Übertragungswege von Atemwegsinfektionen
Übertragungswege von Atemwegsinfektionen
Nicht als nackte Erreger
Eine häufige Fehlannahme ist, dass respiratorische Viren als
„nackte“ Viruspartikel mit einem Durchmesser von z. B. 100
nm übertragen werden. In der Realität sind respiratorische
Krankheitserreger bei der Übertragung von Mensch zu Mensch immer in
Atemwegsekret eingebettet. Um die Übertragungsmechanismen zu verstehen,
müssen wir uns daher mit dem Verhalten von Atemwegsekret-Tröpfchen,
mit dem Verhalten der Erreger innerhalb des Sekrets und mit den klinischen
Auswirkungen der Exposition beschäftigen.
Respiratorische Krankheitserreger werden immer eingebettet in Atemwegsekret von
Mensch zu Mensch übertragen.
Übertragungswege
Respiratorische Infektionen können prinzipiell auf 3 verschiedenen Wegen
übertragen werden [1]
[2]
[3]:
-
Kontaktübertragung (auch als
„Schmierinfektion“ bezeichnet; engl.: contact
transmission)
-
Tröpfchenübertragung (auch als
„Tröpfcheninfektion“ bezeichnet; engl.: droplet
transmission)
-
Aerogene Übertragung (auch als
„Luftübertragung“ oder
„Aerosol-Übertragung“ bezeichnet; engl.:
airborne transmission)
Kontaktübertragung
Die Kontaktübertragung zwischen 2 Personen kann direkt erfolgen,
z. B. beim Küssen. Häufiger dürfte jedoch
die indirekte Kontaktübertragung sein, wobei mit Atemwegsekret
kontaminierte Vehikel zwischengeschaltet sind, z. B. beim
Berühren von Mund, Nase und Augen mit den eigenen Händen
(„Selbstinokulation“) oder beim Berühren der Lippen
mit einem Trinkglas [1]
[2]
[3].
Auch COVID-19 wird durch Kontakt übertragen. Wesentliche
Präventionsmaßnahmen sind daher Händehygiene, das
Vermeiden des Kontakts der Hände mit Mund, Nase und Augen sowie
– im Gesundheitsdienst – das Tragen von
Schutzhandschuhen.
Tröpfchenübertragung
Zu einer Tröpfchenübertragung kommt es, wenn respiratorische
Sekrettröpfchen, die beim Sprechen, Husten und Niesen produziert
werden, auf die Schleimhäute der oberen Atemwege und Augen-Bindehaut
einer anderen Person gelangen. Nach Verlassen der Atemwege sinken die
Tröpfchen aufgrund ihrer Masse und Größe (>5
μm) auf einer ballistischen Bahn nach unten und sedimentieren unter
Innenraumbedingungen mit geringer Luftbewegung innerhalb von ca. 10 s auf
einer Oberfläche. Da sie durch den Luftwiderstand rasch abgebremst
werden, legen sie meist nur kurze Strecken von<1 m zurück.
Ein Meter ist i. d. R. auch der maximale Abstand, über den
Tröpfcheninfektionen übertragen werden. Aufgrund ihrer Masse
und Trägheit dringen die Tröpfchen bei anderen Personen
nicht in die unteren Atemwege jenseits der Stimmbänder ein.
Eintrittspforten für die Erreger innerhalb von respiratorischen
Tröpfchen sind die Nasenschleimhaut und die Augen-Bindehaut, z. T.
auch die Mundschleimhaut. Beispiele für Erreger, die mit
respiratorischen Tröpfchen übertragen werden, sind
Influenza-, Adeno- und Rhinovirus sowie Bordetella pertussis, Mycoplasma
pneumoniae und AStreptokokken [1]
[2]
[3]. Auch der Erreger von COVID-19 wird
durch Tröpfchen übertragen.
Aerogene Übertragung
Die aerogene Übertragung ist dann möglich, wenn
respiratorische Krankheitserreger auch in Aerosolen kleinster,
luftgetragener, nichtsedimentierender Tröpfchen ihre
Infektiosität beibehalten. Weniger als 1% des Sekretvolumens
wird beim Husten und Niesen in Form kleinster Tröpfchen
ausgestoßen, die noch während der Sedimentation durch
Verdunstung zu einem Durchmesser von unter 5 μm schrumpfen, kaum
noch sedimentieren und lange Zeit in der Luft schwebend verbleiben. Je
geringer die Luftfeuchtigkeit ist, desto schneller ist der
Verdunstungsprozess und die Volumenabnahme der Tröpfchen [4]. Die in der Luft schwebenden und daher
„luftgetragenen“ Verdunstungsprodukte der
Sekrettröpfchen werden auch als
„Tröpfchenkerne“ (engl.: droplet nuclei) bezeichnet.
