Maßnahmen den Weg zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland beschreibt [4].

Zentrales Element der NAMSE-Maßnahmen ist die Bildung von Referenz- und Fachzentren für Seltene Erkrankungen (Maßnahmenvorschlag 1 und 2). Bei dieser Empfehlung wurden die bereits in anderen europäischen Ländern gemachten Erfahrungen aufgegriffen und als wesentlicher Bestandteil einer verbesserten Versorgung für das deutsche Gesundheitssystem gefordert. Die A-Zentren koordinieren die Nutzung übergreifender Strukturen (z. B. Netzwerke, Register, Forschungskoordination, Lotsenfunktion), die für die Versorgung von PatientInnen mit Seltener Erkrankung notwendig sind, wohingegen die B-Zentren multidisziplinäre Behandlungszentren mit Expertise für bestimmte Seltene Erkrankungen darstellen.


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DGO-Initiative 2017–2018

Die DGO ist durch die Zusammensetzung der Mitglieder mit 75% klinisch Tätigen aus verschiedenen Bereichen und 25% WissenschaftlerInnen für eine interdisziplinäre Verknüpfung der Expertise auf dem Gebiet der Seltenen osteologischen Erkrankungen prädestiniert und übernahm 2017 die Initiative zur Netzwerkgründung. Die Aufgabe, an der Vereinigung aller auf dem Gebiet der Osteologie tätigen WissenschaftlerInnen zu arbeiten und die Wissenschaft und Lehre auf dem Gebiet der Osteologie zu fördern und weiterzuentwickeln, ist auch in der Satzung der Gesellschaft verankert (§ 2 Ziele der DGO).

Um zu überlegen, welche Aktivitäten im Bereich der Seltenen Knochenerkrankungen im deutschsprachigen Raum sinnvoll und erforderlich sind, trafen sich Anfang Juni 2017 einige Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Osteologie (DGO) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (F. Jakob, B. Obermayer-Pietsch, C. Meier, C.C Glüer, H. Siggelkow) zu einem Brainstorming [Abb. 1]. Zu dem Zeitpunkt bestand die DGO aus 430 Mitgliedern, 50% orthopädischer Fachrichtung, 30% Internisten, Radiologen und Nuklearmedizinern. Ziel des erstens Treffen war die Bestandsaufnahme aktueller internationaler, europäischer und deutscher Aktivitäten im Bereich Seltener Knochenerkrankungen. Im Vordergrund sollte die Ermittlung von notwendigen nächsten Schritten im deutschsprachigen Raum sein.

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Abb. 1. Eindrücke Brainstorming 1. Treffen der Initiative der Deutschen Gesellschaft für Osteologie (DGO). Fig. 1. Impression Brainstorming Session 1st Meeting initiative of the German Society of Osteology (DGO).

Im November 2017 erfolgte eine DGO-Mitgliederbefragung zur Identifizierung von ExpertInnen, die PatientInnen mit Seltenen Knochenerkrankungen behandeln und auch Bereitschaft zur Mitarbeit in der Initiative bekundeten. Von den 33 Rückmeldungen wurden alle, die Interesse an einer Mitarbeit angegeben hatten, zum folgenden Arbeitstreffen der DGO-Initiative eingeladen. Im Rahmen des zweiten Treffens wurde das Ziel der Initiative formuliert, um die folgenden Schritte daran auszurichten [Tab. 1].

Tab. 1. Ziele der Initiative der Deutschen Gesellschaft für Ostelogie (DGO) 2017.

Table 1 Goals of the initiative of the German Society of Osteology (DGO) 2017.

1. Bessere Versorgung – Klinische Aspekte

  • Bessere Versorgung von PatientInnen bzgl. Diagnostik und Therapie von speziellen Erkrankungen des Knochens

  • Lehre und Weiterbildung (von ÄrztInnen und Betroffenen)

  • Ansprechpartner für PatientInnen und KollegInnen im deutschsprachigen Raum

  • Überregionale/interdisziplinäre Vernetzung, Wissenschaft

2. Gemeinsame Antragstellung (DACH)

  • Kooperationen

  • Meetings (z.B. DFG-Tagung)

3. Zusammenarbeit mit anderen Netzwerken

  • National/DACH

  • Europäische/internationale Netzwerke

Um die Aktivitäten in bereits bestehende Strukturen und Aktivitäten überregional, national und international einzubinden, wurde eine klinische und wissenschaftliche Vernetzung der in diesem Bereich tätigen ExpertInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz als ein wesentliches Ziel der DGO-Initiative definiert. Durch Transparenz der verschiedenen Strukturen konnten in der Folge AnsprechpartnerInnen im deutschsprachigen Raum für PatientInnen und KollegInnen mit speziellen Knochenerkrankungen gefunden werden.


