Gegenstand der Diskussion ist der Nachdruck (Phlebologie 2020, 2(49): 72–78) des Thieme
Verlags einer Originalartikels aus HaMiPla für die Plastischen Chirurgen 2018 erschienen
(Zetzmann K, Ludolph I, Horch RE, Boos AM. Handchir Mikrochir Plast Chir. 2018 Dec;
50(6): 386–392. doi:10.1055/a-0739–7911. Epub 2019 Jan 8. PMID: 30620 976).
Die Arbeit fokussiert sich dabei auf mögliche bildgebende Diagnostik zur Therapieplanung
bei Lipödem- und Lymphödem-Patienten. Die Autoren des Leserbriefs merken an, dass
Lipödem und Lymphödem „beides gänzlich unterschiedliche Erkrankungen – mit unterschiedlicher
Pathogenese, unterschiedlicher Klinik, unterschiedlichen Komplikationsoptionen und
vor allem unterschiedlicher Therapie“ seien und der in dem hier diskutierten Artikel
mehrfach verwendete Begriff Lipo-Lymphödem irreführend sei. Auch wenn wir in unserer
Arbeit entgegen dem Vortrag der Kollegen keineswegs die Meinung vertreten, dass es
sich beim Lipödem und Lymphödem um dieselbe Erkrankung, wie von den Leserbriefautoren
angenommen, handelt, erlauben wir uns dennoch den Hinweis, dass der Begriff Lipo-Lymphödem
in der wissenschaftlichen Literatur ungeachtet der Leserzuschrift weiterhin existiert
[2 ]
[3 ]
[4 ]. Trotz einer bekanntermaßen bestehenden Unschärfe hinsichtlich des Terminus „Lipo-Lymphödem“
ist dieser Begriff konform mit der 2018 interdisziplinär erstellten und nach wie vor
gültigen Leitlinie (AWMF Registernummer 037–012).
Unsere Arbeit zur bildgebenden Diagnostik diskutiert nicht die Pathogenese beider
Erkrankungen und auch nicht mögliche Überschneidungen. Die reine Verwendung des Begriffs
„Lipödem“ kann daher nicht als Fehlverständnis der Autoren gedeutet werden, da weder
eine (Neu-)Definition des Ödems oder deren Stadieneinteilung, sondern vielmehr Grundlagen
der bildgebenden Diagnostik gemäß aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen dargelegt
werden. Das adipositasassoziierte Lymphödem ist auch in unserem bariatrischen Patientengut
anzutreffen und Gewichtskontrolle und psychosoziale Begleitung stellen zentrale Elemente
im Rahmen der Behandlung in einem Adipositas-Zentrum dar. Der enge interdisziplinäre
Austausch zwischen Viszeralchirurgen, Ernährungstherapeuten, Psychotherapeuten, Sozialarbeitern
und Selbsthilfegruppen ist gerade in universitären Zentren gelebte Praxis.
Bei insgesamt noch schwacher Evidenz, die Pathophysiologie und Therapie des Lipödems
betreffend, erscheint uns der Leserbrief wie auch die Arbeiten zu den Mythen des Lipödems
sehr emotional und mit viel Absolution verfasst.
Als universitäre Einrichtung werden neben rein klinischen Untersuchungen/Beobachtungen
auch Wege und Möglichkeiten auf wissenschaftlich-experimenteller Ebene beschritten.
Dies ist essenzielle Grundlage für die Erforschung bisher nicht eindeutig geklärter
Erkrankungen, wie des Lipödems und kann auch den Leserbrief-Autoren in Zukunft in
der klinischen Versorgung zugutekommen. Dazu ist es ein Ziel, basierend auf wissenschaftlichen
Erkenntnissen Expertenmeinungen zu fundieren. Daher scheint uns der Begriff „Paradigmenwechsel“
beim Lipödem verfrüht und wir können die Autoren nur animieren, den evidenzbasierten
Weg zu fördern.
Wir unterstützen die Behandlung des Weichteilschmerzes, der psychischen Vulnerabilität
und die begleitende Behandlung der Adipositas. Wir sind gespannt auf die angekündigte
Veröffentlichung des Konsensus-Papiers „European Best Practice of Lipoedema“.
Die Aussage „Weder klinische noch bildgebende Untersuchungen konnten jemals relevante
Flüssigkeitsmengen im Gewebe bei Lipödem-Patientinnen nachweisen“ verwundert etwas
und sollte besser im wissenschaftlichen Kontext betrachtet werden. Wir führen beispielsweise
bildgebende Diagnostik zur Planung von chirurgischen Eingriffen auch bei Lipödem-Patienten
durch und konnten durchaus wie auch andere Autoren vermehrte Flüssigkeitsansammlung
im MRT und in der ICG-Lymphografie nachweisen ([Abb. 1 ]). Um die Wertigkeit dieser Methoden weiter zu prüfen, sind unseres Erachtens Untersuchungen
an einer randomisierten Patientengruppe sinnvoll und empfehlenswert, um unseren Patienten
künftig mit noch mehr Wissen um die Pathophysiologie helfen zu können
Abb. 1 A Lipödem Unterschenkel im MRT mit Zeichen vermehrter Flüssigkeitsansammlung im Gewebe.
B ICG-Lymphografie mit Injektion im Zwischenzehenraum „Stardust“ und diffuses Verteilungsmuster
des ICG am Unterschenkel.
Wie nun eine immer wieder klinischerseits zu beobachtende Schwellung/Ödemneigung oder
ähnlich beim Lipödem abschließend zu bewerten ist, kann nach dem Kenntnisstand der
aktuellen Literatur unseres Erachtens derzeit noch nicht zufriedenstellend beantwortet
werden. Auch ist zu beachten, dass die Patientenklientel, die sich bei konservativen
und operativ ausgerichteten Ambulanzen vorstellt, durchaus different in der Präsentation
der klinischen Beschwerden sein kann, was unter anderem die rege Diskussion zu den
angeführten „ Mythen des Lipödems“ deutlich macht.
Zusammenfassend ist insbesondere ein kollegialer und interdisziplinärer Konsens auf
Augenhöhe unter Einbeziehung konservativ und operativ ausgerichteter Therapeuten erforderlich.
Neben der Berücksichtigung sämtlicher Komorbiditäten und unter Hinzuziehung von Aspekten
der Psychologie sollte an einer fortwährenden, wertfreien Aufarbeitung des Krankheitsbildes
Lipödem gearbeitet werden, um das Wohl und die bestmögliche Therapie für unsere Patienten
gemäß dem aktuellen Wissensstand zu erreichen.
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