Ein Gemisch aus Tröpfchenkernen (ggf. auch anderen Schwebstoffen)
und Luft wird „Aerosol“ genannt. Als Aerosol können
sich Tröpfchenkerne im Innenraum über Distanzen von weit
über 1 m bis in Nachbarräume ausbreiten. Beim Einatmen
gelangen sie auch in die unteren Atemwege. Eine aerogene Übertragung
kann auch zwischen 2 Personen stattfinden, die keinen Face-to-Face-Kontakt
im Abstand von<1 m haben, sondern die sich mehrere Meter voneinander
entfernt an entgegengesetzten Orten eines großen Raumes aufhalten.
Die aerogene Übertragung kann auch zwischen 2 Personen erfolgen, die
sich nicht gleichzeitig, sondern nacheinander im selben Raum aufhalten [1]
[2]
[3]
[5].
Entscheidendes Merkmal aerogen übertragener Infektionserreger ist,
dass sie in der Luft schwebend über größere
Distanzen (>1 m) und während längerer Zeit
infektiös bleiben. Ausreichend belegt ist die aerogene
Mensch-zu-Mensch-Übertragung bei Tuberkulose, Masern und Varizellen
[1]
[2]
[3].
Infektiositätsverlust von Aerosolen
Während Sekrettröpfchen zu Tröpfchenkernen verdunsten,
sind die darin enthaltenen Krankheitserreger biochemischen und physikalischen
Stressfaktoren ausgesetzt, wie z. B. rascher Zunahme von
Salzkonzentration und osmotischem Druck, Temperaturabfall sowie Licht- und
UV-Strahlung, die sie in ihrer Infektiosität beeinträchtigen
[6]. Möglicherweise entsteht der
bei vielen Erregern beobachtete schnelle Infektiositätsverlust innerhalb
von Aerosolen auch durch Verdünnungseffekte, die verhindern, dass an der
mit bestimmten Rezeptoren versehenen Eintrittspforte beim Einatmen eine
ausreichende Infektionsdosis erreicht wird [2]
[38].
Entscheidend für die aerogene Übertragbarkeit von
Krankheitserregern ist deren Eigenschaft, auch in Aerosolen ihre
Infektiosität beizubehalten. Bei der Interpretation von
Aerosol-Untersuchungen ist immer zu beachten, dass der PCR-Nachweis von
Nukleinsäuren oder der Nachweis der In-vitro-Kultivierbarkeit eines
Erregers nicht mit dem Nachweis dessen Infektiosität in vivo
gleichzusetzen ist.
Abgrenzung Tröpfchen/aerogen
Bei den meisten Infektionskrankheiten, die durch respiratorische Sekrete
übertragen werden, ist bekannt, ob sie durch Tröpfchen oder
aerogen übertragen werden [2]
[7]. Eine hundertprozentige Abgrenzung
zwischen Erregern, die nur durch Tröpfchen und solchen, die nur aerogen
übertragen werden, ist wahrscheinlich aber nicht möglich.
Respiratorische Tröpfchen und Tröpfchenkerne werden nach
heutigen Kenntnissen immer gemeinsam generiert. Darüber, ob ein Erreger
durch Tröpfchen oder Tröpfchenkerne übertragen wird,
entscheiden wahrscheinlich Faktoren wie der Ort der effektiven Eintrittspforte,
die minimale Infektionsdosis und die Fähigkeit eines Erregers, in
Tröpfchenkernen seine Infektiosität zu bewahren. Unter
bestimmten Umständen (z. B. hohe Aerosol-Produktion, hohe
Erregerkonzentration in den Tröpfchen, niedrige Luftfeuchtigkeit,
schlechter Luftaustauch im Innenraum) sind bestimmte Erreger, die normalerweise
durch Tröpfchen übertragen werden, möglicherweise
kurzzeitig auch über Strecken von>1 m übertragbar [2].
Schutzmasken
Zum Ziel der Infektionsprävention unterscheidet man prinzipiell 2
verschiedene Typen von Masken: Nach den Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO
[1]), der US-amerikanischen Centers for
Disease Control and Prevention (CDC [2]) sowie der
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO
[7]) beim Robert Koch-Institut (RKI)
zählen beide Maskentypen zur „persönlichen
Schutzausrüstung“, sie haben aber grundlegend unterschiedliche
Schutzfunktionen:
-
Der Mund-Nasen-Schutz (auch als „OP-Maske“ bezeichnet, engl.:
medical mask, surgical mask, procedure mask, facemask) schützt vor
einer Tröpfchenübertragung.
-
Die Atemschutzmaske (auch als „partikelfiltrierende
Halbmaske“, „FFP-Maske“ und
„Feinstaubmaske“ bezeichnet, engl.: respirator, particulate
respirator, filtering face piece) schützt vor einer aerogenen
Übertragung. Von praktischer Bedeutung sind FFP2 – und
FFP3-Masken.