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Gründung des Netzwerkes für Seltene Osteopathien NetsOs November 2018

ExpertenInnen aus allen Bereichen der Diagnostik und Therapie von Knochen- und Skeletterkrankungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden in der Folge eingeladen, an weiteren Treffen teilzunehmen. Von vielen initial Interessierten fanden sich einige engagierte KollegenInnen zur weiteren intensiven Vorarbeit zusammen, die am 8.11.2018 zur Gründung des Netzwerkes für Seltene Osteopathien (NetsOs) führte [Abb. 2]. Der Name des Netzwerkes sollte allen Beteiligten die Möglichkeit geben, sich mit der jeweiligen Spezialisierung als Teil des Netzwerkes zu identifizieren, und war das Ergebnis durchaus intensiver Diskussion.

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Abb. 2. Teilnehmer der Netzwerkgründung Seltene Osteopathien (NetsOs). Von links nach rechts/from left to right: Ralf Oheim, Corinna Grasemann, Uwe Kornak, Franz Jakob, Florian Barvencik, Heide Siggelkow, Barbara Obermayer-Pietsch, Gernot Jundt, Gabriele Lehmann, Claus C. Glüer. Gründungsmitglieder, aber zu dem Zeitpunkt nicht anwesend: Rolf Brenner, Lothar Seefried, Christine Hofmann. Fig. 2 Participants of founding of „Netzwerk Seltenen Osteopathien” (NetsOs). From left to right: Ralf Oheim, Corinna Grasemann, Uwe Kornak, Franz Jakob, Florian Barvencik, Heide Siggelkow, Barbara Obermayer-Pietsch, Gernot Jundt, Gabriele Lehmann, Claus C. Glüer. Gründungsmitglieder, aber zu dem Zeitpunkt nicht anwesend: Rolf Brenner, Lothar Seefried, Christine Hofmann.

Die weiteren, halbjährlichen Treffen dienten zur Definition und Weiterentwicklung der Aktivitäten und Ziele, gemeinsamer Kooperationen und Forschungsanträge und der Frage der Integration in die osteologische Landschaft sowie zur Verknüpfung mit den nationalen und europäischen Strukturen und Netzwerken zu Seltenen Erkrankungen. NetsOs ist als Netzwerk auf der Homepage der DGO unter http://www.dgosteo.de/netsos/initiative dargestellt und als Landkarte mit den verschiedenen Experten sichtbar (http://dv-osteologie.org/zentrum-dvo).


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Expertennetzwerk und Referenznetzwerk

Folgend auf die Bildung der europäischen Referenznetzwerke (ERN) und angestoßen durch einen Beschluss des G-BA (siehe unten), wurde 2020 in Deutschland die Bildung nationaler Netzwerke zu Seltenen Erkrankungen, angelehnt an die ERNs initiiert. NetsOs hat sich, neben der Funktion als ExpertInnen-Netzwerk, als Spiegel des ERN für Seltene osteologische Erkrankungen (ERN BOND) am 1.7.2020 als Netzwerk für seltene osteologische Erkrankungen konstituiert. VertreterInnen verschiedenster Fachrichtungen der Osteologie und akademischer Institute (siehe [Tab. 1]) sichern die notwendige Multidisziplinarität und die Verbindung zu Wissenschaft und Forschung innerhalb des Netzwerkes.

Die Vernetzungsstruktur von NetsOs ist in [Abb. 3] dargestellt.

Eine Anbindung an die europäischen Referenznetzwerke ERN-BOND und ENDO-ERN erfolgt durch die (beantragten) Mitgliedszentren in Bochum, Essen, Hamburg, Köln, Magdeburg, München, Würzburg, ebenso wie zu den europäischen Registern EuRR-Bone (Bochum, Hamburg) und EuRRECa (Bochum, Essen, Würzburg, Magdeburg, München) sowie national zum National Bone Board (Göttingen, Hamburg, Dresden). Als beteiligte Patientenorganisationen werden Phosphatdiabetes e.V.; Deutsche Gesellschaft für Osteogenesis Imperfecta Betroffene e.V., HPP, BKMF e.V. und Netzwerk Hypopara in die Arbeit des Netzwerkes eingebunden.

