Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(05): 384-385
DOI: 10.1055/a-1222-5603
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Degenerative Meniskusrisse: Operation oder Physiotherapie?

Contributor(s):
Susanne Krome
Berg B. et al.
Development of osteoarthritis in patients with degenerative meniscal tears treated with exercise therapy or surgery: a randomized controlled trial.

Osteoarthritis Cartilage 2020;
28: 897-906
DOI: 10.1016/j.joca.2020.01.020.
 

    Die arthroskopische partielle Menisektomie hat sich zur Standardtherapie degenerativer Meniskusschäden etabliert. Verschiedene Untersuchungen zeigten allerdings kaum Vorteile gegenüber der physiotherapeutischen Übungsbehandlung. Die randomisierte kontrollierte Studie der norwegischen Arbeitsgruppe ergab langfristig keine relevanten Unterschiede hinsichtlich einer inzidenten Gonarthrose und des patientenbezogenen Nutzens.


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    Der Verlust der Meniskusfunktion steigert die Belastung des Kniegelenks, kann zur Knorpelschädigung führen und eine Gonarthrose induzieren. Gleichzeitig sind Meniskusrisse per se und die arthroskopische partielle Menisektomie (APM) Risikofaktoren für die Gonarthrose. APM waren mit einer 3-fach gesteigerten Wahrscheinlichkeit für einen Kniegelenkersatz assoziiert. Über die langfristigen Folgen einer nichtoperativen Therapie lagen bislang wenig Informationen vor. Die OMEX-Studie (Odense-Oslo Menisectomy vs. Exercise Study) verglich die radiografischen und patientenbezogenen Outcomes von jeweils 70 Patienten, die eine APM oder ein Physiotherapie-Programm mit 24 Sitzungen erhielten (12 Wochen). Die Betroffenen waren 35–60 Jahre alt, hatten atraumatische, unilaterale Knieschmerzen und kernspintomografisch belegte, degenerative Meniskusläsionen. 96% wiesen bei der Erstuntersuchung keine Gonarthrose auf. Nach 2 Jahren unterschieden sich die Progressionsraten der Behandlungstypen nicht wesentlich. 19% der konservativen Gruppe erhielten im Verlauf eine APM. Die Autoren stellen nun die Ergebnisse nach 5 Jahren vor.

    Hauptendpunkt waren inzidente und zunehmende Randosteophyten sowie Gelenkspaltverschmälerungen. Das Assessment erfolgte semi-quantitativ nach einem standardisierten Protokoll (OARSI-Skala). Sekundäre Endpunkte waren die Kellgren-Lawrance Klassifikation und der mediale fixierte Gelenkspalt. Die Patienten erfassten mindestens wöchentlich die Beschwerden (Knee Injury and Osteoarthritits Outcome Score KOOS, Pain Subscale). Die KOOS-Einstufung beinhaltet Schmerzen, andere Beschwerden, die Kniefunktion bei Sport und Freizeit sowie die gelenkassoziierte Lebensqualität.

    Nach 5 Jahren lagen von 120 Teilnehmern (86%) Röntgenbilder vor. Patienten mit Crossover wurden in der APM-Gruppe analysiert. Verglichen mit der Physiotherapiegruppe wiesen die Patienten mit APM kein signifikant unterschiedliches Progressionsrisiko auf:

    • Gelenkspaltverschmälerung RR 0,89 (95%-KI 0,55–1,44),

    • mediale Osteophyten RR 1,15 (95%-KI 0,79–1,68) und

    • laterale Osteophyten RR 0,77 (95%-KI 0,42–1,42).

    Die weiten Konfidenzintervalle ließen den zuverlässigen Ausschluss möglicher Unterschiede laut den Autoren nicht zu. Der radiografische Gesamtscore belegte diese jedoch nicht (Gruppenunterschied -0,02; 95%-KI -053–0,49; p=0,93). Auch für die sekundären Endpunkte ergaben sich keine relevanten Differenzen.

    Fazit

    Die Prävalenzen einer radiologischen Gonarthrose betrugen in der APM- und Physiotherapie-Gruppe 17% und 19%. Insgesamt ergaben sich weder für die operative noch für die konservative Strategie eindeutige Vorteile. Die Autoren interpretieren degenerative Meniskusrisse als „preradiographic sign“ und Teil des pathologischen Prozesses der Gonarthrose. Die Diskordanz zwischen struktureller Schädigung und Symptomen in Bevölkerungsstudien könne u. a. an der mangelnden Sensitivität der Kellgren-Lawrance-Klassifikation für frühe Veränderungen liegen.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    14 October 2020

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