Mund-Nasen-Schutz (MNS)
MNS-Masken bestehen meist aus mehrlagigem, luftfiltrierendem Vliesmaterial,
teilweise mit wasserabweisender Außenschicht. Sie werden entweder am
Hinterkopf mit Bändern befestigt oder mit Gummischlaufen an den Ohren
([Abb. 1]). Sie sind immer so zu tragen,
dass Mund und Nase bedeckt sind. Wenn Sie den Träger im Abtand von
ca. 1 m von der Emissionsquelle vor Tröpfchen
schützen sollen, sollte gleichzeitig auch ein Augenschutz getragen
werden. Bei MNS-Masken handelt es sich um Einmalprodukte, deren Filterleistung
in der Euronorm EN 14 683 festgelegt ist. International gibt es
unterschiedliche MNS-Normen, wobei unbekannt ist, welche MNS-Merkmale am besten
vor einer Tröpfchenübertragung schützen [1]. Nichtgenormte Stoffmasken schützten
die Träger in einer Studie schlechter vor respiratorischen Erkrankungen
und Virusinfektionen als Einmal-MNS-Masken [8]. Im Gegensatz zur Atemschutzmaske schließt der Rand eines MNS
nicht dicht auf der Haut des Trägers ab, sodass ein Teil der Luft als
„Leckage“ am Maskenrand vorbei eingeatmet wird. Durch diese
Eigenschaft eignen sich MNS-Masken nicht zuverlässig zum Schutz vor
Tröpfchenkernen und aerogen übertragenen Infektionen [1]
[2]
[3].
Abb. 1 Mund-Nasen-Schutz (MNS) mit Gummischlaufen zur Befestigung
an den Ohren. Sichtbar ist, dass der Maskenrand nicht dicht mit der Haut
abschließt, sodass ein Teil der Luft am Rand vorbei eingeatmet
wird. Da sich die Trägerin mit dem MNS vor
Sekrettröpfchen schützen will, trägt sie
gleichzeitig eine Schutzbrille.
Aufgaben des Mund-Nasen-Schutzes
Nach den evidenzbasierten Leitlinien der WHO [1] und CDC [2] sowie nach den
Angaben des RKI [9] und der KRINKO [7] schützt der MNS den
Träger vor respiratorischen Infektionen, die durch Tröpfchen
übertragen werden. Im Einzelnen fassen die CDC die Schutzfunktionen
des MNS folgendermaßen zusammen [2]:
-
Der MNS wird vom medizinischen Personal getragen, um die eigene
Mund-, Nasen- und Rachenschleimhaut vor Tröpfchen und
Spritzern von Blut, Sekreten, Ausscheidungen und anderen
Körperflüssigkeiten zu schützen
(Eigenschutz).
-
Der MNS verhindert den Kontakt von Mund und Nase mit den eigenen
kontaminierten Händen (zum Eigenschutz vor einer
Selbstinokulation).
-
Der MNS wird vom medizinischen Personal bei Operationen und anderen
invasiven Eingriffen getragen, um zu verhindern, dass
Mikroorganismen des eigenen Mund-Nasen-Rachen-Raums mit
respiratorischen Tröpfchen in die Wunde des Patienten
gelangen (Fremdschutz).
-
Der MNS wird Patienten mit kontagiösen Atemwegsinfektionen
angelegt, um die Verbreitung infektiöser Atemwegssekrete zu
begrenzen (Fremdschutz).
Die meisten Atemwegsinfektionen werden durch Tröpfchen und nicht
aerogen übertragen. Der Mund-Nasen-Schutz schützt den
Träger vor Tröpfcheninfektionen; zahlreiche klinische
Studien haben das gezeigt.
Atemschutzmasken
Als Atemschutzmasken werden in der Medizin partikelfiltrierende Halbmasken
bezeichnet. Sie bestehen aus schwebstofffiltrierendem Material (meist Vlies),
durch das die Luft passieren muss, bevor sie vom Träger inhaliert wird.
Um zu verhindern, dass die eingeatmete Luft als „Leckage“
zwischen Maskenrand und Haut ungefiltert vorbeiströmt, werden sie
bereits in der Produktion der Anatomie des Mund-Nasen-Bereichs angepasst. Vom
Träger müssen sie zusätzlich
„anmodelliert“ werden, damit die Maske möglichst
luftdicht auf der Haut anliegt. Um den Dichtsitz zu gewährleisten,
werden Atemschutzmasken meist mit Gummizügen fixiert, die um den
Hinterkopf verlaufen ([Abb. 2]). Nach dem
Anlegen muss ein qualitativer Dichtigkeitstest (engl.: fit test, seal check)
erfolgen, um sicherzustellen, dass bei Inspiration ein geringer Unterdruck
entsteht, der die Maske leicht kollabieren lässt und fester auf die Haut
drückt. Barthaare können den Dichtsitz beeinträchtigen;
die Haut im Kontaktbereich mit dem Maskenrand muss daher glattrasiert sein [1]
[2]
[3].
Abb. 2 FFP2-Atemschutzmaske ohne Ausatemventil. Erkennbar ist der
dichte Kontakt des Maskenrands mit der Haut der Trägerin und die
Fixierung der Maske mit 2 Gummizügen, die um den Hinterkopf
verlaufen. Quelle: Reska M, Berger M. Persönliche
Schutzausrüstung an- und ausziehen – Schritt für
Schritt. Krankenhaushygiene up2date 2017; 12(02): 117–122.