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Abb. 3. Exemplarische Vernetzung der Standorte (blaue Kreise) der bisher beteiligten ExpertInnen in NetsOs und der spezialisierten B-Zentren (blaue Kreise mit schwarzem Rand) im B-Zentrum Referenznetzwerk (Stand 8.8.2020). Über die beteiligten A-Zentren der Standorte Bochum, Köln, Magdeburg und Würzburg werden koordinierende Aufgaben des Gesamtnetzwerkes übernommen. Die Arbeit in den Fachgesellschaften – in der Abbildung ist exemplarisch die European Calcified Tissue Society (ECTS) aufgeführt – wird über VertreterInnen aller Standorte übernommen (Logo NetsOS Quelle: j-h-design.de). Fig. 3. The Network NetsOs connects experts (blue circles) and specialized centers of expertise (blue circles with black line) in Austria, Germany and Switzerland. Data are shown as of 8/2020. NetsOs connects with Patient-Associations, Scientific societies and the European reference networks ERN BOND and ENDO ERN via its members and clinical centers.(Logo NetsOS Source: j-h-design.de).

Mit seinem Beschluss vom 5. November 2019 hat der GBA u.a. die Aufgaben der Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE) geregelt. Entsprechend dieses Beschlusses sollen Typ-A-Zentren besondere Aufgaben in einem krankheitsspezifischen, wissenschaftlich-fachlichen Netzwerk mit mindestens 5 beteiligten B-Zentren übernehmen [5], [6].

Für NetsOs werden besondere Aufgaben durch folgende A-Zentren übernommen:

Netzwerkkoordination: A-Zentrum des CeSER (Abteilung für Seltene Erkrankungen, Universitätskinderklinik Bochum, www.ceser.de; zuletzt geöffnet 8.8.2020), Übernahme von Fortbildungsveranstaltungen: ZSE-Köln (https://www.uk-koeln.de/patienten-besucher/zentrum-fuer-seltene-erkrankungen/;zuletzt geöffnet 8.8.2020), Unterstützung in der Bereitstellung der virtuellen Plattform für Falldiskussionen: ZESE Würzburg (https://www.ukw.de/de-unterbereiche/behandlungszentren/zentrum-fuer-seltene-erkrankungen-zese/startseite/;zuletzt geöffnet 8.8.2020) und die Koordination Patientenkontakte: MKSE Magdeburg (http://www.mkse.ovgu.de).


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Zusammenfassung

NetsOs hat sich als deutschsprachiges Expertennetzwerk für Seltene osteologische Erkrankungen gegründet. Hier besteht wachsender Bedarf für Expertise im Bereich der seltenen Skeletterkrankungen vor dem Hintergrund einer zunehmend individualisierten Medizin und der Verfügbarkeit neuer innovativer Medikamente [7]. Damit steht die Verbesserung der Diagnostik, Therapie und Versorgung von PatientInnen, die von einer seltenen Erkrankung des Knochens betroffen sind, im Fokus. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Mitglieder des Netzwerkes in verschiedenen Bereichen der Seltenen Knochen- und Skeletterkrankungen in Klinik und Forschung engagiert und stehen auch als AnsprechpartnerInnen für KollegenInnen zur Verfügung. Eine enge Zusammenarbeit mit den Patientenorganisationen ist für die patienten-zentrierte Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Patientenpfaden und die Fort- und Weiterbildung unabdingliche Voraussetzung und wird durch Einbindung der krankheitsspezifischen Patientenorganisationen gewährleistet.

Auch die überregionale und internationale klinische und wissenschaftliche Vernetzung der in diesem Bereich tätigen Mediziner stellt ein wesentliches Ziel dar. In NetsOs sind ExpertInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten. Mitglieder von NetsOs sind in den entsprechenden Fachgesellschaften, den europäischen Referenznetzwerken ERN-BOND und ENDO ERN sowie in der Rare Disease Working group der European Calcified Tissue Society (ECTS) vertreten.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Verbesserung der Ausbildung und Weiterbildung auf dem Themengebiet der Seltenen osteologischen Erkrankungen, wodurch auch junge ÄrztInnen und WissenschaftlerInnen für dieses so wichtige Thema begeistert werden sollen. Mitglieder der DGO-Initiative haben daher bereits seit 2018 jährlich die DGO Session Seltene Osteopathien mitgestaltet, seit 2019 als NetsOs [Abb. 4].