Atemschutzmasken werden in Europa nach Euronorm EN 149 geprüft und in die
Geräteklassen FFP1, FFP2 und FFP3 eingeteilt, von denen nur die Klassen
FFP2 und FFP3 für den Schutz vor aerogen übertragbaren
Infektionen relevant sind [1]. FFP2-Masken
verfügen über einen Abscheidegrad von 95%, FFP3-Masken
von 99,7%. Unter standardisierten Testbedingungen (ohne
Dichtigkeitstest) ergibt sich für FFP2 – und FFP3-Masken eine
nach innen gerichtete Gesamtleckage von 8 bzw. 2% [7]
[10]. In den USA werden Atemschutzmasken
gemäß NIOSH-Standard in die Klassen N95, N99 und N100
eingeteilt, entsprechend einem Abscheidegrad von 95, 99 bzw. 99,97%
[1]
[2]
[11].
Aufgaben von Atemschutzmasken
In der Patientenversorgung haben Atemschutzmasken meist die Aufgabe, den
Träger vor der Inhalation infektiöser Tröpfchenkerne
und somit vor deren aerogener Übertragung zu schützen
(Immissionsschutz). Sie dienen nicht als Emissionsschutz, d. h. sie
werden nicht einem Patienten mit kontagiöser Atemwegsinfektion
angelegt. Hierzu eignet sich vielmehr ein MNS [2]
[3]
[12].
Nutzung von Atemschutzmasken
Atemschutzmasken weisen einen Atemwiderstand auf. In Deutschland muss den
Trägern daher gemäß Verordnung zur
arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) eine arbeitsmedizinische Vorsorge
angeboten werden. In Einzelfällen ist gemäß ArbMedVV
eine arbeitsmedizinische Vorsorge Pflicht, z. B. wenn mit
FFP3-Masken körperlich schwer gearbeitet wird [10]. Um den Atemwiderstand zumindest beim
Ausatmen zu reduzieren, gibt es Atemschutzmasken mit Ausatemventil, durch
das die ausgeatmete Luft ungefiltert ausströmen kann.
Zu Zwecken des Infektionsschutzes werden Atemschutzmasken in Räumen
(v. a. Isolierzimmern) getragen, in denen sich ein
infektiöser Patient mit einer aerogen übertragenen
Infektionskrankheit aufhält, z. B. mit infektiöser
Lungentuberkulose. Das Tragen von Atemschutzmasken ist i. d. R. nur dann
sinnvoll, wenn gleichzeitig auch andere Schutzmaßnahmen gegen die
Übertragung aerogener Infektionen ergriffen werden (engl.: airborne
precautions [1]
[2]
[3]): Die Tür des Raums sollte
möglichst geschlossen, die Fenster können geöffnet
sein. Bei vorhandener Lüftungsanlage sollte möglichst
negativer Luftdruck im Raum eingestellt werden. Atemschutzmasken
müssen im gesamten Raum getragen werden und nicht nur in der
Nähe des infektiösen Patienten.
Atemschutzmasken sind teuer und unbequem, ihr richtiger Einsatz ist
komplex und muss geübt werden. Sie schützen den
Träger vor aerogen übertragenen Krankheitserregern und
sind nicht dazu bestimmt, von infektiösen Personen getragen zu
werden.
Risiken für die Übertragung von Coronaviren in der klinischen
Realität
Risiken für die Übertragung von Coronaviren in der klinischen
Realität
Evidenzbasierte Erkenntnisse
Bei der Frage nach evidenzbasierten Erkenntnissen über die
Transmissionswege von Coronaviren sind in erster Linie klinische Studien von
Interesse, die die Übertragung tatsächlicher
Infektionsfälle beim Menschen analysiert haben, insbesondere durch
epidemiologische Analysen von Ausbrüchen und anderen
Übertragungsereignissen. Bei labor- und tierexperimentellen
Untersuchungen sowie bei Untersuchungen ohne den Endpunkt
„Infektionsfälle“, sondern mit Endpunkten wie
„RNA-Nachweis in Aerosolen“ oder „Nachweis
in-vitro-kultivierbarer Coronaviren in Tröpfchen“ ist die
Übertragung der Ergebnisse auf tatsächliche Arbeits- und
Lebensbedingungen nur sehr eingeschränkt möglich. Solche
Untersuchungen können wertvolle Hintergrundinformationen liefern, sind
aber hinsichtlich der Qualität ihrer wissenschaftlichen Evidenz
grundsätzlich niedriger einzustufen als klinische Studien [13].
Analogien zwischen COVID-19, SARS und MERS
Über die Transmissionswege des Severe Acute Respiratory Syndrome
Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), dem Erreger von COVID-19, liegen bisher nur wenige
Informationen vor. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass die
Übertragungswege von COVID-19 denen des Severe Acute Respiratory
Syndrome (SARS) und des Middle East Respiratory Syndrome (MERS) ähneln,
deren Erreger mit SARS-CoV-2 nahe verwandt sind.
SARS und aerosolerzeugende Maßnahmen (AGPs)
Im Rahmen der SARS-Pandemie im Jahr 2003 kam es zu großen nosokomialen
Ausbrüchen mit vielen infizierten Patienten und Mitarbeitern und es
fanden sich zahlreiche Belege, dass die Krankheit hauptsächlich durch
Kontakt und Tröpfchen übertragen wird. Es ließ sich aber
nicht mit ausreichender Sicherheit ausschließen, dass der Erreger
„fakultativ aerogen“ übertragen werden kann,
insbesondere bei bestimmten aerosolerzeugenden Maßnahmen (engl.:
aerosol-generating procedures, AGPs) [2]. Eine
erste systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Studien
über das Risiko der SARS-Übertragung durch AGPs wurde 2011 von
Tran et al. vorgelegt [14]. Darin werteten die
Autoren je 5 klinische Fall-Kontroll- und retrospektive Kohortenstudien von
– gemessen an den GRADE-Kriterien [13]
– sehr geringer Qualität aus und fanden signifikant
erhöhte Infektionsrisiken nur für folgende AGPs:
-
Intubation (8 Studien, Gesamt Odds Ratio, OR 6,6)
-
nichtinvasive Beatmung (2 Studien, OR 3,1)
-
Tracheotomie (1 Studie, OR 4,2)
-
manuelle Beatmung vor Intubation (1 Studie, OR 2,8)
Die Arbeit von Tran et al. [14] fand keine
signifikant erhöhten Infektionsrisiken für folgende AGPs:
Absaugen vor und nach Intubation, manuelle Beatmung nach Intubation,
Bronchoskopie, Medikamentenverneblung, Manipulationen an Sauerstoffmaske,
Manipulationen an BiPAP-Maske, Defibrillation, Thorax-Kompression,
Einführung Magensonde, Sammlung Sputumprobe, HFOV-Beatmung,
High-flow-Sauerstofftherapie, endotracheale Absaugung, Absaugung von
Körperflüssigkeit, Sauerstoffgabe, Thorax-Physiotherapie und
künstliche Beatmung.
AGPs gemäß WHO
Die evidenzbasierte WHO-Leitlinie zur Infektionsprävention von akuten
Atemwegsinfektionen mit Epidemie- und Pandemie-Risiko aus dem Jahre 2014 [1] basiert auf einer Neubewertung der Arbeit
von Tran et al. [14] und einer erneuten
systematischen Literaturrecherche. In dieser Leitlinie betont die WHO erneut,
dass SARS hauptsächlich durch Tröpfchen und Kontakt
übertragen wurde und empfiehlt bei der Routine-Versorgung von Patienten
mit akuten Atemwegsinfektionen einschließlich SARS das Tragen eines MNS.
Aufgrund von Hinweisen von sehr niedriger Evidenz empfiehlt die WHO aber das
Tragen von FFP2-Masken bei AGPs und nennt als Beispiele für relevante
AGPs explizit:
Die aktuellen WHO-Empfehlungen zur COVID-19-Prävention in der
Krankenversorgung [15] sehen bei folgenden
AGPs die Indikation zum Tragen einer FFP2-Maske:
Die Auflistung entspricht der AGP-Liste von Tran et al. [14] (s. oben) mit Zusatz von kardiopulmonaler
Reanimation und Bronchoskopie. Anlass für die Hinzunahme der Reanimation
ist unter anderem ein Fallbericht, der über die Übertragung von
MERS auf eine Krankenpflegerin im Rahmen einer Reanimation berichtet [16]
[17]. Der Bericht lässt allerdings
offen, ob die Übertragung tatsächlich durch Aerosole erfolgte
oder auf anderen Wegen, z. B. durch Spritzer, offene endotracheale
Absaugung oder die Repositionierung der Schutzmaske mit kontaminierten
Händen.
Andere AGP-Definitionen
Aufgrund einzelner Fallberichte und Untersuchungen der Umgebungskontamination
ohne den Endpunkt „Infektion“ wurde die Liste der AGPs mit
Risiko einer COVID-19-Übertragung verschiedentlich erweitert. So
zählt z. B. Public Health England auch folgende
Maßnahmen zu den relevanten AGPs [17]:
Extubation, offene endotracheale Absaugung, Manipulationen am Tracheostoma,
Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts, Gebrauch schnell rotierender
Instrumente, BiPAP-, CPAP- und HFOV-Beatmung, High-flow-Sauerstofftherapie sowie
Sputum-Induktion. Die Einstufung solcher Maßnahmen als AGPs mit
COVID-19-Übertragungsrisiko ist nicht evidenzbasiert, sondern beruht auf
theoretischen Überlegungen oder auf wenig aussagekräftigen
Untersuchungen.
Bisher gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege dafür,
dass Coronaviren bei der Krankenversorgung aerogen übertragen
werden. Nur bei aerosolerzeugenden Maßnahmen lässt sich
nicht mit ausreichender Sicherheit ausschließen, dass eine aerogene
Übertragung möglich ist.