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Abb. 4. Eindrücke Session Seltene Knochenerkrankungen Osteologie 2019 in Frankfurt. Von links oben nach rechts unten: Corinna Grasemann, Florian Barvencik, Lothar Seefried, Wolfgang Högler, Uwe Kornak, Ralf Oheim, Barbara Obermayer-Pietsch, Christine Hofmann, Franz Jakob, Heide Siggelkow. Fig. 4 Impression from the Session Rare Bone Diseases, Congress Osteology 2019 in Frankfurt. From the left upper to right lower picture: Corinna Grasemann, Florian Barvencik, Lothar Seefried, Wolfgang Högler, Uwe Kornak, Ralf Oheim, Barbara Obermayer-Pietsch, Christine Hofmann, Franz Jakob, Heide Siggelkow.

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Ausblick

Für das Jahr 2021 ist der im September 2020 ausgefallene von NetsOs gestaltete Ostak-Spezialkurs Seltene Knochenerkrankungen wieder als Anwesenheitskurs vorgesehen, um mit allen Interessierten die aktuellen Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten zu diskutieren. Um bis dahin die osteologische Gemeinschaft an den hochaktuellen Entwicklungen im Bereich der Therapie von einigen der häufigeren Seltenen Knochenerkrankungen teilhaben zu lassen, wurde diese Ausgabe der Osteologie (4/2020) maßgeblich von NetsOs-ExpertInnen erstellt.

Zukünftige Aktivitäten bestehen neben der Umsetzung der initial festgelegten Ziele in der Etablierung einer transparenten Diskussionsplattfrom für schwierige oder unklare Fälle und im Sinne einer Lotsenfunktion, die für PatientInnen passende Zentren für Diagnostik und/oder Versorgung aufzeigt.

Diese Projekte sind durch die aktuellen Entwicklungen der Datenschutzbestimmungen zu einer herausfordernden Aufgabe aller nationalen und internationalen Netzwerke geworden und sollen in Anlehnung an europäische und nationale Lösungen (CPMS, Konsil SE) gelöst werden. Weitere zukünftige Themen sind u.a. die Identifizierung und Integration weiterer ExpertInnen und Zentren, die sich mit Seltenen Knochenerkrankungen beschäftigen, die Integration der Patientenselbsthilfe, die Leitlinienarbeit, die Verfügbarmachung und Unterstützung von Registern, die Erarbeitung und Etablierung krankheitsspezifischer Modelle der Transition, die Förderung der Forschung und die Schaffung akademischer Positionen zur Repräsentation des Feldes Seltener Osteologischer Erkrankungen und die Integration der Seltenen Osteopathien in die Lehre an den Universitäten und in die ärztliche und nichtärztliche Fort- und Weiterbildung.


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Danksagung

Die DGO dankt den Firmen Amgen, Takeda, Alexion und Kyowa Kirin für die Unterstützung der DGO-Initiative. Die Firmen Alexion und Kyowa Kirin waren bei den jeweiligen NetsOs-Treffen mit einem Stand vertreten.


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Funding Information

Die Open Access Publikation dieses Artikels wurde von den Firmen Alexion, Kyowa Kirin und Takeda durch die Übernahme der APC ermöglicht. Es erfolgte keinerlei Einflussnahme dieser Firmen auf die Inhalte des Artikels.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Queißer-Luft A, Spranger J. Fehlbildungen bei Neugeborenen. Deutsches Ärzteblatt 2006; 103 (38) : A2464-A71
  • 2 Ferreira CR. The burden of rare diseases. Am J Med Genet A 2019; 179 (06) : 885-892
  • 3 Montserrat A, Taruscio D. Policies and actions to tackle rare diseases at European level. Ann Ist Super Sanita 2019; 55 (03) : 296-304
  • 4 (NAMSE) NAfMmsE. Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. In: Gesundheit Bf, ed. online verfügbar unter: Bundesgesundheitsministerium; 2013.
  • 5 Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Regelungen zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten gemäß § 136c Absatz 5 SGB V (Zentrums-Regelungen), § 136c Absatz 5 SGB V (5. Dezember 2019).
  • 6 Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über Regelungen zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten gemäß § 136c Absatz 5 SGB V (Zentrums-Regelungen) – Erstfassung (5. Dezember 2019).
  • 7 Sabir AH, Cole T. The evolving therapeutic landscape of genetic skeletal disorders. Orphanet J Rare Dis 2019; 14 (01) : 300

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Heide Siggelkow, MD
Sprecherin Netzwerk Seltene Osteopathien NetsOs, MVZ ENDOKRINOLOGIKUM Göttingen, Zentrum für Hormon-, Knochen- und Gelenkerkrankungen, Endokrinologie, Osteologie, Rheumatologie, Nuklearmedizin und Humangenetik, Ambulantes Osteologisches Schwerpunktzentrum DVO, In Kooperation mit der Universitätsmedizin Göttingen
Von-Siebold-Str.3
37075 Göttingen
Germany   