Klinischer Vergleich MNS vs. Atemschutzmasken zum Schutz vor
Coronavirus-Infektionen
Klinischer Vergleich MNS vs. Atemschutzmasken zum Schutz vor
Coronavirus-Infektionen
Da epidemiologische Analysen von COVID-19-Ausbrüchen zur Charakterisierung
der Übertragungswege bisher (Stand April 2020) nicht vorliegen, muss nach
anderen Ansätzen gesucht werden, um geeignete Schutzmaßnahmen zu
definieren. Ein solcher Ansatz ist die Beurteilung der Effektivität von MNS-
und Atemschutzmasken zum Schutz vor Coronavirus-Infektionen durch ihren
vergleichenden Einsatz in klinischen Studien.
Cochrane Review 2011
Cochrane Reviews sind systematische Übersichtsarbeiten, möglichst
mit Metaanalysen, in denen Forschungsergebnisse zu Fragen der
Gesundheitsversorgung und -politik zusammengefasst werden. In der
evidenzbasierten Gesundheitsversorgung sind sie international als
Qualitätsstandard anerkannt. Eine Review aus dem Jahre 2011 befasst sich
mit der Effektivität physikalischer (nichtpharmazeutischer)
Interventionen zur Prävention der Verbreitung respiratorischer Viren
[18]. Die Autoren fanden einen
signifikanten schützenden Effekt vor SARS sowohl für die
Träger von MNS (7 Fall-Kontroll-Studien, OR 0,32) als auch für
die Träger von N95-Atemschutzmasken (3 Fall-Kontroll-Studien, OR 0,17).
Insgesamt fanden sie aber keine Evidenz, dass Atemschutzmasken dem MNS
überlegen sind.
Nationaler Pandemieplan 2016
Eine ähnliche Literaturübersicht wurde auch für den
deutschen Nationalen Pandemieplan 2016 erstellt, der sich vornehmlich mit der
pandemischen Influenza befasst [19]. Es fanden
sich 3 Studien mit Vergleich zwischen MNS und Atemschutzmasken, die die Cochrane
Review 2011 [18] noch nicht
berücksichtigen konnte. Endpunkte waren Personen mit Labornachweis
respiratorischer Erreger einschließlich Influenza, Influenza-like
Illness (ILI) und akute respiratorische Erkrankungen. Zusammenfassend zeigten
die ausgewerteten Studien, dass das Tragen sowohl von MNS als auch von
Atemschutzmasken einen präventiven Effekt zum Eigenschutz des
medizinischen Personals im Vergleich zum Nichttragen hat. Für eine
Überlegenheit von FFP2-Masken gegenüber MNS fanden sich jedoch
nur wenige Hinweise. Es wurden keine Studien über den Schutzeffekt von
MNS gefunden, die von Patienten zum Fremdschutz getragen werden.
Weitere systematische Reviews
Eine systematische Übersichtsarbeit kam 2016 zu dem Ergebnis, dass
N95-Atemschutzmasken zwar im Laborversuch einen größeren Schutz
gegen die Erreger akuter Atemwegsinfektionen einschließlich pandemischer
Influenza zu bieten scheinen als MNS, dass sich mittels Metaanalyse aber kein
höherer Schutzeffekt für medizinisches Personal bei klinischer
Anwendung nachweisen lässt [20]. Eine
Metaanalyse aus dem Jahr 2017 fand einen signifikanten protektiven Effekt von
MNS (OR 0,13) und Atemschutzmasken (OR 0,12) gegen SARS, jedoch keinen
signifikanten Unterschied zwischen den beiden Typen von Schutzmasken [21]. Eine aktuelle systematische
Übersichtsarbeit mit Metaanalyse von 4 randomisierten kontrollierten
Studien kommt zu dem Ergebnis, dass MNS und N95-Atemschutzmasken das
medizinische Personal bei nicht-AGPs in vergleichbarem Ausmaß gegen
virale Erreger von Atemwegsinfektionen, einschließlich Coronavirus,
schützen [22].
Eine neue Studie
In einer neueren randomisierten klinischen Studie über die Verwendung von
Schutzmasken durch das medizinische Personal zum Eigenschutz vor viralen
Atemwegsinfektionen fanden sich in der MNS-Gruppe und in der N95-Gruppe keine
signifikant unterschiedlichen Influenza-Infektionsraten [23].
Klinische Studien haben bisher insgesamt nicht zeigen können, dass
Atemschutzmasken den Träger besser vor Atemwegsinfektionen durch
Coronaviren und andere respiratorische Viren schützen als der
Mund-Nasen-Schutz. COVID-19 konnte in diesen Studien bisher allerdings nicht
berücksichtigt werden.
Wie gut sind Stoffmasken?
Wie gut sind Stoffmasken?
Bisher liegt nur eine klinische Studie vor, in der die Schutzwirkung von
Einmal-MNS-Masken und Stoffmasken beim medizinischen Personal miteinander verglichen
wurde [8]. Es handelt sich um eine 3-armige (MNS,
Stoffmasken, Kontrollen), clusterrandomisierte Studie, die in 14
Krankenhäusern in Hanoi, Vietnam, durchgeführt wurde. Die
Einmal-MNS-Masken bestanden aus 3-lagigem Vliesmaterial und wurden einmal pro
Schicht ausgetauscht. Die Stoffmasken bestanden aus 2-lagigem Baumwollgewebe und
wurden nach schriftlicher Anleitung täglich zuhause mit Wasser und Seife
gewaschen. Im MNS-Arm und im Stoffmaskenarm war die Compliance des Maskengebrauchs
jeweils doppelt so hoch (57%) wie im Kontrollarm (24%). Die Studie
fand die höchsten Erkrankungsraten sowohl an klinischen Atemwegserkrankungen
als auch an Influenza-like Illness (ILI) und laborbestätigten
Virusinfektionen im Stoffmaskenarm, die niedrigsten Erkrankungsraten im MNS-Arm. Bei
ILI waren die Unterschiede zwischen den 3 Studienarmen statistisch signifikant. Im
Labortest war die Partikeldurchdringung bei Stoffmasken mehr als doppelt so hoch
verglichen mit MNS-Masken.
Eine klinische Studie hat gezeigt, dass Stoffmasken einen schlechteren Schutz vor
Atemwegsinfektionen bieten als der normale Mund-Nasen-Schutz. Ob dieser Befund
pauschal für alle Stoffmasken gilt, ist unbekannt.
Untersuchungen zur Übertragung von Coronaviren ohne Endpunkt
„Infektion in vivo“
Untersuchungen zur Übertragung von Coronaviren ohne Endpunkt
„Infektion in vivo“
Surrogatparameter
Zahlreiche Untersuchungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass
Maßnahmen wie Bronchoskopie [24]
[25]
[26] und offenes endotracheales Absaugen [24]
[27] eine Umgebungskontamination mit viralen
Nukleinsäuren und in-vitro-kultivierbaren Bakterien zur Folge haben.
Endpunkte dieser Untersuchungen sind nicht tatsächliche Infektionen in
vivo, d. h. bei lebenden Personen, sondern Surrogatparameter von
unklarer Aussage. Derartige Untersuchungen [28]
[29]
[30]
[31] sowie Untersuchungen von
Tröpfchen und Aerosolen der Expirationsluft [32]
[33]
[34] erfolgten in jüngster Zeit auch
mit SARS-CoV-2. Als Beispiel sei eine Untersuchung genannt, in der eine
in-vitro-angezüchtete SARS-CoV-2-Suspension im Labor zerstäubt
und die Konzentrationsabnahme in vitro kultivierbarer Viren in Aerosolen und auf
Oberflächen gemessen wurde [28]. Wie
ähnliche Versuche mit anderen Viren erlaubt auch diese Untersuchung kaum
Rückschlüsse auf die tatsächliche Infektiosität
natürlicher respiratorischer Aerosole und auf die tatsächlichen
Übertragungswege in normalen Lebens- und Arbeitssituationen. Solche
Untersuchungen sind kein Beleg dafür, dass COVID-19 in der Praxis
tatsächlich aerogen übertragen wird und das Tragen von
FFP2-Atemschutzmasken bei der Versorgung von COVID-19-Patienten (mit Ausnahme
von AGPs) tatsächlich sinnvoll ist.
Laborexperimentelle Untersuchungen und Untersuchungen ohne Endpunkt
„Infektion in vivo“ können interessante
Hintergrundinformationen liefern, sind aber kein Ersatz für
klinische Studien.
Die „Realität“
Auch eine aktuelle Publikation, die die aerogene Übertragung von
SARS-CoV-2 als „Realität“ deklariert [35], kann sich nur auf ausgewählte
Untersuchungen mit RNA-Nachweis in Umgebungsproben, Simulationsstudien,
Fallberichte und Expertenmeinung berufen, die in der evidenzbasierten Medizin
als Belege von geringer wissenschaftlicher Aussagekraft (low quality evidence)
gelten und klinische Studien keinesfalls ersetzen [13]. Mit Sicherheit wird es weitere Untersuchungen und klinische
Studien geben, um die Frage zu klären, ob Coronaviren aerogen
übertragen werden oder nicht [36]. Bei
einer Gesamtbewertung ist aber immer anzustreben, kognitive Verzerrungen zu
vermeiden, d. h. die systematische Überbewertung bestimmter
Forschungsergebnisse, die – bewusst oder unbewusst – nach
bestimmten Kriterien selektiert wurden. Systematische Reviews zielen auch darauf
ab, solche Verzerrungen zu vermeiden. Dies ist einer der Gründe, warum
sie in der evidenzbasierten Medizin an der Spitze der
Qualitätshierarchie stehen.
Einsatz von Schutzmasken in der Öffentlichkeit
Einsatz von Schutzmasken in der Öffentlichkeit
Während der Anfertigung des vorliegenden Artikels (April 2020) herrschten in
den Medien und in der Politik lebhafte Diskussionen über den Sinn des
Tragens von Schutzmasken in der Öffentlichkeit, auch außerhalb von
medizinischen Einrichtungen. Gegenstand der Diskussion sind insbesondere
Einmal-MNS-Masken für den klinischen Gebrauch und industriell oder selbst
angefertigte Stoffmasken.