Publication History

Article published online:
23 November 2020

© 2020. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Queißer-Luft A, Spranger J. Fehlbildungen bei Neugeborenen. Deutsches Ärzteblatt 2006; 103 (38) : A2464-A71
  • 2 Ferreira CR. The burden of rare diseases. Am J Med Genet A 2019; 179 (06) : 885-892
  • 3 Montserrat A, Taruscio D. Policies and actions to tackle rare diseases at European level. Ann Ist Super Sanita 2019; 55 (03) : 296-304
  • 4 (NAMSE) NAfMmsE. Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. In: Gesundheit Bf, ed. online verfügbar unter: Bundesgesundheitsministerium; 2013.
  • 5 Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Regelungen zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten gemäß § 136c Absatz 5 SGB V (Zentrums-Regelungen), § 136c Absatz 5 SGB V (5. Dezember 2019).
  • 6 Tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über Regelungen zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten gemäß § 136c Absatz 5 SGB V (Zentrums-Regelungen) – Erstfassung (5. Dezember 2019).
  • 7 Sabir AH, Cole T. The evolving therapeutic landscape of genetic skeletal disorders. Orphanet J Rare Dis 2019; 14 (01) : 300

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Abb. 1. Eindrücke Brainstorming 1. Treffen der Initiative der Deutschen Gesellschaft für Osteologie (DGO). Fig. 1. Impression Brainstorming Session 1st Meeting initiative of the German Society of Osteology (DGO).
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Abb. 2. Teilnehmer der Netzwerkgründung Seltene Osteopathien (NetsOs). Von links nach rechts/from left to right: Ralf Oheim, Corinna Grasemann, Uwe Kornak, Franz Jakob, Florian Barvencik, Heide Siggelkow, Barbara Obermayer-Pietsch, Gernot Jundt, Gabriele Lehmann, Claus C. Glüer. Gründungsmitglieder, aber zu dem Zeitpunkt nicht anwesend: Rolf Brenner, Lothar Seefried, Christine Hofmann. Fig. 2 Participants of founding of „Netzwerk Seltenen Osteopathien” (NetsOs). From left to right: Ralf Oheim, Corinna Grasemann, Uwe Kornak, Franz Jakob, Florian Barvencik, Heide Siggelkow, Barbara Obermayer-Pietsch, Gernot Jundt, Gabriele Lehmann, Claus C. Glüer. Gründungsmitglieder, aber zu dem Zeitpunkt nicht anwesend: Rolf Brenner, Lothar Seefried, Christine Hofmann.
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Abb. 3. Exemplarische Vernetzung der Standorte (blaue Kreise) der bisher beteiligten ExpertInnen in NetsOs und der spezialisierten B-Zentren (blaue Kreise mit schwarzem Rand) im B-Zentrum Referenznetzwerk (Stand 8.8.2020). Über die beteiligten A-Zentren der Standorte Bochum, Köln, Magdeburg und Würzburg werden koordinierende Aufgaben des Gesamtnetzwerkes übernommen. Die Arbeit in den Fachgesellschaften – in der Abbildung ist exemplarisch die European Calcified Tissue Society (ECTS) aufgeführt – wird über VertreterInnen aller Standorte übernommen (Logo NetsOS Quelle: j-h-design.de). Fig. 3. The Network NetsOs connects experts (blue circles) and specialized centers of expertise (blue circles with black line) in Austria, Germany and Switzerland. Data are shown as of 8/2020. NetsOs connects with Patient-Associations, Scientific societies and the European reference networks ERN BOND and ENDO ERN via its members and clinical centers.(Logo NetsOS Source: j-h-design.de).
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Abb. 4. Eindrücke Session Seltene Knochenerkrankungen Osteologie 2019 in Frankfurt. Von links oben nach rechts unten: Corinna Grasemann, Florian Barvencik, Lothar Seefried, Wolfgang Högler, Uwe Kornak, Ralf Oheim, Barbara Obermayer-Pietsch, Christine Hofmann, Franz Jakob, Heide Siggelkow. Fig. 4 Impression from the Session Rare Bone Diseases, Congress Osteology 2019 in Frankfurt. From the left upper to right lower picture: Corinna Grasemann, Florian Barvencik, Lothar Seefried, Wolfgang Högler, Uwe Kornak, Ralf Oheim, Barbara Obermayer-Pietsch, Christine Hofmann, Franz Jakob, Heide Siggelkow.