Studien über Masken in der Öffentlichkeit
Zur Beantwortung dieser Frage wertete eine zur Zeit der Anfertigung dieses
Artikels noch nicht begutachtete „schnelle systematische
Übersichtsarbeit“ 31 Studien aus, davon 12 randomisierte
kontrollierte Studien [37]. Die Autoren
beklagen erhebliche Mängel bei vielen dieser Studien. Sie berichten,
dass MNS-Masken aufgrund der Ergebnisse dieser Studien nur in sehr geringem
Ausmaß gegen primäre Atemwegsinfektionen in der
Öffentlichkeit schützen können und in
mäßigem Ausmaß gegen Infektionen daheim, wenn sowohl
infizierte als auch nichtinfizierte Haushaltsangehörige einen MNS
tragen. Daraus folgern sie, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen
Belege für den weitverbreiteten Gebrauch von MNS-Masken zum Schutz vor
COVID-19 gibt. Zur Befürwortung des kurzzeitigen MNS-Gebrauchs durch
besonders gefährdete Personen in vorübergehend erhöhten
Risikosituationen berichten sie jedoch, ausreichende Belege gefunden zu haben.
Auch die WHO sprach sich 2019 in ihrer systematischen Übersichtsarbeit
über nichtpharmazeutische Maßnahmen gegen epidemische und
pandemische Influenza nur bedingt für den MNS-Gebrauch in der
Öffentlichkeit aus [38]. Gegen den
großflächigen Einsatz von MNS spricht die Sorge vor noch
schlechterer Verfügbarkeit dieser Masken für diejenigen, die sie
wirklich benötigen, wie z. B. medizinisches Personal und
Immunsupprimierte [39].
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Der Mund-Nasen-Schutz (MNS, OP-Maske) schützt den
Träger und sein Gegenüber vor Atemwegsinfektionen,
die durch Tröpfchen übertragen werden;
Atemschutzmasken (FFP2- und FFP3-Masken) schützen dagegen
den Träger vor Atemwegsinfektionen, die aerogen (durch
Aerosole) übertragen werden.
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Nach bisherigem Kenntnisstand wird COVID-19 durch Kontakt
(„Schmierinfektion“) und Tröpfchen
übertragen. Für die Möglichkeit der
aerogenen Übertragung (Aerosol-Übertragung) sprechen
bisher nur laborexperimentelle Untersuchungen und Untersuchungen
ohne den Endpunkt „Infektion“, die jedoch kein
Ersatz für klinische Studien und kein Beleg für die
Relevanz im klinischen Alltag sind.
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Da bisher keine klinischen Studien vorliegen, die die Schutzwirkung
von MNS und Atemschutzmasken bei COVID-19 mit Endpunkt
„Infektion“ vergleichen, muss zurzeit auf
entsprechende Studien über Infektionen durch andere
Coronaviren (insbesondere SARS) zurückgegriffen werden.
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Analysen von SARS-Ausbrüchen haben gezeigt, dass der
SARS-Erreger (SARS-CoV-1) durch Kontakt und Tröpfchen
übertragen wurde, konnten aber nicht ausschließen,
dass er bei aerosolerzeugenden Maßnahmen wie Intubation,
Tracheotomie und manueller Beatmung auch aerogen übertragbar
ist.
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Klinische Studien (randomisierte, Fall-Kontroll- und Kohortenstudien)
haben gezeigt, dass sowohl MNS als auch Atemschutzmasken vor der
Übertragung von SARS-CoV-1 und anderen respiratorischen
Viren schützen. Insgesamt konnten sie jedoch nicht belegen,
dass die Schutzwirkung von Atemschutzmasken derjenigen von
MNS-Masken überlegen ist.
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Die zurzeit verfügbaren klinischen Studien mit Relevanz
für Coronaviren legen die Schlussfolgerung nahe, dass bei
aerosolerzeugenden Maßnahmen an COVID-19-Patienten das
Tragen von Atemschutzmasken – zusammen mit anderen
Maßnahmen zum Schutz vor aerogenen Infektionen-sinnvoll ist.
Bei der normalen Versorgung von COVID-19-Patienten ist die
Notwendigkeit des Gebrauchs von Atemschutzmasken dagegen fraglich.
Aufgrund der Erfahrungen mit anderen humanpathogenen Coronaviren
reicht hier wahrscheinlich ein MNS aus. Da bestätigende
epidemiologische Studien über SARS-CoV-2 noch fehlen,
können hier aber auch FFP2-Masken getragen werden.
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Eine klare Empfehlung für das Tragen von Schutzmasken in der
Öffentlichkeit ist aufgrund der bisher vorliegenden Studien
nicht möglich. Stoffmasken schützen nach einer
klinischen Studie deutlich schlechter vor Atemwegsinfektionen als
Einmal-MNS-Masken.
Zitierweise für diesen Artikel
Schulze-Röbbecke R, Reska M, Lemmen S. Welche Schutzmaske schützt
vor COVID-19? Was ist evidenzbasiert? Krankenhaushygiene up2date 2020; 15 (02):
123-132. DOI
https://doi.org/10.1055/a-1133-2046.